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Die heilige Schrift


Elias

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Würde die Sintflut einfach eine Katastrophe schildern, aus der Gott einige Menschen errettet, andere aber nicht, könnte das eine total wichtige Geschichte werden. Aber so erzählt es die Sintflutgeschichte nicht. Sondern die Sintflutgeschichte führt die Katastrophe auf einen Strafgott zurück.

Sieht man in Gott den Schöpfer allen Seins, kommt das zwangsläufig dabei heraus.

Sieht man den guten, gütigen Vater, passt es natürlich nicht.

 

Ich bin mir nicht sicher, ob ich Dich richtig verstehe.

Aber aus der Schöpfermacht Gottes folgt in keiner Weise die Verurteilung "des" Menschen und seine daraus resultierende Vernichtung. Oder hast Du diese Konsequenz auf die Katastrophen bezogen? (Also: Wenn Katastrophen, dann muss man sich fragen, was sich der Schöpfer dabei gedacht hat, die Welt katastrophengeneigt zu erschaffen)

Genau.

Wenn man glaubt, dass Gott wirklich alles geschaffen hat und für alles verantwortlich ist, dann stellt sich die Frage gar nicht, wer für eine Katastrophe verantwortlich ist, natürlich ist es Gott. Die Frage beschränkt sich dann auf das warum, und die beantwortet sich der Noah-Autor damit, dass Gott eben die Menschheit als Fehlschöpfung ansah, weshalb er sie vernichtete um nochmal von vorn anzufangen.

 

Werner

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...

:) Zumindest machst du e i n e Funktionsweise dieser Texte sehr gut sichtbar: d i e Texte, die mit eigenen Entwicklungsnotwendigkeiten zu tun haben, rühren an und rühren auf, bringen in Bewegung und fordern heraus.

Ob man den Entwicklungsschritt, der anstünde, geht, liegt allerdings in der Verantwortung dessen, den sie so aufwühlen.

(Und falsch verstanden ist es, wenn man meint, die andern müssten dabei etwas lernen!)

ist die funktionsweise hineingelegt und muß nur gefunden werden oder findet die funktionsweise im auge des lesers statt. ich denke letzteres. warum hat dieser text etwas mit entwicklungsnotwendigkeiten zu tun? man kann es rauslesen oder hineindeuten. ich kann es nachdeuten, ich kann mich einer deutung anschließen. aber das hat weniger mit dem text, sondern mehr mit mir zu tun.

So einen Text zu deuten, ist das Eine.

Dazu ist Faktenwissen wichtig: man schaut, in welchem Kontext er steht (worum es davor und danach gegangen ist), man schaut sich die Sprachstruktur an, schaut, wer handelt und spricht und wer nicht, man sucht nach historischen Zusammenhängen, fragt, was der Schreiber wohl bewusst beabsichtig hat usw. Und dann kann man auslegen, versuchen, sprachliche, kulturelle, historische, literarische, ... Barrieren zu beseitigen und zu finden, wovon der Text spricht.

Das ist ein wichtiger Zugang und die Voraussetzung dafür, dass man nicht willkürlich mit dem Text umgeht.

 

Trotzdem ist es nicht das, was so einen Text zu einer "tiefen Quelle" werden lässt, "aus der man trinken" kann.

Das wirklich Kostbare entdeckt man erst, wenn man sich selbst ansprechen lässt und als Angesprochene/r, als Person, mit seinem Wesen, darauf reagiert. Dieses Ansprechen geschieht, indem ein Text in der Tiefe des Hörers/Lesers etwas anrührt, ihn emotional berührt. Etwas lässt staunen, irritiert, alarmiert einen, man ahnt, dass da eine Antwort auf eine Frage sein könnte, die man mit sich trägt, oder etwas stört und ärgert.

Nicht jeder Text berührt einen zu jeder Zeit im Leben. Manches lässt einen unberührt, kalt, bedeutet einem nichts, manche Bilder sagen einem gar nichts - andere wiederum beschäftigen einen über Wochen, Monate oder sogar Jahre.

Das sind dann die, die bei den eigenen inneren Prozessen ein Echo ausgelöst haben, die mit einem selbst wirklich zu tun haben.

Diese Funktionsweise ist den Texten immanent, einfach, weil sie ja von menschlichen Erfahrungen und Entwicklungswegen erzählen und sie ansprechen.

Aber sie funktionieren eben nicht zwingend so - sondern sind darauf angewiesen, dass der Leser in einen Dialog mit ihnen tritt. Sie befragt, von allen Seiten her, sie mit sich trägt, versucht, aus dem unbestimmten Angerührtsein, aus dem dunkel Spüren, "dass da irgendwas Wichtiges drin steckt" bewusstes Wissen über sich und die Dynamik der (eigenen) Psyche werden zu lassen.

bearbeitet von Ennasus
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Dies kann gut sein. Allzu klar hat es ja auch noch niemand beschrieben.

Ich mag niemanden verletzen. Aber ich befürchte, dass sich manche schon dadurch verletzt fühlen, dass ich von einigen Bibelschreibern einen sehr negativen Eindruck habe - sowohl was deren Mentalität, als auch deren literarische Fähigkeit und Bemühung angeht.

ich gehe mit deiner lesart überhaupt nicht konform. bin aber ebensowenig verletzt. ich fühle eher eine verletzung bei dir durch die bibel.

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Das wirklich Kostbare entdeckt man erst, wenn man sich selbst ansprechen lässt und als Angesprochene/r, als Person, mit seinem Wesen, darauf reagiert. Dieses Ansprechen geschieht, indem ein Text in der Tiefe des Hörers/Lesers etwas anrührt, ihn emotional berührt. Etwas lässt staunen, irritiert, alarmiert einen, man ahnt, dass da eine Antwort auf eine Frage sein könnte, die man mit sich trägt, oder etwas stört und ärgert.

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ich denke, der text ist ein spiegel für mich, ein spiegel eigener art. er läßt mich neues sehen, unbekanntes, erschreckendes, befreiendes. er läßt mich sehen im doppelten sinn - ich sehe mich.

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Gast Mactafledis

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Das wirklich Kostbare entdeckt man erst, wenn man sich selbst ansprechen lässt und als Angesprochene/r, als Person, mit seinem Wesen, darauf reagiert. Dieses Ansprechen geschieht, indem ein Text in der Tiefe des Hörers/Lesers etwas anrührt, ihn emotional berührt. Etwas lässt staunen, irritiert, alarmiert einen, man ahnt, dass da eine Antwort auf eine Frage sein könnte, die man mit sich trägt, oder etwas stört und ärgert.

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ich denke, der text ist ein spiegel für mich, ein spiegel eigener art. er läßt mich neues sehen, unbekanntes, erschreckendes, befreiendes. er läßt mich sehen im doppelten sinn - ich sehe mich.

 

Lieber helmut, ich fand für Dich:

 

„…so fasst uns das, was wir nicht fassen konnten,

voller Erscheinung, aus der Ferne an –

und wandelt uns, auch wenn wir’s nicht erreichen,

in jenes, das wir, kaum es ahnend, sind…“

 

(R. M. Rilke)

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Das wirklich Kostbare entdeckt man erst, wenn man sich selbst ansprechen lässt und als Angesprochene/r, als Person, mit seinem Wesen, darauf reagiert. Dieses Ansprechen geschieht, indem ein Text in der Tiefe des Hörers/Lesers etwas anrührt, ihn emotional berührt. Etwas lässt staunen, irritiert, alarmiert einen, man ahnt, dass da eine Antwort auf eine Frage sein könnte, die man mit sich trägt, oder etwas stört und ärgert.

...

ich denke, der text ist ein spiegel für mich, ein spiegel eigener art. er läßt mich neues sehen, unbekanntes, erschreckendes, befreiendes. er läßt mich sehen im doppelten sinn - ich sehe mich.

 

Lieber helmut, ich fand für Dich:

 

„…so fasst uns das, was wir nicht fassen konnten,

voller Erscheinung, aus der Ferne an –

und wandelt uns, auch wenn wir’s nicht erreichen,

in jenes, das wir, kaum es ahnend, sind…“

 

(R. M. Rilke)

 

"ein Zeichen weht, erwidernd unserm Zeichen ..."

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Die Diskussion um Archetypen ist natürlich immer vielfältig.

Hier in diesem Thread und durch Dich scheint sie eher Richtung "einfältig" gelenkt zu werden. :winke:

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Die Diskussion um Archetypen ist natürlich immer vielfältig.

Hier in diesem Thread und durch Dich scheint sie eher Richtung "einfältig" gelenkt zu werden. :winke:

ich halte dich für sehr daneben. :thumbsdown:

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„…so fasst uns das, was wir nicht fassen konnten,

voller Erscheinung, aus der Ferne an –

und wandelt uns, auch wenn wir’s nicht erreichen,

in jenes, das wir, kaum es ahnend, sind…“

 

(R. M. Rilke)

 

:)

Schön!

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„…so fasst uns das, was wir nicht fassen konnten,

voller Erscheinung, aus der Ferne an –

und wandelt uns, auch wenn wir’s nicht erreichen,

in jenes, das wir, kaum es ahnend, sind…“

 

(R. M. Rilke)

 

:)

Schön!

etwas kompletter und noch passender :)

 

„…So faßt uns das, was wir nicht fassen konnten,

voller Erscheinung, aus der Ferne an —

 

und wandelt uns, auch wenn wirs nicht erreichen,

in jenes, das wir, kaum es ahnend, sind;

ein Zeichen weht, erwidernd unserm Zeichen ..."

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Aber m. E. machst du einen entscheidenden Fehler: Wenn du kritisierst, was die Autoren der Bibel da teilweise für einen Mist verbreitet haben, übersiehst du, dass sie eigentlich nur ihre ganz realen Erfahrungen bebildern. Das, was sie versucht haben auszudrücken, ist schrecklich, aber es passiert. Auch heute noch.

Ich werfe ihnen vor, dass sie keineswegs Erfahrungen bebildern, sondern ihre Wertung.

 

Wenn Orleans überflutet wird, dann kann man diese Erfahrung inklusive der sich daraus ergebenden Theodizeeproblematik bebildern. Die Hiobsgeschichte tut so etwas. Und bei der Hiobsgeschichte habe ich auch nichts dagegen, dass Gott dunkel und geheimnisvoll bleibt.

 

Wenn man aber sagt: "Gott straft durch die Überflutung die Menschen wegen der Freudenhäuser!", dann hat man nicht die Erfahrung bebildert, sondern man hat ihn vereinnahmt. Da hat sich ein Mensch, der sich vehement gegen Freudenhäuser und Prostitution wendet, Gott auf seine Seite geholt.

 

Würde die Sintflut einfach eine Katastrophe schildern, aus der Gott einige Menschen errettet, andere aber nicht, könnte das eine total wichtige Geschichte werden. Aber so erzählt es die Sintflutgeschichte nicht. Sondern die Sintflutgeschichte führt die Katastrophe auf einen Strafgott zurück. Und zwar auf einen völlig ungerechten Strafgott, der die gesamte Menschheit und Tierwelt absaufen lässt. Diesen Gott interessiert zwar die Schuld von Menschen - deswegen flutet er ja. Und er dehnt nicht nur die Strafe auf alle aus, sondern auch die Schuld: Alles Fleisch ist verdorben.

Fällt Dir nicht auch auf, dass dieser Satz "alles Fleisch ist verdorben" völlig irre ist? Zumal er das "verdorben" nicht existenziell sieht, sondern moralisch? Verdorben ist man durch die Untaten.

 

6,5 Der Herr sah, dass auf der Erde die Schlechtigkeit des Menschen zunahm und dass alles Sinnen und Trachten seines Herzens immer nur böse war.

 

In der Sintflutgeschichte wird ein völlig wahnsinniger Rachegott beschrieben. Das ist doch ein völlig wahnsinnige Bewertung des Menschen. Allein schon diese Pauschalaussage "immer nur böse".

 

6,7 Der Herr sagte: Ich will den Menschen, den ich erschaffen habe, vom Erdboden vertilgen, mit ihm auch das Vieh, die Kriechtiere und die Vögel des Himmels, denn es reut mich, sie gemacht zu haben.

 

Der Kerl ist in seiner Raserei doch sehr pauschal. Darum habe ich ihn als Monster bezeichnet. In alten James-Bond und Edgar-Wallace Filmen hat man über verrückte Wissenschaftler spekuliert, die die ganze Erde vernichten wollen. Der Gott der Sintflutgeschichte ist nicht besser.

 

Ja, ich muss Dir tatsächlich insofern Recht geben, als dass ich an ein solches Monster, an einen solchen irren Gott nicht glaube.

Ich glaube nicht einmal an einen Zockergott, wie in der Rahmengeschichte der Hiobsgeschichte.

 

Die Sintflutgeschichte wäre schwer zu retten. Alfons meint ja, dass die Sintflutgeschichte uns in Wirklichkeit einen so netten Gott zeigen will, wie Du ihn bei mir vermutest: Ein Gott, der sich letztendlich dann doch als Menschenfreund präsentiert.

 

Wie sieht es mit Dir aus? Glaubst Du tatsächlich an einen Gott, der die ganze Welt verflucht und vernichtet, weil sich ein paar Menschen danebenbenommen haben? Der Orleans flutet, weil es dort viele Freudenhäuser gibt? Mir fällt nicht der geringste Anlass ein, der darauf hindeuten würde, dass Du solch ein Gottesbild hättest.

Ich bin nicht gefragt, glaube aber nicht so. Aber es gibt und gab Menschen, die so glauben. Das hat seinen Weg in die Bibel gefunden. Und da sist auch gut so, denn sonst wäre die Bibel zu einseitig.

Außerdem gibt es ja Situationen, wie New Orleans oder die Philippinen, wo wirklich viel vernichtet wird, ohne "Rücksicht" darauf, ob jemand jetzt "schuldig" oder "unschuldig" war, von Tieren ganz zu schweigen. Das ist eine Lebensrealität, und sie wird in der Noahgeschichte dargestellt.

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In mir geistert seit einigen Tagen wieder Hilde Domins Gedicht "Bitte" herum.

 

Auch wenn die meisten es kennen werden - ich möchte es gern hierher verlinken, weil es auf so wunderschöne Weise zeigt, was die wirklich entscheidende Ebene biblischer Texte ist. Ich hoffe, es ist nicht zu lang, wenn ich es direkt herein stelle.

 

Bitte

 

Wir werden eingetaucht

und mit dem Wasser der Sintflut gewaschen

Wir werden durchnäßt

bis auf die Herzhaut

Der Wunsch nach der Landschaft

diesseits der Tränengrenze

taugt nicht

der Wunsch den Blütenfrühling zu halten

der Wunsch verschont zu bleiben

taugt nicht

Es taugt die Bitte

daß bei Sonnenaufgang die Taube

den Zweig vom Ölbaum bringe

Daß die Frucht so bunt wie die Blume sei

daß noch die Blätter der Rose am Boden

eine leuchtende Krone bilden

Und daß wir aus der Flut

daß wir aus der Löwengrube und dem feurigen Ofen

immer versehrter und immer heiler

stets von neuem

zu uns selbst

entlassen werden.

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