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Wer war Jesus und was wollte er?


Rosmarie

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Long John Silver

 

Die "historische Existenz" von Jesus ist darin ein unentbehrlicher Bestandteil. DAS bedeutet, an die historische Existenz einer Person zu glauben.

Das ist durchaus so. Nur kann der heutige christliche Glaube auch ohne den historischen Jesus existieren. Dann müssen sich eben die Grundlagen ändern. Ja und? Das, was Jesus vertreten hat, war damals nicht so selten vertreten worden. Dass Leute, die damals ihre Botschaften öffentlich verkündigt haben, unter Umständen gekreuzigt wurden, ist ebenfalls bekannt. Sämtliche Sachverhalte, die aus der Zeit Jesu berichtet werden, sind mit allerhöchster Sicherheit geschehen. Und ziemlich bald nach dem Tod Jesu (oder wem auch immer) gibt es eine abgrenzbare christliche Bewegung, die recht bald von den Synagogengemeinden getrennt ist und eine eigene Glaubensrichtung aufbaut.

 

Was ändert sich nun dadurch, dass Jesus unter Umständen keine historische Persönlichkeit war, sondern eine Kunstfigur, entstanden und "verbessert" in Anlehnung an Vorbilder, die damals so ähnlich gewesen sein dürften? Bereits 100 Jahre nach der Kreuzigung?

 

Seltsam, dass sich heute dadurch wieder eine Art Modernismusstreit entwickelt, und noch seltsamer, dass dem Glauben Fernstehende ebenfalls daran teilnehmen.

 

Es war ein Sündenfall der christlichen Kirchen, den theologischen Begriff der Wahrheit naturwissenschaftlich erklären zu wollen. Das hat den Umgang mit den ganzen Mythen, die vermutlich mindestens genauso viel aussagen, wenn man sie nicht naturwissenschaftlich versteht, völlig vergiftet.

 

Allerdings muss man wohl zugeben, dass es einfacher ist, von einer richtigen und falschen Religion zu reden, wenn man zum Zwecke des Beweises der Richtigkeit auf naturwissenschaftliche Systeme (und Beweise) zurückgreifen kann, die auch von Glaubensfernen verstanden werden. Das wäre dann aber der zweite schwere Sündenfall des Christentums.

 

 

Lothar, in diesem Thread staubt's gewaltig. Das ist ein Fall fuer die Atemschutz-Maske, dieses Aufwirbeln alter Kamellen.

 

Das jemand ueberhaupt auf diese eingeht, wuerde ich als Suehneopfer in der Fastenzeit einstufen.

bearbeitet von Long John Silver
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Die "historische Existenz" von Jesus ist darin ein unentbehrlicher Bestandteil. DAS bedeutet, an die historische Existenz einer Person zu glauben.

Das ist durchaus so. Nur kann der heutige christliche Glaube auch ohne den historischen Jesus existieren. Dann müssen sich eben die Grundlagen ändern. Ja und? Das, was Jesus vertreten hat, war damals nicht so selten vertreten worden. Dass Leute, die damals ihre Botschaften öffentlich verkündigt haben, unter Umständen gekreuzigt wurden, ist ebenfalls bekannt. Sämtliche Sachverhalte, die aus der Zeit Jesu berichtet werden, sind mit allerhöchster Sicherheit geschehen. Und ziemlich bald nach dem Tod Jesu (oder wem auch immer) gibt es eine abgrenzbare christliche Bewegung, die recht bald von den Synagogengemeinden getrennt ist und eine eigene Glaubensrichtung aufbaut.

 

Ja, das ist so, aber dafür hätte man keine neue Religion „erfinden“ müssen.

 

Was ändert sich nun dadurch, dass Jesus unter Umständen keine historische Persönlichkeit war, sondern eine Kunstfigur, entstanden und "verbessert" in Anlehnung an Vorbilder, die damals so ähnlich gewesen sein dürften? Bereits 100 Jahre nach der Kreuzigung?

Nun, eine Kunstfigur kann zB. nicht sterben und auferstehen. Und ohne Auferstehung keine Sündenvergebung und „ewiges Leben“. So hat man mir jedenfalls gesagt.

 

Seltsam, dass sich heute dadurch wieder eine Art Modernismusstreit entwickelt, und noch seltsamer, dass dem Glauben Fernstehende ebenfalls daran teilnehmen.

Ich stehe diesem Glauben (und allen anderen) nicht fern, ich bin nichtgläubig. In diese Diskussion bin ich nur geraten, weil es um die Historizität von Personen und um die Nachprüfbarkeit von Wissen im allgemeinen ging.

 

Es war ein Sündenfall der christlichen Kirchen, den theologischen Begriff der Wahrheit naturwissenschaftlich erklären zu wollen. Das hat den Umgang mit den ganzen Mythen, die vermutlich mindestens genauso viel aussagen, wenn man sie nicht naturwissenschaftlich versteht, völlig vergiftet.

Nun sind allerdings meines Wissens die christlichen Kirchen der Ansicht, bei ihrem Glauben handele es sich eben gerade nicht um Mythen.

 

Allerdings muss man wohl zugeben, dass es einfacher ist, von einer richtigen und falschen Religion zu reden, wenn man zum Zwecke des Beweises der Richtigkeit auf naturwissenschaftliche Systeme (und Beweise) zurückgreifen kann, die auch von Glaubensfernen verstanden werden. Das wäre dann aber der zweite schwere Sündenfall des Christentums.

Und genau diese Unterscheidung in „richtige“ und „falsche“ Religionen ist der Kern von Christentum und Islam von Anfang an. Sie haben sich nie als eine Religion unter anderen verstanden, sondern auf ihre Exklusivität gepocht, und tun es im Prinzip bis heute. Das bestimmt auch ihr Verhältnis zu den Wissenschaften, denen man nur die Aufgabe zugesteht, den Glauben zu bestätigen (oder ihm zumindest nicht zu widersprechen) oder die man der Übergriffigkeit bezichtigt auf Bereiche, die wissenschaftlicher Untersuchung nicht zugänglich seien.

 

Wenn Wissenschaften sich dann doch in einem Sinne äußern, die den Kirchen oder ihren Gläubigen nicht behagen, werden sie beschuldigt, nur eine Art „Ersatzglauben“ zu sein. Erst an dieser Stelle habe ich mich eingemischt.

 

Der „Sündenfall“ der aktuellen Religionen besteht aus meiner Sicht darin, daß sie immer noch darauf beharren, beobachtbare Tatsachen in dieser Welt autoritativ erklären zu können, von denen es mittlerweile nachweislich bessere überprüfbare Modelle von Zusammenhängen gibt. Dabei ist es eigentlich egal, ob es sich um so offensichtlich falsche Vorstellungen wie den Kreationismus handelt, oder um weniger offensichtliche Formen des Irrtums, wenn man behauptet, bestimmte Lebensstile seien „naturrechtlich“ falsch oder richtig, die doch einfach nur sozial entstanden sind.

 

Besonders die vielen Christentümer können offenbar nicht auf den Irrtum verzichten, das Wirken ihrer überirdischen Vaterfigur in dieser Welt zu erhoffen und auch zu sehen. So muß ihnen der Naturalismus der modernen Wissenschaften, die mühsam erworbene Erkenntnis, daß die Entwicklung unseres Universums ein blinder, ziel- und zweckloser, aber durchaus strukturierter Prozeß ist, ein Gräuel sein. Und diesem Gräuel wird mal mehr, mal weniger deutlich Ausdruck gegeben.

 

Aber verzichtet wird darauf eigentlich nie, und vielleicht kann das auch nicht anders sein. Wenn Religionen Bedeutung haben wollen für das Leben der Menschen (und welche Religion will das nicht?), dann müssen sie Aussagen machen über eben dieses Leben und die Welt, in der es stattfindet. Diese Aussagen müssen autoritativ sein, sonst geben sie keine Gewißheit, keine Sicherheit. Und aus Sicherheit wird Dogma, und Dogmen veralten. Selbst Mythen sind da kein Ausweg, denn Wissenschaftler sind Mythenjäger. Nichts fordert sie mehr heraus, als scheinbare Gewissheiten.

 

Am Ende sind Religionen Fantasievorstellungen, in denen die „Glaubwürdigkeit“ den Sachbeweis ersetzen soll, früher, weil es solche Sachbeweise nicht gab, heute meistens gegen besseres Wissen (oder zumindest ‚wissen können’), bis zu dem Punkt, an dem man seine Traumgebilde für wirklicher hält als die Wirklichkeit selbst.

 

Nun könnte man sagen, daß sei jedermanns Privatangelegenheit, aber niemand von uns ist eine Insel, und das Handeln eines jeden hat Auswirkungen auf andere (nein, nicht auf alle anderen, aber doch auf viele). Wir können aber nur sachgerecht handeln, im dem Sinne, daß diese Welt ein für möglichst viele angenehmerer Ort wird, wenn wir wissen, nachprüfbar wissen, wie diese Welt beschaffen ist, wie sie „funktioniert“.

 

Diesem Wissen, mühsam genug zu erlangen wie es ist, stehen Illusionen und jede Form von Metaphysik im Wege, weil sie letztlich alle darauf hinaus laufen, entweder Gewissheit schon zu besitzen, oder (ebenso häufig) Wissen gar nicht möglich sei. Zwischen diesen beiden erkenntnistheoretischen Extremen, einem absoluten Wahrheitsanspruch auf der einen und Nominalismus, Solipsismus oder Nihilismus auf der anderen (egal, ob religiös, philosophisch oder ideologisch) taumeln hier viele. Dagegen war es nicht meine Absicht, mich in religiöse Debatten einzumischen, sondern für mehr Realismus und Aufklärung zu plädieren.

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Und, kleiner Nachtrag, liebe nannyogg: daß an diesem Jesus auch nur irgendetwas historisch ist, ist eine reine Glaubenssache. Historisch im Sinne von 'durch Tatsachenbeobachtungen belegt' ist daran nichts.

Das gilt aber für Alexander den Großen, Ramses und Augustus genauso.

 

Nein, das stimmt nicht, und es wird durch Wiederholung auch nicht richtiger. Von Augustus, Alexander und Ramses gibt es Bildnisse, die zu ihren Lebzeiten angefertig wurden, auch Darstellungen aus allen möglichen anderen Quellen, und von den Bauten, die Ramses in Auftrag gegeben hat, steht halb Ägypten voll. Von ihm haben wir sogar seine Mumie. Was kann man von Personen der Geschichte mehr wollen? Alles das gibt es von Jesus nicht, und das weißt du auch. Ich kann also nur mutmaßen, warum du trotzdem so etwas schreibst.

 

Entscheidend ist aber etwas anderes: Wenn sich morgen durch nachprüfbare Tatsachen belegt herausstellen sollte, daß es Alexander von Makedonien nie gegeben hat, dann ist das eben so. Sollten dagegen unbezweifelbare Tatsachenbeobachtungen belegen, daß Jesus eine Kunstfigur ist, können die christlichen Kirchen ihren Laden zuschließen, und die Christgläubigen sich einen anderen Glauben suchen. SO sieht eine Glaubenssache aus! :D

 

 

Also: Du akzeptierst (nur?) Historizität, wenn von Leuten Gebäude und Bilder existieren. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Menschen aus dem Volk (und das war Jesus) keine Chance auf historische Existenz haben? Ebensowenig Philosophen, die nur mündlich gelehrt haben?

 

Aus historischer Sicht sind richtig und falsch keine passenden Kategorien, sondern wahrscheinlich und unwahrscheinlich.

 

Aber es gibt noch einen zweiten Aspekt: Geschichte ist weniger die Geschichter einzelner überragender Figuren sondern mehr von gesamtheitlichen Entwicklungen. Also: Augustus wäre nie Alleinherrscher geworden, wenn die Zeit dafür nicht reif gewesen wäre.

 

Und auch das Christentum ist letztlich ein Resultat einer solchen geschichtlichen Entwicklung. Ob tatsächlich das Christentum als Religion zusammenberechen würde, wenn man Jesus als historische Person eliminiert - ich bezweifle das, einfach weil Organisationen auch ohne ihren Gründungszweck weiterbestehen. Theologisch ist das sicher die Katastrophe, weil sich die gesamte Erlösungstheologie auf ein wirklich reales Geschehen stützt, aber selbst dafür könnte man eine Lösung finden, warum nicht?

Umgekehrt ist aber ein diabolisches Vergnügen daran, Jesus als fast sicher unhistorisch zu bezeichnen, ebenso eine Glaubenssache wie die missionarische Überzeugung, dass es ihn ganz sicher und ganz sicher so wie in der Bibel beschrieben, gegeben hat.

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Ja, das ist so, aber dafür hätte man keine neue Religion erfinden müssen.

Ja und? Natürlich hätte man nicht müssen. Man hätte auch jüdisch bleiben können. Ist man aber nicht. Aus welchen Gründen auch immer. Das Christentum ist auch nicht "erfunden" worden, es hat sich irgendwie entwickelt. Und dann war es da, und irgendwann - spätestens mit der konstantinischen Wende bzw. bei Einführung als Staatsreligion - bestimmte es die Mächtigen. Und damit alle.

 

Nun, eine Kunstfigur kann zB. nicht sterben und auferstehen.

Eine Kunstfigur kann das mindestens so gut wie ein realer Mensch. Da sehe ich nun nicht wirklich einen Unterschied.

 

Und ohne Auferstehung keine Sündenvergebung und ewiges Leben. So hat man mir jedenfalls gesagt.

Und wenn man sich jetzt einig darüber ist, was man alles darunter verstehen kann und soll, dann könnte man dazu eine Aussage treffen. Nachdem es aber so ist, dass wohl unter 100 Christen 110 verschiedene Vorstellungen darüber existieren, von denen sicherlich ein Gutteil nicht lehramtlich approbiert werden könnte, bleibt alles wieder offen.

 

In diese Diskussion bin ich nur geraten, weil es um die Historizität von Personen und um die Nachprüfbarkeit von Wissen im allgemeinen ging.

Ja, OK. Nachdem ich es selber immer etwas verstörend finde, wenn Christen mit der Begründung, das könne aus theologischen Gründen nicht sein, irgendwelche neuere Erkenntnisse ablehnen, kann ich dieser Diskussion allemal nicht so viel abgewinnen. Aus meiner Sicht sind weder die Bibel noch die darauf fußenden Auslegungen ausreichend evident, naturwissenschaftliche Aussagen zu belegen oder zu widerlegen. Das fängt schon bei den wiederkäuenden Hasen (oder Klippschliefern, das ist wurscht) an.

 

Nun sind allerdings meines Wissens die christlichen Kirchen der Ansicht, bei ihrem Glauben handele es sich eben gerade nicht um Mythen.

 

Das ist deren Problem. Die Auslegungen von Pfarrern, die ich aus verschiedenen Predigten kenne, lassen aber durchaus die Annahme zu, dass man mit biblischen Aussagen so umgeht, als wären es Mythen.

 

Der Sündenfall der aktuellen Religionen besteht aus meiner Sicht darin, daß sie immer noch darauf beharren, beobachtbare Tatsachen in dieser Welt autoritativ erklären zu können, von denen es mittlerweile nachweislich bessere überprüfbare Modelle von Zusammenhängen gibt. Dabei ist es eigentlich egal, ob es sich um so offensichtlich falsche Vorstellungen wie den Kreationismus handelt, oder um weniger offensichtliche Formen des Irrtums, wenn man behauptet, bestimmte Lebensstile seien naturrechtlich falsch oder richtig, die doch einfach nur sozial entstanden sind.

Gute Erklärung.

 

Diese Aussagen müssen autoritativ sein, sonst geben sie keine Gewißheit, keine Sicherheit.

Weiß ich nicht. Religion gibt mir keine "Sicherheit". Ich kann mit autoritativen Aussagen christlicher Lehrämter nur im internen Rahmen etwas anfangen, beispielsweise wenn diese gesetzt werden, um einen internen Streit zu schlichten. Autoritative Aussagen wie "der Hase ist ein Wiederkäuer, deswegen darf man ihn essen" geben mir keine Sicherheit. Warum auch? Ist ja falsch... Und wenn mit dem Begriff "Naturrecht" letztlich nur kaschiert wird, dass man selber keine Begründung hat (na ja, zumindest kommt es mir manchmal so vor) - wie soll mir dann das Naturrecht Sicherheit geben?

 

Diesem Wissen, mühsam genug zu erlangen wie es ist, stehen Illusionen und jede Form von Metaphysik im Wege, weil sie letztlich alle darauf hinaus laufen, entweder Gewissheit schon zu besitzen, oder (ebenso häufig) Wissen gar nicht möglich sei.

Wie gesagt - die Religion ist nicht dazu da, naturwissenschaftliche Erkenntnisse zu bringen oder diese gar zu bestätigen. Dafür sind eben die Naturwissenschaften da. Und Kirchengeschichte sollte nach meiner unbedeutenden Meinung nach auch massiv außerhalb der Theologie betrieben werden, nämlich bei den ganz normalen, weltlichen Historikern (wobei ich Historiker durchaus auch für manipulierbar ansehe, wenn sie nicht im engen Korsett eines theologischen Umfelds agieren). Dann gibt es vielleicht öfters mal einen Realitätscheck.

 

sondern für mehr Realismus und Aufklärung zu plädieren.

Das ist nie verkehrt. Aber mangelnde Realitätswahrnehmung gibt es häufig. Nicht nur in christlichen Kreisen.

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Also: Du akzeptierst (nur?) Historizität, wenn von Leuten Gebäude und Bilder existieren. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Menschen aus dem Volk (und das war Jesus) keine Chance auf historische Existenz haben? Ebensowenig Philosophen, die nur mündlich gelehrt haben?

Willst du jetzt aus einem Halbsatz von mir eine Theorie der Geschichtswissenschaft ableiten? Natürlich haben Millionen Menschen gelebt und leben noch, ohne daß wir je historische Belege für sie finden könnten. Der Umkehrschluß ist einfach Unfug. Und auch der Umkehrschluß vom Umkehrschluß: Weil wir von vielen anderen Menschen nichts wissen, die doch gelebt haben, müsse auch ein bestimmter gelebt haben, von dem wir nichts wissen.

 

 

Aus historischer Sicht sind richtig und falsch keine passenden Kategorien, sondern wahrscheinlich und unwahrscheinlich.

Nein, das ist sicher nicht so. Darin unterscheidet sich die Geschichtswissenschaft nicht von anderen Wissenschaften (oder sollte es zumindest nicht): Entweder eine Aussage läßt sich durch Tatsachenbeobachtungen belegen oder nicht. Wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ist etwas für die Wettervorhersage.

 

Aber es gibt noch einen zweiten Aspekt: Geschichte ist weniger die Geschichter einzelner überragender Figuren sondern mehr von gesamtheitlichen Entwicklungen. Also: Augustus wäre nie Alleinherrscher geworden, wenn die Zeit dafür nicht reif gewesen wäre.

Und was heißt das: die Zeit ist reif? Und was war an der Zeit des Augustus anders als bei Gaius Julius vorher und bei Nero hinterher? Nimms mir nicht übel, aber ich halte das für ein Floskel. Nein, soziale Prozesse sind nicht (nicht nur) die Geschichte überragender Figuren. Napoleon wäre kleiner Artillerieoffizier geblieben, wenn die Französische Revolution ihm nicht ungeheure Chancen eröffnet hätte. Aber das sagt uns nichts über die Ursprungsfrage, ob man zeigen kann, daß eine Person historisch existiert hat oder nicht.

 

Und auch das Christentum ist letztlich ein Resultat einer solchen geschichtlichen Entwicklung. Ob tatsächlich das Christentum als Religion zusammenberechen würde, wenn man Jesus als historische Person eliminiert - ich bezweifle das, einfach weil Organisationen auch ohne ihren Gründungszweck weiterbestehen. Theologisch ist das sicher die Katastrophe, weil sich die gesamte Erlösungstheologie auf ein wirklich reales Geschehen stützt, aber selbst dafür könnte man eine Lösung finden, warum nicht?

Du wirst lachen, ich bin ziemlich sicher, daß es die Person Jesus ebensowenig gegeben hat wie King Athur oder Lykurg. Ich vermute, daß genau auf dieser historischen Nichtexistenz der erst schleppende Beginn mit seinen fast endlosen Debatten über die Gestalt des Jesus und der anschließende Erfolg des Christentums beruht, weil in einer fiktiven Person jeder etwas anderes sehen kann, weil nur ein komponierter Charakter einer Bewegung die Möglichkeit gibt, die erfolgreichste Komposition auszuprobieren. Und um den Einwand gleich vorwegzunehmen, ich denke nicht, daß das eine bewußte Konstruktion war. Dazu hat das Ganze viel zu lange gedauert. Aber das ist eben nur meine Vermutung, und, um mein Argument von eben wieder aufzugreifen, ich kann auch keine Wahrscheinlichkeit dafür angeben.

 

Umgekehrt ist aber ein diabolisches Vergnügen daran, Jesus als fast sicher unhistorisch zu bezeichnen, ebenso eine Glaubenssache wie die missionarische Überzeugung, dass es ihn ganz sicher und ganz sicher so wie in der Bibel beschrieben, gegeben hat.

Nein, kein teuflisches Vergnügen. Auch nicht die Behauptung, Jesus sei sicher unhistorisch (du hast es offenbar mit falschen Umkehrschlüssen), sondern einfach nur die sachliche Feststellung, daß es für seine historische Existenz keine Belege gibt. Und dafür kann es unterschiedliche Gründe geben: Entweder weil nichts von ihm überliefert wurde, was bei seiner vorgeblich einfachen Herkunft erklärlich wäre, bei der von den Evangelisten behaupteten öffentlichen Aufmerksamkeit, die er erzeugt haben sollte, aber eben nicht. Oder, weil er eben nicht existiert hat. Solange man nicht wirklich historische Belege findet, ist diese Frage kaum zu entscheiden. Aber eines ist das Ganze für mich jedenfalls nicht: eine Glaubenssache.

 

Aber es kommt noch etwas hinzu. Über diese Person Jesus ist in den letzten fast 2000 Jahren so viel geschrieben und von Menschen geglaubt worden, ist ein solch im wahrsten Sinne des Wortes übermenschliches Bild entstanden, daß es egal ist, ob vor 2 Jahrtausenden ein Mensch dieses Namens über unsere Erde gewandelt ist. Er wäre unter diesem Bild nicht mehr zu erkennen, es sei denn, man hätte eine Zeitmaschine (oder fände ein Video von damals) :lol:

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Über diese Person Jesus ist in den letzten fast 2000 Jahren so viel geschrieben und von Menschen geglaubt worden, ist ein solch im wahrsten Sinne des Wortes übermenschliches Bild entstanden, daß es egal ist, ob vor 2 Jahrtausenden ein Mensch dieses Namens über unsere Erde gewandelt ist.

 

Es ist schon merkwürdig dass eine historisch so wichtige Person wie Jesus seine Lehren nicht niedergeschrieben hat. Was er gesagt haben soll wissen wir nur aus den Aufzeichnungen von Leuten die Jesus z.T. nicht mal selbst kannten.

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Ja, das ist so, aber dafür hätte man keine neue Religion erfinden müssen.

Ja und? Natürlich hätte man nicht müssen. Man hätte auch jüdisch bleiben können. Ist man aber nicht. Aus welchen Gründen auch immer. Das Christentum ist auch nicht "erfunden" worden, es hat sich irgendwie entwickelt. Und dann war es da, und irgendwann - spätestens mit der konstantinischen Wende bzw. bei Einführung als Staatsreligion - bestimmte es die Mächtigen. Und damit alle.

 

Aus welchen Gründen man nicht jüdisch geblieben ist? Die Juden warteten und warten auf den Messias. Da bleibt es nicht aus (und ist in der jüdischen Geschichte auch einige Male passiert), daß einzelne glauben, nun sei er da. Bisher konnten sie sich nie darüber einigen, und so bleiben immer einige zurück, bis auch sie die Hoffnung verloren. Hier war es anders, weil es den Dissidenten in einer besonderen historischen Situation gelang, die Grenzen des Judentums zu verlassen. So wurden aus den ehemaligen jüdischen Außenseitern die neue etablierte Religion, die nun die Juden zu Außenseitern machten. Mit den bekannten Folgen.

 

 

Nun, eine Kunstfigur kann zB. nicht sterben und auferstehen.

Eine Kunstfigur kann das mindestens so gut wie ein realer Mensch. Da sehe ich nun nicht wirklich einen Unterschied.

 

Guter Punkt! Allerdings beruht die Hoffnung der Gläubigen auf Auferstehung nicht unerheblich darauf, daß man Jesus nicht für eine Kunstfigur hält.

 

 

Der Sündenfall der aktuellen Religionen besteht aus meiner Sicht darin, daß sie immer noch darauf beharren, beobachtbare Tatsachen in dieser Welt autoritativ erklären zu können, von denen es mittlerweile nachweislich bessere überprüfbare Modelle von Zusammenhängen gibt. Dabei ist es eigentlich egal, ob es sich um so offensichtlich falsche Vorstellungen wie den Kreationismus handelt, oder um weniger offensichtliche Formen des Irrtums, wenn man behauptet, bestimmte Lebensstile seien naturrechtlich falsch oder richtig, die doch einfach nur sozial entstanden sind.

Gute Erklärung.

 

Diese Aussagen müssen autoritativ sein, sonst geben sie keine Gewißheit, keine Sicherheit.

Weiß ich nicht. Religion gibt mir keine "Sicherheit". Ich kann mit autoritativen Aussagen christlicher Lehrämter nur im internen Rahmen etwas anfangen, beispielsweise wenn diese gesetzt werden, um einen internen Streit zu schlichten.

 

Aber wenn religiöse Aussagen keine Sicherheit, keine Gewissheit geben, wozu dienen sie dann?

 

Wie gesagt - die Religion ist nicht dazu da, naturwissenschaftliche Erkenntnisse zu bringen oder diese gar zu bestätigen. Dafür sind eben die Naturwissenschaften da. Und Kirchengeschichte sollte nach meiner unbedeutenden Meinung nach auch massiv außerhalb der Theologie betrieben werden, nämlich bei den ganz normalen, weltlichen Historikern (wobei ich Historiker durchaus auch für manipulierbar ansehe, wenn sie nicht im engen Korsett eines theologischen Umfelds agieren). Dann gibt es vielleicht öfters mal einen Realitätscheck.

Ja, bisher schreibt jede Historikergeneration ihre Geschichte neu. Das ist so richtig wie ungenau. Harald Lesch sagte in einer seiner Sendungen:

 

"Über 400 Jahre waren Naturwissenschaften 'Inventurwissenschaften'. Es wurde erst einmal festgestellt: was ist denn da? Was gibt es an Einzelteilen? Erst seit kurzen stellen wir fest und untersuchen wir wissenschaftlich, wie Dinge zusammenhängen. Also wir gehen weg von der Substanz, von den Einzelteilen, hin zum Prozeß. Was uns auf einmal interessiert, ist, wie stehen Dinge miteinander in Beziehung."

 

Die Geschichtswissenschaft ist heute noch eine solche Inventurwissenschaft. Sie hat im Laufe der Zeit eine Menge zum Teil auch gut belegter Tatsachenbeobachtungen gesammelt. Woran es mangelt, sind dagegen wissenschaftlich belegte Modelle von Zusammenhängen, die durch Tatsachenbeobachtungen überprüfbar sind. Diese Modelle sind es eigentlich, die sich bisher mangels erprobter innenwissenschaftlicher Theorien mehr an den außenwissenschaftlichen Wertvorstellungen der jeweiligen Historiker und den sozialen Gruppen, denen sie sich jeweils zugehörig fühlen, orientieren. Mit bekannten Folgen für den mangelnden Fortschritt auf diesem Gebiet.

 

 

sondern für mehr Realismus und Aufklärung zu plädieren.

Das ist nie verkehrt. Aber mangelnde Realitätswahrnehmung gibt es häufig. Nicht nur in christlichen Kreisen.

 

Wie wahr!

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Über diese Person Jesus ist in den letzten fast 2000 Jahren so viel geschrieben und von Menschen geglaubt worden, ist ein solch im wahrsten Sinne des Wortes übermenschliches Bild entstanden, daß es egal ist, ob vor 2 Jahrtausenden ein Mensch dieses Namens über unsere Erde gewandelt ist.

 

Es ist schon merkwürdig dass eine historisch so wichtige Person wie Jesus seine Lehren nicht niedergeschrieben hat. Was er gesagt haben soll wissen wir nur aus den Aufzeichnungen von Leuten die Jesus z.T. nicht mal selbst kannten.

 

 

Gar nicht merkwürdig, wenn man sich klar macht, daß die "historische Bedeutung" dieser Person auf Ereignissen beruht, die Jahrhunderte später stattfanden. Auch einer der Gründe, warum man mal darüber nachdenken sollte, was man mit "historischer Bedeutung" eigentlich meint. ;)

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Das gilt aber für Alexander den Großen, Ramses und Augustus genauso.

Jesus historische existenz mal angenommen: was er denn genau gesagt und gemeint hat weiss doch kein schwein. die quellen sind zwar zahlreich aber halt nicht widerspruchsfrei und schon gar nicht über alle zweifel erhaben. beispiel: da wird ein evangelium 30 oder 40 jahre nach dem fall jerusalems geschrieben, wo jesus den fall jerusalems prophezeit. naja....

 

ich lese gerade Shakespeare all's well that ends well (ende gut alles gut?). taschenbuchformat. einleitung seiten 1-50. das stück selber seiten 51-150, also genau 100 seiten. kommentare seiten 151-216. übersetzungen von alt-englisch in neu-englisch seiten 217-228.

 

worauf ich hinaus will: an der historizität shakespeares bestehen keine zweifel. auch dass das stück von ihm ist nicht. es wurde nicht von mund zu mund weitergegeben, sondern nach fertigstellung aufgeführt (dazu müssen wohl abschriften bestanden haben) und spätestens 20 jahre später ins First Folio aufgenommen (mw ist das First Folio die zuverlässigste quelle zu Shakespeares werken). trotzdem braucht es 60 seiten kommentare, um auf unstimmigkeiten und unsicherheiten hinzuweisen, praktisch in jeder zeile. das geht von druckfehlern über verdächtigungen dass der drucker oder sonst jemand am text herumgepfuscht hat bis hin zu interpretationsfragen von ausdrücken (zb taking up konnte harmlos gemeint sein, wie etwas auflesen [picking up], aber auch sehr feindlich taking up arms against.... ja wie hat S. das nun wohl gemeint als er seinen charakter ausrufen lässt yet art thou good for nothing but taking up, and that thou art scarce worth.) soldat oder zimmerputzer? ;)

 

und da geht es um englisch, nicht um übersetzungen in eine andere sprache, in ein anderes zeitalter, in einen anderen kulturraum. man appliziere solche schwierigkeiten nun auf die bibel. man sei sich im klaren darüber dass ein moral-stiftendes buch schon etwas konkreter sein muss als eine tragik-komödie. man ziehe die schlussfolgerungen. für mich abgehakt.

 

Aber sowohl die Bibel als auch die Werke Shakespeares werden auch anders gelesen, unter anderen Aspekten.

Und es gibt ja genügend Menschen, die die Bibel "auseinandernehmen".Es ist ja auch nciht so, dass diese kritische Betrachtungsweise an Gläubigen ganz vorübergeht und es gibt hier einige Foranten, de diese Herangehensweise kennen , und sicher auch einige, die es selbst können.

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Diese Aussagen müssen autoritativ sein, sonst geben sie keine Gewißheit, keine Sicherheit.

Weiß ich nicht. Religion gibt mir keine "Sicherheit". Ich kann mit autoritativen Aussagen christlicher Lehrämter nur im internen Rahmen etwas anfangen, beispielsweise wenn diese gesetzt werden, um einen internen Streit zu schlichten.

 

Aber wenn religiöse Aussagen keine Sicherheit, keine Gewissheit geben, wozu dienen sie dann?

Sie dienen zur Reflexion, Erbauung, Anregung und kultureller Bereicherung. Je nach religiöser Erfahrung können sie auch Sicherheit vermitteln, aber die ergibt sich eher aus vorangegangenen positiven Erfahrungen (=Vertrauenswürdigkeit) als aus der Aussage selbst.

bearbeitet von Merkur
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Aber wenn religiöse Aussagen keine Sicherheit, keine Gewissheit geben, wozu dienen sie dann?

Sie dienen zur Reflexion, Erbauung, Anregung und kultureller Bereicherung. Je nach religiöser Erfahrung können sie auch Sicherheit vermitteln, aber die ergibt sich eher aus vorangegangenen positiven Erfahrungen (=Vertrauenswürdigkeit) als aus der Aussage selbst.

 

Das hört sich sehr "kulturell", sehr nichtreligiös, sehr säkularisiert an. Ich zB. finde kulturelle Bereicherung, Anregung, Erbauung und Reflektion in den Gedanken und Werken anderer Menschen, aber nichts davon bringt mich auch nur in die Nähe von Religion, und ich denke, da bin ich keine Ausnahme.

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Sie dienen zur Reflexion, Erbauung, Anregung und kultureller Bereicherung. Je nach religiöser Erfahrung können sie auch Sicherheit vermitteln, aber die ergibt sich eher aus vorangegangenen positiven Erfahrungen (=Vertrauenswürdigkeit) als aus der Aussage selbst.

 

Das hört sich sehr "kulturell", sehr nichtreligiös, sehr säkularisiert an. Ich zB. finde kulturelle Bereicherung, Anregung, Erbauung und Reflektion in den Gedanken und Werken anderer Menschen, aber nichts davon bringt mich auch nur in die Nähe von Religion, und ich denke, da bin ich keine Ausnahme.

 

Warum nichtreligiös? In diesen Bereichen liegt mMn gerade die Kernkompetenz der Religionen. Die von Religionskritikern gerne ins Visier genommene Vorstellung von Religion als eine Art Alternative zur Wissenschaft mag es geben, hat aber mit der überwiegenden Form von gelebter Religiosität nicht viel zu tun.

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Sie dienen zur Reflexion, Erbauung, Anregung und kultureller Bereicherung. Je nach religiöser Erfahrung können sie auch Sicherheit vermitteln, aber die ergibt sich eher aus vorangegangenen positiven Erfahrungen (=Vertrauenswürdigkeit) als aus der Aussage selbst.

 

Das hört sich sehr "kulturell", sehr nichtreligiös, sehr säkularisiert an. Ich zB. finde kulturelle Bereicherung, Anregung, Erbauung und Reflektion in den Gedanken und Werken anderer Menschen, aber nichts davon bringt mich auch nur in die Nähe von Religion, und ich denke, da bin ich keine Ausnahme.

 

Warum nichtreligiös? In diesen Bereichen liegt mMn gerade die Kernkompetenz der Religionen. Die von Religionskritikern gerne ins Visier genommene Vorstellung von Religion als eine Art Alternative zur Wissenschaft mag es geben, hat aber mit der überwiegenden Form von gelebter Religiosität nicht viel zu tun.

 

 

Du erlebst das wohl so, aber von außen werden Religion und Kirchen so nicht gesehen. Es wird sicherlich nicht als ihre Kernkompetenz wahrgenommen, und schon gar nicht als Alleinstellungsmerkmal. Frage irgendjemand auf der Straße, was ihm zu den von dir genannten Stichworten einfällt. Ich denke, du wirst alle möglichen Antworten bekommen. Die örtliche Kirche ist vermutlich nicht darunter. Es mag die überwiegende Form von gelebter Religiosität sein. Das kann ich nicht beurteilen. Ob es deinen Bischof glücklich macht, wenn es das ist, was seine Schäfchen hauptsächlich in "seiner" Kirche finden, wage ich zu bezweifeln. Aber ich ahne schon, was du antworten wirst: die Gläubigen sind nicht dazu da, ihren Bischof glücklich zu machen. ;)

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Ob es deinen Bischof glücklich macht, wenn es das ist, was seine Schäfchen hauptsächlich in "seiner" Kirche finden, wage ich zu bezweifeln. Aber ich ahne schon, was du antworten wirst: die Gläubigen sind nicht dazu da, ihren Bischof glücklich zu machen. ;)

 

Darf ich fragen, welchen Anspruch ein Bischof deiner Meinung nach an seine Gläubigen hat?

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Ob es deinen Bischof glücklich macht, wenn es das ist, was seine Schäfchen hauptsächlich in "seiner" Kirche finden, wage ich zu bezweifeln. Aber ich ahne schon, was du antworten wirst: die Gläubigen sind nicht dazu da, ihren Bischof glücklich zu machen. ;)

 

Darf ich fragen, welchen Anspruch ein Bischof deiner Meinung nach an seine Gläubigen hat?

 

 

Fragen darfst du natürlich, nur wüßte ich nicht, welche Bedeutung meine Antwort hätte. :) Aber zurück zu deinem Punkt, daß Religion wesentlich ein kulturelle Veranstaltung sei. Mein Punkt ist, daß sie da nur ein Anbieter von vielen ist, und dazu ein Anbieter, der vielen, auch mir, nichts mehr sagt.

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Fragen darfst du natürlich, nur wüßte ich nicht, welche Bedeutung meine Antwort hätte.

Och, die hat schon eine Bedeutung. Dann würden wir verstehen, warum Du meinst, dass ein - aus Deiner Sicht - eher "kulturelles" Christentum unsere Bischöfe nicht glücklich machen würde.

 

Also ich kenne meinen Bischof persönlich (was aufgrund der Kleinheit unseres Bistums und der begrenzten Zahl an Ehrenamtlern eher der Normalfall als die Ausnahme ist), und der hat mich nie gefragt, warum ich mich in der Kirchengemeinde engagiere, obwohl ich denke, dass er ahnt - wenn nicht sogar weiß (unter Umständen habe ich es ihm mal erzählt), dass man mich nicht wirklich mit der Bezeichnung "atheistischer Altkatholik" beleidigen könnte.

 

Nein, ganz im Ernst: Religion und Kirche sind IMO dazu da, die Menschen glücklich zu machen. Wenn das klappt - egal, ob kulturell oder strenggläubig - dann ist ein klein wenig Reich Gottes angebrochen - was das nun auch immer sei. "Christlich" gesprochen.

 

Wenn Dich der Weg dazu nicht über christliche Religionen führt - auch gut. Dann hast Du einen anderen Weg gefunden. Es steht ja auch irgendwo in der Bibel, dass die zu Gott kommen sollen, die mühselig und beladen sind.

 

Ich kann Dir jedenfalls ziemlich authentisch versichern, dass man durchaus auch "kultureller Christ" sein kann, ohne sich der Frage stellen zu müssen, ob die Bibel ein authentisches Geschichtsbuch ist oder nicht. Und ohne sich der Frage stellen zu müssen, ob Gott existiert oder nicht. Letzteres wäre mir auch zu aufwändig - dann müsste ich ja erst einmal definieren, was Gott überhaupt für mich ist. Dabei hatte ich bisher jedenfalls keinen Erfolg.

 

Ich habe gehört (kann es allerdings nicht bestätigen), dass relativ viele Leute, die an den Ritualen der Ásatrú in Island teilnehmen, gleichzeitig weiterhin Kontakte in die isländische Staatskirche haben oder sogar dort Mitglied sind (Parallelmitgliedschaften gibt es allerdings nicht, von Staats wegen). Die jetzige Bischöfin der isländischen Kirche hat auch die von ihren Vorgängern betriebene Apologetik gegen Ásatrú nicht mehr weitergeführt.

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Der Tod war die unausweichliche Konsequenz seiner Predigten und seines Lebens.

Wenn ich das bis zum Ende durchdenke, dann wird aber zumindest bei mir der Glaubensaspekt recht flach. Beim Tod Jesu. Dann komme ich zum Schluss, dass Jesus schlicht das Opfer einer Diktatur wurde, die ihn offenbar - zu Recht oder auch nicht - als unter Umständen gefährlichen Aufwiegler (Zeloten bzw. Sikarier - siehe auch eine mögliche Interpretation des Namens Judas Iskariot) einstufte und hinrichten ließ.

 

Dann bleibt mir nur noch, diesen recht weltlichen und damals vermutlich nicht seltenen Vorgang irgendwie zu interpretieren und mich auf die verschiedenen Auferstehungs-Interpretationen (samt Überlegungen darüber, was nun die Auferstehung eigentlich gewesen sein mag) glaubensmäßig einzulassen.

 

Ich weiß nicht. Finde ich weniger anspruchsvoll, eher ein wenig, na ja, basic (sorry, finde kein besseres Wort, "banal" klingt irgendwie noch unpassender)...

 

Sicher ist das in gewisser Weise "banal". Das Besondere am Kreuzestod Jesu ist auch nicht, daß es nicht hunderttausende im Laufe der Menschengeschichte gab, die ein ähnliches Schicksal erlitten sondern WER hier WOFÜR gemordet wurde. Daß Gott selbst am Kreuz starb (ich habe mit Chryso im Mom. einen schwelenden Disput wie die hypostatische Union der göttlichen und der menschlichen Natur beschaffen sein könnte - ein Aspekt ist sicherlich wer/was da am Kreuz letztlich starb) um nichts weniger als der Erlösung der Welt Willen. Aber Gott wurde nunmal Mensch und erlitt ein "normales" menschliches Schicksal. Das ist meiner Meinung nach der eigentliche Glaubensakt.

 

In der Taufe werden wir immer noch mit Christus begraben und stehen mit ihm wieder auf - nicht umsonst hat das Konzil von Nicäa verfügt, daß bei der Feier der Auferstehung (d.h. eigentlich niemals Sonntags und während der Osterzeit auch nicht an allen anderen Tagen) im Knien gebetet werden soll, sondern im Stehen.

bearbeitet von Flo77
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Theologisch ist das sicher die Katastrophe

 

 

nö.

 

dann werfe ich einfach noch ein paar Bücher mehr in den Papier-Müll.

bearbeitet von Petrus
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Das Besondere am Kreuzestod Jesu ist auch nicht, daß es nicht hunderttausende im Laufe der Menschengeschichte gab, die ein ähnliches Schicksal erlitten sondern WER hier WOFÜR gemordet wurde.

Wer: Gott-Sohn

Wofür: Dafür, dass der allmächtige Gott-Vater den Menschen bei der Schöpfung exakt so geschöpft hat, wie er ihn hat schöpfen wollen.

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Also: Du akzeptierst (nur?) Historizität, wenn von Leuten Gebäude und Bilder existieren. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Menschen aus dem Volk (und das war Jesus) keine Chance auf historische Existenz haben? Ebensowenig Philosophen, die nur mündlich gelehrt haben?

Willst du jetzt aus einem Halbsatz von mir eine Theorie der Geschichtswissenschaft ableiten? Natürlich haben Millionen Menschen gelebt und leben noch, ohne daß wir je historische Belege für sie finden könnten. Der Umkehrschluß ist einfach Unfug. Und auch der Umkehrschluß vom Umkehrschluß: Weil wir von vielen anderen Menschen nichts wissen, die doch gelebt haben, müsse auch ein bestimmter gelebt haben, von dem wir nichts wissen.

 

 

Aus historischer Sicht sind richtig und falsch keine passenden Kategorien, sondern wahrscheinlich und unwahrscheinlich.

Nein, das ist sicher nicht so. Darin unterscheidet sich die Geschichtswissenschaft nicht von anderen Wissenschaften (oder sollte es zumindest nicht): Entweder eine Aussage läßt sich durch Tatsachenbeobachtungen belegen oder nicht. Wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ist etwas für die Wettervorhersage.

 

Aber es gibt noch einen zweiten Aspekt: Geschichte ist weniger die Geschichter einzelner überragender Figuren sondern mehr von gesamtheitlichen Entwicklungen. Also: Augustus wäre nie Alleinherrscher geworden, wenn die Zeit dafür nicht reif gewesen wäre.

Und was heißt das: die Zeit ist reif? Und was war an der Zeit des Augustus anders als bei Gaius Julius vorher und bei Nero hinterher? Nimms mir nicht übel, aber ich halte das für ein Floskel. Nein, soziale Prozesse sind nicht (nicht nur) die Geschichte überragender Figuren. Napoleon wäre kleiner Artillerieoffizier geblieben, wenn die Französische Revolution ihm nicht ungeheure Chancen eröffnet hätte. Aber das sagt uns nichts über die Ursprungsfrage, ob man zeigen kann, daß eine Person historisch existiert hat oder nicht.

 

Und auch das Christentum ist letztlich ein Resultat einer solchen geschichtlichen Entwicklung. Ob tatsächlich das Christentum als Religion zusammenberechen würde, wenn man Jesus als historische Person eliminiert - ich bezweifle das, einfach weil Organisationen auch ohne ihren Gründungszweck weiterbestehen. Theologisch ist das sicher die Katastrophe, weil sich die gesamte Erlösungstheologie auf ein wirklich reales Geschehen stützt, aber selbst dafür könnte man eine Lösung finden, warum nicht?

Du wirst lachen, ich bin ziemlich sicher, daß es die Person Jesus ebensowenig gegeben hat wie King Athur oder Lykurg. Ich vermute, daß genau auf dieser historischen Nichtexistenz der erst schleppende Beginn mit seinen fast endlosen Debatten über die Gestalt des Jesus und der anschließende Erfolg des Christentums beruht, weil in einer fiktiven Person jeder etwas anderes sehen kann, weil nur ein komponierter Charakter einer Bewegung die Möglichkeit gibt, die erfolgreichste Komposition auszuprobieren. Und um den Einwand gleich vorwegzunehmen, ich denke nicht, daß das eine bewußte Konstruktion war. Dazu hat das Ganze viel zu lange gedauert. Aber das ist eben nur meine Vermutung, und, um mein Argument von eben wieder aufzugreifen, ich kann auch keine Wahrscheinlichkeit dafür angeben.

 

Umgekehrt ist aber ein diabolisches Vergnügen daran, Jesus als fast sicher unhistorisch zu bezeichnen, ebenso eine Glaubenssache wie die missionarische Überzeugung, dass es ihn ganz sicher und ganz sicher so wie in der Bibel beschrieben, gegeben hat.

Nein, kein teuflisches Vergnügen. Auch nicht die Behauptung, Jesus sei sicher unhistorisch (du hast es offenbar mit falschen Umkehrschlüssen), sondern einfach nur die sachliche Feststellung, daß es für seine historische Existenz keine Belege gibt. Und dafür kann es unterschiedliche Gründe geben: Entweder weil nichts von ihm überliefert wurde, was bei seiner vorgeblich einfachen Herkunft erklärlich wäre, bei der von den Evangelisten behaupteten öffentlichen Aufmerksamkeit, die er erzeugt haben sollte, aber eben nicht. Oder, weil er eben nicht existiert hat. Solange man nicht wirklich historische Belege findet, ist diese Frage kaum zu entscheiden. Aber eines ist das Ganze für mich jedenfalls nicht: eine Glaubenssache.

 

Aber es kommt noch etwas hinzu. Über diese Person Jesus ist in den letzten fast 2000 Jahren so viel geschrieben und von Menschen geglaubt worden, ist ein solch im wahrsten Sinne des Wortes übermenschliches Bild entstanden, daß es egal ist, ob vor 2 Jahrtausenden ein Mensch dieses Namens über unsere Erde gewandelt ist. Er wäre unter diesem Bild nicht mehr zu erkennen, es sei denn, man hätte eine Zeitmaschine (oder fände ein Video von damals) :lol:

 

Ich habe den Eindruck, man kann Deine These relativ kurz zusammenfassen: Du hältst die Evangelien für ein Stück Literatur ohne jeden Realitätsbezug zu einer Person namens Jesus. Und so lange es kein Autograph, Standbild oder sonst irgendetwas von Jesus gibt, ist er für Dich fiktiv.

 

Na dann: worüber sollten wir noch diskutieren?

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Aber wenn religiöse Aussagen keine Sicherheit, keine Gewissheit geben, wozu dienen sie dann?

 

 

 

 

mir als Vorbild, und als Ansporn.

 

Peter.

bearbeitet von Petrus
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Es ist schon merkwürdig dass eine historisch so wichtige Person wie Jesus seine Lehren nicht niedergeschrieben hat. Was er gesagt haben soll wissen wir nur aus den Aufzeichnungen von Leuten die Jesus z.T. nicht mal selbst kannten.

Das soll kein Vergleich zwischen Jesus und Sokrates sein, aber auch der hat seine Lehren nicht niedergeschrieben. Seeehr merkwürdig.

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Ich habe den Eindruck, man kann Deine These relativ kurz zusammenfassen: Du hältst die Evangelien für ein Stück Literatur ohne jeden Realitätsbezug zu einer Person namens Jesus. Und so lange es kein Autograph, Standbild oder sonst irgendetwas von Jesus gibt, ist er für Dich fiktiv.

Die Evangelien sind Glaubenspropaganda, geschrieben, um für ihren Glauben zu werben. Sie geben sich nicht einmal den Anschein, eine reale Geschichte zu erzählen. Ich denke, daran kann es keinen Zweifel geben. Sie sind eine Auswahl aus einer größeren Menge von Erbauungsliteratur, die in der Frühzeit des Christentums entstanden ist, und die es nach einem Auswahlverfahren, das wir heute nicht mehr rekonstruieren können und das vor allem den Charakter eines Richtungsstreites hatte, in den Kanon dessen geschafft haben, den man NT nennt.

 

Schon das NT hat erkennbar nur noch zum Teil etwas mit der Person Jesus zu tun, und das Christentum, das sich ja erst in vielen Jahrhunderten konstutuiert hat, noch viel weniger. Insofern ist die historische Person Jesus, wenn sie denn existiert haben sollte, nur ein Teil der Entwicklung dieser Religion, und unter all dem, was ihr in den folgenden Jahrhunderten zugeschrieben wurde, nicht mehr zu erkennen. Das alles sind Tatsachen vollkommen unabhängig von der Frage der Historizität einer einzelnen Person. Der Namensgeber des Christentums, Christus, ist sowieso keine historische Figur, wie immer man sonst darüber denkt.

 

Na dann: worüber sollten wir noch diskutieren?

Nun, mich als Historiker und Soziologe interessiert der soziale Prozeß der Entwicklung und des Aufstiegs des Christentums als historische Tatsache, jenseits aller religiösen Legenden und Mythen. Es gibt einige soziale Prozesse, die eng mit einzelen Personen verbunden sind, oder es vorgeben. Es ist spannend, was aus solchen Personen in den Vorstellungen der Nachgeborenen wird. Lykurg, den legendären Staatsgründer Spartas habe ich ja schon erwähnt. Das beschreibt vielleicht ein bißchen mein Interesse. Deines mag ein anderes sein.

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