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Die "beiden" röm.-kath. Kirchen


rorro

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Hallo zusammen,

 

ich möchte gerne über das sprechen, was Werner "nebenan" geschrieben hatte: https://www.mykath.de/topic/34320-ich-war-eine-nonne-eine-klarissin/?do=findComment&comment=2217384

 

Worüber Xamanoth hier stolpert, ist der Umastand, dass es zwei römisch-katholische Kirchen gibt. Dieser Umstand ist auch den meisten Katholiken nicht bekannt oder zumindest nicht bewusst, weshalb man da auch selten von jemandem darauf hingewiesen wird.

Die eine ist die, ich nennen sie mal Buchkirche. Diese besteht aus Vorschriften, Paragrafen, Verordnungen, Dogmen etc., deren meiste nur dem kundigen Fachmann bekannt sind, bzw. wenigen Laien, die aus einer Laune heraus sich mit der Thematik befassen (Studiosus ist so einer).

Die zweite Kirche ist die, ich nenne sie mal Glaubenskirche. Das ist die Kirche der vielen sogenannten "praktizierenden Katholiken". Diese besteht aus persönlichem Glauben, meist gepaart mit einem Schß Mystik und garniert mit einer Reihe von religiösen Praktiken.

Die beiden Kirchen existieren relativ unabhängig nebeneinander her, obwohl es natürlich Verbindungen gibt, so kritisiert die Buchkirche immer wieder lautstark, dass sich die Glaubenskirche nicht streng genug an die Gesetze zur Sexualmoral hält, aber in den allermeisten Fällen behelligen sich die beiden Kirchen gegenseitig nicht.

Bei Konvertiten kann es nun passieren (und tut es wohl auch oft), dass sie an die Buchkirche herangeführt werden. Das führt dann zu großen Irritationen, wenn sie feststellen, dass ihre Mitgläubigen zum allergrößten Teil der Glaubenskirche angehören, von deren Existenz ihnen keiner etwas gesagt hat, weshalb sie sie dann für schlechte Gläubige halten.

Und auch Xamanoth ist offenbar diesem Irrtum aufgesessen.

 

Werner

 

Mir geht es jetzt nicht darum zu diskutieren, ob diese phänotypische Beschreibung zu 100% korrekt ist oder ob man das "gut" findet oder so etwas.

 

Im großen und ganzen, so denke ich, ist das eine zutreffende Zustandsbeschreibung zumindest hierzulande (BRD).

 

Mir geht es um das Verhältnis dieser "beiden Kirchen" zueinander. Befruchten sie sich? Stehen sie sich feindlich gegenüber? Brauchen sie sich? Schaden sie sich gegenseitig? Werner schreibt, sie behelligen sich kaum - das sehe ich auch so, aber was folgt daraus? Ist das gut so?

 

Als "Starter" möchte ich mal meine Position kundtun: ich denke, daß sich beide brauchen - und zwar existentiell. Eine zu rigoristische "Buch"kirche läuft Gefahr Gnade, Barmherzigkeit und generell das Handeln Gottes zu reglementieren (bzw. behauptet es zu können), eine zu bequeme "Glaubens"kirche läuft dagegen Gefahr, den eigenen Verständnishorizont und die eigenen Vorlieben für das Maß aller Dinge zu halten und die Offenbarung zu verniedlichen.

 

Nach meinem Empfinden sind die "beiden Kirchen" derzeit sehr weit voneinander entfernt - und das tut beiden nicht gut. Zahlenmäßig ist die "Glaubens"kirche (noch?) viel größer, aber droht zu verschwinden, weil sie nahezu ganz ohne "Buch"kirche keine intellektuell redliche Rechtfertigung mehr für ihre Existenz jenseits der Erfüllung von religiösen Wohlfühlbedürfnissen liefern kann. Das erkennt man auch am kaum vorhandenen Impetus der "Glaubens"kirche, missionarisch tätig zu sein.

Zahlenmäßiges Wachstum gibt es derzeit nur dort, wo die "Glaubens"kirche und die "Buch"kirche keine "a-priori-Antipathie" mehr gegeneinander empfinden und wo sie sich selbst nicht absolut setzen.

 

Wie seht ihr das?

bearbeitet von rorro
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Und um das Ganze nicht nur soziologisch zu betrachten, sondern auch mit Gott im Spiel, hier ein Zitat eines orthodoxen Metropoliten aus den 60ern:

 

Zitat

Ohne den Geist,
ist Gott weit entfernt,
bleibt Christus in der Vergangenheit,
ist das Evangelium toter Buchstabe,
die Kirche ein einfache Organisation,
wäre die Autorität Herrschaft,
die Mission Propaganda,
der Kult Beschwörung,
und das christliche Handeln eine Sklavenmoral.

 

Doch mit der Gegenwart des Geistes,
wird der Kosmos erhoben und stöhnt in den Geburtswehen des Reiches Gottes,
ist der auferstandene Christus gegenwärtig,
ist das Evangelium eine lebendige Kraft,
bedeutet die Kirche trinitarische Gemeinschaft,
ist die Autorität Dienst der Befreiung,
ist die Mission ein Pfingsten,
ist die Liturgie Erinnerung und Vorwegnahme,
ist das Handeln des Menschen vergöttlicht.

 

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Wie definiert sich, welche Voraussetzung eine Glaubensvorstellung erfüllen muss um vertretbarerweise als katholisch gelten zu können?

 

Nach meinem Verständnis allein durch Lehramt und akademische Theologie.

 

Wer in der "Glaubenskirche" davon abweicht, vertritt im besten Fall eine unbedeutende Privatmeinung, im schlimmsten Fall eine Häresie.

 

Ich versuche seit Jahren festzustellen, ob ich katholisch werden soll, aber ich habe bisher noch zu viele offene Fragen. Ich bin mir aber sicher, das ich Antworten nur in Büchern mit wissenschaftlichem Anspruch finden kann, nicht im Gespräch mit bestenfalls Halbgebildeten Laien. 

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Für Dich individuell kann ich nur sagen, daß die Kirche von außen immer anders ist als von innen. Ich vergleiche sie gerne mit einer Tropfsteinhöhle. Sie erscheint von außen oft häßlich bis unscheinbar, schwer zugänglich und kompliziert - doch ist man erst einmal drin, eröffnet sich eine unglaubliche Schönheit und Weite.

 

Kurz: was hält Dich ab? Mach es!

 

(Und Fragen kannst Du mir gerne per PN stellen, auch wenn ich zu den "bestensfalls halbgebildeten Laien" gehöre - Versuch macht kluch)

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Was mich abhält ist dass mir eine vertretbare Antwort auf folgende Fragen fehlt:

- Was ist ein "Gott" und wie wechselwirkt er mit dem Universum?

- Was ist "Christus" und wie ist sein Verhältnis zu Gott?

- Was ist ein "heiliger Geist"?

- Wad ist eine "Euchrastie"?

- Wie ist eine Jenseitshofcnung begründbar, wenn alles Sein physisch determiniert ist?

- ich lebe polygam und bi. Wieso ist das falsch?

 

Das nur für den Anfang.

 

 

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vor 4 Stunden schrieb Xamanoth:

- Was ist ein "Gott" und wie wechselwirkt er mit dem Universum?

- Was ist "Christus" und wie ist sein Verhältnis zu Gott?

- Was ist ein "heiliger Geist"?

- Wad ist eine "Euchrastie"?

- Wie ist eine Jenseitshofcnung begründbar, wenn alles Sein physisch determiniert ist?

- ich lebe polygam und bi. Wieso ist das falsch?

 

 

Auf jede dieser Fragen - die "Jenseitsforschung" vielleicht ausgenommen, weil man erst klären müsste, was der Fragende konkret darunter versteht - gäbe es recht unzweideutige katholische Antworten. Abgesichert durch Schrift, Lehramt und Tradition. 

 

Da ich allerdings, wie mir der Eröffnungsbeitrag wieder einmal klar macht, ein Exponent der langweiligeren und unbarmherzigeren der "beiden" Kirchen bin, halte ich mich aus dem Funkverkehr heraus und lasse anderen den Vortritt, sich etwas dazu einfallen zu lassen.

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

 

bearbeitet von Studiosus
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Im Übrigen muss ich mich doch über den Versuch, hier für eine Konversion zur katholischen Kirche zu werben, sehr wundern.  Dies will mir nicht recht zu einer Kirche passen, deren aktuelles Oberhaupt die Mission als "Proselytenmacherei" verschmäht. 

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

bearbeitet von Studiosus
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7 hours ago, rorro said:

Zahlenmäßig ist die "Glaubens"kirche (noch?) viel größer, aber droht zu verschwinden, weil sie nahezu ganz ohne "Buch"kirche keine intellektuell redliche Rechtfertigung mehr für ihre Existenz jenseits der Erfüllung von religiösen Wohlfühlbedürfnissen liefern kann.

Anscheinend hat Studiosus diesen Satz nicht gelesen, sonst hätte er nicht die Antwort mit "langweiligeren und unbarmherzigeren ..." geschrieben.

 

7 hours ago, rorro said:

Das erkennt man auch am kaum vorhandenen Impetus der "Glaubens"kirche, missionarisch tätig zu sein.

Mission wird immer schwieriger.  Die Form der Mission, die in 16ten bis 19ten Jahrhundert in der dritten Welt vorgenommen wurde, und ihr Vorläufer der Judenmission in Spanien, ist heutzutage verpönt, wegen allgemeinen Menschenrechten, und dem Mangel an weltlicher Gewalt innerhalb der Kirche: "Entweder nimmst Du unsere Glauben an, oder wir schlagen Dich tot."  So geht es nicht mehr, und das ist auch gut so.  Mission unter Juden findet sowieso nicht mehr statt, weil die beinahe zwei Jahrtausenden Antisemitismus des Christentums zwischen 33 und 45 sich so blamiert haben, dass es moralisch nicht mehr vertretbar ist, einem der wenigen Überlebenden seine Religion wegzunehmen.  Und Leute zu finden, die von Religion keine Ahnung haben, und ihnen die katholische Religion erklären (vor allem die "Buchkirche") wird kaum funktionieren, weil erstens haben die meisten Leute ihre Weltanschauung gefunden und kennen die Alternativen, und zweitens ist die Buchkirche nicht besonders attraktiv.

 

 

7 hours ago, rorro said:

Zahlenmäßiges Wachstum gibt es derzeit nur dort, wo die "Glaubens"kirche und die "Buch"kirche keine "a-priori-Antipathie" mehr gegeneinander empfinden und wo sie sich selbst nicht absolut setzen.

Wo findet den noch zahlenmäßiges Wachstum der katholischen Kirche statt?  Ich kenne mich z.B. in Brasilien und den USA gut aus, und dort schrumpft die Kirche auch schnell.  In Brasilien wachsen die evangelikalen Gruppen und Pfingstkirchen wie verrückt; das liegt daran, dass sie gar nicht versuchen, eine "Buchkirche" zu haben, sondern vor allem Gemeindearbeit machen (auch viel tatkräftige Hilfe für die Armen und Unterdrückten, die dann ihren Gruppen zuströmen), und immer viel "schöne" Gottesdienste (mit viel Musik, Tanz, das macht angeblich noch richtig Spass da).  In den USA ist glaube ich die einzige christliche Kirche, die wächst, die Unitarische Kirche, welche im Grunde gar keine Dogmen hat; der Witz ist immer, dass es dort nur um Gemeinschaft geht, und Gott bleibt aussen vor.  Das scheint den Leuten zu gefallen.  Ich habe auch ein paar Kollegen (hochgebildete und intelligente Menschen), die bei den Unitariern ihre religiöse Heimat gefunden haben.

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vor einer Stunde schrieb Baumfaeller:

Anscheinend hat Studiosus diesen Satz nicht gelesen, sonst hätte er nicht die Antwort mit "langweiligeren und unbarmherzigeren ..." geschrieben.

 

Hat er.

 

Doch bezog ich mich auf Werners Zitat im Einganspost und die dort aufgelisteten Attribute der "Buchkirche". Die Gefahr, die Barmherzigkeit Gottes durch allzu rigorosen Umgang mit Gesetzen und Lehren zu reglementieren, zeigt auch rorro - zurecht wie ich meine - auf.

 

Rorros Bestandsaufnahme ist im Grunde allerdings zutreffend. Das Pendel schlägt eindeutig in Richtung Glaubenserfahrung und identitätsstiftendes Gemeinschaftserleben aus, die weitestgehend von der Lehre abgekoppelt sind. Im Gegensatz zu rorro sehe ich auch keinen Anlass, eine Trendwende in absehbarer Zeit anzunehmen. Den "praktizierenden Katholiken" ist intellektuelle Redlichkeit weitaus weniger wichtig als es hier insinuiert wird. Die normantive Glaubenslehre tritt hinter der subjektiven Glaubenspraxis zurück. Hier muss man Werner zustimmen, der die Beschäftigung mit dogmatischen und disziplinären Inhalten in die Studierzimmer der Fachleute verlegt. Eine Relevanz dieser Inhalte für den Glaubensvollzug der Mehrheit der Katholiken sehe ich in der Praxis kaum. Im Gegenteil: die Lehre wird, wenn sie unverkürzt dargelegt wird, als Gängelung und Beschneidung der (gewissenhaften) Autonomie des gläubigen Individuums aufgefasst. In dogmatischen und moraltheologischen Fragen wird dies besonders deutlich.

 

Ich sehe nicht, in welcher Form die praktizierende Kirche des "Glaubens" auf das theoretische Fundament der "Buchkirche" zwingend angewiesen wäre. Zumindest nicht dann, wenn man unter den Instrumentarien der "Buchkirche" vorwiegend dogmatische, lehramtliche oder rechtliche Dokumente versteht. Diese spielen in praxi keine Rolle. Vielmehr ist, zumindest im katholischen Mainstream, meiner Ansicht nach der, durch die ökumenische Bewegung forcierte, ungebrochene Trend zu beobachten, die Bibel (und diese allein) als Quelle des Glaubens und der Moral heranzuziehen. Allerdings nur insoweit sie wiederum eine Affirmation der eigenen Glaubensvorstellungen darstellt. Damit verbunden ist der Versuch, die kirchlichen Vollzüge an die angenommene Glaubenspraxis der Urchristenheit anzunähern und die Lehre von den Verstellungen späterer Jahrhunderte (Stichworte: Mittelalter, Aberglaube; oder elaborierter: "nachtridentinische Opfertheorien") zu reinigen. 

 

Dass dieses Vorgehen auf lange Sicht - und bereits heute - zur inneren und äußeren Auflösung der Kirche führt befürchte ich. Ein Fundament, das unterhöhlt wird, ist auf Dauer nicht tragfähig.

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

bearbeitet von Studiosus
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9 minutes ago, Studiosus said:

Ich sehe nicht, in welcher Form die praktizierende Kirche des "Glaubens" auf das Fundament der "Buchkirche" zwingend angewiesen wäre.  ...  Dass dieses Vorgehen auf lange Sicht - und bereits heute - zur inneren und äußeren Auflösung der Kirche führt befürchte ich.

Dem ersten Satz stimme ich zu: die Kirchen, die wachsen, und neue Mitglieder (d.h. in den meisten Fällen Überläufer von anderen Religionen) sind diejenigen, die sich um Dogma und Logik (und ggf. Gott und Theologie) keinen Deut scheren.

 

Und genau das sagt mir, dass der zweite Satz falsch ist.  Im Moment überleben diejenigen Kirchen, die ohne Überbau auskommen.  Ich habe vorhin zum Spass mal die Wikipedia-Seite der Unierten Kirchen angesehen: Die haben überhaupt keine Dogmen, keinen expliziten Bezug auf Gott, sondern nur ganz allgemeine humanitäre Prinzipien (wie die Menschenwürde), die Tradition, und die mystische Erfahrung.  Gemeinde ist die Hauptsache, Theologie nicht nur Nebensache, sondern explizit ausgeschlossen.  Scheint ein Erfolgsmodell zu sein.

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Oder um meinen obigen Text kurz zu fassen: Subjektivismus und Relativismus sind die beiden Mühlsteine zwischen denen die Lehre zermahlen wird. Die moderne Gesellschaft, und so auch weite Teile der Kirche, haben sich den Homo-mensura-Satz des Protagoras zur Maxime erwählt: Der Mensch ist das Maß aller Dinge. Überzeitliche und absolute Wahrheiten gibt es nicht. Jede Wahrheit ist relativ, d.h. an Raum, Zeit und Empfänger gebunden. 

 

Als folgerichtige Konsequenz erwächst aus diesen Grundannahmen der Wechsel von der Theozentrik zur Anthropozentrik. Besonders augenfällig wird diese Entwicklung am Zustand der Liturgie. Wenn Ungläubige wie Gläubige darin übereinstimmen, dass alles Handeln den Menschen als Zweck und oberstes Ziel voraussetzt, dann wird selbst Gottesdienst zu Menschendienst. Es ist dies der integrale Humanismus, die Apotheose des Menschen, die keiner höheren Instanz als dem eigenen Ich eine normative Autorität zubilligt.

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 26 Minuten schrieb Baumfaeller:

Und genau das sagt mir, dass der zweite Satz falsch ist.  Im Moment überleben diejenigen Kirchen, die ohne Überbau auskommen.  Ich habe vorhin zum Spass mal die Wikipedia-Seite der Unierten Kirchen angesehen: Die haben überhaupt keine Dogmen, keinen expliziten Bezug auf Gott, sondern nur ganz allgemeine humanitäre Prinzipien (wie die Menschenwürde), die Tradition, und die mystische Erfahrung.  Gemeinde ist die Hauptsache, Theologie nicht nur Nebensache, sondern explizit ausgeschlossen.  Scheint ein Erfolgsmodell zu sein.

 

Da gehen wir wohl von konträren Definitionen von "Erfolg" aus. Ich für meinen Teil würde den Erfolg einer Religion nicht an der Wachstumsrate ihrer Mitgliederzahlen bemessen. 

 

Dass eine Gemeinschaft, die keine Glaubenssätze formuliert und sich stattdessen Prinzipien erwählt, denen die Mehrzahl der Menschen vorbehaltlos zustimmen kann, großen Zulauf hat scheint mir nicht unlogisch.

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

bearbeitet von Studiosus
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Und was auch einmal klargestellt werden sollte: Ich unterstelle jenen, welche die Lehre "unorthodox" oder liberal auslegen oder sie auch vollkommen ignorieren, keine böse Absicht. Im Gegenteil: ich habe gerade bei Katholiken, Klerikern wie Laien gleichermaßen, die es mit der Treue zu Überlieferung und Lehramt nicht allzu genau nehmen, viele Personen kennen gelernt, denen das Wohl der Menschen unzweifelhaft am Herzen liegt und denen ich unterstelle, dass sie in guter Absicht handeln. Allerdings, und auch das darf nicht verschwiegen werden, stellte ich bei diesen oft eine gewisse Desensibilisierung und ideologische Blindheit fest. Sie erlagen leider oft genug der Versuchung, ihre eigenen Vorstellungen und Visionen über das Urteil der Kirche zu setzen. Wie gesagt: aus gutem Willen und in Anbetracht der Lebensrealitäten und Biographien der Gläubigen. Sie waren jedoch nicht in der Lage zu sehen, welches Zerstörungswerk sie in Gang gesetzt haben. Das ist die eigentliche Tragik.

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

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vor 2 Stunden schrieb Studiosus:

Vielmehr ist, zumindest im katholischen Mainstream, meiner Ansicht nach der, durch die ökumenische Bewegung forcierte, ungebrochene Trend zu beobachten, die Bibel (und diese allein) als Quelle des Glaubens und der Moral heranzuziehen.

Keine Sorge, dafür wächst bei den Prostestanten das Kapital der et ... et Befürworter.

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vor 1 Stunde schrieb Studiosus:

Ich für meinen Teil würde den Erfolg einer Religion nicht an der Wachstumsrate ihrer Mitgliederzahlen bemessen.

Sondern?

Die Anzahl der Seelen im Himmel fällt als Meßgröße mE aus, weil wir darauf keinen Zugriff haben - als Kriterium fände ich sie jedoch passend.

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vor 3 Stunden schrieb Studiosus:

Oder um meinen obigen Text kurz zu fassen: Subjektivismus und Relativismus sind die beiden Mühlsteine zwischen denen die Lehre zermahlen wird. Die moderne Gesellschaft, und so auch weite Teile der Kirche, haben sich den Homo-mensura-Satz des Protagoras zur Maxime erwählt: Der Mensch ist das Maß aller Dinge. Überzeitliche und absolute Wahrheiten gibt es nicht. Jede Wahrheit ist relativ, d.h. an Raum, Zeit und Empfänger gebunden. 

 

Als folgerichtige Konsequenz erwächst aus diesen Grundannahmen der Wechsel von der Theozentrik zur Anthropozentrik. Besonders augenfällig wird diese Entwicklung am Zustand der Liturgie. Wenn Ungläubige wie Gläubige darin übereinstimmen, dass alles Handeln den Menschen als Zweck und oberstes Ziel voraussetzt, dann wird selbst Gottesdienst zu Menschendienst. Es ist dies der integrale Humanismus, die Apotheose des Menschen, die keiner höheren Instanz als dem eigenen Ich eine normative Autorität zubilligt.

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

 

Erst einmal Respekt! Du formulierst sehr klar und schön. Es macht Spaß, es zu lesen, und kommt (trotzdem oder gerade deswegen) schnell auf den Punkt.

 

Mit dem Relativismus wirst du wohl leben müssen. Alle „überzeitlichen und absoluten Wahrheiten“ haben sich bisher als Irrtum erwiesen. Ein interessantes Zitat fand ich dazu bei dem Mathematiker und Philosophen Hermann Weyl:

 

„Das ummittelbar Erlebte ist subjektiv und absolut […] Die objektive Welt hingegen, welche die Naturwissenschaft rein herauszukristallisieren sucht, [..] ist notwendigerweise relativ […] Dieses Gegensatzpaar: subjektiv -absolut und objektiv - relativ scheint mir eine der fundamentalsten erkenntnistheoretischen Einsichten zu enthalten, die man aus der Naturforschung ablesen kann. Wer das Absolute will, muß die Subjektivität, die Ichbezogenheit, in Kauf nehmen; wen es zum Objektiven drängt, der kommt um das Relativitätsproblem nicht herum.“

 

Karl Popper faßte es noch kürzer: „Nur in unserem subjektiven Überzeugungserlebnissen, in unserem Glauben können wir absolut sicher sein."

 

Ein objektive Wahrheit steht uns Menschen dagegen nicht zur Verfügung. Alle unsere Maßstäbe sind menschliche Maßstäbe. Auch wenn wir uns einbilden, es sei anders, bleibt das eine menschliche Einbildung (auch wenn vielleicht nicht unsere eigene).

 

Und noch in einem Punkt möchte ich dir widersprechen. Es sind die Menschen, an denen sich unser Handeln orientiert, oder orientieren sollte. Menschen gibt es nämlich nur im Plural. Damit ist auch nicht „das Ich“ die höchste Instanz, denn wessen „Ich“ wäre das denn? Ein wohlverstandener Humanismus, der sich zu allererst um ein realistischeres Bild von uns selbst, von uns Menschen bemühen müßte, wäre also keine Apotheose „des Menschen“, des „Ich“, sondern eine Orientierung am „Wir“, an den langfristigen Interessen der Menschen wie der Welt, ohne die wir Menschen nicht leben können.

bearbeitet von Marcellinus
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vor 12 Stunden schrieb rorro:

ie eine ist die, ich nennen sie mal Buchkirche. Diese besteht aus Vorschriften, Paragrafen, Verordnungen, Dogmen etc., deren meiste nur dem kundigen Fachmann bekannt sind, bzw. wenigen Laien, die aus einer Laune heraus sich mit der Thematik befassen (Studiosus ist so einer).

 

 

Es wurde schon oft versucht die heilige, katholische, apostolische Kirche auseinander zu dividieren. Die einen sprachen von der "Amtskirche" mit ihrem Lehrgebäude, den Dogmen, dem Petrusamt. Als Symbol dafür steht PETRUS.

 

Die andere Kirche sei die mystische Kirche, die "Glaubenskirche" die Liebeskirche- als Symbol steht JOHANNES, der Lieblingsjünger.

 

Dass eine solche Auseinanderdividierung in Wahrheit Versuch ist zu spalten, sollte klar gesehen werden. Es ist BEIDES in der Kirche wichtig und notwendig: Die Bewahrung des anvertrauen Glaubensgutes durch das päpstliche Lehr- und Hirtenamt- aber auch die Offenheit für das Wirken des Heiligen Geistes in der Kirche.

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Warum muss hier wieder zwanghaft ein Gegensatz konstruiert werden?

 

Die "Buchkirche" (zur Idiotie dieses Begriffs später) ist ohne die "Gläubigenkirche" (der Begriff ist ebenso schräg) nicht denkbar und vice versa. Die vermeintliche Spaltung in Theorie und Praxis ist JEDER menschlichen Gemeinschaft, die aus mehr als einem Individuum besteht automatisch innewohnend. So wie Leib und Seele nicht ohne einander denkbar sind und nicht unabhängig voneinander seiend sind, wäre auch die Spaltung der Kirche in Buch und Glauben ein gnostischer Axtschlag. Vorallem, wenn man die beiden auch noch unterschiedlich bewertet.

 

Es gibt nur eine Katholische Kirche, die nur ein einziger Leib in vielen Gliedern ist und die nur ein einziges Haupt hat. Eines - wie immer (auch wenn der Satz schon öfter gefallen sein muss als Regentropfen in London) - vorweg: Das Christentum ist KEINE Buchreligion sondern eine Offenbarungsreligion. Uns ist kein Buch vom Himmel geworfen worden wie der Koran oder Mormon oder Das Kapital. Wir begegnen einem leibhaftigen Menschen durch den wir "ins Göttliche" (aka Reich Gottes, Gnadenstand, Paradies, etc.) schauen und eintreten können. Dieser Mensch - der gleichzeitig Gott ist, aber Mensch bleibt - geht soweit die Sterblichen in sich selbst einzuverleiben indem er sich selbst als Nahrung hergibt. Diese Begegnung findet in millionenfachen Form milliardenfach jeden Tag seit rund 2 Jahrtausenden statt. Und berufene Seelen haben ihre Erfahrungen beurkundet und schriftlich niedergelegt.

 

Das, was Werner mit "Buchkirche" umschreibt, scheint mir eher der theoretische Überbau zu sein, den jede menschliche Gemeinschaft für ihr Zusammenleben entwickelt. Sie ist aber keine definierbare Gruppe bestimmter Individuen. Egal ob der Papst, Kard. Müller, Werner oder Studiosus: sie sind alle Teil BEIDER Aspekte. Die Lehre und die Organisation der Kirche  sind Hilfsmittel des Glaubens, aber sie können sie nicht ersetzen. Genauso ist es völlig utopisch eine Gesellschaft zu erwarten, die iin Glauben, Ethik und Moral so rein und übereinstimmend ist, als daß man auf eine für alle verbindliche theoretische Ordnung verzichten könnte. Ich gehe sogar davon aus, daß eine solche Gesellschaft über kurz oder lang eingeht. Feuer entsteht durch Reibung und damit der Glauben brennen kann muss er sich an der Theorie reiben können. Umgekehrt schleift Sand den Stein und so ist der praktizierte Glauben der Sand im Getriebe der Theorie. Was auch kein Problem ist, denn letztlich ist das Christentum eben nicht zwischen zwei Buchdeckeln zu finden...

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Da muss ich Flo77 ein einziges Mal zustimmen. 

 

Eine derartige grundsätzliche Spaltung sollte man nicht herbei reden. Das

hast Du, rorro, aber meines Erachtens auch nicht getan. Nicht umsonst die Gänsefüßchen bei den "beiden" Kirchen im Titel. 

 

Ansonsten sollte man, ganz klassisch kasuistisch, jeden Einzelfall und jede theologische Meinung für sich betrachten und beurteilen. 

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 28 Minuten schrieb Flo77:

Dieser Mensch - der gleichzeitig Gott ist, aber Mensch bleibt - geht soweit die Sterblichen in sich selbst einzuverleiben indem er sich selbst als Nahrung hergibt.

:wacko::blink:

 

:(..end.......................tribald

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Mich erinnert dieser 'Gegensatz' an die Juristerei:

 

Es gibt viele Gesetzte und Fachleute dafür, die Juristen genannt werden.

 

Otto Normalmensch kommt jedoch normalerweise auch ohne Jurastudium ganz gut durchs Leben.

 

Nur dann, wenn's 'hakt' werden die Fachleute zur Hilfe genommen.

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Und um abermals auf Flo77s wichtigen Hinweis, dass Praxis und Theorie Symbionten sind, die sich gegenseitig bedingen, einzugehen, sei auf eines der ältesten liturgischen Prinzipien verweisen: legem credendi lex statuat supplicandi. Das Gesetz des Betens soll das Gesetz des Glaubens bestimmen. Pius XI. zitiert diesen Satz Papst Coelestins I. (422-432) in seiner apostolischen Konstitution Divini cultus sanctitatem über die Liturgie und Kirchenmusik. Der Theorie (dem Gesetz des Glaubens) geht, folgt man diesem Diktum, die Praxis (das Gesetz des Betens) voraus und bestimmt diese. Pius XII. variiert diesen Satz Coelestins in seiner Liturgieenzyklika Mediator Dei und verkehrt seine Aussage ins Gegenteil (lex credendi legem statuat supplicandi), was nicht ganz unproblematisch ist. Allerdings legt er in der selben Enzyklika ein mustergültiges Anwendungsbeispiel dieses Prinzips vor, indem er auf das Dogma der Unbefleckten Empfängnis Mariens seines Vorgängers Pius IX. verweist, das sich auf eine lange liturgische Tradition in der westlichen Kirche berufen konnte. Der praktizierte Glaube half in diesem Falle dem theoretischen Glauben sich zu entfalten.

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

bearbeitet von Studiosus
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Eine Symbiose bedingt, daß man weder das eine noch das andere absolut setzen kann (wir wollen hier ja nicht zuviel FFE aufkommen lassen).

 

Grundsätzlich halte ich den Weg vom Glauben zur Regel für den ursprünglichen. Die Apostel glaubten erst und beteten dann. 

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