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Historische vs. psychologische Bibelauslegung


Aleachim

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In der von LJS zitierten und von Mecky dankeswerterweise verlinkten Predigt interpretiert Eckhart eine Bibelstelle in der für ihn typischen souveränen Art:

 

Zitat

.... Gott wirkt alle seine Werke in sich selbst und aus sich selbst in einem Augenblick. Du darfst nicht glauben, Gott habe, als er Himmel und Erde und alle Dinge machte, heute eines gemacht und morgen das andre. Zwar schreibt Moses so. Er wusste es gleichwohl viel besser: er tat es nur um der Leute willen, die es nicht anders verstehen und fassen konnten. Gott tat nicht mehr dazu als das eine: er wollte und sie wurden. ...

 

Könnte man diesen, vom Wortlaut losgelösten Umgang mit der Schrift nicht auch auf das Neue Testament anwenden?

bearbeitet von Merkur
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Ich hole die Ehrlichkeit nach, die ich bei den Evangelisten vermisse.

 

vor 2 Stunden schrieb Mecky:

Lukas hätte ja auch schreiben könne: "All dies erwog ich in meinem Herzen. Und all diese Erwägungen habe ich nun für Dich aufgeschrieben, geliebter Theophilus, damit Du sehen kannst, was ich glaube und wovon ich lebe." Leider hat Lukas dies aber nicht so geschrieben.

 

Nachdem Lukas zu einem solchen Bekenntnis (erwägen=basteln) nicht fähig war, sondern sich verlogen als sorgfältigen Berichteschreiber präsentiert,

wird es nach 2000 Jahren höchste Zeit, dass jemand zum Basteln steht.

 

Lukas und die anderen Evangelisten waren Bastler, die es nicht zugeben. Klemmschwestern sozusagen. Gleiches gilt für die alttestamentlichen Hagiographen, gleiches gilt für die neutestamentlichen Schreiber, die Kircheväter und sämtliche Päpste und Gläubigen. 

Je lauter jemand darauf pocht, er habe keinen gebastelten Glauben, desto größer die Verlogenheit.

 

Der Trick besteht im Inspirationsverständnis.

"Ich bastle nicht, sondern glaube gemäß inspirierter Schriften."

Aha. Basteln widerspricht also der Inspiration. Soso. 

Dummerweise erweisen sich die inspirierten Schriften selbst als Ergebnis eines aufwändigen Bastelprozesses.

 

Ohne Basteln und Weiterbasteln kommt es gar nicht zu einer Tradition der Inspiration, sondern lediglich zu einem Behaupten unhintergehbarer Fundamente, an denen man nicht rühren darf. Die ganzen Patriarchen des AT sind hochgradig zusammengebastelt. Das konnte man auch gut machen: Es handelte sich um fiktive Gestalten. Wie Rowling ihren Albus Dumbledore gestaltet: Dabei ist sie ziemlich frei. Wie man den Mose zusammenzimmert: Da gilt Selbiges.

 

Bei Jesus kommt allerdings die Realität in die Quere. So wenig, wie man alles über Angela Merkel erfinden darf, so wenig darf man das auch bei Jesus. Zumindest, wenn man ihn nicht missbrauchen will. Leider haben die Evangelisten darauf so wenig Rücksicht genommen, wie die Anhänger von Che Guevara. Sie haben realen Personen ihre Ansichten, Lieblingssprüche und sogar ganze Tatenkomplexe einfach unterschoben. Bei Dumbledore: Okay. Aber bei realen Personen: Schweinerei.

 

Wenn Lukas doch wenigstens zugegeben hätte, dass er fleißig gebastelt hat. Dann wüsste der Leser wenigstens, worauf er sich einlässt. Aber genau dies tut Lukas nicht. Und auch die anderen Evangelisten tun es nicht. Daran erkennt man den verbohrten Lügner. Sie sind weitaus mehr Lügner, als Münchhausen. Eher so, wie der zwischenzeitlich ziemlich verwirrte und gespaltene Karl May. 

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vor 21 Minuten schrieb Merkur:

Zwar schreibt Moses so. Er wusste es gleichwohl viel besser: er tat es nur um der Leute willen, die es nicht anders verstehen und fassen konnten.

Naja. Das ist nicht ganz so genial. Woher will Ekkehard wissen, dass Gott diese Absicht verfolgte?

Es ist wohl eher so, dass sich Ekkehard die Worte Mose nicht besser erklären kann.

 

Ähnlich ungeniales findet man auch in der Bibel.

"Nur wegen Eurer Hartherzigkeit hat Euch Mose ..." 

Allerdings geht es in der Bibel dann genial weiter.

Jesus bezieht sich nicht mehr auf das Elaborat Mose, sondern "Am Anfang der Schöpfung ..." 

Sollte Jesus dies alles tatsächlich selbst geäußert haben, würde er sich damit als Bastler outen. 

Das eine Bauklötzchen passt nicht ... also mal gucken ... ah ... das Schöpfungsklötzchen passt hier perfekt.

 

Und da wird es plötzlich wieder genial.

Jesus bricht hier

mit einem fragwürdigen Argument

die (Mose-) Tradition

und bastelt eine neue.

 

Unabhängig davon, ob Jesus dies gesagt hat, oder nicht: Dieses Abschneiden alter Zöpfe, um einen neuen zu flechten, ist gut und könnte so manchem Theologen ein Vorbild sein.

Die Autorität beruht hier nicht darauf, dass es Jesus gesagt hat, sondern auf der Qualität seines kreativen Denkens.

 

Ich mag diesen Jesus.

Egal, ob ich ihn wie meinen Vater lieben kann, oder wie Albus Dumbledore.

bearbeitet von Mecky
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vor 13 Minuten schrieb Merkur:

Könnte man diesen, vom Wortlaut losgelösten Umgang mit der Schrift nicht auch auf das Neue Testament anwenden?

Fällt jemandem denn eine andere Möglichkeit ein?

 

Klar doch, Merkur. Genau so. 

Werde durch die Lektüre der Schrift zu jemandem, der beim Basteln mitmischt und sich auch dazu bekennt.

Unter dem Schlussstrich zählt das, was Du erbastelt hast. Und dieses selbst-Erbastelte ist zudem noch sehr authentisch. Du hast gebastelt. Du hast die Bauklötzchen in genau der Weise arrangiert, dass sie Deine Überzeugung widerspiegeln. Du redest nicht mit aufgesetztem "Brustton der Überzeugung" von Fremdprodukten, sondern Du stehst zu dem, was Du selbst (mithilfe Deiner Vor-bastler) zusammenbekommen hast. 

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Willkommen in der Theothek bei Mecky Pütz. Wie basteln uns einen Glauben. Und damit es schneller geht, hat Mecky Pütz schon etwas vorbereitet, was man keinesfalls in Frage stellen darf.

 

Lächerlich, wäre es nicht trauriger Ernst.

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Bist Du in gleicher Weise auch den anderen Bastlern gegenüber misstrauisch?

Dann ist Dein Verhältnis zu den Evangelisten auch nicht entspannter, als das meine.

Oder willst Du deren Bastelei abstreiten?

Oder die Basteleien eines Augustinung - einer der größten Bastelfans.

Deine Uneinsichtigkeit ist weitaus lächerlicher, als mein Bekenntnis zum Basteln.

 

Der Jesus der Evangelien hat auch kräftig gebastelt. Findest Du auch ihn lächerlich?

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vor 2 Stunden schrieb Mecky:

Weil ich daran glaube, dass Gott in einem Menschen gegenwärtig werden kann. (Auch wenn man nicht lügt). Und zwar am spürbarsten in einem Menschen, wie derjenige, den ich mir aus den Storys der Evangelisten zusammengebastelt habe.


Ich habe ihre Bastelei als Vorlage für meine eigene genommen. Und das Ergebnis beeindruckt mich.

Der Gedanke, dass ich mit einer besseren Vorlage auch besser basteln könnte, betrübt mich. Aber das Ergebnis der Bastelei ist dermaßen hilfreich, dass ich trotz aller Unsicherheit daran glaube.

 

Du machst einen Fehler. Das Paradoxon des Glaubens ist die Tatsache, daß seine Geschichten zwar von Menschen erfunden sind, aber dieser Glaube trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, nur „funktioniert“, wenn die Gläubigen davon überzeugt sind, daß sie an etwas glauben, auf etwas hoffen, das unabhängig von ihnen ist.

 

Das gilt auch für die Geschichten, die von diesem Glauben erzählen. Sie müssen auf etwas Unwillkürlichem beruhen, auf einer wertvollen Quelle zB, selbst wenn diese Quelle noch niemand gesehen hat. Sie müssen auf „wahren“ Ereignissen beruhen, auch wenn diese „Wahrheit“ nichts anderes als eine als heilig empfundene Tradition ist.

 

Selbst wenn Texte erkennbar Korrekturbedarf haben, so müssen die Wörter und Begriffe, mit denen man sein Herangehen an einen solchen Text beschreibt, passiv oder geheimnisvoll klingen. Fremdwörter sind da immer gut: Inspiration, zur Not auch Interpretation (wenn man immer wieder darauf hinweist, wie sehr man sich vom "ursprünglichen Sinn" des Textes leiten läßt). Aber ein Wort wie „basteln“ geht gar nicht! :)

 

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Also, meine Soehne sind katholisch getauft und ich habe Wert darauf gelegt, dass sie nicht auf und im Namen persoenlicher Basteleien von irgendwelchen Klerikern getauft wurden, sondern auf the real thing, naemlich auf die als unveraeusserlich geltenden Glaubensartikel und dazu gehoert auch:  Du bist Petrus und auf diesen Fels werde ich meine Gemeinde (meine Kirche) bauen. Matt. 16,18. (Wort des Lebendigen Gottes). 

 

Da steht nicht "Mecky", da steht Petrus.  So viel kann ich lesen und so viel begreife ich auch als nicht Katholik. Und irgendwas stimmt nicht mehr, wenn man  willkuerlich Petrus mit Mecky ersetzt oder wenn Mecky selbst willkuerliche Petrus mit sich selbst ersetzt.  Auch das kapiere ich als Nicht Katholik. 

 

Aber vielleicht ist es eine verkehrte Welt, wenn ich als Protestant, als Baptist, ein enormes Bauchgrimmen verspuere bei bestimmten Dingen, die ich letzthin  hier lese, und das Gefuehl habe, ich muesste doch den katholischen Glauben und die Dogmen und die Tradition und vor allem die Bibel verteidigen gegen etwas, was ich als sehr ungut empfinde und keinesfalls wertschaetzend, sondern einfach nur egoistische Nabelschau.

 

Ich verabschiede mich aus diesem Thread und der weiteren Betrachtung von Meckys Glaubenskrisen.  Sonst komme ich in Gefahr, vielleicht  etwas sagen, was ich besser lassen sollte oder was mir hinterher leid taete.  Es lohnt wohl auch die Aufregung gar nicht, so wichtig ist es schliesslich auch nicht, denn es wurden ueber lange Zeit hier alles bis zum geht nicht mehr ausgetauscht an Argumenten und wir wissen alle, wo jeder von uns steht inzwischen.

 

Ob es moeglich sein wird, hier noch weiter etwas wirklich persoenliches zum eigenen Glauben zu posten, ohne dass da einer reflexhaft kommt und versucht, mit immer denselben schaebigen Behauptungen drauf zu pinkeln, weiss ich nicht, man wird sehen. 

 

Adieu jedenfalls jetzt hier.  Schones Wochenende und einen spannenden Tag morgen (Wahl!)

 

 

bearbeitet von Long John Silver
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vor 49 Minuten schrieb Marcellinus:

zur Not auch Interpretation (wenn man immer wieder darauf hinweist, wie sehr man sich vom "ursprünglichen Sinn" des Textes leiten läßt

 

Man könnte meinen, Du würdest behaupten wollen, dass es ein Textverständnis ohne Interpretation gäbe. Falls Du das wirklich glaubst: werch ein Illtum! 

Jegliche Erfahrung wird bereits im Moment des Geschehens subjektiv interpretiert, in einen Erfahrungszuammenhang eingordnet, und ist damit nicht mehr faktisch, sondern Deutung. Da muss man nichts hineingeheimnissen, das ist vielmehr Bestandteil der Condition humaine. Die Evangelien sind eine Deutung, nicht die Sache an sich.  

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vor 41 Minuten schrieb Marcellinus:

Das Paradoxon des Glaubens ist die Tatsache, daß seine Geschichten zwar von Menschen erfunden sind, aber dieser Glaube trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, nur „funktioniert“, wenn die Gläubigen davon überzeugt sind, daß sie an etwas glauben, auf etwas hoffen, das unabhängig von ihnen ist.

Ich glaube auch an etwas, was unabhängig von mir ist. Es handelt sich dabei aber eher um eine Entdeckungsreise. Woran ich wirklich glaube, begegnet mir grundsätzlich in der Form des Geheimnisses. Anderen scheint es auch so gegangen zu sein. Ich lese also die Geschichten ihrer Entdeckungsreise, übernehme das eine oder andere, korrigiere das eine oder andere, lasse mich von vielem inspirieren und verwerfe auch manches. 

Wenn ich bemerke, dass mich ein Pfad eher vom Geheimnis wegführt oder mich zu etwas verunstaltet, was überhaupt nicht zu mir passt, dann kann ich sogar dagegen aufbegehren. Daher mein Aufbegehren gegen die Brutalitätspfade und Verlogenheitspfade, die sich in der Bibel finden. 

 

vor 47 Minuten schrieb Marcellinus:

Selbst wenn Texte erkennbar Korrekturbedarf haben, so müssen die Wörter und Begriffe, mit denen man sein Herangehen an einen solchen Text beschreibt, passiv oder geheimnisvoll klingen. Fremdwörter sind da immer gut: Inspiration, zur Not auch Interpretation (wenn man immer wieder darauf hinweist, wie sehr man sich vom "ursprünglichen Sinn" des Textes leiten läßt). Aber ein Wort wie „basteln“ geht gar nicht! :)

Das ist so die grobe Linie, was hier gerade abläuft.

Es sind nicht nur Fremdworte, sondern vor allem irrsinnige Trostsprüche, die die Vertuschung befördern.

"Die Torheit Gottes ist immer noch besser, als die beste Weisheit der Menschen" oder "Die Evangelien wollen kein historisches Protokoll bieten" oder "Das ist nicht für heutige Menschen geschrieben". Da wird zur Vertuschung jedes, aber auch wirklich jedes Register gezogen. Keine Ausrede ist da zu abgeschmackt. Notfalls greift man zu Beleidigungen und ad hominems. Ein Irrsinn sondersgleichen.

 

"Basteln" wäre ein Bekenntnis zur eigenen Aktivität. Man steht ratlos vor einem Geheimnis und versucht - manchmal reichlich unbeholfen - irgendwie seine Erfahrungen auf die Reihe zu bekommen. Dass man hierzu enorm am Basteln ist, wollen sich viele nicht zugestehen. Sie bevorzugen die (scheinbare!) Sicherheit angeblich unerschütterlicher Vorgaben. Dann muss man nicht mehr aktiv werden, höchstens im Sinne von rezipieren und befolgen. 

Deswegen kommt es dann zu diesen ganzen absurden Verteidigungen, sobald jemand darauf hinweist, dass alle religiösen Aussagen gebastelt seien und alle Hagiographen Bastler waren. 

 

Ironischerweise haben die wissenschaftlichen Bibeluntersuchung sogar oftmals den Baukasten gefunden, mit dem die vormaligen Bastler gebastelt haben. Die Sintflutstory greift auf den älteren Gilgamesch-Epos zurück. Eine offensichtlich umgebastelte Geschichte. Und nicht nur einer habe gebastelt, sondern gleich mehrere (Doubletten, Tribletten, Quadribletten und Halstabletten sind die Folge). Und diese Bastler haben ganze Basteltraditionen in Gang gesetzt.

Aber Basteln? "Nein danke." und "Ich doch nicht!" und "Jesus doch nicht!".

 

Absurdes Theater. Nicht nur weit weg von den Texten, sondern auch vom eigenen Glauben.

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vor 3 Minuten schrieb Chrysologus:

Was bleibt, das ist der Weg in die Lyrik, die Musik, die Kunst oder das Gleichnis - das eigentliche auszudrücken gelingt jedoch niemals.

Dagegen wäre auch nichts zu sagen. Wenn man dies auch klar macht. 

 

Du meinst also, dass die Evangelien Lyrik, Musik, Kunst und Gleichnis sind.

Du hast vergessen, dass sie sich aber auf ein reales Leben von Jesus beziehen - oder dies zumindest behaupten.

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vor 16 Minuten schrieb Mistah Kurtz:

 

Man könnte meinen, Du würdest behaupten wollen, dass es ein Textverständnis ohne Interpretation gäbe.

 

Nein, könnte man nicht. Es sei denn, man interpretiert etwas in meine Worte hinein, was da nicht steht.

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vor 13 Minuten schrieb Mecky:

 

 

vor 15 Minuten schrieb Chrysologus:

Biblische Texte sind religiöse Texte, die ihrerseits von der religiösen Gemeinschaft Kirche approbiert sind - das bedeutet nicht mehr, aber auch nicht weniger als dass sie geeignet sind, den Glauben der Kirche auszudrücken. Dies tun sie in einer Sprache und Bilderwelt, die uns mehr als fremd ist. Und hier setzen die verschiedenen Formen der Exegese an - indem sie versuchen, diese Bilder- und Sprachwelten für zeitgenössische Deutungen zu öffnen.

Wo liegt der Unterschied zu Meckys Basteln? Evtl. darin, dass die Grenzen enger gesteckt sind? In meinem o.g. Zitat hat Eckhart sich grob über die entsprechenden Genesis-Texte hinweggesetzt. Darf man das so einfach? 

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vor 7 Stunden schrieb nannyogg57:

Mich hat dieser Post mehr beschäftigt als manch anderer hier.

 

Das freut mich. :)

 

vor 7 Stunden schrieb nannyogg57:

Ich denke, du verwechselst hier zwei Ebenen. Da ist einmal die historische, dann die religiöse Wahrheit.

Dass die Rede von der freimachenden Wahrheit oder davon, dass Jesus die Wahrheit ist, nicht als geschichtswissenschaftliches Programm gemeint ist, dürfte auf der Hand liegen.

 

Oh, ich denke nicht, daß ich das verwechsle. "Historische Wahrheit" gibt es nicht (andere "Wahrheiten" übrigens auch nicht). Unser Wissen von der Vergangenheit ist immer unvollständig, immer ein Bild aus beobachtbaren Tatsachen und angereichert und vervollständigt durch Spekulation. Herauskommen nicht selten Fantasievorstellungen wie die, Arminius habe mit dem Sieg über Varus die Römer endgültig aus dem rechtsrheinischen Germanien vertrieben.

 

Die "religiöse Wahrheit", oder genauer gesagt, die Behauptung der frühen Christen, in ihrem Besitze zu sein, hat durchaus etwas damit zu tun. Du hast vollkommen recht, daß damit nicht ein geschichtswissenschaftliches Programm gemeint war, sondern die Behauptung: Unsere Religion ist die einzig wahre, und (das ist entscheidend) alle anderen sind falsch!

 

vor 7 Stunden schrieb nannyogg57:

Gelogen hat nicht die Christenheit als Solche.

 

Das habe ich nicht behauptet und du ja auch schon korrigiert. Ich würde das auch nicht "Lügen" nennen. Die Christen lebten in einer Welt mit vielen Religionen und vielen Göttern. Um sich davon abzugrenzen, bezeichneten sie ihre als die "wahre Religion", ihren Gott als den "wahren Gott". Sie hatten dies Vorstellung von den Juden übernommen, die allerdings diese "Wahrheit" nur auf ihr eigenes Volk bezogen, und auf ein paar Proselyten, die in der Umgebung ihrer Gemeinden lebten, oft aber ein Leben lang nicht Juden wurden.

 

Die Christen beanspruchten eine allgemeine "Wahrheit" für sich, ja, sie beanspruchten sogar, die "wahren Juden" zu sein, das "wahre Israel" (jedenfalls bis Jude zu sein angesichts der antijüdischen Gesetzgebung christlicher Kaiser etwas aus der Mode geriet). "Wahrheit" war also nicht irgendeine Tatsache, sondern ein religiöser und gesellschaftspolitischer Anspruch. "Wahr" war, was diesem Anspruch förderlich war, erst gegen die Juden und Heiden, dann gegen die zahlreichen Häresien, die diese Religion in so verschwenderischer Fülle hervorbrachte. Denn "Wahrheit" bedeutete, das "Richtige" zu glauben und zu bezeugen, darin waren die Christen sich einig, nicht aber darin, was jeweils der "richtige Glaube" war, und sind es ja auch nicht bis heute.

 

Damit waren sie im Altertum durchaus etwas Neues. Die Unterscheidung zwischen "wahren" und "falschen" Religionen war den heidnischen Polytheisten durchaus fremd. Es gab die Vorstellung von "Aberglauben" (superstitio), aber damit meinte man eher übertriebene Frömmigkeit oder religiösen Fanatismus. Es gab auch Religionen, die als schädlich angesehen wurden, aber nicht weil man ihre Götter für "falsch" gehalten hätte, sondern wegen ihrer politischen oder gesellschaftliche Praxis (Bsp: die keltischen Druiden). Aber auf die Idee, den eigenen Götterhimmel für den einzig "wahren" zu halten, und alle anderen Götter für "falsch", wäre kein Heide gekommen. Im Gegenteil: die antike Welt mit ihren vielfältigen Verflechtungen beruhte geradezu darauf, daß man fremde Götter zumindest prinzipiell akzeptierte. So war es üblich, Verträge mit einem Schwur zu den jeweils eigenen Göttern zu bekräftigen. Ohne eine Akzeptanz der Götter des Anderen wäre das nicht möglich gewesen, eine gegenseitige Wertschätzung, die es im Christentum lange nicht gab, nicht einmal zwischen deren verschiedenen Konfessionen.

 

Um damit den Weg zurück zu unserem Ausgangspunkt zu finden, ich denke nicht, daß die christlichen Apologeten von sich den Eindruck hatten, sie würden lügen. Ihr moralischer Kompaß orientierte sich ausschließlich an ihrem Glauben. Alles, was dessen Ausbreitung beförderte, war "wahr", alles, was dem im Wege stand, "falsch". Mit "ihrem Glauben" meinten die christlichen Autoren übrigens ihren jeweils eigenen. Lange bevor das Christentum anerkannte, und später einzige Religion im Römischen Reich wurde, waren christliche Autoren ausgiebig damit beschäftigt, sich gegenseitig das Christ-sein abzusprechen. Von manchen dieser Autoren wissen wir überhaupt nur durch die verunglimpfenden Zitate anderer.

 

Die durchgängige Instrumentalisierung des Wahrheitsbegriffs war also für die damalige Zeit etwas durchaus Neues. Sie war Ausdruck einer wachsende Frontstellung der entstehenden christlichen Kirchen gegen die heidnische Welt, gegen ihre Vorstellungen, ihre sozialen Beziehungen, ihren ganzen Lebensstil. Bei dieser Frontstellung war offenbar kein Kompromiß denkbar, obwohl beide Welten jahrhundertelang nebeneinander existiert haben.

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Das Bewusstsein, ein Bastler zu sein, der (wie alle anderen Gläubigen auf der ganzen Erde) auch nur bastelt, setzt der unguten Rechthaberei eine Grenze und nimmt ihr die Spitze.

Ich beantworte die in mir aufkommenden Glaubensfragen und -themen monotheistisch. Zum einen, weil ich aus dieser Tradition komme und daher auch im Monotheismus weitaus mehr Vorlagen kenne. Zum anderen, weil ich an eine Einheit glaube, die sich polytheistisch nicht darstellen lässt.

 

Das Problem der Rechthaberei ist allerdings keineswegs mit der Analyse "Monotheismus" erledigt. Da gibt es noch andere Dynamiken. Manche davon sind Auswirkungen, andere wiederum sind eigentständig.

Die monotheistischen Religionen sind Buch- und Offenbarungsreligionen. Dadurch war es erst möglich, ein halbwegs geschlossenes Lehrsystem aufzubauen, das immer weiter entwickelt wurde. 

Auch das analytische Denken (dem später das moderne Wissenschaftsdenken entschlüpfte) spielt da eine Rolle.

Vor allem gibt es auch im profanen Bereich Monismen oder verdeckte Monismen. Zum Beispiel das binäre Denken, aber auch das logische Denken, das in "wahr" und "falsch" unterscheidet und sich oft sehr weit von einem naiven oder intuitiven Menschendenken entfernt und wichtige Bereiche (Gefühle, Werte, Qualia) nicht so richtig erfassen kann.

 

Vieles läuft dann auf eine Art Axiome hinaus. Und diese Axiome werden mit Zähnen und Klauen verteidigt. Klar: Etwas anderes hat man ja nicht. Man hat keine lebendige Quelle in sich, sondern ein festes Axiomsystem. Kommt dieses ins Wanken, dann ist (oder erscheint) alles futsch zu sein.

 

Ich glaube, dass die Menschheit momentan gerade in einer Phase ist, wo einige Axiomsysteme bröckeln. Die Anhänger der Axiome leben in ständigem Stress und in Furcht um ihr geliebtes System, das sie geradezu paranoid angegriffen sehen. Klar: Wer um seine Grundlagen kämpfen muss, gerät in Stress und kann nicht mehr vernünftig denken. Da gibt es nur noch Freund (alle, die mit-verteidigen) und Feind (alle, die etwas in Frage stellen). Und da haben wir die Grundlage für die Kampfmaßnahmen.

 

Bastler sind gefährlich. Sehr gefährlich. Sie erschüttern das Axiomsystem, selbst wenn sie völlig Offensichtliches sagen. 

Und sie sind der lebendige Gegenpol zu diesem Axiomsystem. Und dies löst Angst, Neid und vor allem erbitterten Widerstand aus.

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vor 1 Stunde schrieb Merkur:

Wo liegt der Unterschied zu Meckys Basteln?

Mecky sucht - so verstehe ich ihn - einen direkten Zugang zu Jesus, und beklagt, dass die biblischen Texte ihm diesen nicht liefern.

 

Weder bin ich auf der Suche nach einem solchen direkten Zugang noch glaube ich, dass es den geben kann. Albert Schweizer hat vollkommen recht mit seiner Aussage, dass Jesus, wenn es uns gelänge, ihn von den Ketten der Überlieferung zu befreien, an uns vorbei gehen und in der der Geschichte verschwinden würde. Eine Zeitgenossenschaft mit ihm ist nicht möglich, weil die Denkwelten viel zu unterschiedlich sind, oft wird das ja schon mit der Großelterngeneration schwierig.

 

Umgekehrt glaube ich aber an die Möglichkeit einer Christusbeziehung - der Mensch gewordene Gott lebt fort und ist deshalb zu Zeitgenossenschaft auch mit mir fähig. Eine solche Beziehung kann ich im Gebet pflegen - die biblischen Texte können mich zum Gebet hin führen, sie ersetzen dies aber nicht.

 

Diese Beziehung lebe ich oder lebe ich nicht - aber ich bastle mir so wenig ein Gottesbild wie ich mir ein Bild meiner Frau bastle. Das ändert nichts an meinem Wissen darum, dass dieses Bilder Stückwerk sind, unvollkommen und fehlerhaft. In dem Maße, in dem ich mich dem anderen öffne und der andere sich mir öffnet und mitteilt, ändert sich dieses Bild vom anderen. Es ist nicht mein Werk, und zugleich bin ich sehr beteiligt an seinem Entstehen.

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vor 1 Stunde schrieb Chrysologus:

Reales Leben kann man in vielfältiger Weise wiedergeben. Nicht nur als Bastelbogen oder Malen nach Zahlen.

Klar. Zum Beispiel durch Geschichten, die nicht erzählen, was sie erzählen.

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vor 1 Minute schrieb Chrysologus:
vor 1 Stunde schrieb Merkur:

Wo liegt der Unterschied zu Meckys Basteln?

Mecky sucht - so verstehe ich ihn - einen direkten Zugang zu Jesus, und beklagt, dass die biblischen Texte ihm diesen nicht liefern.

Ehrliche Beschreibungen würden mir genügen.

Sogar die vorhandenen Evangelien würden mir genügen, wenn die Evangelisten jeweils ehrlich dazugeschrieben hätten, ob die jeweilige Perikope Erfindung, Unterstellung, Reportage oder Lyrik ist.

Die Vertrauenswürdigkeit der Evangelisten ist der Knackpunkt. Die historisch-kritische Methode hat sie gewogen und so viel an Lug, Trug, Irreführung und purer Behauptung zu Tage gebracht, dass man sich bei keinem Wort in den Evangelien darauf verlassen kann, dass man darin Jesus begegnet.

 

Da geht es keineswegs nur um einen "direkten" Zugang. So was halte ich sowieso für nicht möglich. Sondern es geht mir um den Umgang mit Wahrheit, Wirklichkeit und auch mit der Person Jesu, den die Evangelisten zum Lautsprecher ihrer eigenen Meinung gemacht haben.

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vor 1 Minute schrieb Mecky:

Die historisch-kritische Methode hat sie gewogen und so viel an Lug, Trug, Irreführung und purer Behauptung zu Tage gebracht, dass man sich bei keinem Wort in den Evangelien darauf verlassen kann, dass man darin Jesus begegnet.

Mein reden - wenn man in diesen Texten diese Begegnung sucht, dann muss man verzweifeln. Nur suchen das die meisten eben nicht und haben daher auch nicht dein Problem.

 

vor 3 Minuten schrieb Mecky:

Sondern es geht mir um den Umgang mit Wahrheit, Wirklichkeit und auch mit der Person Jesu, den die Evangelisten zum Lautsprecher ihrer eigenen Meinung gemacht haben.

Er ist auch nicht der Lautsprecher deiner selbst gebastelten Wahrheit.

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Wie steht's mit Dir und dem Basteln?

Hast Du inzwischen eingesehen, dass auch Du bastelst? Dass die Evangelisten gebastelt haben? 

Oder willst Du wieder bockstarrig reagieren und Offensichtliches abstreiten?

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vor 2 Stunden schrieb Mecky:

Ich beantworte die in mir aufkommenden Glaubensfragen und -themen monotheistisch. Zum einen, weil ich aus dieser Tradition komme und daher auch im Monotheismus weitaus mehr Vorlagen kenne. Zum anderen, weil ich an eine Einheit glaube, die sich polytheistisch nicht darstellen lässt.

 

Entschuldige, daß ich da einhake. Das ist so nicht ganz richtig. Der Polytheismus bestreitet gar nicht unbedingt, daß es ein einziges Gesetz oder eine einzige Macht gibt, die das ganze Universum beherrscht. Im Gegenteil, die meisten polytheistischen und selbst animistische Religionen erkennen hinter den verschiedenen Göttern und Geistern eine größere Macht. Im alten Griechenland war es Ananke, die Personifizierung des unpersönlichen Schicksals, im alten Indien Brahman als das unpersönliche Konzept des Göttlichen, und auch bei den Germanen waren die Götter einen umbestechlichen Schicksal unterworfen.

 

Daraus ergab sich ein grundsätzlicher Unterschied zu den monotheistischen Religionen. Die Polytheisten gingen von der grundlegenden Erkenntnis aus, daß die höchste Macht im Universum sich für die Wünsche und Sorgen der Menschen nicht interessierte. Es war sinnlos, diese Macht um irgendetwas zu bitten. Daher machten sich die Griechen gar nicht erst die Mühe, den Schicksalgöttinnen Opfer zu bringen, und die Hindus errichteten Brahman keine Tempel. Um in den weltlichen Angelegenheiten nicht allein zu sein, wandten sich die Polytheisten an die Götter. Gerade weil sich nur über eingeschränkte Macht verfügten und daher eigene Interessen hatten, konnte man sie sich evtl. gewogen machen.

 

Das war die entscheidende Erkenntnis der polytheistischen Religionen: die höchste Macht im Universum hat keinerlei Interessen an unseren irdischen Problemen. Wenn wir Hilfe benötigen, müssen wir uns an unvollkommenere Mächte wenden, und davon gibt es eine ganze Menge. So kommt es zu einer Vielzahl von Göttern, und so kommt es zu religiöser Toleranz, denn es fällt nicht schwer zu glauben, daß es neben den Göttern, die man kennt, noch andere geben könnte, die man nicht kennt.

 

Die Monotheisten dagegen glaubten, daß sich die höchste Macht im Universum doch für ihre persönlichen Angelegenheiten interessierte, und so wandten sie sich an diese, um von Krankheiten zu genesen, im Lotto zu gewinnen oder im Krieg den Sieg davonzutragen. Sie glauben, diese Macht helfe dem einen, und bestrafe den anderen, erfreue sich an bestimmten Handlungen und sei über andere verärgert. Manche Orte und Zeiten seien dieser Macht heilig  und andere mißfielen ihre, und vor allem lege diese Macht Wert darauf, von ihren Geschöpfen verehrt zu werden.

 

Allerdings haben die Monotheisten sich damit ein paar Probleme eingehandelt, mit denen sie bis heute gedanklich nicht fertig geworden sind. Wenn diese höchste Macht sich für die irdischen Belange interessiert, warum verteilt sie ihre Gunst so ungerecht? Monotheisten haben erstaunliche geistige Verrenkungen vollführt, um zu erklären, warum ein allwissender, allmächtiger und allgütiger Gott so viel Leid zulassen kann.

 

Hinzukommt, daß die monotheistischen Religionen einen eingebauten Hang zur Intoleranz haben. Denn wenn Monotheisten noch andere Religion neben ihrer eigenen dulden würden, würde das entweder bedeuten, daß ihr Gott nicht das mächtigste Wesen im Universum ist, oder daß ihr Gott ihnen einen Teil der universellen Wahrheit vorenthalten hat.

Wie man sieht, waren die Polytheisten gar nicht so dumm, wie sie die Christen bis heute machen. Die Vorstellung, der Monotheismus sei dem gegenüber ein Fortschritt, hat jedenfalls noch einigen Erklärungsbedarf. ;)

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