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Ist das Christentum nihilistisch (ernste Frage!)


Xamanoth

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Oft wird Atheisten vorgeworfen, sie seien Amoralisch und nihilistisch; ohne Gott ließe sich weder intersubjektiv erkennbarer Sinn noch intersubjektiv vertretbare Moral begründen.

 

Beides halte ich für richtig. Wenn es keinen Gott gibt, ist ALLES erlaubt. Ein Satz, der sich leicht sagt, der aber in aller Konseqnez gedanklich durchgeschmeckt werden sollte.

Bezüglich des Sinns: Nun ja. Wir kommen aus dem Nichts. Wir gehen ins Nichts. Infolgedessen  ist nichts, was wir dazwischen tun von Bedeutung. Selbst Leute wie Platon (m.E. zu einem bloßen Denkmal erstarrt, kaum noch ernstlich rezipiert, selbst von klugen Leuten wie Sokrates höchstens noch durch Sekundärliteratur - in diesem Fall Popper - rezipiert) hinterlassen keine Spuren von Ewigkeitswert, und ob man sofort nach dem Ableben, zwei Generationen oder zweitausend Jahre später in Bedeutungslosen Vergessen versinkt, erscheint mir ebenfalls bedeutungslos.

 

ich kann damit leben, her mit Wein, Knaben und Fischen (wenn ich mich recht erinnere sozusagen die "Glücksliste" von Epikur).

 

Aber ist der Christ nicht noch nihilistischer? Und zwar deswegen, weil es sich noch nicht einmal an Wein, Knaben und Fischen erfreuen kann, sondern die Welt lediglich als eine Vorstufe zum Jenseits betrachtet und alle irdischen Freuden dementsprechend bestenfalls als schwacher Abglanz der himmlischen? Handelt ein Christ, der lediglich gut handelt, weil er im Endgericht gut darstehen will, nicht letztlich zutiefst egoistisch? Es gibt die These, eine gute Tat sei nur dann vollendet gut, wenn ihr aus sich heraus ein Wert zugemessen wird und ihren Lohn quasi in sich trägt. Ich meine, es war Nietzsche, der erklärte, mit dem Glauben an ein Jenseits lasse sich jede Lüge und jedes Unrecht im Diesseits rechtfertigen. Eine Ansicht, die mir höchst plausibel erscheint.

 

"Mein Reich ist nicht von dieser Welt" spricht Christus. "Mir sind gegeben alle Länder der Erde" (ungefähr) spricht der Teufel.

 

Ist der Christ infolgedessen nicht noch viel nihilistischer, als ein Atheist wie ich mit der in Absatz 2 dieses Beitrages vertretenen Position? Ich würde dies gerne ernstlich und sachlich erörtern (es gehört zu den Merkmalen des Forums, dass die Christen bei Diskussionen über den Glauben in verkrampfte Verteidigungsstellung, einige Atheisten in kindische Angriffsstellung gehen. Ich fände es schön, wenn ein wirklicher Austausch möglich wäre und dies hier unterbleiben würde.

 

Ich halte usermoderierte Threads wie auch die Nutzung der Ignore-Funktion für etwas erbärmliches. Ich spreche also lediglich die höfliche Bitte aus, dass sich insbesondere die User Jocke und Gallowgas nicht an der hier hoffentlich entstehenden Diskussion nicht beteiligen.

 

Ps: Ich denke, es wäre nett, hier mal wieder über etwas anderes als die bösen Muslime/Flüchtlinge oder Politik von Frau Merkel zu diskutieren. Beides sind nämlich Themen, die mich langsam anwidern und ermüden.

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vor einer Stunde schrieb Xamanoth:

Oft wird Atheisten vorgeworfen, sie seien Amoralisch und nihilistisch; ohne Gott ließe sich weder intersubjektiv erkennbarer Sinn noch intersubjektiv vertretbare Moral begründen.

 

Beides halte ich für richtig. Wenn es keinen Gott gibt, ist ALLES erlaubt. Ein Satz, der sich leicht sagt, der aber in aller Konseqnez gedanklich durchgeschmeckt werden sollte.

Bezüglich des Sinns: Nun ja. Wir kommen aus dem Nichts. Wir gehen ins Nichts. Infolgedessen  ist nichts, was wir dazwischen tun von Bedeutung. Selbst Leute wie Platon (m.E. zu einem bloßen Denkmal erstarrt, kaum noch ernstlich rezipiert, selbst von klugen Leuten wie Sokrates höchstens noch durch Sekundärliteratur - in diesem Fall Popper - rezipiert) hinterlassen keine Spuren von Ewigkeitswert, und ob man sofort nach dem Ableben, zwei Generationen oder zweitausend Jahre später in Bedeutungslosen Vergessen versinkt, erscheint mir ebenfalls bedeutungslos.

 

ich kann damit leben, her mit Wein, Knaben und Fischen (wenn ich mich recht erinnere sozusagen die "Glücksliste" von Epikur).

 

Aber ist der Christ nicht noch nihilistischer? Und zwar deswegen, weil es sich noch nicht einmal an Wein, Knaben und Fischen erfreuen kann, sondern die Welt lediglich als eine Vorstufe zum Jenseits betrachtet und alle irdischen Freuden dementsprechend bestenfalls als schwacher Abglanz der himmlischen? Handelt ein Christ, der lediglich gut handelt, weil er im Endgericht gut darstehen will, nicht letztlich zutiefst egoistisch? Es gibt die These, eine gute Tat sei nur dann vollendet gut, wenn ihr aus sich heraus ein Wert zugemessen wird und ihren Lohn quasi in sich trägt. Ich meine, es war Nietzsche, der erklärte, mit dem Glauben an ein Jenseits lasse sich jede Lüge und jedes Unrecht im Diesseits rechtfertigen. Eine Ansicht, die mir höchst plausibel erscheint.

 

"Mein Reich ist nicht von dieser Welt" spricht Christus. "Mir sind gegeben alle Länder der Erde" (ungefähr) spricht der Teufel.

 

Ist der Christ infolgedessen nicht noch viel nihilistischer, als ein Atheist wie ich mit der in Absatz 2 dieses Beitrages vertretenen Position? Ich würde dies gerne ernstlich und sachlich erörtern (es gehört zu den Merkmalen des Forums, dass die Christen bei Diskussionen über den Glauben in verkrampfte Verteidigungsstellung, einige Atheisten in kindische Angriffsstellung gehen. Ich fände es schön, wenn ein wirklicher Austausch möglich wäre und dies hier unterbleiben würde.

 

Ich halte usermoderierte Threads wie auch die Nutzung der Ignore-Funktion für etwas erbärmliches. Ich spreche also lediglich die höfliche Bitte aus, dass sich insbesondere die User Jocke und Gallowgas nicht an der hier hoffentlich entstehenden Diskussion nicht beteiligen.

 

Ps: Ich denke, es wäre nett, hier mal wieder über etwas anderes als die bösen Muslime/Flüchtlinge oder Politik von Frau Merkel zu diskutieren. Beides sind nämlich Themen, die mich langsam anwidern und ermüden.

 

Wuerde dir gern ausfuehrlicher antworten, aber ich betrachte in meinem Christsein die Welt nicht als Vorstufe zur Ewigkeit. Eher als eine Spanne auf dem Weg nach weiss ich wohin nach diesem jetzigen Leben, aber diese Spanne hat fuer mich einen Wert in sich, naemlich die einmalige, einzigartige Gelegenheit, ein reflektierendes Geschoepf zu sein und diese irdische Welt reflektierend zu sehen und zu erleben. Dadurch ergibt sich auch,  die Schoenheit und das Wunderbare und den Genuss am Irdischen zu erleben (woraus das besteht,  mag nun individuell verschieden sein,das waere  ist ein anderes Thema), vor allem aber das Einzigartige an  diesem Geschehen zu begreifen.  

Was spaeter, nach meinem Tod sein wird, werde ich spaeter in seiner Einzigartigkeit erkennen, was jetzt ist, zaehlt, denn die Chance habe ich nur einziges Mal, sie kommt niemals wieder, dass ich als Mensch hier auf dieser Erde existiere.  Diese Chance sollte man fuer sich selbst nicht verzwecken, auch nicht in falsch verstandenem religioesen Eifer. Das hielte ich eher fuer eine Suende.

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Eigentlich kein Thema, in das vom Mobile schreibt, aber dennoch:

 

Eine Deiner Prämissen ist, daß Diesseits und Jenseits voneinander unabhängig sind. Das ist im Christentum nicht möglich. Zum einen geht alles, was wir hier getan, gedacht, gefühlt, gesagt und unterlassen haben mit ins "nächste" (der Begriff weckt auch irreführende Assozationen) Leben. Die Seele (ich spreche an dieser Stelle eher von der Quintessenz eines Lebens) geht hinüber und bringt alles - wirklich alles - mit ins persönliche Gericht. Hier geschieht nun Erlösung indem alles "unreine" weggenommen ("verbrannt") wird. Das, was gut ist an einem Menschen geht gereinigt und vervollkommnet in den Himmel ein.

 

Warum aber kann nichts Unreines in den Himmel? Der Himmel ist der Zustand der perfekten Harmonie. Man könnte fast von einem Utopia sprechen, aber da der Himmel ein völlig eigener Zustand ist - nämlich Reich Gottes - trifft es dieser Begriff nicht wirklich.

Damit greift aber das nächste Zahnrad: Unsere Welt ist dazu bestimmt im Reich Gottes aufzugehen. Das ist letztlich ihr Daseinszweck. Um das vorzubereiten hat Gott zwei Dinge getan: das Volk Israel ausgewählt und Christus als Menschen geboren werden lassen.

 

Beides dient dazu die Schöpfung auf ihre Vollendung vorzubereiten. Unsere Aufgabe als Christen ist daher vornehmlich das Reich Gottes in dieser Welt, also in der "gefallenen Schöpfung" schon erahnbar zu machen uns sich auch selbst so gut es geht auf die Ewigkeit vorzubereiten.

 

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vor 3 Stunden schrieb Xamanoth:

Oft wird Atheisten vorgeworfen, sie seien Amoralisch und nihilistisch; ohne Gott ließe sich weder intersubjektiv erkennbarer Sinn noch intersubjektiv vertretbare Moral begründen.

 

Beides halte ich für richtig. Wenn es keinen Gott gibt, ist ALLES erlaubt. Ein Satz, der sich leicht sagt, der aber in aller Konseqnez gedanklich durchgeschmeckt werden sollte.

Bezüglich des Sinns: Nun ja. Wir kommen aus dem Nichts. Wir gehen ins Nichts. Infolgedessen  ist nichts, was wir dazwischen tun von Bedeutung. Selbst Leute wie Platon (m.E. zu einem bloßen Denkmal erstarrt, kaum noch ernstlich rezipiert, selbst von klugen Leuten wie Sokrates höchstens noch durch Sekundärliteratur - in diesem Fall Popper - rezipiert) hinterlassen keine Spuren von Ewigkeitswert, und ob man sofort nach dem Ableben, zwei Generationen oder zweitausend Jahre später in Bedeutungslosen Vergessen versinkt, erscheint mir ebenfalls bedeutungslos.

 

ich kann damit leben, her mit Wein, Knaben und Fischen (wenn ich mich recht erinnere sozusagen die "Glücksliste" von Epikur).

 

Zu den Christen will ich mich nicht äußern, denn ich bin keiner; ein Atheist allerdings auch nicht. Soweit ich weiß, ist Atheismus nichts anderes als eine Negativ-Bezeichnung, nämlich das Nichtglauben an irgendwelche Götter (was immer das auch sein mag). Das sich daraus nichts ergibt, also weder ein sogenannter Sinn noch eine etwaige Moral, will mir schon einleuchten, doch ich denke, kaum jemand ist nur Atheist.

 

Bleibt die Frage nach "Sinn" wie "Moral" im allgemeinen. "Sinn", so verwendest du das Wort ja auch, ist die Frage nach der Bedeutung dessen, was man denkt und tut, ist also die Frage nach dem Zusammenhang, in dem man etwas denkt und tut. Der natürlichste Zusammenhang ist der zwischen den Menschen. Niemand von uns kommt aus dem "Nichts", und die Menschheit sich nicht in der Zwischenzeit in die Luft jagt, kommt auch nach unserem jeweiligen, individuellen Leben keineswegs ein "Nichts". Damit ist alles, was wir zwischen dem Anfang und dem Ende unseres persönlichen Lebens tun, von Bedeutung, ob uns das nun bewußt ist, oder nicht.

 

"Moral" ist nichts anderes als ein Wort für das, was wir an Handlungsnormen unserer jeweiligen Gesellschaft verinnerlicht haben, was zu unserem individuellen Gewissen geworden ist. "Moral" ist also in erster Linie nicht etwas, was "intersubjektiv vertretbar begründet" werden müßte, sondern etwas, was sich entwickelt hat und existiert, zu manchen Zeit so fest in den einzelnen Menschen verankert, daß diese meinten, eine bestimmte Moral sei uns angeboren, was sie eindeutig nicht ist. Was uns dagegen sicherlich angeboren ist, ist die Fähigkeit und Notwendigkeit, unserer Verhaltensstandards aufeinander abzustimmen, damit ein gedeihliches Zusammenleben überhaupt möglich ist. Ich kenne jedenfalls keine menschliche Gesellschaft, in der "alles erlaubt" wäre.

 

Der Nihilismus, von dem du sprichst, ist meiner Ansicht nach die direkte Folge des katesischen "cogito, ergo sum", der philosophischen Vereinzelung, also eine philosophische Fehltheorie, die letztlich zum Solipsismus führt, die Vorstellung eines Wir-losen Ichs, wobei es im Ergebnis gleichgültig ist, ob man die anderen für nicht existent hält, oder sie einem nur am Ursch vorbei gehen.

 

vor 3 Stunden schrieb Xamanoth:

Ps: Ich denke, es wäre nett, hier mal wieder über etwas anderes als die bösen Muslime/Flüchtlinge oder Politik von Frau Merkel zu diskutieren. Beides sind nämlich Themen, die mich langsam anwidern und ermüden.

 

Da ist dir allerdings aus vollem Herzen zuzustimmen.

 

bearbeitet von Marcellinus
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vor 3 Stunden schrieb Xamanoth:

... sondern die Welt lediglich als eine Vorstufe zum Jenseits betrachtet und alle irdischen Freuden dementsprechend bestenfalls als schwacher Abglanz der himmlischen?

Das ist keine christliche Mehrheitsmeinung. Geringschätzung irdischer Freuden ist mit dieser Begründung zumindest nicht katholisch. Der Ehrgeiz, im Endgericht gut dastehen zu wollen ist heute ebenfalls - zumindest in der katholischen Welt - nicht besonders ausgeprägt.

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vor 10 Stunden schrieb Xamanoth:

Oft wird Atheisten vorgeworfen, sie seien Amoralisch und nihilistisch; ohne Gott ließe sich weder intersubjektiv erkennbarer Sinn noch intersubjektiv vertretbare Moral begründen.

 

Beides halte ich für richtig. Wenn es keinen Gott gibt, ist ALLES erlaubt. Ein Satz, der sich leicht sagt, der aber in aller Konseqnez gedanklich durchgeschmeckt werden sollte.

Bezüglich des Sinns: Nun ja. Wir kommen aus dem Nichts. Wir gehen ins Nichts. Infolgedessen  ist nichts, was wir dazwischen tun von Bedeutung. Selbst Leute wie Platon (m.E. zu einem bloßen Denkmal erstarrt, kaum noch ernstlich rezipiert, selbst von klugen Leuten wie Sokrates höchstens noch durch Sekundärliteratur - in diesem Fall Popper - rezipiert) hinterlassen keine Spuren von Ewigkeitswert, und ob man sofort nach dem Ableben, zwei Generationen oder zweitausend Jahre später in Bedeutungslosen Vergessen versinkt, erscheint mir ebenfalls bedeutungslos.

 

ich kann damit leben, her mit Wein, Knaben und Fischen (wenn ich mich recht erinnere sozusagen die "Glücksliste" von Epikur).

 

Aber ist der Christ nicht noch nihilistischer? Und zwar deswegen, weil es sich noch nicht einmal an Wein, Knaben und Fischen erfreuen kann, sondern die Welt lediglich als eine Vorstufe zum Jenseits betrachtet und alle irdischen Freuden dementsprechend bestenfalls als schwacher Abglanz der himmlischen? Handelt ein Christ, der lediglich gut handelt, weil er im Endgericht gut darstehen will, nicht letztlich zutiefst egoistisch? Es gibt die These, eine gute Tat sei nur dann vollendet gut, wenn ihr aus sich heraus ein Wert zugemessen wird und ihren Lohn quasi in sich trägt. Ich meine, es war Nietzsche, der erklärte, mit dem Glauben an ein Jenseits lasse sich jede Lüge und jedes Unrecht im Diesseits rechtfertigen. Eine Ansicht, die mir höchst plausibel erscheint.

 

"Mein Reich ist nicht von dieser Welt" spricht Christus. "Mir sind gegeben alle Länder der Erde" (ungefähr) spricht der Teufel.

 

Ist der Christ infolgedessen nicht noch viel nihilistischer, als ein Atheist wie ich mit der in Absatz 2 dieses Beitrages vertretenen Position? Ich würde dies gerne ernstlich und sachlich erörtern (es gehört zu den Merkmalen des Forums, dass die Christen bei Diskussionen über den Glauben in verkrampfte Verteidigungsstellung, einige Atheisten in kindische Angriffsstellung gehen. Ich fände es schön, wenn ein wirklicher Austausch möglich wäre und dies hier unterbleiben würde.

 

 


Es scheint mir schwierig, auf deine Frage eine allgemeingültige Antwort zu geben.


Es gibt unzählige einzelne Menschen, die versuchen, das zu leben, was sie als "Christentum" verstehen. Und jede und jeder von uns kann letztlich immer nur von dem schreiben, was er als Christ (in meinem Fall als katholische Christin) von diesem Christentum sieht und versteht. (Auch die, die für sich den Anspruch erheben, das "Lehramt" zu sein, können das nicht anders tun.)
Mein Verständnis: Im christlichen Menschenbild ist der Mensch  - so habe ich es auch gelernt - als Person Subjekt seines Handelns. Er entscheidet selbst bestimmt und in Freiheit, was er tun will und was nicht. Wenn er Christ ist, dann sind es vor allem die Liebesgebote, an denen er sich dabei orientieren sollte. Diese Grundentscheidung muss er treffen: Entschließt er sich zur Lebensform des Liebe-Lebens und öffnet er sich für andere (und entspricht er damit seinem eigentlichen Wesen, das ja von Grund auf auf Beziehung angelegt ist) oder tut er das nicht?
Diese Grundentscheidung vollzieht sich dann in jeder einzelnen Entscheidung wieder und wird zunehmend ein festes Muster, aus dem heraus dieser Mensch dann auf die Herausforderungen des Lebens reagiert. Das würde, soweit ich das verstehe, dem entsprechen, was du sagst: Dass jedem solchen Tun ein Wert in sich inne wohnt und es den Lohn in sich trägt.

Es ist mir durchaus klar, dass es genug Christen gibt (ich meine, zunehmend weniger im katholischen Bereich und inzwischen mehr im evangelikalen),  deren Motivation für ihr Handeln nicht diese grundsätzliche Entscheidung ist, mit ihrem Leben Antwort zu geben auf das, wozu sie sich gerufen fühlen/wissen, sondern - plakativ gesagt - die Angst vor der Hölle oder die Erwartung eines hoffentlich gnädigen Gerichts und eines Lebens im Himmel.

Ich glaube aber, dass das nicht primär mit der Religion zu tun hat, sondern mit etwas ganz anderem, das genauso für alle anderen Menschen gilt:
Moral und Moralempfinden entwickeln sich im Lauf des Lebens.

 

Das (mir) bekannteste Modell dafür ist das Kohlbergsche Stufenschema: Kohlberg beschreibt die moralische Entwicklung des Menschen als einen Prozess, der in Stufen verläuft. Aufbauend auf Piaget sieht er die Entwicklung des „moralischen Urteils“ eng verknüpft mit der Entwicklung der Denkfähigkeit: Schon kleine Kinder unterscheiden zwischen „gut“ und „böse“, zwischen richtig und falsch. "Richtig" ist in diesem Alter das, was Mama und Papa sagen. Und Orientierung geben Belohnung und Strafe. Im Lauf des Heranwachsens werden neue Aspekte hinzugezogen und wird das moralische Urteil auf einer zunehmend höheren Entwicklungsstufe gefällt. Es entwickelt sich ein bewusster Umgang mit Normen und Werten, die man sich selbst erarbeitet hat. Für moralische Entscheidungen werden mit wachsender Reife Argumente, die einem selbst plausibel erscheinen müssen, herangezogen. Die höchste Stufe der Moralentwicklung wäre nach diesem Modell die "Stufe universeller ethischer Prinzipien", eine universelle und solidarische Sichtweise mit eigenverantwortlich übernommenen Regeln, die sich an universell gültigen, ethischen Prinzipien orientieren und die Würde und das Leben jedes Menschen achten. Diese Stufe erreichen nach Kohlberg nur wenige Menschen  - sie wäre aber das Entwicklungsziel einer Religion wie sie das Christentum ist: Das Anliegen und Ziel der christlichen Religion für den Menschen ist ja die "Menschwerdung" - die volle Entfaltung und Verwirklichung seiner in ihm angelegten Möglichkeiten, sein "Leben in Fülle".


Die rein kognitiv begründete Einteilung Kohlbergs wurde schon früh kritisiert, weil sie die Frage nach der moralischen Motivation nicht klären kann: Die Frage, warum Menschen überhaupt die Ansprüche anderer einbeziehen und warum sie moralisch handeln. Die Vernunft und die Denkfähigkeit, die Fähigkeit zur Differenzierung und zur Perspektivenkoordination ist zwar nach Ansicht dieser Kritiker notwendig, aber sie genügt nicht, um moralisches Handeln zu erklären. Dafür braucht es noch eine affektive Komponente: Betroffenheit und empathisches Mitfühlen mit den Bedürfnissen und Nöten anderer, Fürsorge. Erst wenn das mit eine Rolle spielen darf, wird das Wohlergehen anderer als Grund für moralisches Handeln bedeutsam. (Wo das fehlt, ist die Gefahr groß, dass sich eine Gesellschaft von rationalen Egoisten und Macchiavellisten entwickelt.)

Um noch einmal zu deiner Frage zurück zu kommen: Das Christentum kann ich keinesfalls als nihilistische Religion sehen. Es geht eben genau nicht darum, dass man alles nur für sich und ein potentiell späteres gutes Leben im Jenseits tut, sondern es geht um eine Religion, deren Hauptanliegen das Wachsen, die Entwicklung, "das Leben" der menschlichen "Seele" ist. Und dieses Reifen des lebendigen Menschen geht immer Hand in Hand mit der Entwicklung der Beziehungsfähigkeit, der Liebesfähigkeit.

 


 

bearbeitet von Ennasus
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vor 8 Stunden schrieb Xamanoth:

Beides halte ich für richtig. Wenn es keinen Gott gibt, ist ALLES erlaubt. Ein Satz, der sich leicht sagt, der aber in aller Konseqnez gedanklich durchgeschmeckt werden sollte.

Bezüglich des Sinns: Nun ja. Wir kommen aus dem Nichts. Wir gehen ins Nichts. Infolgedessen  ist nichts, was wir dazwischen tun von Bedeutung. Selbst Leute wie Platon (m.E. zu einem bloßen Denkmal erstarrt, kaum noch ernstlich rezipiert, selbst von klugen Leuten wie Sokrates höchstens noch durch Sekundärliteratur - in diesem Fall Popper - rezipiert) hinterlassen keine Spuren von Ewigkeitswert, und ob man sofort nach dem Ableben, zwei Generationen oder zweitausend Jahre später in Bedeutungslosen Vergessen versinkt, erscheint mir ebenfalls bedeutungslos.

An dieser Stelle hilft vielleicht ein wenig Goethe: Wohl dem, der seiner Väter gern gedenkt, der froh von ihren Taten, ihrer Größe den Hörer unterhält und - still sich freuend - sich geschlossen sieht ans Ende dieser schönen Reihe.

 

Ich pers. finde Goethes Schluss zu kurz gegriffen (wir sind nicht das Ende einer Kette, sondern ein Glied mit ebenso vielen Gliedern vorher wie nachher), aber es geht letztlich darum, daß niemandes Leben "bedeutungslos" ist. Die bloße Existenz jedes einzelnen Menschen verändert die Welt unrevidierbar (deshalb bin ich auch gegen Abtreibungen, aber das ist ein anderer Thread). Um Marcellinus' Gedanken weiterzuführen: jeder Mensch ist letztlich das "Produkt" seiner Vorfahren und damit meine ich nicht nur die Eltern und Großeltern, sondern ich spreche von 10, 20, 30 Generationen. Die 10. Vorfahrengeneration eines Menschen umfasst theoretisch 1.024 Individuen also 1.024 individuelle Lebensgeschichten, Träume, Erfahrungen, Ängste, Leistungen, etc. In realiter wird es solche genetisch "sauberen" Ahnentafeln dank dem unvermeidlichen "Ahnenschwund" wohl nur seltenst geben, aber auch das formt und wirkt in den Nachkommen nach. Mal stärker, mal schwächer und vielleicht reicht die bewusste Kettenbildung allerhöchstens bis zu den Urgroßeltern, die unbewusste ist aber trotzdem da. Davon auszugehen, daß das eigene Leben bedeutungslos ist, weil in 100 Jahren dein Name vielleicht nicht mehr erinnert wird, halte ich für einen Holzweg, der die volle Wirksamkeit der Existenz maßlos unterschätzt.

 

vor 8 Stunden schrieb Xamanoth:

Aber ist der Christ nicht noch nihilistischer? Und zwar deswegen, weil es sich noch nicht einmal an Wein, Knaben und Fischen erfreuen kann, sondern die Welt lediglich als eine Vorstufe zum Jenseits betrachtet und alle irdischen Freuden dementsprechend bestenfalls als schwacher Abglanz der himmlischen? Handelt ein Christ, der lediglich gut handelt, weil er im Endgericht gut darstehen will, nicht letztlich zutiefst egoistisch? Es gibt die These, eine gute Tat sei nur dann vollendet gut, wenn ihr aus sich heraus ein Wert zugemessen wird und ihren Lohn quasi in sich trägt. Ich meine, es war Nietzsche, der erklärte, mit dem Glauben an ein Jenseits lasse sich jede Lüge und jedes Unrecht im Diesseits rechtfertigen. Eine Ansicht, die mir höchst plausibel erscheint.

Wie schon erwähnt, gibt es zwar christliche Strömungen, die die geistige Reinheit und die damit zusammenhängende "Zucht des Leibes" höher werten als die Genüsse unserer Existenz, aber das ist nicht katholische Tradition. Das Mönchtum ist ein sehr eigener Weg, aber um Christ zu sein muss man nicht Mönch sein. Ein Merkmal der katholischen Tradition ist die Unterscheidung der Zeiten. Fastenzeiten und Feiertage bilden einen harmonischen Kreislauf, der dem Jahr seinen Rhythmus gibt und der den Menschen gleichermaßen in die Pflicht nimmt durch Verzicht und Kontrolle an sich zu arbeiten, aber nicht darin stecken bleibt sondern immer wieder das "himmlische Hochzeitsmahl" in unserer Welt schmeckbar werden lässt. Das ist kein schwacher Abglanz sondern eine Verheißung, die Lust auf mehr machen soll.

 

Die Kirche kennt traditionell zwei Arten der Reue die für die gültige Beichte. Die vollkommene Reue ist die, die man aus Liebe zu Gott empfindet. Die unvollkommene Reue ist die, die man aus Angst vor Gott hat. Egoismus trifft es an dieser Stelle nur sehr bedingt. Der Egoist denkt nur an sich und hat keine Nächstenliebe (ja, ich weiß, das böse Wort) in sich. Ein Christ der "gut" handelt, kann kein Egoist sein, weil das "gute Handeln" des Christen immer eine auf den Mitmenschen bezogene Komponente hat. Ohne den Blick auf den Nächsten, kann ein Christ nicht "gut" handeln.

 

Was Nietzsche angeht, hat er im Prinzip wohl Recht, aber... Natürlich kann man sich das Jenseits auch passend zurecht legen. Das ist allerdings innerhalb des christlichen Denkens, wenn man sich an die jesuanischen Grundlagen hält, nur bedingt möglich geschweige denn redlich.

 

vor 8 Stunden schrieb Xamanoth:

"Mein Reich ist nicht von dieser Welt" spricht Christus. "Mir sind gegeben alle Länder der Erde" (ungefähr) spricht der Teufel.

Bei mir klingt der Satz Jesu immer nach "Das hier ist nicht meine Welt, denn sie ist nicht so, wie sie sein sollte." Im weiteren Sinne wie die heute auch zu hörende These "Dieses Land ist nicht mehr mein Deutschland". Was den Teufel angeht? Nun ja. Selbstüberschätzung ist ein Charakterzug, der gut zu ihm passt.

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17 hours ago, Xamanoth said:

Oft wird Atheisten vorgeworfen, sie seien Amoralisch und nihilistisch; ohne Gott ließe sich weder intersubjektiv erkennbarer Sinn noch intersubjektiv vertretbare Moral begründen.

Mit Gott allerdings noch weniger, weil Gott nicht intersubjektiv beweisbar existiert.

 

Der Vorwurf geht einfach ins Leere, und ist im Grund nicht anderes als bloede Propaganda von dummen Religioesen, die nicht verstehen, dass die gleiche Propaganda sie noch schlimmer trifft.

 

In der ultima ratio ist nichts intersubjektiv begruendbar.  Irgendwo ist die Philosophie am Ende, und die Soziologie und das Strafrecht fangen an.

 

17 hours ago, Xamanoth said:

ich kann damit leben, her mit Wein, Knaben und Fischen (wenn ich mich recht erinnere sozusagen die "Glücksliste" von Epikur).

Na ja, 2 von 3 kann ich mittragen.  Obwohl ein gutes Steak is auch nicht schlecht; vielleicht hat Epikur nie ein gutes Steak gebraten gekriegt.  Ich wette, er war nie in seinem Leben in Texas.  Glaubt ihr, dass Epikur jemals ein gutes ungarisches Schweine-Goulasch mit viel Paprika und saurer Sahne probiert hat?  Eher nicht.

 

17 hours ago, Xamanoth said:

Handelt ein Christ, der lediglich gut handelt, weil er im Endgericht gut darstehen will, nicht letztlich zutiefst egoistisch?

Ein interessantes und uraltes Argument: Jemand, der wohltaetig und gut ist, nur weil er in den Himmel kommen will (weil es dort Ambrosia zu Essen gibt, oder 72 Jungfrauen, ich kenn mich da nicht aus, war noch nie zu Besuch) ist in Wirklichkeit ein schlechter Mensch, weil er in Wirklichkeit nur in seine eigene Zukunft investiert.  Aehnliches Argument: Jemand, der sehr oeffentlich wohltaetig ist (z.B. Bill Gates, der immer damit angibt, wie viele Milliarden er gespendet hat), ist in Wirklichkeit ein Egoist, weil er das alles nur zum Aufblaehen seines eigenen Egos tut.  An beiden Argumenten ist was dran.  Das Argument wird zum Beispiel oft gegen "Mutter Theresa" (Schwester Bojaxhiu) verwendet: ihr Interesse war angeblich mehr Eigen-Propaganda als echte Hilfe fuer die Armen.  Aber die Wirklichkeit ist nicht so einfach, nicht so schwarz und weiss.  Weil selbst gute Taten, aus dem falschen Grund getan, sind immer noch gute Taten.

 

Hier ist ein anderes Argument, spezifisch gegen das Katholische Christentum: Katholiken koennen  die ganze Wochen lang Suenden begehen (Wein, Knaben, Fische, ...), am Sonntag beichten, und am Montag wieder mit dem Suendigen anfangen.   Das Instrument der Beichte ermoeglich es ihnen, viel weniger gut, und viel mehr schlecht zu handeln.  Da ist auch was wahres dran (selbst wenn die richtige Antwort komplexer ist).

 

P.S. Und was die ewig langweiligen Muslim-Threads angeht: Ich wuerde behaupten, dass unter meinen Bekannten die Muslims im Durchschnitt anstaendigere (grosszuegigere, bessere, moralischere) Menschen sind als die Christen.  Phyllis darf explodieren, wenn sie dies liest.

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vor 18 Stunden schrieb Xamanoth:

sNun ja. Wir kommen aus dem Nichts. Wir gehen ins Nichts. I

 

 

 

 

 

Diesen Ausage halte ich fuer eine voellig leere philosophische Floskel. Marcellinus schrieb bereits darueber, dass wir Menschen in eine Abfolge von Generationen eingebunden sind und dass sich aus unserer Stellung in dieser Abfolge, die in die Vergangenheit bis weit hinter uns zugaengliche Daten reicht und andererseits in die Zukunft weist, ergibt, dass wir keineswegs aus dem Nichts kommen und ins Nichts gehen. 

 

Materie veraendert sich, aber wir sind aus Materie entstanden und wir sind Materie und wir sind auch nach unserem irdischen Tod Materie, wenn auch wiederum veraendert. Auch von dieser Hinsicht her ist die Rede vom Nichts nicht haltbar. 

 

Vielleicht muss man ein bisschen aelter sein ;--))  (ich weiss nicht, wie alt du bist) um zu verstehen, dass das Leben als solches einen unaustauschbaren und unverwechselbaren Wert und Sinn hat.

 

 

bearbeitet von Long John Silver
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Ich möchte mal mit biblischer Theologie antworten.

 

Jesus sagt eben nicht nur "mein Reich ist nicht von dieser Welt", sondern er verkündigt den sofortigen Anbruch des Reichses Gottes.

Soweit ich sehe, hat auf diesen Aspekt insbesondere die Befreiungstheologie hingewiesen. Jetzt muss Gottes Wirken spürbar werden, nicht erst in der Ewigkeit.

Das Christentum wäre keine erfolgreiche Religion geworden, wenn nicht die ersten Anhänger eine spürbare positive Veränderung gesprüt hätten im Vergleich zu ihrem bisherigen Leben.

 

Dieser Verweis auf das Jenseits gibt es in der Kirchengeschichte vielfach. Für mich steht hier aber vielfach das Interesse am Erhalt des Status Quo im Vordergund. Der einfache Christ hat sich zu fügen, damit die Mächtigen in der Kirche ihre Macht erhalten und mit den weltlichen Machthabern kungeln können.

 

Das kann durchaus zu der oben im Eingangspost skizzierten Haltung führen: Hier ist alles egal (außer natürlich, sich an die Regeln zu halten). Die Welt ist vergänglich, also ein Nichts.

Das halte ich aber für eine Vergewaltigung der christlichen Urideen.

 

Wenn es ein Anbruch der Herrschaft Gottes schon jetzt gibt, dann muss ein Christ diesem mit all seinem Einsatz zum Durchbruch verhelfen, also an einer Welt der Grechtigkeit und des Friedens arbeiten (vgl. die Gleichnisse vom Gastmahl).

 

 

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Am 29.11.2017 um 14:15 schrieb Xamanoth:

Ist der Christ infolgedessen nicht noch viel nihilistischer, als ein Atheist wie ich mit der in Absatz 2 dieses Beitrages vertretenen Position?

 

Ich bin noch viel nihilistischer. Ich sehe noch nicht mal einen Sinn in ewigen Glück aka Himmel. Was mich nicht stört, weil Sinn sowas wie eine Krücke ist, um Leid oder auch nur unangenehme Situationen zu ertragen. Diese Krücke dann im 'Himmel' auch noch haben zu wollen, finde ich irgendwie lächerlich.

 

Weshalb die Erkenntnis der Sinnlosigkeit allen Seins für mich sowas wie Erlösung war: Ich habe die Sinnfrage nie verstanden und konnte sie dann getrost verwerfen.

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Es geht um die Differenz zwischen geglaubter Wahrheit und, sagen wir, ethischer Relevanz im Diesseits.

 

Konstruieren wir eine Religion, die das Tragen von roten Pappnasen zu einem göttlichen Gebot gemacht hat. Das ist die geglaubte Wahrheit. Nur wer eine rote Pappnase trägt, befolgt das Gebot der göttlichen Entität und erhält ein ewiges glückliches Leben. Wer dem Gebot nicht folgt, selbst wenn er von ihm keine Kenntnis hat, verfällt der ewigen Verdammnis.

 

Nun stellt sich die Frage, ob die Gläubigen missionieren sollen. Es könnte ja sein, dass das kein Gebot ist. Dann tragen ein paar Leute rote Pappnasen und die Welt wird davon nicht wirklich tangiert. Sollten jene Leute natürlich Recht haben, dann schauen wir mehrheitlich nach dem Tod ziemlich doof aus. Aber die diesseitige Welt würde das wenig tangieren.

 

Geben wir unserer Religion also noch eine ethische Komponente, nämlich, möglichst viele andere zu dieser Religion zu bekehren. Spätestens jetzt wird es fraglich, ob man noch nihilistisch unterwegs ist: Denn man will ja andere Leute retten. Und welche Kompensation gibt es für die Retter? Schwierig. Genügt es, die rote Pappnase zu tragen, um gerettet zu werden, oder muss man auch Teil des missionierenden Schneeballprinzips sein?

 

Zumindest erhält diese Religion nun diesseitige Relevanz. Da sie jetzt zwei Gebote hat - rote Pappnasen und Missionieren - gerät sie komplett aus dem Ruder: Jedes Mittel ist Recht, Zwangsbeglückung anderer ist legitim.

 

Das ist definitiv alles Mögliche, aber kein Nihilismus. Zwar gilt das Diesseits nichts, da ist jedes Mittel zur Bekehrung recht, aber unter Nihilismus verstehe ich eher eine Denkrichtung, in der alles wurscht ist.

 

Und denen wäre das Diesseits wurscht, aber ansonsten wären die voll im Stress.

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vor 6 Minuten schrieb nannyogg57:

Das ist definitiv alles Mögliche, aber kein Nihilismus. Zwar gilt das Diesseits nichts, da ist jedes Mittel zur Bekehrung recht, aber unter Nihilismus verstehe ich eher eine Denkrichtung, in der alles wurscht ist.

Das wäre es - abgesehen vom Pappnasentragen - doch auch, wenn die Religion ausschließlich daraus bestünde und man keine Interessen außerhalb der Religion hätte. In Wirklichkeit besteht Religion natürlich nicht nur aus Normen und es gibt auch kaum Religiöse, die nichts außer ihrer Religion kennen (allenfalls in der Vorstellung einiger Religionskritiker und in extrem fundamentalistischen Milieus).

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Szenario Zwei: Voll die ethische Religion. Kompensation im Diesseits scheitert (siehe Deuteronomismus) beim Realitätscheck, daher Kompensation im Jenseits notwendig.

 

Auch hier die Frage: Ist man missionarisch? Gibt es dafür Anweisungen generell, Einschränkungen (keine Gewalt?), usw.

 

Hier gibt es tatsächlich eine diesseitige Komponente, die man nicht als irgendwie nihilistisch definieren kann: Denn die Verbesserung des Diesseits bewirkt die Pluspunkte im Jenseits.

 

Außer man erklärt diese Kompensation durchs Jenseits für in diesem Diesseits für eine nihilistische Sichtweise, die Ethik des nicht aufs Diesseits fixierten Atheisten für die wahre Entsagung.


Was, meiner Meinung nach, eine korrekte Schlussfolgerung ist. So wie der Deuteronomismus ist damit der ethische Atheismus in der Prüfungsphase. Funktioniert er?

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Nun gibt und gab es ja Religionen, die kein positives Jenseits kennen.

 

Kulte in denen denen die Götter verehrt werden, damit es dem Beter bzw. Opfernden diesseitig gut geht, aber es keine Belohnung im Jenseits gibt.

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Am 29.11.2017 um 14:15 schrieb Xamanoth:

Aber ist der Christ nicht noch nihilistischer? Und zwar deswegen, weil es sich noch nicht einmal an Wein, Knaben und Fischen erfreuen kann, sondern die Welt lediglich als eine Vorstufe zum Jenseits betrachtet und alle irdischen Freuden dementsprechend bestenfalls als schwacher Abglanz der himmlischen? Handelt ein Christ, der lediglich gut handelt, weil er im Endgericht gut darstehen will, nicht letztlich zutiefst egoistisch? Es gibt die These, eine gute Tat sei nur dann vollendet gut, wenn ihr aus sich heraus ein Wert zugemessen wird und ihren Lohn quasi in sich trägt. Ich meine, es war Nietzsche, der erklärte, mit dem Glauben an ein Jenseits lasse sich jede Lüge und jedes Unrecht im Diesseits rechtfertigen. Eine Ansicht, die mir höchst plausibel erscheint.

 

Ist nihilistisch überhaupt steigerungsfähig? Oder ist es nicht so etwas wie minimal, optimal usw., zu dem man sinnvollerweise keinen Komparativ bilden sollte?

 

Es stimmt schon nicht, dass sich der Christ nicht an den weltlichen Genüssen erfreuen kann und darf. Jesus selbst wurde von asketischeren Jüngern Johannes des Täufers polemisch als Fresser und Säufer tituliert. Neben seiner phasenweisen Askese hat er aber definitv häufiger Wein und Fische genossen, Knaben eher nicht, Frauen eher ja. Es wird ja sogar berichtet, dass er selbst nach seiner Auferstehung noch Fisch verzehrt haben soll.

 

Die Existenz einer göttlichen Ordnung, vielleicht sogar eines Weltenplans, die Aussicht, sich für das, was man anstellt, wenn nicht in diesem Leben, dann später verantworten zu müssen, der Glaube, dass der Tod nicht das letzte Wort hat, und andererseits die große Chance, nicht mehr aus der Angst um sich selbst heraus handeln zu müssen, sondern zur Liebe und zum Guten befreit zu sein; das alles ist nichts weniger als nihilistisch.

 

Dass es jede Menge Fehlentwicklungen, Verirrungen, Skandale und Verbrechen bei der Vermittlung dieser Botschaft gegeben hat und gibt, ist nicht zu bestreiten. Aber nihilistisch sind selbst die ganz überwiegend nicht.

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Hat sich Xamanoth jetzt auf das Niveau eines faulen Reli-Schülers begeben? In der Threaderöffnung scheint ja nur noch der Satz "Ich muss für morgen (eigentlich bis letzten Monat, aber mein Lehrer hat mir erst vor zwei Wochen offenbart, wie schlecht meine mündliche Note jetzt aussieht) noch ein Referat schreiben - bitte helft mir!" zu fehlen.

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Ja, ein typisches Gymnasiastenthema, daran kann ich mich aus meiner eigenen Schulzeit erinnern. Seinerzeit war das, was als Nihilismus bezeichnet wird sehr schlecht angesehen, daher wurde er gerne als eine Art Gegenentwurf zum Christentum dargestellt, der selbstverständlich abzulehnen war.

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Long John Silver
Am 29.11.2017 um 08:15 schrieb Xamanoth:

Oft wird Atheisten vorgeworfen, sie seien Amoralisch und nihilistisch; ohne Gott ließe sich weder intersubjektiv erkennbarer Sinn noch intersubjektiv vertretbare Moral begründen.

 

Beides halte ich für richtig. Wenn es keinen Gott gibt, ist ALLES erlaubt. Ein Satz, der sich leicht sagt, der aber in aller Konseqnez gedanklich durchgeschmeckt werden sollte.

 

 

Auch dieser Satz ist, mit Verlaub, Unsinn. Es gab noch nie eine menschliche Gemeinschaft, in der alles erlaubt war und es wird auch niemals eine geben. Dagegen stehen die sozialen und oekonomischen Interessen  einzelner und bestimmter Gruppen und was erlaubt ist oder  verboten, richtet sich nach diesen Interessen und den Ressourcen der Gemeinschaft. 

 

Wo um Gotteswillen hast du solche unrealistischen Plattidueden ausgegraben?

 

Wie dem auch sei, da brauchst du gedanklich nichts durchzuschmecken, das ist lediglich eine Schnapsidee. 

 

 

 

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vor 1 Minute schrieb Long John Silver:

 

Auch dieser Satz

 

Wo um Gotteswillen hast du solche unrealistischen Plattidueden ausgegraben?

 

Dostojewski, Schuld und Sühne, Seite hab ich vergessen

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Long John Silver
vor 25 Minuten schrieb Xamanoth:

Dostojewski, Schuld und Sühne, Seite hab ich vergessen


Nun, soweit ich mich entsinne, hat  gerade dieser Protagonist mit  dieser Idee sich total uebernommen, das ist jetzt kein gutes Beispiel. 


Wie dem auch sei, der anthropologische Blick auf die Entwicklung des Zusammenlebens der menschlichen Gesellschaften zeigt, warum es das auch nicht geben kann, naemlich weil das Sozialgefuege immer auf Regeln und Vereinbarungen fusst, egal wie  auch immer. Und dieses Sozialgefuege steht immer in Verbindung mit oekonomischen und oekologischen Zusammenhaengen. Und dieses Muster findest du in allen menschlichen Gesellschaften, Gott hin, Religion her, weil es das Grundmuster ist. 

 

 

 

 

bearbeitet von Long John Silver
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Natürlich fußt ein Spzialgefüge auf Regeln und Vereinbarungen; das ist trivial. Nicht trivial ist, wieso ein Individuum sich dem fügen sollte, anstatt nur glaubhaft den entsprechenden Anschein zu erwecken.

 

Wenn nicht dieses Missgeschick mit Olliver gewesen wäre, hätte Fagin das beste aus seinen Möglichkeiten gemacht.

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Long John Silver
vor 17 Minuten schrieb Xamanoth:

Natürlich fußt ein Spzialgefüge auf Regeln und Vereinbarungen; das ist trivial. Nicht trivial ist, wieso ein Individuum sich dem fügen sollte, anstatt nur glaubhaft den entsprechenden Anschein zu erwecken.

 

Wenn nicht dieses Missgeschick mit Olliver gewesen wäre, hätte Fagin das beste aus seinen Möglichkeiten gemacht.

 

Es gibt in jeder Gesellschaft Soziopathen.

 

Das halte ich dann eher fuer ein kriminelles oder pathologisches Problem.

 

 

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Long John Silver
vor 25 Minuten schrieb Xamanoth:

Das ist kein Argument. Warum lebt ein Soziopath bzw Amoralist falsch?

 

 

 

Das fragte sich der Mann auch, der von seinem Stamm ohne Wasser in der Wueste ausgesetzt wurde, weil er seinen Stammesgenossen betrogen hatte.  Zeit genug hatte er ja und vielleicht haben ihm die Geier eine Antwort gegeben. 

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