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Seltsame Gedanken, die Bibel zu lesen


nannyogg57

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vor 2 Stunden schrieb Long John Silver:

Nun, ich sehe den Sinn des Lebens auch nicht darin, arm zu sein oder kein Eigentum oder Besitz zu haben.

 

Es gibt diese Auslegung, aber wer das meint, dem wuerde ich immer empfehlen, sich mal mit den Obdachlosen zusammen zu setzen, die in Pappkartons leben. So romantisch ist das nicht, wenn man ohne Einkommen ist. 

 

Das mit dem Ueberfluss ist auch eine Sache. Warum sich nicht zur Ruhe setzen, wenn man genug gebunkert hat? Ist Arbeit  um der Arbeit willen ein ethischer Selbstzweck? Vielleicht malt der Mann jetzt lieber oder zuechtet Pferde.  So als Beispiel. 

 

Alao, mit Saetzen wie "wahr und richtig" leben, habe ich ein Problem, das muss ich zugeben. Es gibt so was wie Ballast, es muss nicht unbedingt Ueberfluss sein, einfach Dinge oder ein Denken, das einem entfernt von dem, was wichtig ist, was den Blick verstellt. 

 

Ich will also mal kleinere Broetchen backen. Schritte in meinem individuellen Leben: bestimmte Konzerne nicht unterstuetzen. Darauf achten, wo meine Lebensmittel herkommen. Plastikmuell vermeiden. Nichts kaufen, was durch Tierversuche unterstuetzt wird, die Gewaesser verseucht. Biologische Landwirtschaft und  entsprechende ethische Tierhaltung finanziell unterstuetzen.  Ich bin das seit Jahrzehnten gewoehnt, fuer andere waeren das radikale Schritte. Andererseits faende ich es nicht radikal, sondern nur dumm, wenn ich mein Eigentum aufgeben wuerde oder verschenken. Ich bin froh, dass ich es habe und danke Gott auch staendig dafuer, weil ich weiss, dass andere eine solche Grundlage nicht haben und auch nicht werden haben koennen, egal, wie sehr sie sich anstrengen.  Was heisst also in dem Zusammenhang fuer einen individuellen Menschen "wahres und richtiges Leben?"  Fuer mich waere es z.B., wenn ich einmal nicht mehr arbeiten gehe, mir irgendwo weitab eine kleine Farm zu kaufen, vielleicht. Mit ein paar Tieren. Und mit weitab meine ich weitab. 

 

Nun, jeder von uns muss seine eigene Antwort auf Jesu Aussage finden:

 

Lukas 6, 20 Und er hob seine Augen auf über seine Jünger und sprach: Selig seid ihr Armen; denn das Reich Gottes ist euer. 

Lukas 6, 24 Aber dagegen: Weh euch Reichen; denn ihr habt euren Trost schon gehabt.

 

Ich will gar nicht sagen, dass deine Antwort darauf schlechter ist als meine.

 

Wenn die Zwei-Quellen-Theorie stimmt, hat der Schreiber des Lukas-Evangeliums sich daran abgearbeitet. Bei der Geschichte vom reichen Jüngling gibt es keinen allgemeinen Aufruf an alle Menschen, sein Eigentum hinter sich zu lassen. Das ist ein Aufruf, den es nur ganz persönlich an den reichen Jüngling gibt, der Jesus fragt, was er tun kann, um ins Himmelreich zu kommen. In der Freikirche, wo ich herkomme, wurde die Stelle so ausgelegt, dass es hier um das Herz des Menschen geht. Hänge ich an meinem Besitz oder bin ich bereit, diesen jederzeit aufzugeben, wenn Gott ruft? Wobei ich denke, dass das Gleichnis vom Bauern, dessen Feld gut getragen hat, weiter geht als nur das Herz des Menschen zu beleuchten. 

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Long John Silver
vor 19 Stunden schrieb Ennasus:


Das kann ich nachvollziehen. Für mich ist "Mythos" eigentlich auch nicht das richtige Wort - das ist nach wie vor "Symbolsprache".

Wobei es darauf ankommt, wie man es verwendet. Ich greife es manchmal auf bzw. lasse es stehen, weil der Begriff auf jeden Fall impliziert, dass mit Hilfe einer mythischen Geschichte eine B e d e u t u n g mit- bzw. ausgesagt werden soll. Aber eigentlich sehe ich Mythen als äthiologische Erzählungen, als Erklärungsversuche für irgendetwas und weniger als Sprache, die unmittelbar zu unserem Inneren redet und Entwicklungen in uns anstoßen will und kann.

Und wenn zum Beispiel vom "Mythos Jesus" die Rede ist, hört es sich für mich völlig falsch an, weil damit meist gesagt bzw. bewirkt werden soll, dass er in der Unwirklichkeit bleibt, eine Idee vielleicht, eine Ahnung - und dass es eine "Incarnation" der abstrakten Idee "wahrer Mensch" nicht gegeben hätte. (Jesus als Real-Symbol oder Ursakrament - mit dem kann ich dagegen gut.)

 

Ja, das drueckt gut aus, was ich auch empfinde. 

 

 

bearbeitet von Long John Silver
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Am ‎08‎.‎11‎.‎2018 um 08:59 schrieb Ennasus:


Das kann ich nachvollziehen. Für mich ist "Mythos" eigentlich auch nicht das richtige Wort - das ist nach wie vor "Symbolsprache".

Wobei es darauf ankommt, wie man es verwendet. Ich greife es manchmal auf bzw. lasse es stehen, weil der Begriff auf jeden Fall impliziert, dass mit Hilfe einer mythischen Geschichte eine B e d e u t u n g mit- bzw. ausgesagt werden soll. Aber eigentlich sehe ich Mythen als äthiologische Erzählungen, als Erklärungsversuche für irgendetwas und weniger als Sprache, die unmittelbar zu unserem Inneren redet und Entwicklungen in uns anstoßen will und kann.

Und wenn zum Beispiel vom "Mythos Jesus" die Rede ist, hört es sich für mich völlig falsch an, weil damit meist gesagt bzw. bewirkt werden soll, dass er in der Unwirklichkeit bleibt, eine Idee vielleicht, eine Ahnung - und dass es eine "Incarnation" der abstrakten Idee "wahrer Mensch" nicht gegeben hätte. (Jesus als Real-Symbol oder Ursakrament - mit dem kann ich dagegen gut.)

 

In der Exegese spricht man hinsichtlich biblischer Texte kaum von Mythen. Selbst die Schöpfungserzählung ist wohl kein Mythos im eigentlichen Sinn (ich gebe zu, ich habe mich mit einer gattungskritischen Einordnung zu diesem Thema nicht näher beschäftigt).

 

Ich würde auch zwischen Symbolen und Bedeutungs-Konstruktionen unterscheiden. Ich würde als Symbole in der Bibel nur das sehen, was die Bibel selbst als solche darbietet, also beispielsweise prophetische Symbolhandlungen.

 

Alles Andere bewegt sich m.E. im Bereich von Konstruktion von Bedeutung. Es ist dann nicht das Symbol, das auf eine dahinterliegende Wirklichkeit hinweist, sondern es ist die Bedeutung, die ich aufgrund des Textes konstruiere. Damit bin ich mitten im Spannungsfeld zwischen der Idee der Schriftreligion und der Auslegung. Schriftlegion ist ja nur dann sinnvoll, wenn ich eine Basisurkunde habe - in unserem Fall die Bibel - deren Inhalt die Religion begründet. Im Prinzip bedeutet das, dass es eine schriftliche Niederlegung des Göttlichen Willens gibt und damit eigentlich der Inhalt dieser Religion klar sein sollte.

Ist es aber nicht, weil eben Texte ausgelegt werden und zwar in jedem Akt des Lesens. Man kann also auf der Basis eines Textes oder auch eines ganzen Schriftkorpus wie der Bibel seine ganz persönliche Bedeutung konstruieren. Es existiert also eine gewissen Beliebigkeit, wenn auch begrenzt durch den Rahmen, den ein Text vorgibt.  Es gibt Interpretationen, die ein Text nicht stützt. Man kann z.B. nicht behaupten, dass die Bibel nicht von der Auferstehung Jesu handeln würde. 

 

Aber dieser Prozess der Bedeutungszuschreibung ist nicht symbolisch und auch nicht mythisch.

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Wenn man dem Gedanken folgt, dass "Mythos" gleichbedeutend mit "erfunden" ist, dann wäre auch ich allergisch dagegen, biblische Geschichten so zu bezeichnen.

 

Zunächst mal ist Mythos ja ein griechischer Begriff und wurde zur abwertenden Bezeichnung für Sagen, Legenden und Göttergeschichten, die der Philosophie und ihrem Streben, alles durch die Vernunft zu erklären, entgegenstanden.

 

Aber der Begriff hat doch schon eine gewisse Transformation hinter sich.

 

Es gibt Geschichten und Ereignisse von Bedeutung. Für Ersteres kann man auch die moderne Psychologie verantwortlich machen. Denn sie erkennt in Geschichten symbolhafte Deutungen der Wirklichkeit und nennt sie gerne Mythen. C.G. Jung und seine Archetypen-Lehre sind da nicht ganz unschuldig.

 

Ich persönlich vertrete die Ansicht, dass keine Geschichte, historisch oder nicht, Bedeutung und Wirkungsgeschichte entfalten kann, wenn sie nicht Deutungen bietet und Identifikation ermöglicht.

 

Dazu gehören auch Ereignisse wie der 11.9.2001, der Tsunami am 26.12.2004, aber auch der Mauerfall am 9. November 1989. Dazu gehören aber auch die großen Erzählungen unserer Zeit, sei es Herr der Ringe oder die Starwars-Saga.

 

In früheren Zeiten war die Vergangenheit ein mythologischer Ort oder ferne Länder. In diesen Zeiten und an diesen Orten konnte man Mythen erzählen, die in einer Art Verfremdung die gesellschaftlichen und anthropologischen Gegebenheiten reflektierten.

 

Heutzutage ist das nicht mehr möglich. Wenn wundert es also, dass als Orte der Mythen das Universum oder eben eine Parallelwelt herhalten muss und als Zeit die Zukunft.

 

Man muss schon ordentlich einen an der Waffel haben, so wie ich, um gleichzeitig die Scheibenweltromane und die Bibel mit gleicher Inbrunst zu lesen.

 

Der zentrale Mythos unserer Kultur ist der Mythos des Helden niederer Geburt, dessen Überleben als Kleinkind gefährdet ist und der als Geretteter unerkannt und in bescheidenen Verhältnissen aufwächst. Er entdeckt seine Kräfte und setzt sie zum Wohle der Menschheit ein, im besten Fall gibt er sein Leben für die Rettung der Menschheit (des Universums, wahlweise). Wer dabei an Superman denkt, liegt nicht ganz falsch, faktisch wird dieser Plot "Christus-Mythos" genannt. Wir entdecken ihn auch bei J.K.Rowling, dort heißt er Harry Potter.

 

Mit dieser Geschichte füllt man Kinos.

 

Übrigens: In den letzten Jahrzehnten gab es nur einen Blockbuster, der komplett ohne Fantasy auskam: Es war Titanic. Und wie war da die Story noch mal?

 

Man tut der Bibel Gewalt an, wenn man jede Geschichte tiefenpsychologisch-mythologisch angeht. Wie gesagt, ich lese gewisse Teile mit dem Gefühl, hier einer antiken Version von GoT gegenüber zu stehen. Manchmal scheint auch "Walking Dead" Pate gestanden zu haben. Wie die modernen Erzählungen sind es gnadenlose und reißerische Geschichten darüber, wozu Menschen fähig sind, gepaart mit der Absicht, durch möglichst spektakuläre, absurde oder grausame Plots die Aufmerksamkeit zu erregen. Mit großer Mühe wurde den biblischen Erzählungen im Nachgang ein frommes Gewand übergestülpt: Verteidiger oder Kritiker des Königtums, Deuteronomisten und Andere machten sich die Geschichten zu eigen. Hier bewegt man sich aber auf der Ebene dessen, was sich soziologisch über Menschen sagen lässt: Dass Gewalt Gewalt erzeugt, dass Menschen sich von Misstrauen, Egoismus und Angst leiten lassen ...

 

Das Judentum transportiert mit den Geschichten aber auch sein Weltbild: In all dem Chaos gibt es eine ordnende Macht, die über allem steht. Die sich nicht, wie die griechischen Götter, nur als Erklärung für all diese Dinge hergibt, die eben nicht so ist wie die Menschen, sondern fremd. 

Jahwe ist kein hinnehmender Gott, er ist ein gestaltender Gott. Seine Schöpfung ist Actio, nicht Reactio. Damit aber entsteht ein religiös motivierter Menschenschlag, der nicht gegen, sondern mit der Religion bestehende Verhältnisse kritisiert: Der Prophet.

 

Und der Prophet ist der Vorläufer des Christus, der sich lieber brechen als biegen lässt.

 

Deswegen ist die Bibel auch keine rein weisheitliche Buch, das gute Ratschläge gibt für ein gelingendes Leben. Sie verleitet den Leser, aufs Ganze zu gehen und öffnet so die Tür für die Geschichte Jesu.

 

Sorry, für das Gedankenchaos.

bearbeitet von nannyogg57
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Das ist durchaus interessant und bedenkenswert. 

 

Man kann, denke ich, guten Gewissens konzedieren, dass die Schrift, hier vorwiegend das Alte Testament, mythologisierende, allegorische und symbolhafte Passagen enthält. Damit entwertet man die Autorität der Schrift keineswegs. Das "Problem" bzw. der Schritt an dem Vorsicht geboten ist liegt meiner Auffassung nach darin, zu entscheiden, was mythologisch, metaphorisch, symbolhaft ist und was auf einen auch historischen Kern zurückverweist. 

 

Wir hatten ja einmal über Darwin und Urknall "gestritten". Ich kann - mit Kenntnis der Quellenlage - gut damit leben, dass die jüdische Bibel, wenn sie von Gott spricht, der die Gestirne wie Funzeln ans Firmament heftet, sich hier eines übertragenen Sprachgebrauchs bedient, um "Schöpfung" in einem ätiologischen Sinne als Thema aufzubereiten. Oder um eine bewusste Polemik gegen den im Zweistromland verbreiteten Glauben an Himmelskörper, die Götter sind, zu setzen. Auch wenn Gott als Löwe dargestellt wird oder die Propheten seine Stimme im Säuseln des Windes vernehmen. Dass dies Bilder sind scheint offensichtlich. Da kann ich also durchaus mitgehen, ohne allzu großes schlechtes Gewissen. Hier scheinen mir auch die fachlichen Kriterien noch hinreichend, um eine Kategorisierung vorzunehmen. 

 

Ungemein schwieriger erscheint es mir, wenn wir uns dem Neuen Testament und hier konkret dem Erdenwandel Christi, seines Todes und seiner Auferstehung näheren. Sind  diesselben Maßstäbe an die Wunder Christi anzulegen? Wie hat man es zu verstehen, wenn Christus auf dem Wasser wandelt, den Sturm still, Blinde, Taube, Stumme, Lahme heilt, Tote auferweckt? Die tiefenpsychologische Deutung wurde zurecht angesprochen. Der Fall Drewermann ist in deutschen Theologenkreisen weiterhin im Gedächtnis präsent. Die Kirche hat hier durch die zuständigen Organe klargemacht, dass sie sich mit der vorgelegten Deutung nicht zufrieden geben kann. Das war schon der Standpunkt Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts (Syllabus Errorum, Lamentabili, Pascendi).

 

Und der neuralgische Punkt der ganzen christlichen Botschaft, von der der Apostel sagt, unser Glaube sei sinnlos, wenn es nicht so sei: die Auferstehung. Wofür steht sie? Ist sie ein Symbol, eine Metapher? Wenn ja, für was? Ist sie historische Begebenheit? Oder das Gefühl der Gegenwart Christi in den Herzen der Jünger? Vor allem: Warum sollte man ausgerechnet die Auferstehung als Faktum anerkennen, wenn andere Erzählungen symbolisch oder allegorisch gedeutet werden? Vom Standpunkt der empirischen Wissenschaft aus ist die Auferstehung von den Toten genauso unmöglich und unwahrscheinlich wie eine wandelnde Feuersäule oder eine Flut, die bis auf eine Handvoll Menschen die gesamte Population vernichtet.

 

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

 

bearbeitet von Studiosus
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Die Auferstehung ist eine transzendente Sache. Jedes einzelne Wunder, dass in der Bibel steht, ist immanent: Es geht um eine Wiederauferweckung, es geht um Heilung, es geht um natürliche Phänomene, die extravagant sind. Man kann sie erklären oder als Geschichten nehmen.

 

Ihren transzendenten Bezug bekommen diese Wunder nur, wenn man sie mythologisch oder symboldidaktisch deutet. Ansonsten verbleiben sie in ihrer Zeit: Der Blinde ist gestorben, die Wasser des roten Meeres schon wieder im Normalzustand.

 

Nur die Auferstehung Jesu geschieht hinein in den neuen Äon und durchbricht die Mauer dessen, was dieser Welt unterliegt. Man muss sich das klar machen.

 

Man kann Christ sein und an kein einziges Wunder glauben, aber man kann nicht Christ sein ohne zu glauben, dass der Herr lebt. Das ist es, was einem zum Christen macht.

 

Was die Schöpfungsgeschichten betrifft: Hier empfehle ich, tatsächlich erst mal dem Wortlaut zu folgen: An das geschaffene Himmmelgewölbe (Käseglocke, 2. Tag), werden am 4. Tag die Himmelslichter (Sonne, Mond und Sterne) befestigt. Gen 1 funktioniert nur mit einem klaren Weltbild, das von der Erde als Scheibe denkt. Ein sehr klarsichtiger, aber eben technischer Bericht. Revolutionär in seiner Zeit, orientiert an dem, was man in der Natur beobachten konnte.

 

Und in diesem Sinne sehr gut fortgeschrieben mit der Geschichte vom Urknall. 

 

Der Mythos der Naturwissenschaften übrigens geht eher dahin, Albert Einstein oder Stephen Hawking hätten den Urknall erfunden. Mitnichten.

 

MERKE: Auch Naturwissenschaftler neigen dazu, Mythen zu bilden und sie entsprechen nicht immer der historischen Wahrheit.

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Sicher, Pater Lemaitre ist jedem, der sich mit der jüngeren Geschichte der Societas Iesu befasst ein Begriff.

 

Aber die Antwort zur Auferstehung befriedigt nicht. Auch die Wunder werden mir zu leichtfertig abgehandelt. Auch wenn ich die Unterscheidung von Immanenz und Transzendenz prinzipiell teile. Abegesehen von den Beglaubigungswundern, die Christus wirkte, ist die Auferstehung sicher auf einem anderen Niveau. Dennoch umgeht man meiner Ansicht nach den Elefanten, der hier im Raume steht, mit dem bloßen Verweis auf die Transzendenz. Und es beantwortet auch meine Frage nach der Historizität nicht. Aber ja, kann man sicher ausbauen. Aber von meiner Seite heute nicht mehr.

 

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

bearbeitet von Studiosus
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Was ist ein Wunder?

 

Faktisch ist alles ein Wunder: Das Universum, die Schöpfung. So sieht es die Bibel.

 

Einen Widerspruch zu dem, was dem Menschen bestimmt ist, gibt es nur mit der Auferstehung des Herrn.

 

Oder anders: Gott kann alles bewirken, er bewirkt alles. Es gibt nach diesem Verständnis kein Wunder, nur das Wirken Gottes in allem. Und die Überbietung ist die Auferstehung.  

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vor 16 Stunden schrieb Studiosus:

Ungemein schwieriger erscheint es mir, wenn wir uns dem Neuen Testament und hier konkret dem Erdenwandel Christi, seines Todes und seiner Auferstehung näheren. Sind  diesselben Maßstäbe an die Wunder Christi anzulegen? Wie hat man es zu verstehen, wenn Christus auf dem Wasser wandelt, den Sturm still, Blinde, Taube, Stumme, Lahme heilt, Tote auferweckt? Die tiefenpsychologische Deutung wurde zurecht angesprochen. Der Fall Drewermann ist in deutschen Theologenkreisen weiterhin im Gedächtnis präsent. Die Kirche hat hier durch die zuständigen Organe klargemacht, dass sie sich mit der vorgelegten Deutung nicht zufrieden geben kann. Das war schon der Standpunkt Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts (Syllabus Errorum, Lamentabili, Pascendi).

 

Und der neuralgische Punkt der ganzen christlichen Botschaft, von der der Apostel sagt, unser Glaube sei sinnlos, wenn es nicht so sei: die Auferstehung. Wofür steht sie? Ist sie ein Symbol, eine Metapher? Wenn ja, für was? Ist sie historische Begebenheit? Oder das Gefühl der Gegenwart Christi in den Herzen der Jünger? Vor allem: Warum sollte man ausgerechnet die Auferstehung als Faktum anerkennen, wenn andere Erzählungen symbolisch oder allegorisch gedeutet werden? Vom Standpunkt der empirischen Wissenschaft aus ist die Auferstehung von den Toten genauso unmöglich und unwahrscheinlich wie eine wandelnde Feuersäule oder eine Flut, die bis auf eine Handvoll Menschen die gesamte Population vernichtet.


Ich bin sehr sicher, dass sich die Kirche im "Fall Drewermann" geirrt hat. Nicht, dass ich nicht kritisch läse, was er schreibt und bei manchem anderer Meinung bin, aber grundsätzlich: Es geht in der Religion und im Glauben um die Seele, die Psyche des Menschen, um seelisch-geistige Prozesse.

Für mich ist darum kein Widerspruch darin, die Wunder, die Jesus gewirkt hat, als innerpsychische Prozesse zu verstehen (es sind um nichts weniger großartig, wenn die Seelenblindheit eines Menschen geheilt wird als wenn es sich dabei um eine somatische Heilung handelt) und die Auferstehung trotzdem zu glauben: Das, was uns wesentlich ausmacht, unser Leib im Sinn von gelebtem Leben, gelebten Beziehungen, unsere Seele - das lebt weiter, das geht nicht verloren. 
Ich glaube, dass wir das irgendwann verstehen und sehen werden, dass der Tod wirklich nicht das Ende ist, dass die Liebe und das Leben stärker sind. Aber es geht dabei nicht um die materielle Organisation unseres Seins in dieser konkreten materiellen Welt.

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Zum Thema Jesus und Wunder kann ich das Buch "das Leben des Messias" von Arnold Fruchtenbaum empfehlen. Arnold Fruchtenbaum ist zwar ein evangelikaler Autor, der an die Unfehlbarkeit der Schrift im Sinne der Chicago-Erklärung glaubt und deswegen für viele kein guter Exgeget. Allerdings ist er auch ein konvertierter Jude, der vom Judentum zum evangelikalen Christentum konvertiert ist. Und er bettet die Messias-Erzählungen in ihren jüdischen Kontext ein. Sein Buch enthält viele Zitate aus dem Talmud. Und er geht der Frage auf den Grund, was die jüdische Messias-Erwartung zur Zeit Jesu gekennzeichnet hat. Und die Evangelien versuchen Jesus als den darzustellen, der genau das erfüllt hat, was über den Messias in den Vorläufern des Talmud geglaubt worden ist. Sehr interessante und erhellende Lektüre.

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vor 46 Minuten schrieb Ennasus:

Das, was uns wesentlich ausmacht, unser Leib im Sinn von gelebtem Leben, gelebten Beziehungen, unsere Seele - das lebt weiter, das geht nicht verloren. 
 

 

Ich bitte nur höchst ungern darum, aber könntest Du das vielleicht in einen konkreten Satz mit deutlich hervorgehobener Satzaussage übersetzen? Ich kann mit dieser Art des Ausdrucks wenig anfangen, wenn ich ehrlich bin. 

 

Ich will mich nicht dem Vorwurf aussetzen, im Stil eines Inquisitionstribunals zu fragen, versuche daher meine Frage möglichst wenig einschüchternd zu formulieren: Ist Christus - die Trennung in historischen Jesus und nachösterlichen Christus vollziehe ich nicht mit - leiblich (d.h. physisch) auferstanden? Also deiner Meinung nach. Oder leitet sich der Anspruch der leiblichen Auferstehung von der Gemeinde her, welche die Erfahrung der fortdauernden Gegenwart Christi (seines "gelebten Lebens" und seines Beziehungsgeflechtes, wenn man deine Begriffe nutzen will) in diesen Glaubenssatz transformiert hat? Oder unmittelbar gefragt: Hätte man, wenn man das Grab am dritten Tage nach der Schrift aufsuchte, eine leere Kammer vorgefunden oder möglicherweise einen in Tuch gewickelten, verwesenden Leib? Wurde Christus (wie Paulus sagt) auferweckt? Nicht lediglich in einem transzendenten, übernatürlichen Sinne, sondern auch dem Leibe nach? 

 

Verbessere mich, wenn ich falsch liege, aber deine Einlassungen erinnern mich doch eher an das, was ich oben als Gegenposition skizziert habe: Die Gegenwart Christi, seines Lebens und seiner Lehre, lebte nach Golgotha so stark in den Herzen und Gedanken der Apostel fort, dass sie sagten: Der Herr lebt. Und daraus entwickelte sich der Glaube an die Auferstehung. Wenn ich das unzutreffend deute, bitte Protest anmelden. Jedenfalls scheinen mir viele Probleme mit der Auferstehung von einem fehlerhaften Bild der Person Christi herzurühren. Siehe auch deine Interpretation von "Menschwerdung" in einem anderen Faden. Wer bzw. was war Jesus, der Christus? Eine Art "Gott-inspirierter" Mensch, der die Weise "Mensch zu sein und als Mensch zu leben" auf eine neue evolutive Stufe hob? Oder die zweite Person der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, der präexistente Gott-Logos im Fleische inkarniert, wahrer Gott und wahrer Mensch?

 

Mir geht es nicht darum, Dir das Bekenntnis zur übernatürlichen Reanimation eines Leichnams zu entlocken. So einfach liegt die Sache gewisslich nicht. Ich würde nur gerne dahinter kommen, was Du konkret - auch theologisch konkret - mit deinen, für mich doch sehr oft kaum dem Sinngehalt nach nachvollziehbaren, Beiträgen aussagen willst.

 

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

bearbeitet von Studiosus
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@Studiosus: Ich finde es nicht so gut, dass du die beiden Sichtweisen in eine "Entweder -oder"- Perspektive bringst, so als wären es einander ausschließende Perspektiven. Ich kann sowohl an das Übernatürlich glauben: Leibliche Auferstehung, leeres Grab, Überschreitung der bekannten Naturgesetze, Jesus als inkarnierter Gott-Logos.

 

Und trotzdem auch eine weltimmanente Deutung der Glaubenssätze bemühen, die meines Erachtens keine Gegenposition im eigentlichen Sinne ist.

 

Ich denke nicht, dass die Trennlinie des orthodoxen katholischen Glaubens sich an der Frage nach dem Übernatürlichen festmachen lässt.

 

Die Trennung "historischer Jesus"-"nachösterlicher Christus" vollziehe ich auch nicht mit, wenn sie soweit führt zu sagen, dass die Wunder nicht stattgefunden hätten. Allerdings kann ich der Bezeichnung "historischer Jesus" etwas abgewinnen, wenn damit gemeint ist: "das, was wir aus historischer Sicht über Jesus sagen können". Und damit stellen wir uns auf eine nüchterne gemeinsame Grundlage mit Atheisten und können aufgrund des Kriteriums der doppelten Unableitbarkeit dafür argumentieren, dass Jesus höchstwahrscheinlich existiert hat und für ganz konkrete Aussagen stand, die ziemlich sicher historisch auf ihn zurückgehen. Was darüber hinaus über Jesus zu sagen ist, dass er Wunder getan hat usw, fällt in den Bereich des Glaubens. Wir können zwar glauben, dass dies tatsächlich stattgefunden hat. Aber wir können nicht argumentieren, dass dies aus historischer Sicht tatsächlich so gewesen sein müsse (!).

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vor 28 Minuten schrieb duesi:

@Studiosus: Ich finde es nicht so gut, dass du die beiden Sichtweisen in eine "Entweder -oder"- Perspektive bringst, so als wären es einander ausschließende Perspektiven. Ich kann sowohl an das Übernatürlich glauben: Leibliche Auferstehung, leeres Grab, Überschreitung der bekannten Naturgesetze, Jesus als inkarnierter Gott-Logos.

 

 

 

Da bin ich bei Dir. Das kam vielleicht zu alternativlos herüber. Immanenz und Transzendenz müssen sich nicht ausschließen. Im Gegenteil. Ich teile aber deine Bedenken: Indem man beispielsweise die Auferstehung allein in die Sphäre der Transzendenz rückt, beraubt man sie ihrer historischen Dimension. Zumindest liegt das nahe. Und deshalb auch die Frage, ob das Grab, nach Ennasus Ansicht, leer gewesen sei. 

 

Der auferstandene Christus lebt in einer neuen Wirklichkeit, die sich den Begrifflichkeiten unserer Lebenswelt entzieht. Das ist vollkommen klar. Dennoch bestand die Kirche seit jeher darauf, dass das Übernatürliche auch Spuren in Zeit und Raum hinterlässt. So ist die Auferstehung genauso historisches Faktum wie sie Glaubensgeheimnis ist. 

 

Die Verlagerung ins Innere bzw. Innerliche, die ich bei Ennasus als grundlegenden Tenor herauszuhören meine (falls ich das falsch sehe, widersprechen) scheint mir die gesamte Dimension eines Handelns Gottes in der Geschichte und an konkreten Menschen auszuschalten.

 

Aber vielleicht bekomme ich es ja so erklärt, dass ich es zumindest nachvollziehen kann. Zu eigen kann ich mir eine solche Sichtweise nicht machen.

 

Und ja: Der "historische Jesus" ist gewissermaßen der minimale Kompromiss, den der Gläubige eingehen muss, um im Gespräch mit Wissenschaft und Agnostizismus bestehen zu können. Allerdings bin ich der Auffassung, dass die Kirche hier mehr verliert als gewinnt, wenn sie sich darauf einlässt. Der historische Jesus, in diesem Falle zu verstehen als der Jesus, der in der Zeit seinen Erdenwandel durchlebte, lehrte, heilte, gekreuzigt wurde und auferstanden ist, kann kein anderer sein als der Christus, den Schrift und Lehramt darlegen. Daran wurde bis vor wenigen Jahrzehnten kein Zweifel gelassen (siehe u.a. Pius X.: Lamentabili). Und das erscheint mir als für mich einzig gangbarer Weg.

 

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 7 Minuten schrieb Studiosus:

So ist die Auferstehung genauso historisches Faktum wie sie Glaubensgeheimnis ist. 

Ich will nur auf diesen Aspekt eingehen. Auf die anderen Aspekte kann Ennasus selbst antworten, wenn sie es denn möchte. Der Begriff "historisches Faktum" ist eben problematisch. Wenn du damit meinst, dass Jesus tatsächlich zu einem konkreten Zeitpunkt der Geschichte auferstanden ist und Spuren in Zeit und Raum hinterlassen hat (leeres Grab), dann bin ich bei dir. Das glaube ich auch. Der Begriff "historisches Faktum" impliziert jedoch, dass die historische Wissenschaft eine Aussage über die Auferstehung Jesu machen könnte. Und das kann sie nicht. Die historische Wissenschaft muss notwendigerweise naturalistisch argumentieren. Sonst verliert sie ihre Berechtigung, historische Wissenschaft zu sein.

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vor 29 Minuten schrieb duesi:

Wenn du damit meinst, dass Jesus tatsächlich zu einem konkreten Zeitpunkt der Geschichte auferstanden ist und Spuren in Zeit und Raum hinterlassen hat (leeres Grab), dann bin ich bei dir.

 

Das meine ich.

 

vor 29 Minuten schrieb duesi:

Der Begriff "historisches Faktum" impliziert jedoch, dass die historische Wissenschaft eine Aussage über die Auferstehung Jesu machen könnte. 

 

Das meine ich nicht. Der Ansatz der empirischen Wissenschaften (der methodologische bzw. ontologische Naturalismus) kann das, wie Du richtig schreibst, a priori nicht. Das wollte ich auch nicht zum Ausdruck bringen.

 

Was sich, rein spekulativ und angesichts der Quellenlage unwahrscheinlich, feststellen ließe wäre, dass sich zum Zeitpunkt A ein toter Körper in einem Grab befunden hat, der zum Zeitpunkt B verschwunden war. Der Historiker könnte, ganz wie in der Schrift, argumentieren, dass jemand den Leichnam entwendet haben musste. Der naturalistische oder rationale Ansatz. Die Wissenschaft muss so antworten, hat sie doch einen selbst auferlegten "blinden Fleck" immer dort, wo die Gesetze der Natur aufgebrochen werden. Analog auch bei den Wundern. Der Glaube antwortet mit der leiblichen Auferstehung. Das sind grundlegend gegensätzliche Herangehensweisen. 

 

Nur kann, wenn man die Lehre des Aristoteles als Grundlage logischen Denkens betrachtet, nicht beides zugleich zutreffen (Satz vom Widerspruch).

 

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 36 Minuten schrieb Studiosus:

 

 

Und ja: Der "historische Jesus" ist gewissermaßen der minimale Kompromiss, den der Gläubige eingehen muss, um im Gespräch mit Wissenschaft und Agnostizismus bestehen zu können. A

Studiosus. 

 

Wer diktiert mir als Glaeubigem, dass ich solche Gespraeche eingehen muss oder Kompromisse wegen solcher Gespraeche oder mir vornehmen, bei ihnen "zu bestehen"?

 

Gibt es da irgendwo eine Instanz, die mir das verordnet?

 

Ich tue das nicht und verspuere auch kein Beduerfnis danach. Ich bin nur mir selbst verantwortlich und nicht irgendwelchen angeblich noetigen Gespraechspartner. Der einzige, vor dem ich bestehen muss, ist vor mir selbst.

 

Einen Grund, meinen Glauben an die Auferstehung "diskutieren" zu muessen, sehe ich nicht und kann mir auch keiner verordnen.

 

Ich denke, da faengt e bereits an, schief zu werden, wenn man sich auf solche Vorstellungen einlaesst. 

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vor 18 Stunden schrieb Studiosus:

 

Und ja: Der "historische Jesus" ist gewissermaßen der minimale Kompromiss, den der Gläubige eingehen muss, um im Gespräch mit Wissenschaft und Agnostizismus bestehen zu können. Allerdings bin ich der Auffassung, dass die Kirche hier mehr verliert als gewinnt, wenn sie sich darauf einlässt. Der historische Jesus, in diesem Falle zu verstehen als der Jesus, der in der Zeit seinen Erdenwandel durchlebte, lehrte, heilte, gekreuzigt wurde und auferstanden ist, kann kein anderer sein als der Christus, den Schrift und Lehramt darlegen. Daran wurde bis vor wenigen Jahrzehnten kein Zweifel gelassen (siehe u.a. Pius X.: Lamentabili). Und das erscheint mir als für mich einzig gangbarer Weg.

Ich stimme dir hundertprozentig zu, dass der historische Jesus und der verkündigte Christus nach christlichem Glauben ein und dieselbe Person sind. Vielleicht ist es auch verwirrend, vom "historischen Jesus" und auf der anderen Seite vom "verkündigten Christus" zu sprechen. Vielleicht sollte man lieber von dem sprechen, was "wir historisch über die Person Jesus von Nazareth sagen können" und dem, was "wir als Christen über Jesus, den Christus, den Messias glauben". Ich denke schon, dass es wichtig ist, auf einer gemeinsamen historisch-wissenschaftlichen Grundlage sprachfähig zu sein und sehe das keinesfalls als Verlust an. Niemand muss diesen Dialog führen. Aber es hilft dabei, einer Kritik von atheistischer Seite zu begegnen, die behauptet, Jesus habe nie existiert und es erleichtert auch den Dialog mit anderen Religionen, insbesondere dem Judentum und dem Islam, wenn man sich auf die historische Wissenschaft als gemeinsame Diskussionsbasis einigen kann. Es mag vielleicht sinnig sein, Holocaustleugnung unter Strafe zu stellen, aber grundsätzlich halte ich es für eine gefährliche Versuchung, historische Fragen zum Politikum oder zu einer Frage der Weltanschauung zu machen. Die historische Wissenschaft muss hier ergebnisoffen Dinge hinterfragen und beleuchten dürfen. Ich habe es in Forendiskussionen mit Türken über den Völkermord an den Armeniern gelesen, dass die These vertreten wurde, Geschichte würde von Siegern geschrieben werden. Und das ist eben eine Gefahr, die ich sehe, wenn man die historische Wissenschaft für weltanschauliche oder politische Zwecke vereinnahmen möchte. Dann verliert sie ihre Berechtigung und ihre Glaubwürdigkeit.

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Die Diskussion um die Existenz eines Jesus, wie er in den Evangelien beschrieben wird, ist eine weltanschauliche Frage, keine historische. Nur weil diese Figur im Christentum eine derartig zentrale Rolle spielt, gibt es diese Diskussionen überhaupt.

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vor 6 Minuten schrieb Marcellinus:

Die Diskussion um die Existenz eines Jesus, wie er in den Evangelien beschrieben wird, ist eine weltanschauliche Frage, keine historische. Nur weil diese Figur im Christentum eine derartig zentrale Rolle spielt, gibt es diese Diskussionen überhaupt.

Mit der Einschränkung "wie er in den Evangelien beschrieben wird" gebe ich dir recht. Der Jesus, "wie er in den Evangelien beschrieben wird", ist eine weltanschauliche Figur. Die Wundererzählungen lassen sich historisch damit erklären, dass man versucht hat, Jesus als den darzustellen, den die Juden der damaligen Zeit als Messias erwartet haben. Denn soviel lässt sich historisch rekonstruieren, dass das Frühjudentum tatsächlich einen Wundertäter und sogar ganz konkrete Wunder von einem Messias erwartet hat, die sich genauso in den Evangelien wiederfinden, wie sie in den jüdischen Schriften als Erwartungen wiederzufinden sind. Ich kann das glauben. Aber ich kann das nicht als "historisches Faktum" vertreten. Allerdings gibt es in den Evangelien Material, das so sperrig ist, dass es sich weder aus den Interessen der frühen Christenheit noch aus dem Judentum zur Zeit Jesu ableiten lässt. Das nennt man das Kriterium der doppelten Unableitbarkeit. Und die naheliegendste Erklärung dafür ist, dass dieses Material auf eine konkrete historische Person Jesus von Nazareth zurückgeht. Diese Einschätzung wird übrigens von vielen sowohl jüdischen als auch islamischen als auch atheistischen Historikern geteilt. Und das ist durchaus eine historische Frage, keine weltanschauliche.

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Entschuldige, aber „doppelte Unableitbarkeit“ ist ein Trick von Theologen. Damit bekommt man in der Geschichtswissenschaft maximal eine unüberprüfte Hypothese zusammen, aus der sich dann allerdings nichts weiter ableiten läßt.

 

Fakt bleibt, daß wir keine historisch belastbaren Fakten außerhalb der christlichen Überlieferung über diese Person haben. Wenn sie existiert hat, war sie persönlich so unbedeutend, daß sie keine Spuren hinterlassen hat. Fakt ist außerdem, daß das Christentum der Frühzeit derartig vielfältig war, daß sich auch daraus nicht auf eine Person schließen läßt. Historiker können sich daher ernsthaft erst über das frühe Christentum äußern, als es nachprüfbare Spuren hinterlassen hat.

 

Alles andere ist Glaubenssache. Ich weiß, das es Historiker gibt, die das anders sehen, aber die tun das aus weltschaulichen Gründen ( pro oder contra Christentum, es gibt beides). Mit Geschichte als historischer Wissenschaft hat das nichts zu tun.

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vor 6 Minuten schrieb Marcellinus:

Fakt bleibt, daß wir keine historisch belastbaren Fakten außerhalb der christlichen Überlieferung über diese Person haben. 

Fakt ist auch, dass wir vom gallischen Krieg keine historisch belastbaren Fakten außerhalb der römischen Überlieferung haben. Und dabei sind die ältesten Schriftfundstücke von Caesars Commentarii de bello Gallico deutlich jünger als die ältesten Schriftfundstücke der christlichen Überlieferung. Und trotzdem werden sie als historisch belastbare "Belege", wenn auch durchaus kritisch hinterfragt, respektiert. Es ist eine Sache, die weltanschauliche Deutung in den Evangelien abzulehnen, was jedem freisteht. Aber es ist intellektuell unredlich, sie gar nicht als historische Quellen ernst zu nehmen, wie auch immer man ihre Relevanz bewerten mag.

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Um noch einmal auf das Thema historischer und nachösterlicher Jesus zu kommen:

 

Man sollte hier die Ebenen nicht will durcheinander werfen. 

 

Der historische Jesus ist derjenige Jesus, der mit historischen Mitteln aufgrund der Quellenlage konstruierbar ist. Ich möchte hier die Grundsatzdebatte, ob das überhaupt möglich ist, nicht zum x-ten Mal führen.

Der nachösterlicher Jesus ist der Jesus, der aus der Perspektive nach der Auferstehung konstruierbar ist. Hier wäre der Begriff Christus sicher angebrachter.

Der geglaubte Jesus (Christus) ist derjenige, der in den Evangelien erscheint mit einer je eigenen Färbung.

 

Die ersten beiden Ebenen sind ein Konstruktion auf Basis der Evangelien. Andere Quellen haben wir nicht.  Im Prinzip stellt sich hier die Kernfrage, welches Können und welches Selbstbewusstsein man Jesus bzw. Christus zuschreibt. Hält man Jesus für jemanden, der sich auf der Basis des Judentums für einen besonders auserwählten Menschen hält, dann ist die Frage nach den Wundern schnell zu beantworten. wenn es Wunder gegeben hat, dann können das nur Heilungswunder gewesen sein. Alles andere ist unrealistisch. Methodisch ist die Rückfrage nach einem historischen Jesus an die Grenzen der historischen Wissenschaft gebunden. D.h. man kann bestenfalls noch fragen, wofür Jesus sich selbst gehalten hat, aber Aussagen über eine Gott/Mensch-Wesenheit, wird ein Historiker kaum seriös zustande bringen.

 

Man kann jetzt fragen, ob in der Theologie eine solcherart begrenzende Methode sinnvoll sei. Ich meine ja, denn sie liefert eine erste Basis des Phänomens Jesus und kann zumindest Erklärungen für die Widersprüche im Textbestand als auch für die verschiedenen theologischen Entwürfe liefern.

 

Der geglaubte Jesus ist insofern interessant, als dass er nicht unbedingt kompatibel mit dem geltenden christlichen Dogma ist. Es gibt mehr als genug Indizien, dass frühe Christen Jesus nicht als Gott gesehen haben, sondern als einen hervorragenden Menschen, den Gott auferweckt und zu seiner Rechten setzt.  Ich bin der Meinung, man sollte das zumindest zur Kenntnis nehmen und nicht einfach unter der Perspektive christlicher Tradition darüber hinweggehen.

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Und genau an diesem Punkt entfaltet das Lehramt seinen unabdinglichen Dienst. Beispielsweise bei der Frage nach dem "Selbstbewusstsein" Jesu: So ist die absurde Idee, Jesus hätte zu irgendeinem Zeitpunkt seines Erdenlebens nicht um seine christologische Würde gewusst oder wäre sich nicht jederzeit bewusst gewesen, dass er die inkarnierte zweite göttliche Person ist, zurecht verworfen worden. 

 

Auf die Idee, gewissermaßen nach dem Zeitpunkt der Menschwerdung eine Amnesie im Selbstbewusstsein Jesu anzunehmen, können auch wirklich nur Modernisten kommen. Leider wirkt dieser Gedanke bis heute nach.

 

Mir ist durchaus bewusst, dass sich der emanzipierte Theologe ungern von so etwas hinderlichem wie dem Lehramt auf die Finger schauen lassen will. Doch endet die Verbindlichkeit der Lehre nicht an der Fakultätspforte. Und das ist gut so.

 

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 4 Minuten schrieb Studiosus:

Und genau an diesem Punkt entfaltet das Lehramt seinen unabdinglichen Dienst. Beispielsweise bei der Frage nach dem "Selbstbewusstsein" Jesu: So ist die absurde Idee, Jesus hätte zu irgendeinem Zeitpunkt seines Erdenlebens nicht um seine christologische Würde gewusst oder wäre sich nicht jederzeit bewusst gewesen, dass er die inkarnierte zweite göttliche Person ist, zurecht verworfen worden. 

 

Auf die Idee, gewissermaßen nach dem Zeitpunkt der Menschwerdung eine Amnesie im Selbstbewusstsein Jesu anzunehmen, können auch wirklich nur Modernisten kommen. Leider wirkt dieser Gedanke bis heute nach.

 

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

Kannst du mir dazu eine Quelle nennen, wann dies ausdrücklich verworfen wurde? 

 

Ich habe den Glaubenssatz, dass Jesus ganz Mensch war, bisher mit folgender Bibelstelle verknüpft.

 

Lukas 2, 52 Jesus aber wuchs heran und seine Weisheit nahm zu und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen.

 

Damit war zumindest der Schreiber des Lukas-Evangeliums der Ansicht, dass Jesus als Mensch auch eine Entwicklung an Wissen und Weisheit durchgemacht hat wie jeder andere Mensch auch. Aber wenn die Kirche diesen durchaus biblischen Standpunkt mittlerweile verworfen hat, bin ich bereit, mich eines besseren belehren zu lassen. Es kommt aber durchaus die Frage auf, ob das nicht Miaphysitismus sei.

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