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Gehört Religion zum Menschsein?


mn1217

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vor 1 Minute schrieb GermanHeretic:

 

Hm, dabei wäre Spiritualität nun wirklich etwas, das natürlich beim Menschen in unterschiedlicher Ausprägung vorkommt. Könnte man auch "natürliche Religiosität" nennen. Natürlich ohne das definierte System.

  Das ist eine Definition von Spiritualität unter ziiiiemlich vielen. 

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Warum die griechische Philosophie so was Besonderes ist: Sie war der erste Versuch von Menschen, die Welt rational zu erklären. Ich habe das bedauerlicherweise bei meinem Philosophiestudium nicht so ganz überrissen und fand - jugendliche Arroganz - die Vorsokratiker komisch und doof.

 

Mitnichten. Diese Leute waren Pioniere und in Ermangelung von den nötigen Erfindungen versuchten sie, das Universum nur mit ihrem Verstand ohne Götter zu erklären.

 

Das Bedürfnis nach Erklärungen war lange genug durch das Wirken von Göttern oder Mächten erklärt worden. Und dieses Bedürfnis war da und die archäologischen Befunde zeigen, dass es sehr wohl auch vor der Sesshaftwerdung der Menschen da war.

 

Heutzutage ist wissenschaftlich Vieles erklärt und es ist Fakt, dass niemand mehr Gott oder die Götter braucht um die Ursache von Katastrophen oder Seuchen zu  finden.

 

Also müsste denn diese Sache abgeschlossen sein.

 

Wir wären also ganz zufrieden und könnten das Denken unserer Vorfahren ablegen, gäbe es da nicht zwei Dinge:

 

Die Wissenschaft kann die Behauptung es gäbe Engel, Dämonen, Götter, Gott, Mächte, nicht widerlegen. Das bedeutet, dass die Menschen immer wieder auf diese Gedanken zurückgreifen werden, wenn das Leben absurd ist. Denn die individuell empfundene Absurdität des Lebens kann die Wissenschaft nicht kompensieren. Das Universum mag objektiv wunderbar funktionieren, aber der Mensch und seine Sicht auf die Welt ist davon geprägt, dass der Mensch sich als von der Umwelt abgegrenztes Ich mit Bedürfnissen wahrnimmt, eine ziemlich singuläre Geschichte, fürwahr, aber so ist es eben.

 

Wir wollen Gerechtigkeit. Als 2015 12 Menschen beim Anschlag auf Charlie Hebdo starben, da gab es selbst von eingefleischten Atheisten die heimliche Hoffnung, es gäbe für Märtyrer 72 Huris im Paradies und diese würden, unter den Augen der Attentätern, der Redaktion und nicht den Mördern zugeführt.

 

Ohne Frage, diese Atheisten sind sicherlich wieder sicher in den Hafen ihrer atheistischen Weltanschauung zurückgekehrt. So zweifeln aber auch Gläubige im Angesicht der Absurdität des Lebens akut an der Allmacht Gottes, um dann, wenn die Krise vorüber ist, wieder auf den Herrgott und seine Führung zu vertrauen.

 

Religionen als Institutionen sind IMHO nicht dem Menschen eingestiftet. Aber im Angesicht der absurden Realität suchen wir Menschen nach Mustern, nach Erklärungen.

 

Das AT kommt übrigens nach jahrhundertelangen irren Verrenkungen tatsächlich zu dem Schluss, dass es für die Absurditäten des Lebens keine Erklärung gibt, schon gar nicht vom biblischen Gott. Jesus bekommt im Garten Getsemani auch keine Erklärung, warum er am Kreuz sterben soll. Aber diese hochtheologischen Antworten sind nur die Kehrseite eines konsequenten Atheismus: Fasse es, wer es kann. Der Rest glaubt an Horoskope, Engel, Schicksal, Teufel oder an die schwarze Katze des Nachbarn und das wird sich nicht ändern.

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@nannyogg57

Post wie deiner bestätigen mich in der Erleichterung, nichtreligiös aufgewachsen zu sein. Offenbar stellen Religionen Fragen, die man ohne Religion gar nicht hat - wohlgemerkt, ohne eine Antwort zu haben.

bearbeitet von Marcellinus
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vor 33 Minuten schrieb nannyogg57:

...Religionen als Institutionen sind IMHO nicht dem Menschen eingestiftet. Aber im Angesicht der absurden Realität suchen wir Menschen nach Mustern, nach Erklärungen. ...

Nicht nur nach irgendwelchen Erklärungen, sondern nach mensch-gemäßen Erklärungen. Religion ist mE eine Art Sprache, die schwer zu fassendes Erlebtes in leichter verständliche Muster übersetzt.

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vor 11 Minuten schrieb Marcellinus:

@nannyogg57

Post wie deiner bestätigen mich in der Erleichterung, nichtreligiös aufgewachsen zu sein. Offenbar stellen Religionen Fragen, die man ohne Religion gar nicht hat - wohlgemerkt, ohne eine Antwort zu haben.

Religiosität ist meiner Meinung nach nichts durchweg Positives an sich. Warum haben "die Religionen" den Aberglauben so sehr auf dem Kicker, abgesehen davon, dass Religionen durchaus dazu neigen, ihre Art von Aberglauben zu protegieren und den Aberglauben anderer Religionen zu verteufeln?

 

Und das ist die Crux an der ganzen Sache, wenn man die Neigung des Menschen zur Religiosität leugnet: Denn sie ist da und sie kann destruktive Formen annehmen.

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vor 12 Stunden schrieb Marcellinus:

 

Aber was du unter Philosophie verstehst, magst du nicht beschreiben? Du denkst halt, es war eben schon immer so, weil Menschen schon immer so waren, wie du oder wir jetzt?

Ich schrieb doch "Wortsinn". Die Liebe zur Weisheit.  Also nachdenken,suchen, fragen...

Natürlich gestaltet sich das je nach Zeit immer wieder anders.

 

bearbeitet von mn1217
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vor 9 Stunden schrieb nannyogg57:

Wir wollen Gerechtigkeit. Als 2015 12 Menschen beim Anschlag auf Charlie Hebdo starben, da gab es selbst von eingefleischten Atheisten die heimliche Hoffnung, es gäbe für Märtyrer 72 Huris im Paradies und diese würden, unter den Augen der Attentätern, der Redaktion und nicht den Mördern zugeführt.

 

Ohne Frage, diese Atheisten sind sicherlich wieder sicher in den Hafen ihrer atheistischen Weltanschauung zurückgekehrt. So zweifeln aber auch Gläubige im Angesicht der Absurdität des Lebens akut an der Allmacht Gottes, um dann, wenn die Krise vorüber ist, wieder auf den Herrgott und seine Führung zu vertrauen.

Haben sich das auch Christen gewünscht, obwohl das ja nicht im Einklang mit der christlichen Sicht des Jenseits ist? Und sind sie inzwischen in den sicheren Hafen der christlichen Weltanschauung zurückgekehrt?  ;) 

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vor 9 Stunden schrieb nannyogg57:

Religiosität ist meiner Meinung nach nichts durchweg Positives an sich. Warum haben "die Religionen" den Aberglauben so sehr auf dem Kicker, abgesehen davon, dass Religionen durchaus dazu neigen, ihre Art von Aberglauben zu protegieren und den Aberglauben anderer Religionen zu verteufeln?

 

Und das ist die Crux an der ganzen Sache, wenn man die Neigung des Menschen zur Religiosität leugnet: Denn sie ist da und sie kann destruktive Formen annehmen.

 

Die Sache ist eigentlich ganz einfach, wie diese Welt auch. Sie hat nur einen Nachteil: sie entspricht nicht immer unseren Wünschen. Nun gibt es zwei Möglichkeiten, entweder versucht man diese Welt so zu nehmen, wie sie ist, und sich so gut als möglich darin einzurichten, wobei Fantasie und Erfindungsreichtum nicht die schlechtesten Hilfsmittel sind, oder man kann seine Fantasie dazu verwenden, um sich zB allerlei Geschichten auszudenken, die die unangenehmen Tatsachen dieser Welt vor einem selbst und anderen zu verbergen suchen. Das ist wohl, was du mit der Neigung der Menschen zur Religiosität meinst.

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vor 31 Minuten schrieb Marcellinus:

 

Die Sache ist eigentlich ganz einfach, wie diese Welt auch. Sie hat nur einen Nachteil: sie entspricht nicht immer unseren Wünschen. Nun gibt es zwei Möglichkeiten, entweder versucht man diese Welt so zu nehmen, wie sie ist, und sich so gut als möglich darin einzurichten, wobei Fantasie und Erfindungsreichtum nicht die schlechtesten Hilfsmittel sind, oder man kann seine Fantasie dazu verwenden, um sich zB allerlei Geschichten auszudenken, die die unangenehmen Tatsachen dieser Welt vor einem selbst und anderen zu verbergen suchen. Das ist wohl, was du mit der Neigung der Menschen zur Religiosität meinst.

 

Oder man kann seine Einbildungskraft dazu benutzen, sich zu überzeugen, dass das, was menschliche Wissenschaft nicht nachweisen kann, auch nicht existent sein kann.

Und sich dann in dieser beschränkten Weltsicht mehr oder weniger komfortabel einrichten.

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vor 29 Minuten schrieb Gratia:

 

Oder man kann seine Einbildungskraft dazu benutzen, sich zu überzeugen, dass das, was menschliche Wissenschaft nicht nachweisen kann, auch nicht existent sein kann.

Und sich dann in dieser beschränkten Weltsicht mehr oder weniger komfortabel einrichten.

 

Ja, oder so! 😂

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vor 3 Stunden schrieb Marcellinus:

 

Die Sache ist eigentlich ganz einfach, wie diese Welt auch. Sie hat nur einen Nachteil: sie entspricht nicht immer unseren Wünschen. Nun gibt es zwei Möglichkeiten, entweder versucht man diese Welt so zu nehmen, wie sie ist, und sich so gut als möglich darin einzurichten, wobei Fantasie und Erfindungsreichtum nicht die schlechtesten Hilfsmittel sind, oder man kann seine Fantasie dazu verwenden, um sich zB allerlei Geschichten auszudenken, die die unangenehmen Tatsachen dieser Welt vor einem selbst und anderen zu verbergen suchen. Das ist wohl, was du mit der Neigung der Menschen zur Religiosität meinst.

 

Dieses Unbehagen nennt man in der Psychologie "Kognitive Dissonanz".

 

Und worin besteht nun der genaue Unterschied zwischen Deinen beiden 'Fantasie und Erfindungsreichtum'? Es geht immer darum, den unangenehmen Tatsachen zu begegnen. Das tust Du genauso, wie alle anderen auf dieser Welt. Wann immer uns die kognitive Dissonanz auffrisst, wenden wir uns etwas zu, das uns Hoffnung gibt. Dieser Mechanismus ist Rückbindung.

 

Lateinisch Religio.

 

Das kann der Freundeskreis sein, der Fußballverein oder das gemeinsame Vertrauen auf eine bessere Welt.

 

Aber Du hast oben perfekt beschrieben, wieso der Mensch ein religiöses Wesen ist.

 

 

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vor 9 Stunden schrieb Marcellinus:

... oder man kann seine Fantasie dazu verwenden, um sich zB allerlei Geschichten auszudenken, die die unangenehmen Tatsachen dieser Welt vor einem selbst und anderen zu verbergen suchen. Das ist wohl, was du mit der Neigung der Menschen zur Religiosität meinst.

Das macht Religion aber nicht. Auch als Religiöser steht es einem frei, unangenehme Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen. Die "allerlei Geschichten" existieren neben den unangenehmen Tatsachen, sie verbergen sie aber nicht.

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vor 6 Stunden schrieb Higgs Boson:
vor 10 Stunden schrieb Marcellinus:

Die Sache ist eigentlich ganz einfach, wie diese Welt auch. Sie hat nur einen Nachteil: sie entspricht nicht immer unseren Wünschen. Nun gibt es zwei Möglichkeiten, entweder versucht man diese Welt so zu nehmen, wie sie ist, und sich so gut als möglich darin einzurichten, wobei Fantasie und Erfindungsreichtum nicht die schlechtesten Hilfsmittel sind, oder man kann seine Fantasie dazu verwenden, um sich zB allerlei Geschichten auszudenken, die die unangenehmen Tatsachen dieser Welt vor einem selbst und anderen zu verbergen suchen. Das ist wohl, was du mit der Neigung der Menschen zur Religiosität meinst.

 

Dieses Unbehagen nennt man in der Psychologie "Kognitive Dissonanz".

 

Ich denke, es ist mehr als das. Es ist eher das, was @nannyogg57 "Absurditäten des Lebens" genannt hat, etwas verallgemeinert die Endlichkeit unserer persönlichen Existenz.

 

vor 6 Stunden schrieb Higgs Boson:

Und worin besteht nun der genaue Unterschied zwischen Deinen beiden 'Fantasie und Erfindungsreichtum'?

 

Nun, Fantasie bezeichnet (unter anderem) die Fähigkeit, einzelne Vorstellungen auf eine neue Art miteinander zu einem Bild zu verknüpfen, Zusammenhänge herzustellen, wo man vorher noch keine gesehen hat, Erfindungsreichtum die praktische Fähigkeit, etwas Neues daraus zu machen.

 

vor 6 Stunden schrieb Higgs Boson:

Es geht immer darum, den unangenehmen Tatsachen zu begegnen. Das tust Du genauso, wie alle anderen auf dieser Welt. Wann immer uns die kognitive Dissonanz auffrisst, wenden wir uns etwas zu, das uns Hoffnung gibt. Dieser Mechanismus ist Rückbindung.

 

Lateinisch Religio.

 

Das kann der Freundeskreis sein, der Fußballverein oder das gemeinsame Vertrauen auf eine bessere Welt.

 

Aber Du hast oben perfekt beschrieben, wieso der Mensch ein religiöses Wesen ist.

 

Die allermeisten von uns begegnen den "normalen" Unannehmlichkeiten des täglichen Lebens nicht mit Verdrängung, sondern mit irgendeiner Art von Bewältigung, und das gelingt mal mehr mal weniger. Das einzige Thema, das ich kenne, und das fast alle heutigen Religionen (früher war das nicht immer so) in der einen oder anderen Weise bearbeiten, ist das der persönlichen Sterblichkeit. Meistens läuft es auf irgendeine Form von Verdrängung, Leugnung oder allgemein Vergessen hinaus.

 

Man weigert sich daran zu denken, und denkt stattdessen an etwas anderes, vorzugsweise an schöne Geschichten, die einem in diesem Zusammenhang von Kindesbeinen an erzählt wurden, meistens verbunden mit einem sprachlichen Symbol, mit dem man gelernt hat einen Gefühlsgehalt zu verbinden, der beim Vergessen der zu unangenehmen Wirklichkeit hilft. "Himmel" ist so ein Symbol, "Natur" ein anderes.

 

Ja, viele Menschen neigten und neigen noch immer zu solch einem Verhalten, aber zum einen muß es nicht Religion sein, und angeboren ist es sicherlich auch nicht.

 

vor 21 Stunden schrieb nannyogg57:

Fasse es, wer es kann. Der Rest glaubt an Horoskope, Engel, Schicksal, Teufel oder an die schwarze Katze des Nachbarn und das wird sich nicht ändern.

 

Ich denke, das paßt. Einige fassen es, und vielleicht sogar immer mehr, wenn wir lernen, die wichtigsten Tatsachen dieses Leben nicht mehr vor uns zu verbergen.

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vor einer Stunde schrieb Merkur:

Das macht Religion aber nicht. Auch als Religiöser steht es einem frei, unangenehme Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen. Die "allerlei Geschichten" existieren neben den unangenehmen Tatsachen, sie verbergen sie aber nicht.

 

Wenn Religionen uns erzählen, es gäbe ein weiteres Leben nach dem Tode, und die Ereignisse dieses Lebens hätten einen "höheren Sinn" (ohne daß sie ihn nennen könnten), dann ist das der Versuch, Geschichten zu erzählen, die vor uns verbergen sollen, daß unser individuelles Leben mit unserem Tode endet, und daß dieses Leben keinen anderen Sinn hat als den, den wir ihm selbst zu geben vermögen. Wenn das nicht "Verbergen" ist, dann weiß ich es nicht.

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Offenbaren ist das korrekte Wort.

Dass der Tod eine Zensur darstellt, wird absolut überhaupt nicht verborgen.

Mal abgesehen davon, dass zumindest Christentum sehr wohl darüber spricht, wie dem irdischen Leben Sinn gegeben werden kann.

 

Gegen Geschichten ist nichts einzuwenden, Geschichten erzählen ist auch nicht Religionen vorbehalten. Das tun Historiker auch(ist ja sogar eigentlich ihr Fachgebiet, Geschichte hat mit Geschichten zu tun). Auch Naturwissenschaften erzählen  Geschichten und verwenden Bilder.

Staaten gründen auf Geschichten, auf die sich Menschen geeinigt haben. Da hatte Lord Baelish schon recht...

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vor 13 Minuten schrieb Marcellinus:

... Wenn das nicht "Verbergen" ist, dann weiß ich es nicht.

Letzteres.  Man kann zur Kenntnis nehmen, das man stirbt und damit das Leben beendet ist. Zusätzlich kann man sich vorstellen, dass es ein (anderes)  Leben nach dem Tod gibt. Durch die zusätzliche Vorstellung wird von der ersten nichts verborgen.

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Seltsamerweise hat das Judentum jahrhundertelang es durchaus mit Fassung getragen, dass der Tod das Ende ist und zwar zu einer Zeit, da man im benachbarten Ägypten den Toten unter anderem das Hirn durch die Nase rauspoppelte um so das Leben nach dem Tod zu ermöglichen. Kulturell waren die Ägypter den Juden weit voraus, speziell in Sachen Totenbüchern und echt tollen Amuletten und Wanddekorationen, die dokumentieren, was man genau im Jenseits zu erwarten habe. Vernünftiger in der Sache waren exakt die Leute, die an den Büchern des AT schrieben.

 

Aber sie blieben es nicht, wenn man so will, sie haben es nicht ausgehalten. So ab der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. nahmen im Judentum die Spekulationen um eine Auferstehung der Toten massiv zu, welche man von niemand anderen als vom Schöpfer erwartete, was wiederum wesentlich vernünftiger war als die Erwartung, Einbalsamierungstechniken könnten irgendetwas dergleichen bewirken.

 

Auslöser war einfach die Erfahrung, dass gute Menschen jung starben und nicht so gute Menschen ein schönes langes Leben hatten. Man wäre damit zufrieden gewesen, wenn zumindest die erste Sache, gute Menschen sterben jung, anders gewesen wäre, wenn Menschen einfach das hätten tun können, was die Erfüllung des Lebens war: alt und lebenssatt im Kreise der Nachkommen zu sterben.

 

Jahrhundertelang hatte man einfach die Augen vor der offensichtlichen Ungerechtigkeit der Welt geschlossen oder die Idee verfolgt, Unglück sei eine Strafe Gottes. Hat nicht funktioniert.

 

Jede Form beruhigender Philosophie, die dem Menschen anrät, sich in sein Schicksal zu fügen oder/und das Beste daraus zu machen, funktioniert nur ab einem gewissen gesellschaftlichen Standard gepaart mit der Neigung, das global Negative nicht in den Blick zu nehmen und sich dagegen abzugrenzen.

 

Atheismus als abgeklärte Lebensanschauung ist weniger etwas für Menschen in permanent prekärer Lebenssituation.

 

Monotheismus übrigens auch nicht, denn man wird sich dann durchaus die Frage erlauben, was genau dieser alternativlose Gott sich konkret denkt.

 

Von daher behaupte ich, dass ein flächendeckender Atheismus ohne "abergläubische" Einsprengsel so sicher zu erwarten ist wie eine menschengemachte gerechte Gesellschaft.

bearbeitet von nannyogg57
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vor 9 Stunden schrieb nannyogg57:

Von daher behaupte ich, dass ein flächendeckender Atheismus ohne "abergläubische" Einsprengsel so sicher zu erwarten ist wie eine menschengemachte gerechte Gesellschaft.

Da stimme ich dir zu. Letztes Wochenende, gemütliches Zusammensitzen mit Nichtgläubigen aus der türkisch-kurdischen Kultur. Erst wurde Kaffeesatz gelesen, dann Tarot-Karten gelegt :lol: 

 

Von wegen, die magische Phase ist mit 6 Jahren vorbei... die ist erst mit dem Tod vorbei

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vor 10 Stunden schrieb nannyogg57:

Seltsamerweise hat das Judentum jahrhundertelang es durchaus mit Fassung getragen, dass der Tod das Ende ist und zwar zu einer Zeit, da man im benachbarten Ägypten den Toten unter anderem das Hirn durch die Nase rauspoppelte um so das Leben nach dem Tod zu ermöglichen. Kulturell waren die Ägypter den Juden weit voraus, speziell in Sachen Totenbüchern und echt tollen Amuletten und Wanddekorationen, die dokumentieren, was man genau im Jenseits zu erwarten habe. Vernünftiger in der Sache waren exakt die Leute, die an den Büchern des AT schrieben.

 

Kleiner Einwand: die Sache mit dem Leben nach dem Tod war bei den Ägyptern ursprünglich eine exklusive Sache für den Pharao. Der Rest starb ganz normal. Hinzu kommt, daß in der Antike die Ägypter als das religiöseste Volk galten, in den Augen der weit nüchterneren Römer haarscharf am Aberglauben, Superstitio im Sinne von "zuviel glauben".

 

vor 10 Stunden schrieb nannyogg57:

Aber sie blieben es nicht, wenn man so will, sie haben es nicht ausgehalten. So ab der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. nahmen im Judentum die Spekulationen um eine Auferstehung der Toten massiv zu, ...

 

Ja, auch im Bereich der Religionen gibt es Moden. ;)

 

vor 10 Stunden schrieb nannyogg57:

Auslöser war einfach die Erfahrung, dass gute Menschen jung starben und nicht so gute Menschen ein schönes langes Leben hatten. Man wäre damit zufrieden gewesen, wenn zumindest die erste Sache, gute Menschen sterben jung, anders gewesen wäre, wenn Menschen einfach das hätten tun können, was die Erfüllung des Lebens war: alt und lebenssatt im Kreise der Nachkommen zu sterben.

 

Jahrhundertelang hatte man einfach die Augen vor der offensichtlichen Ungerechtigkeit der Welt geschlossen oder die Idee verfolgt, Unglück sei eine Strafe Gottes. Hat nicht funktioniert.

 

Nun, solange die öffentliche Meinung von den religiösen Spezialisten bestimmt wird, klappt das eigentlich bis heute. Erst wenn es eine nichtreligiöse Öffentlichkeit gibt, wie zum ersten Mal vor 2.500 Jahren in Griechenland, dann kommen auch kritische Fragen hoch.

 

vor 10 Stunden schrieb nannyogg57:

Jede Form beruhigender Philosophie, die dem Menschen anrät, sich in sein Schicksal zu fügen oder/und das Beste daraus zu machen, funktioniert nur ab einem gewissen gesellschaftlichen Standard gepaart mit der Neigung, das global Negative nicht in den Blick zu nehmen und sich dagegen abzugrenzen.

 

Das "global Negative" ist ja nun eine Erfindung der Neuzeit, und gibt es erst seit der Erfindung der Funktelegrafie Anfang des 20. Jh. Ansonsten funktionierte Philosophie recht gut, nur eben wegen des erhöhten Zeitaufwandes nur für eine privilegierte Minderheit.

 

vor 10 Stunden schrieb nannyogg57:

Atheismus als abgeklärte Lebensanschauung ist weniger etwas für Menschen in permanent prekärer Lebenssituation.

 

Monotheismus übrigens auch nicht, denn man wird sich dann durchaus die Frage erlauben, was genau dieser alternativlose Gott sich konkret denkt.

 

Von daher behaupte ich, dass ein flächendeckender Atheismus ohne "abergläubische" Einsprengsel so sicher zu erwarten ist wie eine menschengemachte gerechte Gesellschaft.

 

Ich könnte jetzt sagen, daß Atheismus gar keine Lebensanschauung ist, aber das spare ich mir jetzt mal. Prinzipiell hast du Recht: weder Atheismus noch Monotheismus für sich sind wirklich tragfähig, und eine menschengemachte absolut gerechte Gesellschaft eine Illusion. Am Ende sind wir alle ein bißchen verrückt, und "abergläubische Einsprengsel" gehören für viele von uns wirklich dazu. Vielleicht hat Harari recht und Synkretismus ist die einzige Weltreligion.

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Ich denke Statik ist ein Problem für sich.

 

Ich beschäftige mich - zugegebenermaßen nicht so intensiv, wie es dem Thema angemessen wäre - mit dem Asatru und ein Punkt, der mich bei einigen Vertretern immer wieder stört ist der Rekonstruktionsgedanke. Nicht, weil ich ein Problem damit hätte alte Sitten wiederzubeleben, sondern, weil ich allein in der Rekonstruktion und dem so zementierten Konservierungszustand keine Zukunft sehe.

 

Ich hätte z.B. jede Menge Themen für einen weiteren Band der Edda, aber da werde ich vermutlich eher gesteinigt und verbannt...

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vor 6 Stunden schrieb Flo77:

Ich denke Statik ist ein Problem für sich.

 

Ich beschäftige mich - zugegebenermaßen nicht so intensiv, wie es dem Thema angemessen wäre - mit dem Asatru und ein Punkt, der mich bei einigen Vertretern immer wieder stört ist der Rekonstruktionsgedanke. Nicht, weil ich ein Problem damit hätte alte Sitten wiederzubeleben, sondern, weil ich allein in der Rekonstruktion und dem so zementierten Konservierungszustand keine Zukunft sehe.

 

Die Rekonstruktion ist ja auch aufgrund der Quellenlage schon so gut wie unmöglich. Es gibt nur weniges, was sich einigermaßen rekonstruieren läßt, das Sumbel z.B.

Aber im wesentlichen wurden in den letzten Jahren die Traditionen neu gelegt. Was nicht schlimm ist, jede Tradition hat einen Anfang.

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Am 25.8.2019 um 21:32 schrieb Marcellinus:

[...]

Die meiste Zeit unserer menschlichen Entwicklung hatten die Menschen einfach keine Zeit für Religion, und sie waren auch zu jung und zu gesund. Religion ist etwas für alte Leute. Die ersten Jahrhunderttausende wurden die Menschen aber nicht alt, sie starben im Gegensatz zu uns zu einem großen Teil diesseits der 30, jung und kräftig, und mit all dem beschäftigt, was junge und kräftige Menschen so tun. Diesseits der 30 macht man sich keinen Kopf um das Morgen, wenn man das Heute genießen kann, oder einfach überleben muß.

 

Erst wenn die Menschen älter werden, gebrechlicher und nachdenklicher, dann kommt auf einmal das Grübeln.

[...] Von den über 300.000 Jahren, die wir Menschen Gruppen bilden, waren es mindestens 250.000 Jahre kleine Gruppen, in denen es weder Bedürfnis noch Möglichkeit von Religion gab. Man mag ein ungenaues Gefühl für Geister gehabt haben, [...]

 

Das Leben war halt viel direkter und härter, als wir es uns heute vorstellen können. Und viel, viel kürzer. Da ist für so etwas wie Religion einfach kein Raum, keine Zeit und keine Resourcen. [...]

 

Deiner These, dass sich Religionen erst deshalb spät entwickelt haben, weil die Menschen früh starben, möchte ich widersprechen. Sie beruht, so vermute ich, auf einem Missverständnis (dem ich früher auch erlegen bin), den Begriff Lebenserwartung betreffend.

Es ist richtig, dass die Lebenserwartung im Paläolithikum, der Zeit der Jäger und Sammler, bei 30 Jahren lang. Und sie sank sogar beim Übergang zum Neolithikum, als die Menschen seßhaft wurden, auf nicht viel mehr als 20 Jahre. Aaaaaber: Der Begriff Lebenserwartung meint die Erwartung ab Geburt. Das heißt: Die Kindersterblichkeit steckt mit drin. Wer als Steinzeitler es erst einmal geschafft hatte, erwachsen zu werden, hatte große Chancen, 60 Jahre und noch älter zu werden. Das Sterbealter erwachsener steinzeitlicher Jäger und Sammler soll nach Michael Gurven bei 68 bis 78 Jahren gelegen haben. Wenn man sich also eine Gruppe steinzeitlicher Menschen vorstellt, ist es falsch, sich ausschließlich junge, tatkräftige Menschen vorzustellen, bei denen nach 30 bald Sense war. Sondern man muss sich - die herum wuselnden Kinder einmal unbeachtet - Menschen vorstellen, die in der Mehrheit über 30 Jahre alt waren, und viele von ihnen waren 60 Jahre und älter. Natürlich lagen sowohl Durchschnittsalter als auch Lebenserwartung der Erwachsenen unter den heutigen Werten. Aber es gab damals viele alte Menschen. Viel mehr, als die Zahl "Lebenserwartung 30 Jahre" in einer ersten Kurz-Schlussfolgerung nahe legt. (Übrigens lag auch im Jahr 1800 die Lebenserwartung bei 30 Jahren, weltweit gesehen).

Also: Wer in der Steinzeit erst einmal schaffte, erwachsen zu werden, hatte große Chancen, auch alt zu werden. Und damit Zeit genug, zu grübeln, religiöse Vorstellungen zu entwickeln und sie an den Nachwuchs weiter zu geben. Eine Vorstellung vom Jenseits sollen schon Neanderthaler gehabt haben. Das, was wir heute unter Religionen verstehen, kam allerdings wirklich erst viel, viel später.

Alfons

 

bearbeitet von Alfons
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