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Kirchenmusik der Zukunft


Franziskaner

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Über Zukunftsfähigkeit, Reform und Öffnung wird in der katholischen Kirche ja viel gesprochen. Ein Thema, das ich für gar nicht so unwichtig halte, kommt dabei selten vor: wie könnte sich eine zeitgemäße und, tja, künstlerisch und theologisch fundierte Kirchenmusik anhören? Wie sollte sie strukturiert sein, welche kulturelle Einflüsse könnte sie aufgreifen, wen sollte sie ansprechen und von wem sollte sie gemacht werden?

 

Meine künstlerische Arbeit beschäftigt sich auch mit diesem Thema, und im vergangenen Herbst ist eine Messe von mir uraufgeführt worden, die sozusagen meine persönlich Antwort auf diese Fragen ist. Infos und Hörbeispiele dazu gibt es hier: Giver of Life

 

Mich würde interessieren, was ihr gerne hört, und wie ihr die kirchenmusikalische Situation auch aus einer allgemeineren Sichtweise heraus beurteilt. Bzw. ob es eurer Meinung nach eine solche  allgemeinere Sichtweise überhaupt geben kann. Und wenn, welche Kriterien dafür relevant sein sollten.

 

Vielleicht habt ihr das eine oder andere Hörbeispiel. Ich würde mich über einen angeregten Austausch freuen.

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Ich würde immer unterscheiden zwischen "Aufführungskirchenmusik" und "Gemeinschaftskirchenmusik".

 

Erstere darf gern experimentell sein, ich sehe sie aber (in der Eucharistiefeier) nicht gern eingesetzt für die Teile, die der feiernden Gemeinde zukommen (das trifft dann auch Dein Hörbeispiel).

Bei ersterer mag ich auch gut gemachten Stilmix (hier oder hier)

 

Letztere muss immer der Liturgie dienen, d.h. es muss eine allgemeine Singbarkeit gewährleistet sein, die im Notfall auch ohne anwesende musikalische Profis auskommt.

"Heutigkeit" ohne Banalität (viel aus dem Bereich Worshipmusic fällt mE darunter) ist da fast nicht zu finden. Vor 30-40 Jahren hätte ich in dieser Kategorie mal das Liedgut von Huub Oosterhuis und Antoine Oomen genannt (also nicht missverstehen: dieses Liedgut hat weiterhin eine hohe Qualität, was die Verbindung von biblisch fundiertem Text mit der Musik angeht, aber es ist halt 1,5 Genrationen alt). Aktuell kenne ich nichts.
Eine weitere Herausforderung für Letztere ist die theologisch und poetische Qualität der Texte.

 

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Interessant finde ich Deine Bewertung, dass die Kompositionen dem Bereich der experimentellen Aufführungskirchenmusik zugehörig sind. Die Stücke sind ja explizit nicht so komponiert, sie unterstützen den Ablauf der Messfeier und haben eingebundene Gemeindekehrverse. Im Fall der Uraufführung waren die Musiker zwar tatsächlich Profis. Die Instrumentalparts sind aber nicht so schwierig. Dass hätte meine Musikschul-Erwachsenenband auch hinbekommen.

 

Bei der ersten liturgischen Verwendung an Allerheiligen im vergangenen Jahr war eine große und auch keineswegs spezielle Gemeinde anwesend. Die haben (ohne die Kehrverse vorher zu kennen und nur mit einer kurzen Vorbereitungsprobe in den 15 Minuten vor Beginn der Messe) zum großen teil kräftig und auch "richtig" mitgesungen. Die häufigste Reaktion hinterher war die, dass das Gemeinschaftserlebnis und die liturgische Einbindung der Musik gelobt wurde. Also nicht: "das hast Du aber schön komponiert", sondern: "das war mal nach langer Zeit eine richtig beeindruckende Messe".

 

Insofern macht es mich etwas ratlos, dass dieses Argument gegen die Verwendung von Jazz und weltmusikalisch beeinflussten Stilrichtungen immer noch verwendet wird. Offensichtlich ist der musikalische Empfindungshorizont unter den katholischen Christen sehr unterschiedlich. Die Frage ist, wie man damit umgehen soll. Abgesehen davon, dass die Gemeinde positiv reagiert hat, und die Aufführung für den Chor ein Lifetime-Event war, waren auch die Musiker angetan. Nicht nur von der Musik, sondern auch von dem gesamten Gottesdienst. Dabei war nur einer von denen überhaupt getauft. Nämlich der Posaunist, der lustigerweise auch noch evangelisch war, Posaunenchor lässt grüßen...

 

Bei der Wichtigkeit von Musik für das Selbstbild und Lebensgefühl der jungen Generation kann doch die Antwort, "aus den letzten 30-40 Jahren kenne ich da nichts", nicht alles sein.

Es ist doch wirklich so, dass für einen sehr großen Teil der jungen Generation die Frage "steht da eine Frau oder ein Mann am Altar" vollkommen bedeutungslos ist gegenüber der Frage: gibt´s da coole Musik. Und da stimme ich Dir aus meinem Lebensumfeld her vollkommen zu: für die jugendlichen Schüler und erst recht für die jüngeren Kollegen ist die gängige Worship-Musik völlig unakzeptabel.

 

Wie gesagt, das alles macht mich etwas ratlos.

 

 

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vor 15 Minuten schrieb Franziskaner:

 

gegenüber der Frage: gibt´s da coole Musik. Und da stimme ich Dir aus meinem Lebensumfeld her vollkommen zu: für die jugendlichen Schüler und erst recht für die jüngeren Kollegen ist die gängige Worship-Musik völlig unakzeptabel.   

 

Ich fürchte, dass es unterschiedliche Gruppen - möglicherweise durch das Alter determiniert - gibt, die man nicht zusammenbringen kann. Nur war das immer schon so. Ich finde dafür auch keine Lösung.

 

Die sehr moderne Musik, die ich aus einigen Gottesdiensten von Baptisten und auch einigen evangelischen landeskirchlichen Gemeinden hier in der Region kenne, würde mich aus dem Gottesdienst vertreiben: Nicht nur mich, sondern einen größeren Teil meiner kirchenbesuchenden Altersgruppe. Andererseits sagen diejenigen, die dort die moderne Musik spielen, das gleiche über "meine" Musik - insbesondere eine Kirchenorgel scheint in manchen freikirchlichen Kreisen geradezu eine kirchenmusikalische Quälmaschine zu sein, die nur noch durch Helene Fischer oder Tony Marshall überboten wird: Ein Bekannter meinte, dass er sich die Hölle als einen Ort vorstellt, in dem dauernd eine Orgel traditionelles liturgisches Liedgut spielt. Er übertrieb, aber nur wenig.

 

Ich halte das für ein insofern unlösbares Problem, als dass man die Differenzen (momentan ?) nicht überwinden kann. Zumindest fällt mir nichts gescheites dazu ein. Als "irgendwie abzuwechseln". Und zu schauen, wer wann kommt.

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vor 6 Stunden schrieb Franziskaner:

Bei der ersten liturgischen Verwendung an Allerheiligen im vergangenen Jahr war eine große und auch keineswegs spezielle Gemeinde anwesend. Die haben (ohne die Kehrverse vorher zu kennen und nur mit einer kurzen Vorbereitungsprobe in den 15 Minuten vor Beginn der Messe) zum großen teil kräftig und auch "richtig" mitgesungen.

 

Das ist dann so eine Art Mitsing-Aufführungsmusik. In der Tat, eher ein Zwitter.

 

Eine wirkliche Messe im Sinne von Gemeinschaftskirchenmusik wäre die deutsche Messe von Schubert. Die kann man zwar als Chor singen und aufführen, aber sie funktioniert auch komplett ohne Chor.

 

Dass Jazz mir nicht liegt, das hat nix damit zu tun, das ist reine Geschmackssache. (Ich weiß nicht, mir fehlt dieses Jazz-Gen derart, dass ich schon bei der Erwähnung in eine Art Winterschlaf falle. Ich finde das peinlich, weil sich das nicht gehört, aber ich finde zu dieser Musik so überhaupt keinen Zugang - was ich durchaus bedauere.)

bearbeitet von Higgs Boson
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vor 18 Stunden schrieb Franziskaner:

Mich würde interessieren, was ihr gerne hört, und wie ihr die kirchenmusikalische Situation auch aus einer allgemeineren Sichtweise heraus beurteilt. Bzw. ob es eurer Meinung nach eine solche  allgemeinere Sichtweise überhaupt geben kann. Und wenn, welche Kriterien dafür relevant sein sollten.

 

Wenn es um Musik allgemein geht, ich höre am liebsten Metal in allen Varianten.

 

Aber wenn es um Kirchenmusik, Messe im speziellen geht, da kommt für mich nix an die Misa Criolla ran.

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vor einer Stunde schrieb Higgs Boson:

 

Das ist dann so eine Art Mitsing-Aufführungsmusik. In der Tat, eher ein Zwitter.

 

Eine wirkliche Messe im Sinne von Gemeinschaftskirchenmusik wäre die deutsche Messe von Schubert. Die kann man zwar als Chor singen und aufführen, aber sie funktioniert auch komplett ohne Chor.

 

 

Es ist ja so, dass das 2. Vatikanum einiges zum Thema Kirchenmusik gesagt hat. Die Landessprache ist zugelassen, es soll auf die kulturellen Eigenheiten der jeweiligen Gemeinde Rücksicht genommen werden, und es soll eine "tätige Beteiligung" (participatio actuosa) der Gemeinde angestrebt werden.

Das wurde für auskomponierte Kirchenmusik immer so verstanden, dass sich Chor und Gemeinde abwechseln. Viele Chorkompositionen sind so angelegt. Wenn man das komplett als "Aufführungsmusik" für liturgieuntauglich erklärt,  wäre differnezierte Kirchenchorarbeit in der Gemeinde überflüssig.

 

Ich glaube, der entscheidende Punkt ist, dass die kulturelle Differenzierung in der Gesellschaft wirklich so weit vorangeschritten ist, dass ein Konsens jenseits dessen, was man eben schon von Kindheit an kennt, nur schwer erreichbar ist. Das würde bedeuten, dass man eben unterschiedliche Angebote für unterschiedliche Zielgruppen machen muss. Wobei ich schon zugeben muss: Metal als Kirchenmusik kann ich mir nur schwer vorstellen; alleine schon wegen der akustischen Bedingungen in Kirchenräumen.

 

Für mich stellt sich aber die Frage, warum Musik, die auf Rhythmus und Improvisation aufbaut, so vollkommen draußen gelassen wird. Das soziale Umfeld, das ich z.B. bei meinen  Schülern und Kollegen erlebe, hat ja durchaus gesellschaftliche Relevanz. Und es sind auch zahlenmäßig nicht wenige Menschen, die solche Musik hören. (Ich meine damit keineswegs Jazz im engeren Sinne. Die Missa Criolla, die Du erwähnt hast, würde zu diesem kulturellen Feld durchaus dazugehören. Sie ist allerdings von der Konzeption her noch eindeutig vorkoziliar.) Und ich weiß nicht ob es sinnvoll ist, das alle diese Menschen Musik in der Kirche lediglich als eine Mischung aus Museum und Schlagerfestival wahrnehmen.

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vor 13 Stunden schrieb gouvernante:

Letztere muss immer der Liturgie dienen, d.h. es muss eine allgemeine Singbarkeit gewährleistet sein, die im Notfall auch ohne anwesende musikalische Profis auskommt.

 

Darüber musste ich noch mal nachdenken. Meinst Du wirklich, in einer Messe sollte keine Musik stattfinden, die ein Kirchenchor eingeübt hat? Also, auch dann nicht, wenn sie die Mitwirkung der Gemeinde ermöglicht und einbindet? Das würde ja bedeuten, dass nur noch relativ einfache und auf jeden Fall einstimmige Lieder oder Choräle gesungen werden können.

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vor 3 Stunden schrieb Franziskaner:

 

Es ist ja so, dass das 2. Vatikanum einiges zum Thema Kirchenmusik gesagt hat. Die Landessprache ist zugelassen, es soll auf die kulturellen Eigenheiten der jeweiligen Gemeinde Rücksicht genommen werden, und es soll eine "tätige Beteiligung" (participatio actuosa) der Gemeinde angestrebt werden.

Das wurde für auskomponierte Kirchenmusik immer so verstanden, dass sich Chor und Gemeinde abwechseln. Viele Chorkompositionen sind so angelegt. Wenn man das komplett als "Aufführungsmusik" für liturgieuntauglich erklärt,  wäre differnezierte Kirchenchorarbeit in der Gemeinde überflüssig.

 

Ich habe zwar immer gerne im Chor gesungen, war allerdings nicht im Kirchenchor selber, sondern im Konzertchor (wir hatten drei, der dritte waren die Kinder). Ich mochte es nie, im Gottesdienst im Chor singen. Weil das die Gemeinde, allen voran meine Eltern auch nicht mochten. Und zwar garnicht. Wobei allerdings so eine Art Wechselgesang durchaus toleriert wurde. Die Geschmäcker sind da durchaus unterschiedlich und ich will Deine Arbeit nicht schlechtmachen, musikalisch anspruchsvolle Gottesdienstmusik geht nur im Wechsel, unter Einbeziehung vom Volk in einfachen, eingängigen Kehrversen.

 

Wobei ich da wieder bei der deutschen Messe lande: Die war gut 150 Jahre vor der Liturgiereform ihrer Zeit weit voraus. Das ist das, was mich hier so fasziniert. Auch von der Struktur her passt es schon in die neue Messe, verzichtet sie doch auf stundenlanges Benediktus, das ans Agnus Dei drangeflanscht ist und dessen Bedeutung komplett nicht mehr verstanden wird. Ich glaube hier hat die Kirchenmusik Maßstäbe  gesetzt. Weniger ist dieses Werk Kind der Liturgiereform, sondern vielmehr Mutter 🙂 Und wie schon gesagt, das ist eine Messe, die tatsächlich des Chors garnicht bedarf. (Chor kann, muss nicht. Einmal hat der Kirchenchor bei uns diese Messe während der Messe 'aufgeführt'. Tja, mein Eltern und eine befreundete Familie haben einfach mitgesungen. Weil sies konnten. Weil sie Text und Melodie kannten. Und zwar alle Lieder. Mich hat das schwer beeindruckt. Da war ich 11. Seitdem kann ich das auch.)

 

Kirchenmusik, die beim Volk flächendeckend ankommt, hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluß auf die Liturgie selber. Und das gilt auch noch heute. Darum wird sie nie überflüssig sein, aber sie ist nicht Selbstzweck, sondern Ausdruck von Frömmigkeit.

 

vor 3 Stunden schrieb Franziskaner:

Ich glaube, der entscheidende Punkt ist, dass die kulturelle Differenzierung in der Gesellschaft wirklich so weit vorangeschritten ist, dass ein Konsens jenseits dessen, was man eben schon von Kindheit an kennt, nur schwer erreichbar ist. Das würde bedeuten, dass man eben unterschiedliche Angebote für unterschiedliche Zielgruppen machen muss. Wobei ich schon zugeben muss: Metal als Kirchenmusik kann ich mir nur schwer vorstellen; alleine schon wegen der akustischen Bedingungen in Kirchenräumen.

 

Ähhh, keine Ahnung ob es eine Metal-Messe gibt. Aber das muss nicht unbedingt sein. Das ist Musik, die ich einfach nur gerne höre. Je lauter desto ruhiger werde ich. Aber lieber für mich alleine, weil das nicht immer den Geschmack meiner Umwelt wiederspiegelt.

 

 

vor 3 Stunden schrieb Franziskaner:

Für mich stellt sich aber die Frage, warum Musik, die auf Rhythmus und Improvisation aufbaut, so vollkommen draußen gelassen wird. Das soziale Umfeld, das ich z.B. bei meinen  Schülern und Kollegen erlebe, hat ja durchaus gesellschaftliche Relevanz. Und es sind auch zahlenmäßig nicht wenige Menschen, die solche Musik hören. (Ich meine damit keineswegs Jazz im engeren Sinne. Die Missa Criolla, die Du erwähnt hast, würde zu diesem kulturellen Feld durchaus dazugehören. Sie ist allerdings von der Konzeption her noch eindeutig vorkoziliar.) Und ich weiß nicht ob es sinnvoll ist, das alle diese Menschen Musik in der Kirche lediglich als eine Mischung aus Museum und Schlagerfestival wahrnehmen.

 

Misa Criolla ist definitiv eher eine Konzertmesse ala Missa Brevis in dings moll, schön zum Anhören, sicher auch geeignet, um einen Meditativen Rahmen für eigenes Gebet zu gestalten, aber weniger für einen Gottesdienst mit Volksgesang geeignet. Da hast Du Recht. An diesem Punkt ist sie vorkonziliar. Von der Struktur her allerdings nicht, entspricht sie nicht mehr der alten Liturgie.)

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vor 5 Minuten schrieb Franziskaner:

 

Darüber musste ich noch mal nachdenken. Meinst Du wirklich, in einer Messe sollte keine Musik stattfinden, die ein Kirchenchor eingeübt hat? Also, auch dann nicht, wenn sie die Mitwirkung der Gemeinde ermöglicht und einbindet? Das würde ja bedeuten, dass nur noch relativ einfache und auf jeden Fall einstimmige Lieder oder Choräle gesungen werden können.

 

Es gibt Gottesdienstbesucher, die das genau so sehen. Meine Eltern haben mal unseren damaligen Pfarrer gebeten doch in den Kirchenanzeigen zu schreiben, wann wo der Chor singt. Meinte der Pfarrer, das kann er nicht machen. Da kommt dann nämlich keiner...

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vor 12 Stunden schrieb Franziskaner:

Insofern macht es mich etwas ratlos, dass dieses Argument gegen die Verwendung von Jazz und weltmusikalisch beeinflussten Stilrichtungen immer noch verwendet wird.

Das Argument gilt auch für die ganzen klassischen Spatzen-, Krönungs- oder Sonstwiemesssen.

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vor einer Stunde schrieb Franziskaner:

Darüber musste ich noch mal nachdenken. Meinst Du wirklich, in einer Messe sollte keine Musik stattfinden, die ein Kirchenchor eingeübt hat? Also, auch dann nicht, wenn sie die Mitwirkung der Gemeinde ermöglicht und einbindet? Das würde ja bedeuten, dass nur noch relativ einfache und auf jeden Fall einstimmige Lieder oder Choräle gesungen werden können.

Nein, die Mitsingbarkeit bezieht sich auf Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, (evtl das VaterUnser) und das Agnus Dei.
Natürlich kann es konzertante Stücke des Chors zum Einzug, während oder nach der Kommunion, zum Friedensgruß o.ä. geben.

Aber og. Teile der Eucharistiefeier müssen mE auch bei neuen Kompositionen zur Not komplett ohne anwesende Musiker/Sänger singbar sein.

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vor 8 Stunden schrieb gouvernante:

Nein, die Mitsingbarkeit bezieht sich auf Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, (evtl das VaterUnser) und das Agnus Dei.
Natürlich kann es konzertante Stücke des Chors zum Einzug, während oder nach der Kommunion, zum Friedensgruß o.ä. geben.

Aber og. Teile der Eucharistiefeier müssen mE auch bei neuen Kompositionen zur Not komplett ohne anwesende Musiker/Sänger singbar sein.

Zuerst eine Beobachtung: Unsere Gottesdienste sind ja in weiten Teilen bildungsbürgerliche Veranstaltungen, die mehr oder minder den Konventionen dieser Gruppe folgen. In Bamberg wird die Schnittmenge zwischen den Gottesdienstteilnehmern im Dom und den Besitzern eines Abos der Symphoniker signifikant sein. Was dazu führt, dass wir konzertante Teile in einer Liturgie auch als solche behandeln: Man sitzt still und lauscht andächtig, was fehlt, ist der Applaus, der kommt dann aber am Ende. 

 

Daher ist Mitsingbarkeit gar kein Kriterium - in meiner Heimatgemeinde hatte der Kirchenchor ein begrenztes Repertoire, für hohe Anlässe war die Krönungsmesse reserviert. Nach 20 Jahren Krönungsmesse Ostern, Weihnachten, Pfingsten und bestimmt noch mal zwischendurch war man als Gemeinde doch recht vertraut mit den Melodien, die Gemeinde hätte vermutlich mitsingen können (bzw. könnte das immer noch, wenn sie das immer noch singen sollten). Aber man tut das nicht, weder im Konzertsaal noch in der Kirche. Wenn ein Chor singt, dann schweigt die Gemeinde, ein Phänomen, das man mittlerweile sogar bei NGL Stücken beobachten kann - wenn die Band und Chor ein gewisses Niveau erreicht haben, dann singt die Gemeinde nur den Refrain mit und das auch nur, wenn man es (a) ansagt und (b) ausdrücklich einfordert. Der Bildungsbürger will die Kunstdarbietung schließlich nicht stören!

 

Aber dennoch gibt es Musikstücke, die sind zum Mitsingen entweder ungeeignet, oder sie hören sich ohne ordentliche Begleitung recht seltsam an - vor allem dann, wenn stark rhythmische Elemente darin vorkommen oder wenn tragende Instrumentalparts vorgesehen sind. Die kann man dann eben nicht singen, das ist ja auch nicht weiter schlimm. 

 

Wenn man nun jedoch nicht das bildungsbürgerliche Konzert zum Ausgangspunkt der Überlegungen zur Kirchenmusik macht, sondern sich in anderen zeitgenössischen Musikdarbietungen umsieht, dann findet sich dort eine durchaus breite Tradition des Mitsingens. Das ist nun nicht immer nur schön (vom Standpunkt eines Domchordirektors aus), aber es schafft Gemeinschaft. Dazu gehört aber eine klare Interaktion zwischen Band / Sängern / Interpreten und dem Publikum - man kann es zum Mitsingen und Klatschen auffordern, und meist klappt das auch. Aber nicht immer. Man kann umgekehrt erleben, dass das Publikum etwas weiter singt, was die Band schon meinte zu Ende gebracht zuhaben - wenn sie gut sind, dann greifen sie da eben auf und schauen zugleich, dass es nicht zu lang wird in dem Sinne, dass eine laute Minderheit die nunmehr angenervte Mehrheit weiter zum singen nötigt.

 

Ich sehe nicht, wie man das in unseren Gemeinden implementieren kann - aber zumindest das Phänomen sollte gesehen werden.

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Das sehe ich anders. Einen schönen Wechselgesang (wie er ja z.B. bei Psalmgesängen durch den Wechsel zwischen Kantor und Gemeinde auch praktiziert wird) halte ich für liturgisch aufbauend und fruchtbar.

(Nebenbei: das sehen vermutlich 99% der Kirchenmusiker genauso, und es entspricht auch den Vorgaben des 2. Vatikanums)

 

Neben meinem persönlichen Geschmack gibt es dafür auch einen kulturellen und einen theologisch Grund:

 

- in der Musikultur Afrikas und Lateinamerikas ist dieser Wechselgesang mit den verteilten Rollen von Vorsänger und Gemeinde fest eingeschrieben. Das betrifft mittlerweile nicht mehr nur Länder dieser Kontinente, in denen ja über 2/3 aller Katholiken wohnen. Sondern es hat auch das Musikempfinden der westlichen Länder mittlerweile fast völlig durchdrungen. Das Fehlen der Elemente Groove, Wechselgesang und Improvisation (bzw, spontane Gestaltung) ist es, die die europäische Kirchenmusik für sehr viele Menschen  so dermaßen unattraktiv macht. Und die gleichzeitig den Weg dafür bereitet, eher flache Ersatzprodukte wie die Worship-Musik so erfolgreich zu machen.

 

- auch theologisch finde ich das wichtig. In der katholischen Theologie gibt es das Prinzip der Komplementarität. Es gibt verteilte Rollen: Mann - Frau, Kleriker - Laie, und eben auch Vorsänger - Gemeinde. Mir ist das wichtig, und für mich macht sich auch die Notwendigkeit von Kirche daran fest.

bearbeitet von Franziskaner
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vor 29 Minuten schrieb Chrysologus:

Wenn man nun jedoch nicht das bildungsbürgerliche Konzert zum Ausgangspunkt der Überlegungen zur Kirchenmusik macht, sondern sich in anderen zeitgenössischen Musikdarbietungen umsieht, dann findet sich dort eine durchaus breite Tradition des Mitsingens. Das ist nun nicht immer nur schön (vom Standpunkt eines Domchordirektors aus), aber es schafft Gemeinschaft. Dazu gehört aber eine klare Interaktion zwischen Band / Sängern / Interpreten und dem Publikum - man kann es zum Mitsingen und Klatschen auffordern, und meist klappt das auch. Aber nicht immer. Man kann umgekehrt erleben, dass das Publikum etwas weiter singt, was die Band schon meinte zu Ende gebracht zuhaben - wenn sie gut sind, dann greifen sie da eben auf und schauen zugleich, dass es nicht zu lang wird in dem Sinne, dass eine laute Minderheit die nunmehr angenervte Mehrheit weiter zum singen nötigt.

 

Ich sehe nicht, wie man das in unseren Gemeinden implementieren kann - aber zumindest das Phänomen sollte gesehen werden.

 

Das ist es was ich meine: das ist das afrikanische Prinzip, und das ist mittlerweile in gesamtgesellschaftlichen Musikempfinden festverankert. Musik ist ein Virus ...

Oder, wie Herbert von Karajan mal gesagt haben soll: Das Eindringen der afroamerikanischen Rhythmusmusik ist die schlimmste Katastrophe der europäischen Kulturgeschichte. (Man sieht: manchmal bin ich für Revolutionen durchaus zu haben ...)

 

Tatsächlich habe ich dieses Mitsingen in meiner Messe auch mitkomponiert. Und tatsächlich hat es auch funktioniert. Und es hat die Menschen auch ersichtlich glücklich gemacht. Und das liegt nicht daran, dass ich so ein toller Komponist bin, sondern daran, dass meine Komposition diesen veränderten kulturellen Erwartungshaltungen entsprochen hat. Und natürlich daran, dass diese Entsprechung kein taktisches Zugeständnis meinerseits war, sondern meinem eigenen Musikempfinden entspringt, dass durch Generationen schwarzer Vorbilder geprägt wurde.

bearbeitet von Franziskaner
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vor 10 Stunden schrieb Higgs Boson:

Misa Criolla ist definitiv eher eine Konzertmesse ala Missa Brevis in dings moll, schön zum Anhören, sicher auch geeignet, um einen Meditativen Rahmen für eigenes Gebet zu gestalten, aber weniger für einen Gottesdienst mit Volksgesang geeignet. Da hast Du Recht. An diesem Punkt ist sie vorkonziliar. Von der Struktur her allerdings nicht, entspricht sie nicht mehr der alten Liturgie.)

 

Das ist interessant. Ich habe mal nachgeschaut: sie wurde 1963/64 komponiert. Also zu einer Zeit, wo die Verwendung der Landessprache durch das Konzil schon erlaubt war, aber die neue Liturgie, die ja erst nach dem Konzil festgelegt wurde, noch nicht bestand. Sie bezieht sich also noch auf den vorkonziliaren Ritus, allerdings bei Verwendung der Landessprache. Da die Gebete gleich geblieben sind, besteht in dieser Hinsicht aber kein Unterschied. Nur die seit der Liturgiereform gefoderte Beteiligung der Gemeinde ist nicht berücksichtigt.

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vor 2 Stunden schrieb Chrysologus:

Wenn man nun jedoch nicht das bildungsbürgerliche Konzert zum Ausgangspunkt der Überlegungen zur Kirchenmusik macht, sondern sich in anderen zeitgenössischen Musikdarbietungen umsieht, dann findet sich dort eine durchaus breite Tradition des Mitsingens. Das ist nun nicht immer nur schön (vom Standpunkt eines Domchordirektors aus), aber es schafft Gemeinschaft. Dazu gehört aber eine klare Interaktion zwischen Band / Sängern / Interpreten und dem Publikum - man kann es zum Mitsingen und Klatschen auffordern, und meist klappt das auch.

 

 

 

Hier ein Beispiel ich war dabei, die Band hat das Mitsingen für dieses Lied zum Prinzip erhoben, der Textanzeige war in den Bühneaufbau (der Hauptbühne) integriert. Zwar wurden die anderen Lieder gleichfalls mitgesungen, dieses war aber in erster Linie dem Publikum überlassen, die Band war in der Lautstärke reduziert.

 

Das hat weniger was von Domchor, das sind die Fischerchöre meiner Generation.

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vor 2 Stunden schrieb Franziskaner:

Und die gleichzeitig den Weg dafür bereitet, eher flache Ersatzprodukte wie die Worship-Musik so erfolgreich zu machen.

 

Nur musikalisch flach, zugegeben, sind sie dazu da, mitgesungen zu werden. Und sind unter anderem ein Grund, weshalb Gottesdienste mir derartiger Musik einen unglaublichen Zulauf haben.

 

Es ist nämlich tatsächlich so: Die meisten jungen Kirchenbesucher wollen aktiv mitsingen. Aber dazu muss die Musik passen. Darauf eine Antwort zu geben ist Aufgabe der Kirchenmusik.

bearbeitet von Higgs Boson
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Eine kleine Anekdote aus den späten 60er Jahren des letzten Jahrhunderts.

 

Für den Samstagabend war eine sogenannte 'Jazz-Mass' angesetzt. Das hatte jetzt nichts mit Jazz als Musikrichtung zu tun, sondern war lediglich eine Bezeichnung für diese noch ungehörten neuen Lieder in den Gottesdiensten (Die Erde ist schön und ähnliches). Dazu Schlagzeug und Gitarre, voll ungewohnt und noch nie gesehen. Der Kaplan sieht das Altersheim, das geschlossen zum Gottesdienst kommt und kriegt Angst. "Oh Mist" sagte er sich - hat er uns hinterher erzählt. "Jetzt kriege ich den Ärger meines Lebens!"

 

Nix passierte. Das Altersheim war begeistert und sang kräftig mit. Lob, das sei ja endlich mal was neues. Mittlerweile sind die Betroffenen schon seit fast 50 Jahren tot.

bearbeitet von Higgs Boson
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vor 2 Stunden schrieb Higgs Boson:

 

Nur musikalisch flach, zugegeben, sind sie dazu da, mitgesungen zu werden. Und sind unter anderem ein Grund, weshalb Gottesdienste mir derartiger Musik einen unglaublichen Zulauf haben.

 

Es ist nämlich tatsächlich so: Die meisten jungen Kirchenbesucher wollen aktiv mitsingen. Aber dazu muss die Musik passen. Darauf eine Antwort zu geben ist Aufgabe der Kirchenmusik.

 

Ich möchte den spezifischen Wert dieser Musik auch gar nicht bestreiten. Es gibt aber eine nicht gerade kleine Gruppe von kulturinteressierten Menschen jenseits der europäischen traditionellen Musik, die diese Lieder nicht mögen oder sogar peinlich finden. Und für die gibt es gar nichts, obwohl das häufig kulturelle Multiplikatoren sind.

 

Früher war auch nicht alles super. "Stille Nacht" oder "Großer Gott wir loben Dich" sind auch keine herausragenden musikalischen Kulturleistungen. Aber früher waren Kunst- und Gebrauchsmusik auch in der Kirche eng verbunden. Mozartmesse und "Stille Nacht" gehören stilistisch zusammen. Heute ist das nicht mehr so. Und zwar nicht, weil die Musiker das nicht möchten. Viele Musiker im erweiterten Jazzbereich* hätten daran sehr wohl Interesse, und das sicherlich auch inhaltlich. Aber die Kirchenmusik macht einfach die Türen zu.

 

* Damit meine ich den gesamten Bereich afrikanisch beeinflusster Musikstile, nicht nur Jazz im engeren Sinne. Also auch Salsa, Bossa Nova, Soul, Funk, Reggae, Hip Hop, Highlife, Afrobeat, Samba etc. Alle diese Musikstile sind aus einer gemeinsamen Musizierhaltung entstanden.

bearbeitet von Franziskaner
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In einem muss ich @Franziskaner Recht geben: Die Kirche ist künstlerisch und musikalisch von der Moderne komplett abgehängt.

Das war mal anders.

Ich bin ja eher künstlerisch unterwegs und muss und kann, da ich mit Kindern pastoral arbeite, nicht wirklich mit moderner Kunst arbeiten.

Aber bei uns in der RKK gilt der Expressionismus als moderne Kunst. 

Einmal scharf nachdenken.

Das sagt alles.

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Am 25.3.2020 um 23:03 schrieb Franziskaner:

Meine künstlerische Arbeit beschäftigt sich auch mit diesem Thema, und im vergangenen Herbst ist eine Messe von mir uraufgeführt worden, die sozusagen meine persönlich Antwort auf diese Fragen ist. Infos und Hörbeispiele dazu gibt es hier: ...

Sehr gut gelungen, herzlichen Glückwunsch zu diesem Werk.  Jazz (in der üblichen Aufführungspraxis)  ist für mich allerdings genuin weltliche Musik, mir fällt es schwer, darin das für Kirchenmusik erforderliche typisch Sakrale zu entdecken.

 

Beim Thema Kirchenmusik bin ich eher konservativ. Ich würde mich freuen, wenn es Weiterentwicklungen der bisher üblichen Stile gäbe. Anscheinend hört das mit Poulenc und Messiaen auf. John Rutter fällt mir allenfalls noch ein. 

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vor 4 Stunden schrieb gouvernante:

Ich könnte worship music auch besser aushalten, wenn die Texte theologisch nicht so derart oft grottenschlecht wären.

 

Ach geh, die Lieder aus dem Gotteslob sind kein Stück besser.

 

Was kein Problem ist. Die Texte transportieren nicht Theologie, sondern Spiritualität. Das fällt meist nicht zusammen. @Franziskaner hat es ja schon angesprochen, Stille Nacht ist auch so ein Kandidat. Wenn das nicht so ein Gassenhauer wäre, sorry, der Text ist in allen Sprachen der Welt einfach nur dumm. Das fällte einem nur nicht mehr auf, wenn man das Lied mag, an ihm hängt.

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