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Wunder und Naturwissenschaft - ein Widerspruch?


iskander

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vor 17 Stunden schrieb Marcellinus:

Ich weiß, aber ich zitiere es immer wieder gern, weil es sehr schön die Begrenztheit der Philosophie zeigt. [...] Was nach meiner Beobachtung vor allem an den Philosophen liegt, die zwar groß darin sind, die Vorstellungen anderer zu kritisieren, mit der Selbstkritik aber eher sparsam umgehen.  

 

Marcellinus, nichts für ungut; aber Du hast im Grunde starke Meinungen zu philosophischen Themen, aber nicht immer das entsprechende Maß an Wissen. Ist nicht persönlich gemeint, aber nach meinem bescheidenen Dafürhalten vergaloppierst Du Dich dann immer wieder, weil Du Dinge im Zusammenhang mit der Philsophie unterschätzst. Ich versuche einfach mal aufzuschreiben, wie ich zu dieser Einschätzung komme:

 

Natürlich setzen z.B. die Natur-Wissenschaften das "Gleichförmigkeitsprinzip" der Natur voraus, welches eben gerade ein philosophisches Prinzip ist. Sie setzen auch in einem gewissen Umfang die Gültigkeit der Induktion voraus. (Auch Falsifikation setzt in einem gewissen Sinne Induktion voraus; man muss normalerweise schon mehrere Beobachtungen eines schwarzen Schwans machen (ggf. alle innerhalb eines kurzen Untersuchungszeitraums durch Ansehen von allen Seiten), um sicher zu sein, dass es wirklich ein Schwan war und dass man also schließen kann, dass der Satz "Alle Schwäne sind weiß" falsifiziert wird.) Induktion lässt sich aber naturwissenschaftlich nicht begründen, sondern höchstens (mühevoll und absolute Allgemeingeltung) philosophisch (ich weiß, dass manche auch dies bestreiten). Die Naturwissenschaften basieren ganz wesentlich auf dem Prinzip der Abduktion (Schluss von Daten auf die Erklärung); auch dieses ist eine philosophische Voraussetzung. Und zumindest in einem realistischen Verständnis gehen Wissenschaftler von einer Existenz der Außenwelt aus, ein Problem, das sich jeder empirischen Lösung widersetzt und ebenfalls philosophisch ist. Fragen nach dem Status des Beobachters (alle Wissenschaft wird von Subjekten geleistet), nach Geltung, nach dem Verhältnisses von Theorie und Empirie usw. sind auch - und vor allem  - philosophisch. Um jetzt hier nur ein paar Sachen zu nennen.

 

Die ganze Wissenschaft beruht auf einer Reihe philosophischer "Annahmen" (oder besser Voraussetzungen), die einfach als gegeben hingenommen werden (manchmal aber nicht so fraglos sind, wie es scheint). Und genau das ist such einer der Gründe dafür, dass die Naturwissenschaften es oft einfacher haben als die Philosophie, die sich eben auch mit jenem Fundament auseinandersetzt, auf dem andere einfach drauf "losbauen".

 

Darüber hinaus "verirren" sich Naturwissenschaftler immer wieder in einer Weise in die Philosophie, die eigentlich unnötig und nicht unproblematisch ist. Die ganze Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik etwa ist eine philosophische Interpretation (die angeblich daher kommt, dass Niels Bohr sich mit östlicher Philosophie beschäftigt hat). So viel zur Unbescheidenheit der Philosophen.

 

Die Gefahr, wenn man Philosophie verachtet und von ihr zu wenig weiß, aber sich dennoch gerne zu philosophischen Themen äußert (ohne das eventuell zu merken) ist, dass man dann eben selbst eine Philosophie betreibt, die aber nicht unbedingt das Ultimum der Weisheit ist.

 

Nehmen wir nur mal den zweiten Teil Deines Signatur-Zitates:

 

"...es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt...."

 

Die Rede von den "ewigen Tatsachen" ist problematisch, aber natürlich gibt es unzählige "ewige Wahrheiten", wenn damit zeitlose Geltungszusammenhänge gemeint sind. Was genau deren ontologische Status ist, sei dahingestellt; aber es gilt jedenfalls, dass diese Sätze niemals falsch sein können.

Da Du dies, wenn ich mich richtig erinnere, für den Fall der Logik und Mathematik zugibst, hier Beispiele, die über rein logische und mathematische Zusammenhänge hinausgehen:

- Wissen ist hinreichend für wahres Meinen, aber nicht umgekehrt (es gibt auch zufällig wahre Meinungen).

- Sekundäre Sinnesqualitäten (wie die Farbe Rot im Sinne der Erlebnisqualität) sind keine Eigenschaften physischer Gegenstände an sich, sondern gehören essentiell zur Erlebnisweise des Subjekts.

- Ein und derselbe propositionale Gehalt lässt sich prinzipiell in mehreren Sprachen formulieren. (Etwa: "Dort ist ein Tisch; There is a table".) (Es kann natürlich Lebewesen geben, die vielleicht nur eine Sprache sprechen, aber dann ist das eine faktische Einschränkung. "Bedeutungstheoretisch" ist es grundsätzlich möglich, dass derselbe Sachverhalt durch mehrere Zeichensysteme repräsentiert wird.)

(Und hier geht es nicht um solch triviale Fälle, bei denen sich die Gültigkeit einer Aussage einfach aus einer willkürlichen Nominaldefinitionergibt, wie bei "Alle Junggesellen sind unverheiratet".)

 

Und selbst die Sätze der Mathematik und Logik basieren auf elementaren Ideen, die nicht mehr "zusammenkonstruiert" werden können (Element, Menge, Relation, Gleichheit, Nachfolger, wahr, falsch usw). Und es sind dann diese "Grundeinheiten", die vorgeben, was sinnvoll konstruiert werden kann und was nicht. Gäbe es nicht erste Grundlagen, und würde man sich alles "zusammenkonstruieren" müssen, so müsste man sich eine unendliche Kette aus unendlich vielen Gliedern zurechtkonstruieren (jedes Konstrukt müsste ja selbst wieder erst konstruiert werden). Und man könnte nicht einmal mit dem Konstruieren der Begriffe anfangen, weil man gar keinen Ausgangs- bzw. Anfangspunkt hätte.

 

Begriffe im Sinne von Wörtern sind natürlich "gemacht" und "änderbar"; das tut der Gültigkeit der durch sie ausgedrückten Sachzusammenhänge aber keinen Abbruch. Dass die Wahrnehmung der Farbqualität "Rot" sich von der Wahrnehmung der Geschmacksqualität "Süß" unterscheidet (wieder eine "zeitlose" Wahrheit), bliebe auch dann wahr, wenn ich mir andere Wörter einfallen lassen würde, mit denen ich diesen Sachverhalt beschreibe. Die Wahrheit der Proposition (Aussagegehalt des Satzes) hängt nicht an willkürlich gewählten Wörtern; und der Sachverhalt wiederum hängt nicht an der Proposition, sondern wird von ihr ausgedrückt.

 

Ganz abgesehen davon: Soll die Aussage, dass es keine ewigen Tatsachen gibt, eine ewige Tatsache sein? Dann wäre die Behauptung implizit widersprüchlich, sobald sie einen Wahrheitsanspruch erhebt. (Und erhebt sie keinen, dann ist sie völlig irrelevant.) Oder soll es sich dabei um eine "zeitliche" Tatsache handeln, die irgendwann ihr Verfalldatum hat, so dass es in zwei Jahren, wenn wir Glück haben, dann vielleicht doch noch "ewige Tatsachen" geben wird, die aber gleichzeitig wohl dann doch sehr zeitlich wären?

 

Oder der zweite Teil: Was sind denn "nicht-absolute Wahrheiten?" Wahr ist eine Aussage nach üblichem Sprachgebrauch dann, wenn der von ihr behauptete Sachverhalt tatsächlich besteht. Besteht er, dann besteht er. Wir müssen uns dafür noch nicht einmal an "ewigen" Wahrheiten orientieren. Wenn ich sage, dass Max gestern eine Flasche Cola getrunken hat, und wenn Max gestern tatsächlich eine Flasche Cola getrunken hat, dann ist mein Satz wahr. Und zwar "absolut" wahr. "Relativ wahr" wäre er, wenn er für mich wahr ist und für Dich nicht. Dann müssten wir aber (nicht nur weltanschauungsmäßig, sondern realiter) in verschiedenen Welten leben, mit je einem eigenen Max - und selbst das wäre genau genommen keine Lösung.

Wenn jemand im Drogenrausch meint, dass er fliegen kann, dann ist das nicht "für ihn wahr", sondern es ist (jenseits aller vernünftigen Zweifel) falsch, und zwar schlichtweg und absolut falsch. Wenn er im Drogenrauch aus dem zehnten Stock springt, wird das sehr, sehr wahrscheinlich nicht gut gehen, wenn unten Beton ist und nichts den Fall bremst.

 

Wenn ich Kaffee mag und Du nicht, könnte man man vielleicht noch sagen, dass es "für mich" wahr sei, dass Kaffee gut schmeckt und für Dich nicht. Tatsächlich ist es in einem solchen Fall aber wahr  - und zwar "absolut wahr" -, dass Kaffee mir gut schmeckt, Dir aber nicht.

 

Man muss sich nur klar machen, was Ausdrücke wie "Wahrheit", "absolut" und "relativ" bedeuten, und schon sieht man, dass eine Aussage wie "Es gibt keine absoluten Wahrheiten" einfach nur unsinnig sind. Philosophischer Unsinn, um genau zu sein. Es ist ein richtig gutes Beispiel für schlechte Philosophie.

 

Wenn man sich ständig sehr tief in die Philosophie hinein wagt (und Grundsatzaussagen über die Möglichkeiten der und Grenzen von Philosophie und Naturwissenschaft sind eminent philosophisch), sollte man sich bewusst sein, was man da tut und sich vielleicht auch entsprechend mit dem Thema beschäftigen. Oder mit einer gewissen Vorsicht vorgehen. Sonst kommt am Ende Halbgares oder Schlimmeres heraus.

 

Soll kein persönlicher Angriff sein, aber Du unterschätzt m.E. einfach manche Sachen erheblich (das ist jedenfalls meine Meinung, die ich hier zu begründen versucht habe).

 

 

bearbeitet von iskander
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@ Marcellinus:

 

Ist irgendwie beschrieben, wie die Forenfunktion funktioniert?

 

@ Aristippos:

 

Am 5.3.2021 um 13:38 schrieb Aristippos:

Trivialerweise ist die Basis dieselbe wie für die Behauptung, dass ein Universum, das Leben ermöglicht, "unwahrscheinlich" sei. Letztere basiert normalerweise auf dem Argument, dass die fundamentalen Naturkonstanten auch anders sein könnten, und es deshalb unwahrscheinlich ist, dass sie so sind, wie sie nun mal sind.

 

Nun: auch Götter könnten anders sein, und zwar so, dass sie z.B. keine Universen erschaffen können, schon gar keine Universen mit Naturkonstanten, die Leben ermöglichen. Anstatt die für uns günstigen Naturkonstanten zu erklären, müssten wir also bei Hypothese B also erklären, warum wir das Glück hatten, ausgerechnet an einen Gott zu geraten, der weiß, wie man die für uns richtigen Naturkonstanten einstellt. Denn wenn Gott nur ein bisschen andere Eigenschaften und Fähigkeiten hätte, wäre ein ganz anderes Universum (oder gar keines) erschaffen worden, in dem es uns gar nicht geben könnte.

 

Um nicht missverstanden zu werden: Ich halte die Vorstellung von endlichen und begrenzten Göttern, die Universen (aus dem Nichts?) erschaffen für absurd; und wenn man die Wirklichkeit ohnehin auf der Basis des  Endlichen, Begrenzten  und Kontingenten (das, was irgendwie zufällig ist und eigentlich auch anders sein könnte) erklären möchte, dann scheint es mir wirklich viel sinnvoller, bei einem Universum oder Multiversum anzusetzen als bei derartigen Göttern. An der Verteidigung solcher "Supermensch-Götter" habe ich wirklich gar kein Interesse.

 

Dies ausdrücklich und nachdrücklich betont halte ich Deinen Schluss trotzdem nicht für sonderlich solide. Denn auf welcher Basis sollte man auch nur grob abschätzen, wieviele solcher "Supermensch-Götter" es gibt, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass einer von ihnen ein lebensfreundliches Universum erschaffen kann und will?

 

Und hier wäre ja auch zu bedenken, dass es ausreichen würde, dass irgendein Gott es schafft, irgendein habitables Universum zu schaffen, um zu erklären, warum es uns gibt; und dass wir. (Dass Fritz Maier beim Lotto gewinnt, ist zwar für ihn ein großes Glück, aber nicht weiter erklärungsbedürftig; denn wenn Millionen Menschen Lotto spielen, gewinnt eben manchmal jemand, und die Wahrscheinlichkeit, dass es gerade Fritz Maier ist so hoch oder niedrig wie die, dass es sonst jemand ist. Analog, wenn unzählige Götter an bewohnbaren Universen herumbasteln, wäre die Chance, dass wenigstens einer Erfolg hat, womöglich gut; und dass es dann gerade "uns" betrifft, wäre eben unser Glück.)

 

Allerdings nehme ich die These wie gesagt dennoch nicht ernst; ich möchte nur darauf hinaus, dass es gar nicht so einfach ist, die Wahrscheinlichkeit bestimmter Dinge abzuschätzen, wenn man sie erst mal als Option zulässt.

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Gerhard Ingold
vor 55 Minuten schrieb iskander:

 

Marcellinus, nichts für ungut; aber Du hast im Grunde starke Meinungen zu philosophischen Themen, aber nicht immer das gleiche Maß an Wissen. Ist nicht persönlich gemeint, aber nach meinem bescheidenen Dafürhalten vergaloppierst Du Dich dann immer wieder, weil Du Dinge unterschätzst. Ich versuche einfach mal aufzuschreiben, wie ich zu dieser Einschätzung komme:

 

 

 

 

 

 

Wenn Du @Marcellinuszitierst, solltest Du Dich fragen, was es mit dem Satz meint: ""...es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt....".

 

Dass 1 und 1 = 2 gibt, ist ewig wahr. Das bezweifelt Marcellinus mit seinem Zitat meines Wissens nicht. Ich empfinde, Du vergaloppierst Dich selbst, wenn Du ihm etwas zu erklären versuchst, was für ihn mit großer Wahrscheinlichkeit klar ist.

 

Du hast ein großes Wissen.  Das anerkenne ich.

 

Aber solange Du Religionen verteidigst, nimmst Du Anteil an der Lebenslüge der Religiösen.

 

Wieso empfinde ich, dass Religiöse alle einer Lüge aufsitzen?

 

Wer die Bibel/Koran wörtlich oder teils wörtlich oder "ernst" nimmt, muss immer Fakten ignorieren.

 

A. Wörtliche Bibel- und Koranauslegung. Ich zitiere mich:

"Kreationisten, welche die Bibel/Koran wörtlich nehmen, müssten, nähmen sie die Bibel/Koran wörtlich, das Recht des Sklavenmachens, des Sklavenhandelns und des Sklavenhaltens wieder einfordern (3. Mose 25,44). Sie müssten ja 3. Mose 25,1 "Also sprach der Herr auf dem Berg Sinai" als Autorität hinter der Sklaverei Anweisung sehen. (Weil Moses als Autorität nach der Sicht des Korans über Mohammed steht, gälte das gemäß Sure 4,164 auch für den Islam.)"

 

Da antworten nun einige christliche Fundis: Jesus hätte das Gesetz überwunden und darum gelte das AT nicht mehr. Damit aber beseitigen sie Jesus, der kein Jota vom Gesetz beseitigt, ausgelassen oder beiseite geschoben haben will (Mt. 5,18ff).

 

B. Nicht-wörtliche Bibelauslegung. Ich zitiere mich hier: 

 

"Wer jedoch die Sklaverei ablehnt, hat die Bibel/Koran schon zu einem Teil verwässert. Selbst das Dogma der fehlerlosen und irrtumslosen Inspiration der Bibel und das Dogma des herab gesandten Wort Gottes dem Koran wurden durch die Abschaffung der Sklaverei in Frage gestellt.

 

Wenn die Bibel/Koran aber an einem Punkt irrt, kann sie sich überall irren. Damit stehen alle Dogmen der Kirchen und des Islams im freien Fall."

 

Wenn A. nicht stimmt, kann B. auch nicht stimmen.

 

Wer also seinen Glauben verteidigt, gibt sich immer einer Illusion einer "absoluten Wahrheit" hin.

 

Das kannst Du natürlich auch Atheisten unterstellen. Auch sie sind oft überzeugt, eine "absolute Wahrheit" zu vertreten.

 

Darum mahne ich zur Bescheidenheit des Agnostizismus. 

 

Wer die Bibel und damit auch den Koran entmythologisiert hat, hat keine absolute Wahrheit mehr. Aber man sollte sich eingestehen, nicht hinter die letzten Dinge sehen zu können. Darum ist Agnostizismus gelebte Bescheidenheit. Hier kann man selbst einen möglichen Gott - unbekannten Gott der Athener (Apg.) - ehren.

 

 

Ich mag die Philosophen und Theologen nicht mehr. Sie versuchen diplomatisch verpackt und in jede Richtung abgesichert, an ihren Bildern der Vorfahren festzuhalten. Um zu imponieren, benützen sie eine Fülle Fremdwörter (inkl. lateinischen Formulierungen). Das ist eine Mogelei. Wer nicht fähig ist, einfach und verständlich zu schreiben, sollte das zuerst lernen. Dann würde ein kleines Bisschen Anstand und Benehmen gegenüber einfachen Menschen sichtbar.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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vor 2 Stunden schrieb iskander:

 

Marcellinus, nichts für ungut; aber Du hast im Grunde starke Meinungen zu philosophischen Themen, aber nicht immer das entsprechende Maß an Wissen. Ist nicht persönlich gemeint, aber nach meinem bescheidenen Dafürhalten vergaloppierst Du Dich dann immer wieder, weil Du Dinge im Zusammenhang mit der Philsophie unterschätzst. Ich versuche einfach mal aufzuschreiben, wie ich zu dieser Einschätzung komme:

 

Ich hab jetzt keine Zeit noch Lust, mich mit deinem ganzen Text auseinanderzusetzen, nur soviel schon mal vor weg. Ich nehme nicht persönlich, was du schreibst, und mache auch weder Annahmen über deinen Person noch über dein Wissen im allgemeinen. Aber was du hier schreibst, dazu kann man begründet anderer Meinung sein.

 

vor 2 Stunden schrieb iskander:

Natürlich setzen z.B. die Natur-Wissenschaften das "Gleichförmigkeitsprinzip" der Natur voraus, welches eben gerade ein philosophisches Prinzip ist. Sie setzen auch in einem gewissen Umfang die Gültigkeit der Induktion voraus. (Auch Falsifikation setzt in einem gewissen Sinne Induktion voraus; man muss normalerweise schon mehrere Beobachtungen eines schwarzen Schwans machen (ggf. alle innerhalb eines kurzen Untersuchungszeitraums durch Ansehen von allen Seiten), um sicher zu sein, dass es wirklich ein Schwan war und dass man also schließen kann, dass der Satz "Alle Schwäne sind weiß" falsifiziert wird.) Induktion lässt sich aber naturwissenschaftlich nicht begründen, sondern höchstens (mühevoll und absolute Allgemeingeltung) philosophisch (ich weiß, dass manche auch dies bestreiten). Die Naturwissenschaften basieren ganz wesentlich auf dem Prinzip der Abduktion (Schluss von Daten auf die Erklärung); auch dieses ist eine philosophische Voraussetzung. Und zumindest in einem realistischen Verständnis gehen Wissenschaftler von einer Existenz der Außenwelt aus, ein Problem, das sich jeder empirischen Lösung widersetzt und ebenfalls philosophisch ist. Fragen nach dem Status des Beobachters (alle Wissenschaft wird von Subjekten geleistet), nach Geltung, nach dem Verhältnisses von Theorie und Empirie usw. sind auch - und vor allem  - philosophisch. Um jetzt hier nur ein paar Sachen zu nennen.

 

Du schriebst hier etwas unstrukturiert, daher muß ich mir die Argumente zusammensuchen. 

 

Zuerst einmal, die Naturwissenschaften haben sich aus der Naturphilosophie entwickelt, und es gibt unterschiedliche Vorstellungen darüber, ab wann wir es mit einer Naturwissenschaft zu tun haben, denn die Übergänge sind fließend, aber für die allgemeine Physik geht man wohl nicht fehl, wenn man Isaak Newton als den ansieht, der mit seinem Gravitationsgesetz die Grundlagen der klassischen Mechanik, und damit der modernen Physik gelegt hat. Für die Biologie sind es Charles Darwin und Alfred Wallace, die mit ihren Arbeiten die theoretischen Grundlagen der modernen Biologie begründet haben.

 

Theoretische Grundlagen bedeutet im naturwissenschaftlichen Zusammenhang einfach nur, daß es sich um Modelle handelt, die die Zusammenhänge zwischen den damals bekannten Tatsachenbeobachtungen nachprüfbar beschrieben haben, auf deren Grundlage Forscher weiteres Beobachtungen machen konnten, die zur Weiterarbeit an diesen Modellen führte. Mit philosophischen Axiomen hat das überhaupt nichts zu tun, und die gibt es in den Naturwissenschaften auch nicht. Jedes Modell besteht immer nur so lange, bis es ein besseres gibt. In diesen Zusammenhang gehört auch das Verhältnis von Theorie und Empirie. Es ist eben nicht das einer Ableitung aus deinem Axiom, sondern ein Wechselspiel von Tatsachenbeobachtung und Theoriebildung. 

 

Deshalb gehört beides untrennbar zusammen, Tatsachenbeobachtung und Modellbildung. Ohne Tatsachen keine realistischen Modelle, ohne Modelle keine realistischen Beobachtungen. Es ist ein wechselseitiger Prozeß, ohne bestimmbaren Anfang oder Ende, und auch nur als Prozeßmodell, als vierdimensionales Modell zu verstehen. Ein solches Prozessmodell findet sich zB bei dem Soziologen Norbert Elias, und dort übrigens auch ausführliche Betrachtungen zur Wissenssoziologie und Wissenschaftssoziologie, die all diese ziemliche theoretischen Spekulationen der philosophischen Theorien durch nachprüfbare Modelle ersetzen. 
 

Die Grundlagen der Naturwissenschaften sind nicht von Philosophen gelegt worden. Ihre Methoden haben diese Naturwissenschaftler selbst entwickelt, und ihre Modelle waren nicht deshalb erfolgreich, weil sie einer bestimmten Methode folgten, sondern weil sie erfolgreich Beobachtungen erklären konnten, die vorher unerklärlich waren. Seitdem ist die Philosophie höchstens noch Zaungast der Naturwissenschaften.

 

Du kannst natürlich behaupten, hinter jeder Wissenschaft, hinter jedem Wissen überhaupt stecke Philosophie. Aber das ist ähnlich überzeugend wie die Behauptung mancher Gläubiger, jeder Mensch habe eine Religion, bewußt oder unbewußt. Ich halte das für eine Übergriffigkeit, sonst nichts. Ich versuche klarzustellen, wo aus meiner Sicht die Grenzen zwischen Religion, Philosophie und Wissenschaften verlaufen. Beide, Religion wie Philosophie tragen heute nichts mehr zur Erklärung dieser Welt bei. Theologen geben das mittlerweile zu und betonen selbst den Unterschied zwischen Glauben und Wissen. Die Philosophen könnten das mittlerweile auch wissen. Spätestens seit Karl Popper müßte klar sein, daß Philosophie keine "Wahrheiten" hervorbringt, und daß Gewissheiten nur da entstehen, wo Theorien an der Wirklichkeit scheitern. Das dürfte der Grund sein, warum Popper unter den anderen Philosophen nicht besonders beliebt ist. 

 

Eine Wort noch zum Wahrheitsbegriff. Ich kenne nur einen Ort (außerhalb der Umgangssprache), wo er mit Recht angewendet wird: In Mathematik und Logik. Das sind von Menschen geschaffene Symbolsystem, deren Zweck es ist, die Wahrheit von Aussagen mittels klar definierter Operationen auf wenige, als absolut vorausgesetzte Axiome zurückzuführen. Mathematik und Logik sind gewissermaßen eingleisige Veranstaltungen. Fragen und Antworten bewegen sich im gleichen Symbolsystem. 

 

Das ist auch der Grund, warum es in den theoretisch-empirischen Wissenschaften keine Wahrheiten gibt. Auch dort wird mit menschengemachten Symbolen gearbeitet, aber das, was diese Symbole beschreiben, besteht nicht ebenfalls auch menschengemachten Symbolen, sondern ist die Wirklichkeit, und die ist uns eben immer nur in Teilen zugänglich. Theoretisch-empirische Wissenschaften sind also zweigleisige Systeme, menschengemachte Theorien auf der einen, und die unendliche vielfältige Wirklichkeit auf der anderen Seite. Unbestreitbar gibt es im Bereich der Naturwissenschaften Wissensfortschritt (im Unterschied zur Philosophie, wenn mir die kleine Spitze gestattet ist), aber nichts deutet darauf hin, daß bei seiner Beurteilung ein bipolares Bewertungsschema (wahr/falsch) angemessen wäre. Würde man es anwenden, und Popper tut das, wäre in einem absoluten Sinn keine Theorie zu verifizieren, weshalb auch kaum ein Wissenschafter heute noch auf die Idee käme, für seine Theorien "Wahrheit" zu reklamieren. Daß das aber etwas anderes ist als Beliebigkeit, auch dafür hilft Philosophie nicht weiter, sondern nur die Wissenschaften selbst und ihre Überprüfung an der beobachtbaren Empirie. Oder auf gut deutsch: Das letzte Wort hat immer das Experiment.

 

 

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Am 5.3.2021 um 20:19 schrieb Domingo:

 (wo ist denn @GermanHeretic , wenn man ihn braucht?🤣).

 

Ich weiß zwar jetzt nicht ganz genau, worum es geht, aber die Diskussion scheint sich um Naturkonstanten und deren angeblicher Feinabstimmung zu drehen.

Dazu meine unbescheidene Ansicht:

 

Die Naturwissenschaft erstellt aufgrund der durchgeführten Beobachtungen mathematische Modelle über die Gesetzmäßigkeiten im Kosmos. Diese Modelle vereinfachen i.d.R. die tatsächlichen Sachverhalte, um sie überhaupt beschreiben zu können. Solange sie im Rahmen der Meßgenauigkeit den Beobachtungen entsprechen, gelten sie als - ich nenne es mal frech so - Wahrheit. Tun sie es nicht, werden sie verbessert, genauer gemacht.

Naturkonstanten sind Formelbestandteile, quasi eine fehlende Information im mathematischen Gesetz, die emprisich ermittelt werden müssen. Einfachstes Beispiel: Die beobachtbare Regel lautet, zwei physikalische Größen (a, b) sind proportional., d.h. a = fb mit f als fester Faktor. f muß gemessen werden, und - hurra - er paßt dann ganz genau in die Theorie.

Nun gibt es Abhängigkeiten zwischen manchen solcher Konstanten, die sich theoretisch (noch) nicht erklären lassen, woraufhin manche Leute eine übernatürlichen Zusammenhang konstruieren. Ich denke, verfeinerte Theorien werden eines Tages diese Feinabstimmung überflüssig machen. Auch hier als einfaches Beispiel die spezielle Relativität, die hat die gesamte Naturkonstante der Lichtgeschwindigkeit entfernt - deren Wert bezieht sich nur auf unsere Vorlieben, in welchen Maßeinheiten wir gerne rechnen wollen. Ich vermute / philosophiere mal, das könnte für alle Naturkonstanten gelten, auch wenn das heute noch in keinster Weise klar ist.

bearbeitet von GermanHeretic
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39 minutes ago, GermanHeretic said:

Nun gibt es Abhängigkeiten zwischen manchen solcher Konstanten, die sich theoretisch (noch) nicht erklären lassen

 

Könntest Du mal diese Abhängigkeiten näher erläutern? Heißt das etwa, zwei Konstanten müssen aufeinander abgestimmte Werte haben, um zB Atome möglich zu machen?

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vor einer Stunde schrieb Domingo:

Könntest Du mal diese Abhängigkeiten näher erläutern? Heißt das etwa, zwei Konstanten müssen aufeinander abgestimmte Werte haben, um zB Atome möglich zu machen?

 

Das beliebteste Beispiel ist die Feinstrukturkonstante in Verbindung mit Ruhemassenverhältnis von Elektron/Proton. Die sind in unseren Modellen voneinander unabhängig, aber hier andere Werte zu würfeln führt mit denselben Modellen häufig zu instabilen Universen.

Eine hypothetische, zukünftige Elementarteilchentheoriemag das Ruhemassenverhältnis ja eines Tages erklären, dann fiele der Aspekt schonmal raus. Die Elementarteilchenmassen sind alles empirische Naturkonstanten, unser Standardmodell erklärt diese nicht, ergo auch nicht irgendein Verhältnis zwischen denen. Daran ändert auch das Higgs-Feld leider nichts, hier gibt es empirisch zu ermittelnde Wechselwirkungsparameter, die dann die einzelnen Massen ergeben.
Aber, wie gesagt, eine Naturkonstante ist in meinen philosophischen Augen nicht vom Modell trennbar. Man kann an denen nicht einfach drehen, ohne am Modell zu drehen - und andersherum. Und hat man mehrere Modelle mit mehreren Parametern, die Ausschnitte desselben Kosmos beschreiben, dann müssen die halt zusammenpassen, sonst laufen die Modelle in dem Kosmos nicht. Das finde ich nicht verwunderlich sondern stringent.

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@GermanHeretic

Es ist ein Genuß, jemandem zuzuhören, der von Physik Ahnung hat, selbst wenn ich von alledem nur einen Bruchteil verstehe. Was ich dagegen verstehe (wenn auch in anderem Zusammenhang) ist die wechselseitige Abhängigkeit von Beobachtung und Modell. Es macht keinen Sinn, das eine gegen das andere ausspielen zu wollen. 

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@ Marcellinus:
 

Zitat

 

Du kannst natürlich behaupten, hinter jeder Wissenschaft, hinter jedem Wissen überhaupt stecke Philosophie.

 

 

Da käme es darauf an, was man mit der Formulierung genau meint. Natürlich kann man Naturwissenschaften betreiben, ohne vorher philosophieren zu müssen. Aber sobald es um grundlegende Fragen geht - z.B. etwa realistische vs. instrumentalistische Auffassung - wird es eben auch philosophisch.

 

Es ist auch nicht klar, in welchem Sinne Deiner Meinung nach der Mensch die Logik macht. Nur weil Du sozusagen ein "Grundverständnis" hast mit Begriffen wie Identität, Verschiedenheit, Menge, Element, Relation "Geltung" usw., kannst Du dann etwas konstruieren. Und das Grundverständnis ist letztlich auch und vor allem ein ontologisches Grundverständnis, eines das sich "auf das Sein" und seine grundlegendsten Kategorien richtet. (Wie ich schon sagte: Wenn Du die Grundbegriffe nicht als etwas "Primäres" akzeptierst, sondern meinst, sie "aus" irgendetwas konstruieren zu können, dann kommst Du in einen unendlichen Regress, und zwar einen ohne Ansatzpunkt.)

 

Dein "Wahrheitsbegriff" (nach dem es nur in der Mathematik und Logik Wahrheit gäbe) ist entweder idiosynkratisch (d.h. Du konstruierst Dir Deine eigene Sprache, was möglich ist, aber misslich und oft zu Missverständnissen führt); oder er ist einfach falsch. Dein Fehler ist ein mehrfacher:

 

- Erstens verwechselst Du - was allerdings vielleicht nur eine semantische Unschärfe sein mag -  "wahr sein" mit "gewusst werden (können)", und zwar mit "absolut sicher gewusst werden (können)". Eine Behauptung oder Theorie kann aber natürlich auch dann wahr sein, wenn wir nicht mit Sicherheit wissen, ob sie es ist; ja in der Tat, wenn wir nicht einmal die leiseste Ahnung haben, ob sie wahr ist.

 

- Zweitens verwechselst Du "Wahrheit" mit der Vollständigkeit des Wissens. Ich weiß nicht alles über den Rhein - aber ist deshalb meine Behauptung, dass er in die Nordsee führt, deshalb nicht wahr (jedenfalls jenseits aller vernünftigen Zweifel)? Und kann sie realistischerweise je falsifiziert werden? (Sobald es nicht um Allgemein-Aussagen geht, kommen wir mit der Falsifikation oft nicht sehr weit.)

 

- Drittens verkennst Du, dass es viele ideale Geltungs-Zusammenhänge außerhalb der Logik und Mathematik gibt, die absolut sicher gewusst werden können; einige Beispiele habe ich gegeben. Hier reicht als Beispiel der Satz ("Rot und Blau sind unterschiedliche Farbqualitäten.")

Zudem können wir natürlich über das eigene Erleben sicher sein; ich mag mich zwar täuschen, wenn ich glaube, dass das leuchtende Rot, das ich gerade sehe, heller ist als dasjenige, das ich gestern gesehen habe; aber wenn ich die Farbe in diesem Moment sehe, dann sehe ich sie auch. (Ich könnte mich höchstens über die Bezeichnung irren; aber das ist wieder etwas anderes. Der Grund ist, dass Sein und Erscheinung hier zusammenfallen.)

 

- Viertens gibt zudem vieles, was vielleicht nicht "absolut sicher" ist, aber doch wohl jenseits aller vernünftigen Zweifel gewiss. Nehmen wir an, es gibt Platzregen; wie sinnvoll wäre dann folgender Dialog?

Sprecher 1 am Telefon: "Laut Wetterbericht gibt es bei euch ja Regen. Ist das wahr?"

Sprecher 2: "Nein, das ist nicht wahr, denn das ist keine Aussage der Logik und Mathematik".

 

Es mag sein, dass für manche Sachverhalte, die sehr weit von unserer Erfahrung weg sind (etwa quantenmechanische), in den Wissenschaften kein (umfassender) Wahrheitsanspruch erhoben wird. Normalerweise dürften aber die allermeisten Wissenschaftler davon ausgehen, dass zumindest ein Großteil dessen, was sie produzieren, wahr ist. So dürften es sicherlich die meisten Biologe für eine wahre Aussage halten, dass der Mensch ein Herz und eine Leber hat, oder dass es Zellen im von der Biologie definierten Sinne gibt. Ebenfalls dürften die meisten Physiker davon ausgehen, dass die Sonne und die Erde wenigstens ungefähr den von ihnen berechneten Abstand haben. Und die meisten Ägyptologen werden wohl meinen, dass es einen König namens Ramses II. wirklich mal gegeben hat. (Aber genau genommen ist das natürlich eine wissenschafts-soziologische Fragestellung. Ich wäre aber ehrlich überrascht, wenn ich da im Unrecht sein sollte.)

 

Übrigens ist Deine Aussage, dass es in der Logik und Mathematik und nur dort Wahrheit gäbe, weder eine logische noch eine mathematische Aussage. (Sie ist aber auch nicht empirisch. Sie ist - ja was - philosophisch.) Nach Deiner eigenen Auffassung kann diese Aussage also nicht wahr sein!

Schlimemr aber:

Auch der Teil-Satz "In der Logik und Mathematik gibt es Wahrheit" ist keine Wahrheit der Logik oder Mathematik. Jedenfalls, wenn man "wahr" nicht rein formalistsich-mathematisch als Wert einer Funktion interpretiert, sondern als "wahr" im Sinne von "tatsächlich wahr". In letzterem Fall (und nur der ist relevant) ist das eindeutig eine metalogische Aussage, wobei Metalogik ein Teilbereich der Philosophie ist, der sich deutlich von der formalen Logik selbst abhebt.

Das heißt dann aber entsprechend Deiner These, dass der Satz  "In der Logik und Mathematik gibt es Wahrheit" nicht wahr sein kann. Das ist nicht nur "unvernünftig", sondern hier tut sich ein direkter Widerspruch zu Deiner eigenen Original-These auf. Sie führt zum Selbstwiderspruch und ist also zwingend falsch.

 

Und natürlich kommst Du mit Deiner Auffassung zu Logik und Mathematik auch allgemein ganz schnell wieder tief in die Philosophie. Du würdest die Logik, wenn ich Deine Auffassung richtig versthe, vermutlich kaum als Teilgebiet der Psychologie verstehen wollen. Siehe etwa Husserl und der Psychologismus-Streit.

 

Du bist dauernd tief in der Philosophie unterwegs und merkst es nicht. Du stellst andauernd eminent philosophische (metaphysische, ontologische, epistemologische, wissenschaftstheoretische, sprachphilsophische, metalogische), allerdings fragwürdige Behauptungen auf, und zwar wohlgemerkt in einer Art und Weise, die viel überzeugter klingt als Dein eigener Philosophie-Begriff es eigentlich erlaubt.

 

@ German Heretic:

 

Zu einem Teil Deiner Kritik würde ich meinen, dass hier die nach Barnes zitierte Bemerkung zutrifft, die dahingeht, dass, wenn alles sozusagen gut passt und harmoniert und das dann dazu führt, dass genau so auch noch Leben möglich wird, dies erstaunlich ist. Ansonsten muss ich sagen, dass ich einfach zu wenig weiß, um mich da fachlich einzuklinken. Der Zustand stellt sich momentan für mich wie folgt dar: Die weitaus meisten Physiker, die sich zum Thema äußern,  scheinen einen echten Erklärungsbedarf zu sehen, einige (wie Du) nicht. Ich kann aus dieser Situation - ohne tiefer auf die inhaltliche Ebene zu gehen - für mich keine starken Schlüsse ziehen, anders als offenbar Marcellinus.

 

Vielleicht kannst Du mir aber in folgender Frage weiterhelfen (ich weiß nicht, ob das zu Deinem Spezialgebiet gehört):

 

Ich hatte gestern etwas locker vom Hocker geschrieben, dass die Kopenhagener Deutung auf eine philosophische Entscheidung zurückgehe, und dass Niels Bohr von östlicher Philosophie beeinflusst gewesen sei. Es war aber wohl eher Heisenberg, der so beeinflusst war, und zudem war meine Aussage insgesamt vermutlich zu generalisierend.

 

Was allerdings meines Wissens tatsächlich keine naturwissenschaftlich entschiedene Frage ist - und da kämst Du ins Spiel - wäre die, ob die Quantenmechanik einen "echten" Indeterminusmus impliziert, also nicht nur eine menschliche Erkenntnisschranke. Solches wird ja oft behauptet oder so verstanden.

Soweit ich mich zu erinnern meine, würde allerdings auch die Kopenhagener Deutung  verborgene Variablen (gegen den Indeterminismus) zulassen, soweit diese sich nicht wie Observable verhalten. Ich weiß nicht, ob das so richtig ist, und ob man das so ausdrücken kann, aber das wäre die Frage.

 

Soweit ich das zu wissen meine, existieren aber auch weitere Modelle, deren Vorhersagen empirisch noch oder prinzipiell nicht von der Kopenhagener Deutung zu unterscheiden sind (etwa die De-Broglie-Bohm-Theorie), welche keinen Indeterminismus aufweisen. Nun mag es theoretische oder pragmatische Gründe geben, das eine Modell gegenüber dem anderen zu bevorzugen; solange aber keines widerlegt ist, kann aber physikalisch doch eigentlich auch nichts Definitives über den Indeterminismus gesagt werden - oder sehe ich das falsch?

 

 

 

 

 

 

bearbeitet von iskander
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(fortsetzend / ergänzend) @ Marcellinus

 

Zitat

Spätestens seit Karl Popper müßte klar sein, daß Philosophie keine "Wahrheiten" hervorbringt, und daß Gewissheiten nur da entstehen, wo Theorien an der Wirklichkeit scheitern.

 

Nein, bei allem Respekt vor Popper. Und wahrscheinlich kann man sich da nicht mal wirklich auf Popper berufen. John Horgan schildert folgende Szene:

 

Zitat

 

I decided to launch my big question: Is his falsification concept falsifiable? Popper glared at me. Then his expression softened, and he placed his hand on mine. “I don't want to hurt you,” he said gently, “but it is a silly question." Peering searchingly into my eyes, he asked if one of his critics had persuaded me to pose the question. Yes, I lied. “Exactly,” he said, looking pleased.

“The first thing you do in a philosophy seminar when somebody proposes an idea is to say it doesn’t satisfy its own criteria. It is one of the most idiotic criticisms one can imagine!” His falsification concept, he said, is a criterion for distinguishing between empirical and non-empirical modes of knowledge. Falsification itself is “decidably unempirical”; it belongs not to science but to philosophy, or “meta-science,” and it does not even apply to all of science.

 

https://blogs.scientificamerican.com/cross-check/the-paradox-of-karl-popper/

 

Das ist ein Teil der Antwort auf Deine These: Es gibt Prinzipien, die gehen jeder empirischen Wissenschaft voraus. Hierzu gehört auch die Duhem-Quine-Hypothese: Man hat nie eine rein wissenschaftliche These, die man im Experiment prüft, sondern immer ein Konglomerat aus wissenschaftlicher These, Hintergrundannahmen und Annahmen über die Beobachtung. Deshalb kann man - ganz streng gesprochen - eine empirische These auch nie mit absoluter Sicherheit falsifizieren.

 

Solche meta-wissenschaftlichen Konzepte (und zum Teil ganz basale Annahmen) sind empirisch zum großen Teil nicht mehr überprüfbar, sondern gehen oft jeder empirischen Überprüfung logisch voraus. Und die empirische Wissenschaft basiert eben auch auf solchen Prinzipien, ob sie diese nun bewusst reflektiert oder nicht. Dennoch können wir sinnvolle und wahre Aussagen über sie machen (und das sind philosphische!); wir können Erkenntnisse über sie haben.

 

Und natürlich gibt es genug andere Beispiele für philosophisch wahre Aussagen. Und da die Behauptung "Die Philosophie kann keine Wahrheiten produzieren" außerdem eindeutig und nach jeder Definition philosophisch ist, kann diese Aussage niemals mit einem Wahrheitsanspruch erhoben werden, ohne dass es zum Selbstwiderspruch kommt. (Sie kann allerdings als Beispiel für einen deutschen Satz mit Subjekt und Prädikat dienen.)

 

Nochmals: Auf der einen Seite hast Du kaum etwas anderes als Geringschätzung für die Philosophie übrig. Auf der anderen Seite "haust" Du eine philosophische Aussage nach der anderen "raus", und zwar in einem Tonfall der Sicherheit, der völlig im Gegensatz zu Deiner "philosophieskeptischen" Einstellung steht.

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vor 7 Stunden schrieb GermanHeretic:

 

Ich weiß zwar jetzt nicht ganz genau, worum es geht, aber die Diskussion scheint sich um Naturkonstanten und deren angeblicher Feinabstimmung zu drehen.

Dazu meine unbescheidene Ansicht:

 

Die Naturwissenschaft erstellt aufgrund der durchgeführten Beobachtungen mathematische Modelle über die Gesetzmäßigkeiten im Kosmos. Diese Modelle vereinfachen i.d.R. die tatsächlichen Sachverhalte, um sie überhaupt beschreiben zu können. Solange sie im Rahmen der Meßgenauigkeit den Beobachtungen entsprechen, gelten sie als - ich nenne es mal frech so - Wahrheit. Tun sie es nicht, werden sie verbessert, genauer gemacht.

Naturkonstanten sind Formelbestandteile, quasi eine fehlende Information im mathematischen Gesetz, die emprisich ermittelt werden müssen. Einfachstes Beispiel: Die beobachtbare Regel lautet, zwei physikalische Größen (a, b) sind proportional., d.h. a = fb mit f als fester Faktor. f muß gemessen werden, und - hurra - er paßt dann ganz genau in die Theorie.

Nun gibt es Abhängigkeiten zwischen manchen solcher Konstanten, die sich theoretisch (noch) nicht erklären lassen, woraufhin manche Leute eine übernatürlichen Zusammenhang konstruieren. Ich denke, verfeinerte Theorien werden eines Tages diese Feinabstimmung überflüssig machen. Auch hier als einfaches Beispiel die spezielle Relativität, die hat die gesamte Naturkonstante der Lichtgeschwindigkeit entfernt - deren Wert bezieht sich nur auf unsere Vorlieben, in welchen Maßeinheiten wir gerne rechnen wollen. Ich vermute / philosophiere mal, das könnte für alle Naturkonstanten gelten, auch wenn das heute noch in keinster Weise klar ist.

..könntest du mir einfach erklären, was du genauer mit dem Satz meinst, den ich fett angestrichen habe: ..."die spezielle Relativität, die hat die gesamte Naturkonstante der Lichtgeschwindigkeit entfernt." Ich kann diesen Satz in deinen Ausführungen, die ich ansonsten vollkommen nachvollziehen kann, nicht einordnen. Nach meinem bisherigen Verständnis habe ich immer angenommen, dass die Lichgeschwindigkeit selber eine pysikalische Konstante ist von 300.000 km pro Sekunde... vollkommen unabhängig, was wir selber an irgendwelchen Objekten des Weltalls beobachten. Es wäre sehr schön, wenn du mir den gemeinten Satz nochmals genauer erklären könntest. Im Voraus schon vielen Dank für deine Mühe...

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vor 20 Stunden schrieb Cosifantutti:

Lichgeschwindigkeit

 

Aber gerne. Früher unterschied man Strecke und Zeit als Basisgrößen, ersteres mißt man gerne in Metern (grob Schrittlänge), letzteres in Sekunden (grob Herzschlagdauer). Seit der Relativität hält man Raum und Zeit für dasselbe, und hat eine der beiden Basisgrößen (Strecke/Raum) entfernt. Die Zeit hat man gelassen, weil sich die Sekunde als Basiseinheit viel genauer eichen läßt als der Meter. Die Lichtschwindigkeit ist seitdem einfach ein definierter Faktor, mit der man Zeit in Länge umrechnen kann. Dieser Faktor skaliert nur die Metrik, sprich die Koordinatenachsen, und man hat ihn dann so definiert, daß es genau auf den Meter paßt. Keine Messung mehr nötig. Würden wir gar nicht mehr zw. Raum und Zeit unterscheiden (was leider nicht in allen Theorien geht) oder die Länge einfach in Lichtsekunden messen, wäre die Lichtgeschwindigkeit 1 und könnte aus allen Gleichungen rausfallen.

Kurz: Die Lichtgeschwindigkeit ist heute einfach eine willkürlich festgelegte Zahl, keine empirisch zu ermittelnde Naturkonstante mehr.

bearbeitet von GermanHeretic
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Gerhard Ingold
vor 2 Stunden schrieb GermanHeretic:

 

Aber gerne. Früher unterschied man Strecke und Zeit als Basisgrößen, ersteres mißt man gerne in Metern (grob Schrittlänge), letzteres in Sekunden (grob Herzschlagdauer). Seit der Relativität hält man Raum und Zeit für dasselbe, und hat eine der beiden Basisgrößen (Strecke/Raum) entfernt. Die Zeit hat man gelassen, weil sich die Sekunde als Basiseinheit viel genauer eichen läßt als der Meter. Die Lichtschwindigkeit ist seitdem einfach ein definierter Faktor, mit der man Zeit in Länge umrechnen kann. Dieser Faktor skaliert nur die Metrik, sprich die Koordinatenachsen, und man hat ihn dann so definiert, daß es genau auf den Meter paßt. Keine Messung mehr nötig. Würden wir gar nicht mehr zw. Raum und Zeit unterscheiden (was leider nicht in allen Theorien geht) oder die Länge einfach in Lichtsekunden messen, wäre die Lichtgeschwindigkeit 1 und könnte aus allen Gleichungen rausfallen.

Kurz: Die Lichtgeschwindigkeit ist heute einfach eine willkürlich festgelegte Zahl, keine empirisch zu ermittelnde Naturkonstante mehr.

 

Jetzt fehlt nur noch Volker.

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Gerhard Ingold
vor 2 Stunden schrieb GermanHeretic:

 

Aber gerne. Früher unterschied man Strecke und Zeit als Basisgrößen, ersteres mißt man gerne in Metern (grob Schrittlänge), letzteres in Sekunden (grob Herzschlagdauer). Seit der Relativität hält man Raum und Zeit für dasselbe, und hat eine der beiden Basisgrößen (Strecke/Raum) entfernt. Die Zeit hat man gelassen, weil sich die Sekunde als Basiseinheit viel genauer eichen läßt als der Meter. Die Lichtschwindigkeit ist seitdem einfach ein definierter Faktor, mit der man Zeit in Länge umrechnen kann. Dieser Faktor skaliert nur die Metrik, sprich die Koordinatenachsen, und man hat ihn dann so definiert, daß es genau auf den Meter paßt. Keine Messung mehr nötig. Würden wir gar nicht mehr zw. Raum und Zeit unterscheiden (was leider nicht in allen Theorien geht) oder die Länge einfach in Lichtsekunden messen, wäre die Lichtgeschwindigkeit 1 und könnte aus allen Gleichungen rausfallen.

Kurz: Die Lichtgeschwindigkeit ist heute einfach eine willkürlich festgelegte Zahl, keine empirisch zu ermittelnde Naturkonstante mehr.

 

Fett von mir: Als ich vor ca. 20 Jahren diesen Gedanken einem Physiker sagte, hat er mich ausgelacht und gesagt, die Lichtgeschwindigkeit sei eine klare Konstante.

 

Für mich aber, als ich mich mit der Relativitätstheorie auseinandersetzte, schien es mir offensichtlich, dass es keine klaren Konstanten geben könne. 

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vor 12 Stunden schrieb GermanHeretic:

 

Aber gerne. Früher unterschied man Strecke und Zeit als Basisgrößen, ersteres mißt man gerne in Metern (grob Schrittlänge), letzteres in Sekunden (grob Herzschlagdauer). Seit der Relativität hält man Raum und Zeit für dasselbe, und hat eine der beiden Basisgrößen (Strecke/Raum) entfernt. Die Zeit hat man gelassen, weil sich die Sekunde als Basiseinheit viel genauer eichen läßt als der Meter. Die Lichtschwindigkeit ist seitdem einfach ein definierter Faktor, mit der man Zeit in Länge umrechnen kann. Dieser Faktor skaliert nur die Metrik, sprich die Koordinatenachsen, und man hat ihn dann so definiert, daß es genau auf den Meter paßt. Keine Messung mehr nötig. Würden wir gar nicht mehr zw. Raum und Zeit unterscheiden (was leider nicht in allen Theorien geht) oder die Länge einfach in Lichtsekunden messen, wäre die Lichtgeschwindigkeit 1 und könnte aus allen Gleichungen rausfallen.

Kurz: Die Lichtgeschwindigkeit ist heute einfach eine willkürlich festgelegte Zahl, keine empirisch zu ermittelnde Naturkonstante mehr.

....danke für die Info... Vielleicht noch eine Frage, die ich schon in meiner Schulzeit meinem Physiklehrer gestellt habe, die er mir aber nicht beantworten konnte: Weshalb ist bei der berühmten Gleichhung von Einstein von Masse = Energie der Umrechnungsfaktor ausgerechnet das Quadrat der Lichtgeschwindigkeit ? Ich habe nie verstanden, wieso er auf hier auf die Lichtgeschwindigeit kommt und das Quadrat nimmt:

E =m*c2

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Am 7.3.2021 um 20:34 schrieb iskander:

Was allerdings meines Wissens tatsächlich keine naturwissenschaftlich entschiedene Frage ist - und da kämst Du ins Spiel - wäre die, ob die Quantenmechanik einen "echten" Indeterminusmus impliziert, also nicht nur eine menschliche Erkenntnisschranke. Solches wird ja oft behauptet oder so verstanden.

 

Das ist in der Tat eine hochphilosophische Frage, an der sich die Geister scheiden. Ich behaupte mal JA. Ein einzelner β-Zerfall ist z.B. nach heutigem Wissensstand völlig unvorhersagbar, aber das mag sich ja in Zukunft ändern. Zu den verborgenen Variabeln ist dies hier interessant: https://de.wikipedia.org/wiki/Bellsche_Ungleichung

Defintiv ist die Quantenmechanik keine menschliche Erkenntnisschranke. Die meistens völlig falsche verstandene Metapher von Schrödingers Katze besagt das eigentlich, auch wenn sie so gut wie immer komplett andersherum  gesehen wird. Der Witz ist, nichts und niemand kann etwas beobachten bzw. messen, ohne damit wechselzuwirken. Und wechselwirkt man mit etwas, ändert man seinen Zustand. Völlig egal, ob das ein Mensch, eine Katze, ein Geigerzähler oder die Mutter Erde ist. Das menschliche (oder auch das kätzliche) Bewußtsein ist da irrelevant, weil der sog. Übergang zum klassischen Grenzfall da schon längst passiert ist. Bei Schrödingers Katze schon, wenn der Zähler den Zerfall mißt. Je genauer man einen Teilzustand mißt, desto mehr ändern sich andere Teilzustände, bis hin zu einer Grenze, wo nix mehr geht => Unschärfe.

 

vor 10 Stunden schrieb Gerhard Ingold:

Fett von mir: Als ich vor ca. 20 Jahren diesen Gedanken einem Physiker sagte, hat er mich ausgelacht und gesagt, die Lichtgeschwindigkeit sei eine klare Konstante.

 

Sie exakt zu definieren, statt messen zu müssen, hat man schon 1983 entschieden. Hat aber etwas gedauert, bis das in allen Köpfen angekommen ist.

 

vor einer Stunde schrieb Cosifantutti:

Ich habe nie verstanden, wieso er auf hier auf die Lichtgeschwindigeit kommt und das Quadrat nimmt:

E =m*c2

 

Einfache Antwort: So hängen halt die Einheiten zusammen, Energie ist Masse*Länge*Länge/Zeit/Zeit, zB. kinetische Energie E = 1/2m*v².

Komplizierte Antwort: Wenn man relativistisch die Energie eines sich bewegenden Körpers ausrechnet, braucht es dazu ein lorentzinvariantes Skalarprodukt in einem vierdimensionalen Vektorraum, dann bleibt genau diese Energie über, auch wenn sich nix zueinander bewegt. => http://www.pandualism.com/z/E_mc2.html

bearbeitet von GermanHeretic
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vor 2 Stunden schrieb GermanHeretic:

Der Witz ist, nichts und niemand kann etwas beobachten bzw. messen, ohne damit wechselzuwirken. Und wechselwirkt man mit etwas, ändert man seinen Zustand. Völlig egal, ob das ein Mensch, eine Katze, ein Geigerzähler oder die Mutter Erde ist.

 

Ich versuch das mal ins Soziologische zu übersetzen, zuerst mit einem Zitat von Auguste Comte, dem "Erfinder" der Soziologie: 

 

„Denn wenn auch auf der einen Seite jede positive Theorie notwendigerweise auf Beobachtungen fundiert sein muß, so ist es auf der anderen Seite nicht weniger richtig, daß unser Verstand eine Theorie der einen oder anderen Art braucht, um zu beobachten. Wenn man bei der Betrachtung von Erscheinungen diese nicht unmittelbar in Beziehung zu gewissen Prinzipien setzen würde, wäre es nicht nur unmöglich für uns, diese isolierten Beobachtungen miteinander in Verbindung zu bringen ... wir würden sogar völlig unfähig sein, uns an die Tatsachen zu erinnern; man würde sie zum größten Teil nicht wahrnehmen.“ (Auguste Comte, Cours de Philosophie Positive, Band 1, Paris 1907)
 

Mit andere Worten: Es gibt keine "reinen" Beobachtungen. Jeder Beobachtung ist auf die eine oder andere Weise vom Beobachter abhängig. Deshalb gehört beides untrennbar zusammen, Tatsachenbeobachtung und Modellbildung. Ohne Tatsachen keine realistischen Modelle, ohne Modelle keine realistischen Beobachtungen. Es ist ein wechselseitiger Prozeß, ohne bestimmbaren Anfang oder Ende, und auch nur als Prozeßmodell, als vierdimensionales Modell zu verstehen." 

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vor 1 Stunde schrieb Marcellinus:

Mit andere Worten: Es gibt keine "reinen" Beobachtungen. Jeder Beobachtung ist auf die eine oder andere Weise vom Beobachter abhängig.

 

Das in der Physik viel fundamentaler. Es geht nicht um Interpretation der Beobachtung, nicht um Einordnung, nicht um Verbindungen. Eine Beobachtung im physikalischen Sinne ändert beides, Beobachter und Beobachtetes. Ganz ohne Bewußtsein, was die Kopenhagener Interpretation vorgaukelt, auch wenn sie das gar nicht so meint. Das, was wir beobachten, beobachtet auch uns. Der Trick, davon unabhängig zu sein, ist, mehr zu beobachten als beobachtet zu werden. (Jetzt übersetz' das mal soziologisch/politisch 😀 ) Das klappt auch ganz gut vom Photographieren bis zur Radarfalle, aber im Subatomaren geht es nicht mehr. Und das faszinierende ist, daß das nicht in der Quantenwelt bleibt, sondern auch im Makroskopischen Auswirkungen hat, die sich klassisch, also so gut wie unabhängig, beobachten lasen. Lamb-Shift, Casimir-Effekt, Laserstrahlen, ...

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Gerhard Ingold
vor einer Stunde schrieb GermanHeretic:

 

Das in der Physik viel fundamentaler. Es geht nicht um Interpretation der Beobachtung, nicht um Einordnung, nicht um Verbindungen. Eine Beobachtung im physikalischen Sinne ändert beides, Beobachter und Beobachtetes. Ganz ohne Bewußtsein, was die Kopenhagener Interpretation vorgaukelt, auch wenn sie das gar nicht so meint. Das, was wir beobachten, beobachtet auch uns. Der Trick, davon unabhängig zu sein, ist, mehr zu beobachten als beobachtet zu werden. (Jetzt übersetz' das mal soziologisch/politisch 😀 ) Das klappt auch ganz gut vom Photographieren bis zur Radarfalle, aber im Subatomaren geht es nicht mehr. Und das faszinierende ist, daß das nicht in der Quantenwelt bleibt, sondern auch im Makroskopischen Auswirkungen hat, die sich klassisch, also so gut wie unabhängig, beobachten lasen. Lamb-Shift, Casimir-Effekt, Laserstrahlen, ...

 

Was mich interessiert: Welche Folgerungen würdest Du für das Thread-Thema ableiten?

 

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vor 1 Stunde schrieb GermanHeretic:

Das, was wir beobachten, beobachtet auch uns. Der Trick, davon unabhängig zu sein, ist, mehr zu beobachten als beobachtet zu werden. (Jetzt übersetz' das mal soziologisch/politisch 😀 )

 

Ich geh mal davon aus, daß wenn ein Archäologe eine antike Scherbe ausgräbt und betrachtet, er von der Scherbe dabei nicht betrachtet wird. ;)

 

Was man aber sagen kann, ist, daß man Scherben (als Beispiel für Funde überhaupt) nur dann findet, wenn man weiß, wonach man sucht. Daß heißt aber auch, daß reihenweise Funde falsch einsortiert werden, weil die Intention des Suchenden die Wahrnehmung der Funde lenkt.

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vor 2 Stunden schrieb Gerhard Ingold:

Was mich interessiert: Welche Folgerungen würdest Du für das Thread-Thema ableiten?

 

Natur ist Wunder genug. Mehr braucht und gibt es nicht.

 

vor 1 Stunde schrieb Marcellinus:

Ich geh mal davon aus, daß wenn ein Archäologe eine antike Scherbe ausgräbt und betrachtet, er von der Scherbe dabei nicht betrachtet wird. ;)

 

Quantenphysikalisch schon.

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vor 3 Minuten schrieb GermanHeretic:
vor 1 Stunde schrieb Marcellinus:

Ich geh mal davon aus, daß wenn ein Archäologe eine antike Scherbe ausgräbt und betrachtet, er von der Scherbe dabei nicht betrachtet wird. ;)

 

Quantenphysikalisch schon.

 

Nur hat das auf der sozialen Ebene unseres Universums keine Auswirkungen. 

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vor 2 Minuten schrieb GermanHeretic:

 

Natur ist Wunder genug. Mehr braucht und gibt es nicht.

 

Du würdest mir aber schon zustimmen, dass das keine naturwissenschaftliche Aussage mehr ist? Siehe meinen ersten Beitrag.

 

 

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@ Marcellinus:

 

Das Mach-Zitat ist nicht schlecht. Und das sind philosophische (in diesem Fall erkenntnis- bzw. wissenschaftstheoretische) Aussagen. Sie sind nicht selbst das Ergebnis empirischer Forschung (obwohl die empirische Forschungen einen auf solche Einsichten stoßen kann), sondern sind der Empirie gewissermaßen "vorgelagert" und Ergebnis des vernünftigen Denkens. (Und das wäre dann eben auch ein Beispiel für wahre und sinnvolle philosophische Aussagen.)

 

Natürlich kann man sagen, dass jetzt triviale Aussagen seien, und in gewissem Sinne sind sie das ja auch. Aber auch das ist relativ; im Nachhinein ist vieles trivial. muss man sich erst mal klar machen; der Mann von der Straße (oder gerne auch die Frau von der Straße, das muss man heute ja explizit dazu sagen) hat vielleicht ein wesentlich simpleres Verständnis.

bearbeitet von iskander
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