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Woher kommt die theologische Begründung...


Gast Claudia

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Liebe Leute,

 

ich wage es doch mal, hier eine Frage zu stellen. Lucia kann ja bei Bedarf wieder verschieben...:blink:

 

Im Nachbarthread ist wieder vom freien Willen die Rede. Da dieser als Begründung für Gottes Leid-Duldung steht, würde ich gern mal wissen, woher diese Begründung kommt. Aus der Bibel doch nicht?

 

Früher, unter einer autoritären Kirche, hatte man weniger Probleme, einen zornigen, strafenden Gott einzuräumen. Da gab es halt Unwetter und Krankheiten, wenn Gott sauer war. Freier Wille hin oder her.

 

Seit wann gibt es diese Begründung für Leid, und wie paßt freier Wille und trotzdem Mission/Kindererziehung zusammen?

 

Danke für die Antworten,

Claudia

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Soweit ich weiß, kommt die Idee des freien Willens in der Theologie aus dem Versuch, das Theodizeeproblem zu lösen, d. h. Gott von der Verursachung allen Übels freizusprechen. Aus der Bibel kann man sowohl Belege für den freien Willen als auch Belege gegen den freien Willen heraussuchen, die Belege gegen den freien Willen aber überwiegen bei weitem.

 

Denn was ist eine korrekt eingetroffene Prophezeiung anders als ein Beleg dafür, dass unser Verhalten von höheren oder fremden Mächten determiniert ist? Gäbe es einen freien Willen, dann gäbe es keine richtigen Prophezeiungen, sondern nur "zufällig richtiges Raten".

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Liebe Leute,

 

ich wage es doch mal, hier eine Frage zu stellen. Lucia kann ja bei Bedarf wieder verschieben...:blink:

Keine Provokationen in F&A! :blink:

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Denn was ist eine korrekt eingetroffene Prophezeiung anders als ein Beleg dafür, dass unser Verhalten von höheren oder fremden Mächten determiniert ist? Gäbe es einen freien Willen, dann gäbe es keine richtigen Prophezeiungen, sondern nur "zufällig richtiges Raten".

Aber zwischen vorherbestimmt und vorhergewußt sollte man dann doch schon unterscheiden. :blink:

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@Volker: das ist mir schon klar. Aber ich wüßte gern, wann das begründet wurde, und vor allem: wie!

 

Man kann sich zwar hinstellen und meinen, es wäre so, aber man kann ja nicht alles dogmatisch festlegen...:blink:

 

Auf welche Bibel-Stellen bezieht sich die Begründung?

 

@Ellen: :blink: erwischt!

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Hallo Volker :P

Soweit ich weiß, kommt die Idee des freien Willens in der Theologie aus dem Versuch, das Theodizeeproblem zu lösen, d. h. Gott von der Verursachung allen Übels freizusprechen.

 

:blink:

 

Das hieße nämlich, die Theologie von gaaaaaanz hinten her aufzurollen, also von der eigenen aktualen Verstrickung her.

 

Die Frage nach dem Willenskompetenz hat ihren Ausgangspunkt in der anthropologischen Frage nach dem Vermögen und der Schuld des Menschen.

 

Aus der Bibel kann man sowohl Belege für den freien Willen als auch Belege gegen den freien Willen heraussuchen, die Belege gegen den freien Willen aber überwiegen bei weitem.

 

Wenn man der Bibel nicht einen ihr fremden Begriff (nämlich unseren humanisierten Begriff der Freiheit) überstülpt, dann verhält sie sich da jedoch recht stringent, weil es dann als ihre eigentliche Thematik hervor treten kann, wie der Mensch sich zum Guten verhält, welche Rolle die Freiheit dabei spielt.

 

Denn so kommt es klar in den Blick, dass der Mensch von dem befreit wird, was ihn bindet und vom Guten abhält. Ob nun Israel aus Fremdherrschaft befreit wird, und sich fluggs eine neue Bindung an Götzen sucht oder ob bei der Bindung Isaaks aufgezeigt wird, dass Gehorsam gegen Gott zwar an sich gut ist, aber nicht automatisch zum Guten führen muss ... die Problematik und Brisanz dieser Grundsatzfrage wird nicht unterschlagen.

 

Denn was ist eine korrekt eingetroffene Prophezeiung anders als ein Beleg dafür, dass unser Verhalten von höheren oder fremden Mächten determiniert ist? Gäbe es einen freien Willen, dann gäbe es keine richtigen Prophezeiungen, sondern nur "zufällig richtiges Raten".

 

Hier begehst du den Fehler, dass du 'Wille' auf einen Willkürakt/Zufall degradierst, ihm damit die Zielstrebigkeit aberkennst. Ich glaube, dass dir da ein bißchen Stöbern bereits bei Augustinus den Horizont recht konkret und brauchbar strukturieren könnte, weil seine Trias Erkenntnis-Wille-Liebe sich auf nahezu allen Problemstellungen praktikabel erweist.

 

Es kann halt nur dann vollkommen egal sein, was wir tun, wenn wir eigentlich eben nichts zu tun haben, keine Präferenz besitzen, sondern die frei setzen (auswürfeln) können.

 

bcnu Volker

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Denn was ist eine korrekt eingetroffene Prophezeiung anders als ein Beleg dafür, dass unser Verhalten von höheren oder fremden Mächten determiniert ist? Gäbe es einen freien Willen, dann gäbe es keine richtigen Prophezeiungen, sondern nur "zufällig richtiges Raten".

Aber zwischen vorherbestimmt und vorhergewußt sollte man dann doch schon unterscheiden. :blink:

Abgesehen davon, dass man Ereignisse auch durch Raten richtig vorhersehen kann - aber dann ist es unsinnig, von Vorherwissen zu reden - was ist denn der Unterschied zwischen vorhergewusst und vorherbestimmt?

 

Angenommen, ich lasse jemandem aus einem Kartenspiel eine Karte ziehen und kann jedesmal vorhersagen, welche er wählen wird - wo ist da der Unterschied zwischen vorhergewusst und vorherbestimmt?

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Soweit ich weiß, kommt die Idee des freien Willens in der Theologie aus dem Versuch, das Theodizeeproblem zu lösen, d. h. Gott von der Verursachung allen Übels freizusprechen.

 

:blink:

 

Das hieße nämlich, die Theologie von gaaaaaanz hinten her aufzurollen, also von der eigenen aktualen Verstrickung her.

 

Ja, aber tatsächlich ist es so richtig: Die Theologen haben sich nie sonderlich um den freien Willen gekümmert - eher haben sie von einer "Pflicht zum Glauben" gesprochen, im Mittelalter waren die Menschen dazu verpflichtet, derselben Religion wie ihrem Fürsten anzugehören, was kaum einen Theologen sonderlich gestört hat - virulent wurde die Frage des freien Willens erst im Zusammenhang mit dem Theodizeeproblem. Auch bei ethischen Entscheidungen ging man zunächstdavon aus, dass die Menschen verpflichtet sind, "richtig" zu Handeln.

 

Die Frage nach dem Willenskompetenz hat ihren Ausgangspunkt in der anthropologischen Frage nach dem Vermögen und der Schuld des Menschen.

 

Ja. Aber Gegenbeispiel Erbsünde: Hier gab es eine Schuld ohne individuelles Versagen.

 

Aus der Bibel kann man sowohl Belege für den freien Willen als auch Belege gegen den freien Willen heraussuchen, die Belege gegen den freien Willen aber überwiegen bei weitem.

 

Wenn man der Bibel nicht einen ihr fremden Begriff (nämlich unseren humanisierten Begriff der Freiheit) überstülpt, dann verhält sie sich da jedoch recht stringent, weil es dann als ihre eigentliche Thematik hervor treten kann, wie der Mensch sich zum Guten verhält, welche Rolle die Freiheit dabei spielt.

 

Ja, aber genau dann kann ich nur eine Pflicht zum richtigen Handeln erkennen. Schuldig mache ich mich, wenn ich Gott (seinen Geboten) nicht gehorche. Das gehört zum Kernbegriff der Sünde unverzichtbar dazu.

 

Denn was ist eine korrekt eingetroffene Prophezeiung anders als ein Beleg dafür, dass unser Verhalten von höheren oder fremden Mächten determiniert ist? Gäbe es einen freien Willen, dann gäbe es keine richtigen Prophezeiungen, sondern nur "zufällig richtiges Raten".

 

Hier begehst du den Fehler, dass du 'Wille' auf einen Willkürakt/Zufall degradierst, ihm damit die Zielstrebigkeit aberkennst. Ich glaube, dass dir da ein bißchen Stöbern bereits bei Augustinus den Horizont recht konkret und brauchbar strukturieren könnte, weil seine Trias Erkenntnis-Wille-Liebe sich auf nahezu allen Problemstellungen praktikabel erweist.

 

Den Zusammenhang zur Zielstrebigkeit kann ich hier nicht erkennen. Bzw. es ist kein Widerspruch, zielstrebig und liebend zu handeln oder zielstrebig und nicht-liebend.

 

Es kann halt nur dann vollkommen egal sein, was wir tun, wenn wir eigentlich eben nichts zu tun haben, keine Präferenz besitzen, sondern die frei setzen (auswürfeln) können.

 

Selbstverständlich ist es nicht egal, wie wir handeln und ob wir anderen Menschen schaden oder nicht. Wirklich frei sind wir nur dann, wenn es keinen Unterschied macht, wie wir handeln. Das sehe ich genauso wie Du.

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Ja, aber tatsächlich ist es so richtig: Die Theologen haben sich nie sonderlich um den freien Willen gekümmert - ...

Wo hast Du das denn her?

 

Worum anders als um den freien Willen ging es denn in dem Streit zwischen Augustinus und Pelagius?

Wenn sich Theologen nicht um den freien Willen gekümmert haben, warum hat Augustinus dann ein Buch mit dem Titel "de libero arbitrio" geschrieben?

 

Kopfschüttelnde Grüße

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Hallo Volker,

 

ich kann Jürgen nur bestätigen. Nur ein weiteres Beispiel ist die Debatte zwischen Luther und Erasmus, die eine der Kernauseinandersetzungen der Reformationszeit darstellt.

 

In einem Quellenband zur thomistischen Freiheitslehre (Thomas von Aquin, Die menschliche Willensfreiheit. Texte zur thomistischen Freiheitslehre mit einer Einführung von Gustav Siewerth, Düsseldorf 1954) hat der Quellenteil allein 159 eng bedruckte deutsch-lateinische Seiten. Dabei ist das alles andere als vollständig, weil nur aus De malo die quaestio VI und aus De veritate die quaestionen XXII, XXIV, XXV, XXVI abgedruckt sind, also z.B. die Texte aus der Summa theologiae fehlen.

 

Und, und, und......

 

Deine Bemerkung ist also wohl nicht haltbar.

 

Herzlich

Martin Br.

 

P.S. Ganz wichtige Texte will ich wenigstens erwähnen:

 

Anselm von Canterbury

 

De libertate arbitrii (Über die Freiheit des Willens), De casu diaboli (Vom Fall des Teufels), De concordia praescientiae et praedestinationis et gratiae dei cum libero arbitrio (Über die Vereinbarkeit des Vorherwissens, der Vorherbestimmung und der Gnade Gottes mit dem freien Willen). Besonders die letzte Schrift wollte ich nicht unerwähnt lassen, weil sie für hier öfter diskutierte Fragen einschlägig wäre.

 

Alle jetzt leicht und mit Einführung zugänglich: Anselm von Canterbury, Freiheitsschriften (übersetzt und einegeleitet von Hansjürgen Verweyen) (= FC 13), Freiburg 1994)

bearbeitet von Brüske
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Hallo Claudia,

 

um Deine Frage zu beantworten zitiere ich aus einem älteren Handbuch, das aber in nützlicher Weise einige wichtige Stellen zusammenstellt.

 

"Tatsächlich schreibt die gesamte biblische Tradition dem Menschen die Fähigkeit zu, von seiner Willensfreiheit Gebrauch zu machen. Angefangen vom Bericht über die Ursünde (Gn 2-3; vgl. 4,7), appelliert sie beständig an sein Wahlvermögen und betont zugleich seine Verantwortlichkeit. Es ist Sache des Menschen, zwischen Segen und Fluch, Leben und Tod zu wählen (vgl. Dt 11,26ff.; 30,15 - 20) und sich zu bekehren, was ihm bis zum Ende seines Daseins möglich ist (Ez 18, 21 - 28; Röm 11,22f; 1Kor 9,27). Jeder Mensch hat die Möglichkeit, den Weg, der zum Leben führt, zu beschreiten und auf ihm zu verharren (Mt 7,13f). Der Sirazide weist die Ausflüchte des Fatalisten ausdrücklich zurück: 'Sage nicht: Es ist der Herr, der mich sündigen ließ; denn was er verabscheut, verursacht er nicht... Wenn du willst vermagst du die Gebote zu halten, es steht in deiner Macht treu zu bleiben.' (Sir 15,11.15; vgl. Jak 1,13ff). Art. Freiheit - Befreiung, in: Wörterbuch zur biblischen Botschaft, Freiburg 1964, 59. Dort findestet Du auch eine Diskussion der Stellen, die gegen die anthropologische Annahme der Willensfreiheit zu sprechen scheinen.

 

Für eine weitere Diskussion wäre es wichtig, die angegebenen Stellen im Zusammenhang zur Kenntnis zu nehmen. In der Tat haben sie in der Theologie etwa des Ezechiel oder im Zusammhenang der deuteronomistischen Theologie auch erhebliche systematische Bedeutung. Dies müßte man bedenken - auch wenn man mit den Texten nicht in einer gläubig-theologischen Weise umgeht. Durchgehend biblisch ist aber der Apell an die Verantwortung und Verantwortlichkeit des Menschen. Bedenke bitte auch, daß sich faktisch erst im Raum christlich geprägter Kultur eine systematische Freiheitslehre herausgebildet hat. Dies hat Volker - wie in meinem letzten Posting angedeutet - gänzlich übersehen. Deutlich wird dies vor allem im Vergleich mit der vorchristlichen Antike. Sehr gut informiert hier das schmale Buch von Emmerich Coreth, Vom Sinn der Freiheit (bes. zu Aristoteles).

 

In der Hoffnung Deine Frage einer Antwort etwas nähergeführt und wenigstens eine Diskussionsgrundlage gegeben zu haben,

 

herzlich

Martin Br.

bearbeitet von Brüske
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Ja, aber tatsächlich ist es so richtig: Die Theologen haben sich nie sonderlich um den freien Willen gekümmert - ...

Wo hast Du das denn her?

Theoretisch haben sich die Theologen schon um den freien Willen gekümmert, aber praktisch hat der kaum eine Rolle gespielt (d. h. man hat den Leuten nicht die freie Wahl gelassen, ob sie die Existenz Gottes angenommen oder abgelehnt haben - hat es jemand abgelehnt, wurde er meistens gleich umgebracht).

 

Was ist eine Theorie wert, die sich nicht in der Praxis widerspiegelt?

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Aus den folgenden Bibelstellen kann man ablesen, dass es keinen freien Willen gibt, sondern eine Vorherbestimmung. Daraus hat Calvin seine Prädestinationslehre entwickelt:

 

Epheser 1:4-5

Roemer 8:29-30

Epheser 1:11

Apostelgeschichte 13:48

Epheser 2:10

Psalm 139:16

1 Thessalonicher 5:9

Sprüche 16:9

Hiob 23:14

1 Korinther 7:17

Sprüche 20:24

Johannes 6:44

Sprüche 19:21

Sprüche 16:33

Hiob 14:5

Apostelgeschichte 17:26

Apostelgeschichte 2:47

Psalm 37:23

Daniel 11:36

Matthäus 20:23

Apostelgeschichte 4:28

Offenbarung 17:8

2 Timotheus 1:9

Matthäus 25:34

1 Petrus 2:9

Jeremia 1:4-5

Judas 1:4

1 Petrus 1:20

Offenbarung 13:8

Offenbarung 20:15

 

Die Zitat zum Anklicken findet man unter Der Heilsplan I.

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Hallo Martin B.,

 

danke für Deine Antwort.

 

Für eine weitere Diskussion müßten wir uns wohl in die Arena zurück ziehen, denn ich finde das ganze Konzept der Bibel sowie das, was die Kirche jahrhundertelang draus gemacht hat und immernoch draus macht, einer freien Willensausübung wenig zuträglich und zutiefst widersprüchlich.

 

Daß die von Dir zitierten Bibelstellen tatsächlich für Prüfung und Entscheidung plädieren, stimmt. Nur widersprechen sie darin anderen Bibelstellen sowie dem ganzen Konzept von göttlichem Lohn und Strafe sowie Höllendrohung bei Ungehorsam.

 

Viele Grüße,

Claudia

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Hallo Claudia,

 

ob sie anderen Bibelstellen wirklich widersprechen oder ob das manchmal nur so aussieht ist eine offene Frage. Ich würde sagen, keine einzige der Bibelstellen, die Volker in seiner lange Liste anführt ist wirklich durchschlagend für seine These. Daß geht aber in der Tat über Deine Ausgangsfrage hinaus. Zu einem erheblichen Teil gilt dabei: Hier lacht der Exeget...., teilweise sind es schon schwierige Stellen, die einer sorgfältigen Exegese bedürften. Was mich bei Volker immer wieder amüsiert, ist die Tatsache, daß er das betreibt, was wir in der Theologie "Steinbruchexegese" nennen. Ein bischen ärgert es mich dann auch: Viele Jahre geht man mit den Texten der Bibel wissenschaftlich um, wälzt viele Bücher, plagt sich mit alten Sprachen (die ich als systematischer Theologe leider viel zu schlecht kann; deshalb partizipiere ich aber wenigstens bei schlauen Leuten), studiert die Umweltkulturen, die Archäologie usw. - und dann kommt einer und macht völlig kontextlos ne lange Liste, wo man zu jeder Stelle, würde man Sie nach den Kunstregeln auslegen, etlichen Platz bräuchte. Dann aber erwartet er, daß man das so mir nichts dir nichts, auf einer halben Seite widerlegt. Da bedank ich mich, wenn der andere eigentlich dauernd wenig Bereitschaft zeigt, wissenschaftliche Literatur zum Thema von der anderen Seite überhaupt zur Kenntnis zu nehmen.

 

Zu Deiner Grundfrage aber nochmals eine Bitte: Denk doch einmal darüber nach, wieso - offensichtlich auf der Basis der biblischen Zeugnisse - es erst im christlichen Kontext zu einer systematischen Entfaltung einer philosophischen wie theologischen Freiheitslehre kommt, die die vorchristliche Antike so nicht kennt. Ich möchte Dir noch ein Beispiel dafür geben, mit welcher Emphase Theologen des christlichen Altertums von der menschlichen Freiheit reden können: "Als ihn Gott schuf, schuf er ihn zu einem erschaffenen Gott, indem er ihm die Freiheit verlieh, nach seinem eigenen Willen zu wandeln" Ephräm der Syrer, Reden über den Glauben, Dritte Rede, 1. Epräm spricht hier über Adam, d.h. er legt seine Gottebenbildlichkeit aus. Er sieht diese Gottebenbildlichkeit in der Freiheit. Exegetisch trifft das den Punkt.

 

Herzlichen Gruß

Martin

bearbeitet von Brüske
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Hallo Volker,

 

daß ich es ein bischen problematisch finde, einfach so eine Liste hinzuknallen, habe ich Claudia schon geschrieben. Selbst der von mit zitierte kurze Lexikonausschnitt geht da schon um Potenzen sorgfältiger mit den Texten um. -

 

Das, was Du Jürgen (und wohl auch mir geantwortet hast) ist schon ein wenig kühn. Nur ein winziges Beispiel: Thomas etwa verteidigt die Glaubensfreiheit, die Ablehnung von Zwangstaufen usw. mit wünschenswerter Deutlichkeit. Weißt Du das nicht? Muß ich Dir die Stellen erst raussuchen?

 

Du scheinst Dich auch noch nie ernsthaft mit der Entwicklung des modernen Völkerrechts beschäftigt zu haben. Ich würde Dir dringend mal das Studium der Debatten um die elementaren Freiheitsrechte der Indianer im 16. Jhdt. empfehlen. Das sind, gegen die Conquistadoren und ihre politischen Hintermänner, die Elite der spanischen Barockscholastik, ich nenne nur Franz von Vitoria. Überhaupt schon mal gehört? Das sind auch und wesentlich päpstliche Texte, die diese elementaren Freiheitsrechte - und zwar unabhängig von Bekehrung - verteidigen. Das sind die ersten wichtigen Menschenrechtstexte in der europäischen Neuzeit. Joseph Höffner hat eine ganze Monographie über die ethischen Debatten des sog. "goldenen Zeitalters" mit den relevanten Quellentexten vorgelegt.

 

Wäre es nicht schon so spät, würde ich Dir die Stellen und bibliographischen Angaben auch noch raussuchen.

 

Herzlich

Martin

bearbeitet von Brüske
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Hallo Volker :P

Das hieße nämlich, die Theologie von gaaaaaanz hinten her aufzurollen, also von der eigenen aktualen Verstrickung her.

 

Ja, aber tatsächlich ist es so richtig: Die Theologen haben sich nie sonderlich um den freien Willen gekümmert - eher haben sie von einer "Pflicht zum Glauben" gesprochen,

 

Hast du dafür evtl ein Paar Belege? Mir kommt das nämlich reichlich spanisch vor.

 

im Mittelalter waren die Menschen dazu verpflichtet, derselben Religion wie ihrem Fürsten anzugehören, was kaum einen Theologen sonderlich gestört hat

 

Wie zwischen Providenz und Prädestination, so liegt auch zwischen Religion und Konfession ein nicht ganz unerheblicher Unterschied. Nicht die Zielsetzung (Religion), sondern die Form der Ausführung (Konfession) stand zur Debatte.

 

- virulent wurde die Frage des freien Willens erst im Zusammenhang mit dem Theodizeeproblem. Auch bei ethischen Entscheidungen ging man zunächstdavon aus, dass die Menschen verpflichtet sind, "richtig" zu Handeln.

 

Und was da 'richtig' ist, hatte schon Augustin spruchreif gemacht (Dilige et, quod vis, fac! Tr. in ep. Ioh. 7,8).

 

Die Frage nach dem Willenskompetenz hat ihren Ausgangspunkt in der anthropologischen Frage nach dem Vermögen und der Schuld des Menschen.

 

Ja. Aber Gegenbeispiel Erbsünde: Hier gab es eine Schuld ohne individuelles Versagen.

 

Das ist ein recht schiefer Blick auf die Erbsünde, denn die bezeichnet keine individuelle Schuld, sondern ein kategorisches Unvermögen/Handicap, dem Gott etwas entgegensetzt.

 

Bzgl der Erblast der Sünde gibt Joh 9,3 eine klare Antwort. Beim Blindgeborenen wird die Frage aufgeworfen, welchem Vergehen wohl solche Strafe der Blindheit zuzurechnen ist, da jede Krankheit nunmal als eine Strafe galt. »Rabbi, wer hat gesündigt, dieser Mann selbst oder seine Eltern, - daß er blind geboren ist?«

 

Die Antwort durchkreuzt diese Kalkulation: »Weder er hat gesündigt noch seine Eltern, sondern: Gottes Taten sollen an ihm offenbar werden.« Der Behinderte hat keine Schuld auf sich, hat es nicht verdient, sondern leidet an einem Handicap. Und dem will Gott in Form des Befreiers/Wohltäters begegnen.

 

Analoges findet sich auch Hes 11 & 18, zieht sich sogar durch die gesamte Schrift.

 

Wenn man der Bibel nicht einen ihr fremden Begriff (nämlich unseren humanisierten Begriff der Freiheit) überstülpt, dann verhält sie sich da jedoch recht stringent, weil es dann als ihre eigentliche Thematik hervor treten kann, wie der Mensch sich zum Guten verhält, welche Rolle die Freiheit dabei spielt.

 

Ja, aber genau dann kann ich nur eine Pflicht zum richtigen Handeln erkennen. Schuldig mache ich mich, wenn ich Gott (seinen Geboten) nicht gehorche. Das gehört zum Kernbegriff der Sünde unverzichtbar dazu.

 

Zu welchem Kernbegriff? Gegen deinen Kernbegriff der Sünde stünde dann der Kernbegriff des Gebots an, wie er zB Mk 2,17 zur Sprache gebracht ist: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen.

 

Wenn Heiden, die das Gesetz nicht haben, von Natur aus das tun, was im Gesetz gefordert ist, so sind sie, die das Gesetz nicht haben, sich selbst Gesetz. Sie zeigen damit, daß ihnen die Forderung des Gesetzes ins Herz geschrieben ist; ihr Gewissen legt Zeugnis davon ab, ihre Gedanken klagen sich gegenseitig an und verteidigen sich ... Röm 2,14f

 

Die Forderung Gottes stellt nichts anderes als das dar, wohin der Mensch angelegt ist, worauf er sich in seinem nicht eigensinnigen (nicht in sich selbst verstrickten) Gewissen ausrichtet.

 

Die Weisungen stellen eine Bekräftigung des Gewissens dar, nicht jedoch seinen Ersatz. Sie ermöglichen keinen blinden Gehorsam, sondern fordern das ganze Herz, die ganze Seele und die ganze Kraft als Liebesmacht heraus. Die Achtsamkeit, die den Geboten entgegen gebracht werden muss, entzieht nicht den horizontalen Geschäften Achtsamkeit, sondern trainiert den Glaubenden zu einer Achtsamkeit, die sich dann in seinen Alltag hinein erstreckt.

 

Begreiflich machen kann ich dir das ja vielleicht, indem ich auf die Musik abhebe ...

 

"Im Wesen der Musik liegt es, Freude zu machen."

"Die Musik ist imstande, die seelische Haltung des Menschen irgendwie zu beinflussen, vermag sie aber dies, so muß die Jugend ihr zugeführt und in ihr unterrichtet werden."

Aristoteles

 

"Die musikalische Erziehung ist von höchster Bedeutung, weil Rhythmus und Harmonie am tiefsten in das Innere der Seele eindringen und sie am stärksten ergreifen, die schöne Form schon mit sich bringen und der Seele die Schönheit mitteilen." Platon

 

"Die Musik, wo sie mit Würde getrieben wird, hat einzig zum Zweck, die Erinnerung an die unendliche Einheit zu erregen." Schlegel

 

"Die Musik ist von Natur an dergestalt mit uns verbunden, daß wir sie, auch wenn wir wollten, nicht entbehren können." Boethius

 

"Etwas Musik wäre wünschenswert, es ist das unschuldigste und angenehmste Bindungsmittel der Gesellschaft." Goethe

 

"Wer Musik nicht liebt, verdient nicht, ein Mensch genannt zu werden; wer sie nur liebt, ist erst ein halber Mensch; wer sie aber treibt, ist ein ganzer Mensch." Goethe

 

"Die Musik schließt dem Menschen ein unbekanntes Reich auf, eine Welt, die nichts gemein hat mit der äußeren Sinnenwelt, die ihn umgibt und in der er alle durch Begriffe bestimmbaren Gefühle zurückläßt, um sich dem Unaussprechlichen hinzugeben." E.T.A. Hoffmann

 

"Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist." Hugo

 

"Uroffenbarung nenn' ich Musik; in keiner der Künste strömt der verschlossene Mensch also kristallen heraus." Gottfried Kinkel

 

"Pflege der Musik - das ist die Ausbildung der inneren Harmonie." Konfuzius

 

"Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum." Nietzsche

 

"Die Musik ist wie ein geistiges, himmlisches Bad; die kranke Seele taucht sich selbst verlierend in den Strom der holden Töne unter und tritt genesen und verklärter wieder hervor." Zschokke

 

Eine solch verklärende, sich des Unausprechlichen und Erhabenen vergewissernde Funktion kommt auch den Geboten als Liturgie des Lebens zu. Und so, wie es dem Musikalischen schlicht unbegreiflich ist, von der Musik abzusehen und ihr Geschäft als eine reine Geräuschabfolge zu verstehen, die rational erfassbar ist, so kann der Religiöse auch das Leben nicht als reine Kausalabfolge ansehen, der man alle Erhabenheit und Tiefe abrechnen oder algorithmisch auflösen kann, kann es nicht einsehen, dass man sein Leben auch ohne Aspekte der Verklärung und Verzückung anschauen könnte, ohne sich blind zu stellen.

 

Denn was ist eine korrekt eingetroffene Prophezeiung anders als ein Beleg dafür, dass unser Verhalten von höheren oder fremden Mächten determiniert ist? Gäbe es einen freien Willen, dann gäbe es keine richtigen Prophezeiungen, sondern nur "zufällig richtiges Raten".

 

Hier begehst du den Fehler, dass du 'Wille' auf einen Willkürakt/Zufall degradierst, ihm damit die Zielstrebigkeit aberkennst. Ich glaube, dass dir da ein bißchen Stöbern bereits bei Augustinus den Horizont recht konkret und brauchbar strukturieren könnte, weil seine Trias Erkenntnis-Wille-Liebe sich auf nahezu allen Problemstellungen praktikabel erweist.

 

Den Zusammenhang zur Zielstrebigkeit kann ich hier nicht erkennen. Bzw. es ist kein Widerspruch, zielstrebig und liebend zu handeln oder zielstrebig und nicht-liebend.

 

 

Es kann halt nur dann vollkommen egal sein, was wir tun, wenn wir eigentlich eben nichts zu tun haben, keine Präferenz besitzen, sondern die frei setzen (auswürfeln) können.

 

Selbstverständlich ist es nicht egal, wie wir handeln und ob wir anderen Menschen schaden oder nicht. Wirklich frei sind wir nur dann, wenn es keinen Unterschied macht, wie wir handeln. Das sehe ich genauso wie Du.

 

Nein, denn was du hier als 'wirkliche Freiheit' markierst, scheint mir ihr krasses Gegenteil zu sein, nämlich die völlige Gleichgültigkeit, somit nichts anderes als Wertlosigkeit ist.

 

Frei ist mir nicht, bei wem es keinen Unterschied ausmacht, welchen Beruf er ergreift, sondern frei ist, wer sich dem widmen kann, was er will.

 

Wenn du ein Kind bei Toys`r´us aussetzt, dann ist es wohl nicht frei, alles zu tun, sondern zunächst einmal nur ausgesetzt und verloren :blink:

 

Dass Kinder, denen nicht jeder Wunsch erfüllt wird, sondern die sich bescheiden müssen, nun unfreier wären, weil sie weniger Möglichkeiten haben, kann ich nicht beobachten, denn für die Schlaraffenland-Kids ist sehr leicht alles recht wertlos und uninteressant, wohingegen Armuts-Kinder mit viel weniger weit mehr haben können.

 

bcnu Volker

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daß ich es ein bischen problematisch finde, einfach so eine Liste hinzuknallen, habe ich Claudia schon geschrieben. Selbst der von mit zitierte kurze Lexikonausschnitt geht da schon um Potenzen sorgfältiger mit den Texten um. -

Hallo Martin,

 

mit dieser Liste wird die Prädestinationslehre von Calvin begründet, sie ist also nicht "nur einfach so" wie bei einem Steinbruch aus der Bibel herausgebrochen. Wenn Du auf die verlinkte Seite schaust, dann wirst Du feststellen, dass ich dort einen ziemlich umfassenden Gesamtüberblick auch über die anderen relevanten Stellen gegeben habe, wobei es hier primär nur um die Erlangung der Erlösung geht.

 

Dein Lexikonausschnitt geht hingegen sehr selektiv mit den Zitaten um. Der Ansicht des Autors widersprechende Textstellen werden nicht berücksichtigt, die Stellen, die er anführt, werden allerdings in einen Kontext gestellt. Man muss aber annehmen, dass zuerst der Kontext da war, dann wurden die passenden Stellen herausgesucht.

 

In meiner Auflistung auf der verlinkten Seite dürfte aber kaum eine relevante Stelle aus der Bibel fehlen (wenn auch das Thema ein etwas anderes ist). So müsste man korrekt vorgehen - dann wird es allerdings ziemlich schwierig.

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Hallo Volker,

 

wenn Du bitte noch einmal mein ursprüngliches Posting an Claudia (mit dem Zitat) einsehen wolltest: Dort findest Du ja den Hinweis, daß es sich lediglich um einen knappen Ausschnitt aus einem größeren Artikel handelt. In dem nicht zitierten Abschnitt, auf den ich verweise, werden eben genau einige (in einem nicht zu umfangreichen Teilartikel) der klassischen Stellen diskutiert, die für die anthropologische Annahme der Willensfreiheit als schwierig gelten. Mir ist natürlich klar, daß die von Dir aufgelisteten die klassischen Stellen beim alten Jean Cauvin sind, aber mein Einwand richtet sich genau darauf, daß Du einfach eine Liste daraus machst, während sie bei Calvin eben in der Institutio, seinen Schriftkommentaren, Homilien usw. in einem Kontext der Auslegung stehen. Ich bin gerne bereit, jede einzelne Stelle mit Dir ausführlich zu diskutieren. Aber fruchtbar streiten können wir nur, wenn Du zunächst hingehst und die eine oder andere Dir wichtig erscheinende Stelle herausgreifst und sie wenigstens anfänglich im Blick auf deine These auslegst. Dann können wir sinnvoll streiten. Ich halte eben die Exegese, die Calvin, aber auch der junge Luther und der Magister Philippus in jungen Jahren diesen Stellen gegeben haben, nicht für exegetisch schlüssig. (Klassische Zusammenschau in Johann Adam Möhlers Symbolik)

 

Wenn Du sagst in dem zitierten Lexikonartikel sei ein dogmatisches Apriori wirksam, dann ist das ersteinmal nichts weiter als eine selbst zu beweisende Behauptung. Ich würde einfach zunächst dagegenhalten: Der Artikel entstammt einer sorgfältigen biblisch-theologischen Zusammenschau. Weil: Keine Deiner Stellen ist letztlich eindeutig im Blick auf Deine These. Die im Lexikonartikel angeführten Stellen hingegen lassen keine sinnvolle Interpretation ohne die Annahme von Willensfreiheit zu und gehören, wie bei Ezechiel und dem Deuteronomium, aber auch der berühmte Abschnitt aus Jesus Sirach, in den theologischen Kern der Konzepte dieser Bücher, sie sind also - anders als die von Dir aufgelisteten - wirklich einschlägig.

 

Auch an Dich die Frage, die ich an Claudia gestellt habe: Wie erklärst Du ideengeschichtlich die Tatsache, wäre da nicht ein starker und klarer biblischer Impuls, daß erst im Raum einer christlich-jüdischen Kultur eine systematische philosophische und theologische Reflexion auf das Freiheitsproblem auftaucht, eine Tatsache, die sich für den Philosophiehistoriker nicht ernsthaft bestreiten läßt. Der Befund bei Aristoteles ist sicher reicher als z.B. noch Max Müller geglaubt hat, aber er ist weit entfernt vom systematischen Anspruch und der Intensität der Debatten, die im christlich-jüdischen Raum geführt werden.

 

Einen herzlichen Gruß

Martin

 

P.S. Mit Volker Biallas scheint mir eine anthropologische Bestimmung der Freiheit als bloße Indifferenz eine erhebliche Unterbestimmung zu sein.

bearbeitet von Brüske
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Hallo Martin,

ob sie anderen Bibelstellen wirklich widersprechen oder ob das manchmal nur so aussieht ist eine offene Frage.

Vielleicht ist es einen Versuch wert: versuch doch mal, anhand der Bibel die Ostergeschichte zu erzählen, mit den Einzelheiten, die beschrieben sind, und ohne anderen Details zu widersprechen.

Zu Deiner Grundfrage aber nochmals eine Bitte: Denk doch einmal darüber nach, wieso - offensichtlich auf der Basis der biblischen Zeugnisse - es erst im christlichen Kontext zu einer systematischen Entfaltung einer philosophischen wie theologischen Freiheitslehre kommt, die die vorchristliche Antike so nicht kennt.

FREIHEITSLEHRE???

Was sich seit Durchsetzung der christlichen Lehre in der Welt getan hat, hat nur in den allerseltensten Fällen mit Freiheit, sondern mit der Unterdrückung des Menschen in allen Lebensbereichen zu tun.

Ich möchte Dir noch ein Beispiel dafür geben, mit welcher Emphase Theologen des christlichen Altertums von der menschlichen Freiheit reden können: "Als ihn Gott schuf, schuf er ihn zu einem erschaffenen Gott, indem er ihm die Freiheit verlieh, nach seinem eigenen Willen zu wandeln"

...um ihn dann gleich zu erpressen (Markus 16,16) und ihm mit Höllenstrafen zu drohen, wenn er nicht dem Glauben folgt. Und um ihm gleich alles mitzugeben, was er für´s Leben braucht (Gebote), vorn an das, welches die Freiheit im Denken auf ein Mindestmaß reduziert und den christen-göttlichen Absolutheits- und Alleinanspruch durchsetzt... wo hat das mit Willensfreiheit zu tun, Martin?

 

Viele Grüße,

Claudia

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Oh Claudia,

 

heute belegst Du mich mit vielen Fragen (siehe Hexenthread) und ich kriege vor dem Bildschirm schon blöde Augen. Aber ich antworte Dir gerne und bin auch bei kritischen Nachfragen nicht empfindlich, wenn mir jemand nicht so blöde kommt, wie Freund Schminkflinte.

 

Also und erst einmal nur ganz kurz und unvollständig:

 

Du denkst Freiheit als Indifferenz d.h. ich kann mich so oder so entscheiden. M.E. ist das schon philosophisch eine Unterbestimmung. Freiheit als endliche Freiheit ist antwortende Freiheit. Dies erfahre ich in der sittlichen Verpflichtung. Schau: Kant etwa hat seine Freiheitslehre gerade wesentlich aus der Erfahrung des Sollens hergeleitet. Auf den sittlichen Imperativ antworte ich weder in naturnotwendigem Zwang, dann würde er auch gar nicht als Sollensforderung erfahren, aber ich bringe ihn auch nicht hervor. Er ist "Faktum der Vernunft" sagt Kant. Mithin: Ich werde von ihm gefordert. Nun aber nicht von außen ("heteronom") sondern als innere Struktur der Vernunft selbst. Wenn wir auf dieser Ebene bleiben und in diesem Sinne, dann sieht auch Thomas von Aquin die praktische Vernunft des menschlichen Freiheitsbeweußtseins als "autonom". (Auf die natürlich vorhandenen Unterschiede zwischen Kant und Thomas gehe ich hier nicht ein).

 

Ein kleiner Thomastext:

 

"Die Vernunft ist dem Menschen Natur. Was immer also wider die Vernunft ist, das ist wider des Menschen Natur" (De malo 14,2 ad 8)

 

Diese Vernunft ist aber Vernunft im Horizont des Guten. Deshalb: Wenn Du die Wahrheit des christlichen Offenbarungszeugnisses nach bestem Wissen und Gewissen als wahr erkennst - dann und nur dann - bist Du zu einer freien Antwort verpflichtet; "frei" nicht im Sinne der Indifferenz, sondern der Antwort aus Deiner innersten personalen Mitte heruas. Wenn Dir Christen den Glauben unerträglich falsch erkären, so daß man ihn gar nicht verstehen kann oder Du es gewissenhaft, aus was für Gründen auch immer, letztlich nicht verstehst (und zu der subjektiven Überzeugung kommst, der Glaube ist falsch, absurd, unsinnig - wie auch immer) dann ist es der christliche Glaube selbst, der Dir sagt: Du mußt Deinem Wahrheitsgewissen folgen und nichts anderem.

 

Zu der anderen Linie und ohne das ich das jetzt noch begründen kann, nur als These, die dazu helfen soll, die Position zu klären:

 

Die Idee der Menschenwürde ist letztlich ohne den christlich-jüdischen Impuls nicht denkbar. Auch die Impulse, die es sehr ansatztweise schon in der Stoa gibt, wären ohne diesen Kontext nicht wirksam geworden. Die Verrechtlichung der Idee der Menschenwürde in universale und unverbrüchliche Menschenrechte ist historisch ein schmerzhafter Prozeß - wie soll es anders sein - mit vielen Verwerfungen. Die Rolle der Kirche darin ist nicht einfach, aber wirklich auch nicht einfach negativ. Aber der christlich-jüdische Grundimpuls ist elementar.

 

NB: Wir müssen, ohne es auseinanderfallen zu lassen, die politische Dimension der Freiheit von der anthropologischen Bestimmung der Freiheit unterscheiden, sonst entsteht schnell Begriffssalat.

 

Herzlich

Martin, der - vermutlich - erst morgen wieder auftaucht.

bearbeitet von Brüske
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Hallo Martin,

Du denkst Freiheit als Indifferenz d.h. ich kann mich so oder so entscheiden. M.E. ist das schon philosophisch eine Unterbestimmung. Freiheit als endliche Freiheit ist antwortende Freiheit.

Meiner Meinung werden hier (mindestens) zwei Begriffe von Freiheit miteinander vermischt: Entscheidungsfreiheit und Denkfreiheit.

 

Ich gehe es mal anders an: das Gegenteil von Freiheit ist Einschränkung. Wo sonst wird mehr eingeschränkt als in Religionen oder Ideologien, und zwar in jeder Hinsicht?

 

Mich hat der Satz, den wir damals lernen und verinnerlichen mußten *Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit* schwer beeindruckt, und so sehe ich das, was Gläubige über den Freiheitsbegriff schreiben, auch. Nur hat das mit dem frei-sein nichts zu tun, es rechtfertigt nur die tatsächliche (Denk-)Unmündigkeit.

 

Man kann also die Handlungs- und Denkfreiheit umformulieren und bekommt dann Sätze wie *Glauben befreit* oder so heraus. Davon halte ich nichts.

 

Laß uns definieren, wovon wir sprechen, BEVOR wir uns darüber unterhalten, und nicht mittendrin.

Die Idee der Menschenwürde ist letztlich ohne den christlich-jüdischen Impuls nicht denkbar.

Die Idee ist MIT diesem nicht umsetzbar. Daher hat sich der Begriff *Menschenwürde* auch erst als system- und glaubensunabhängiger Begriff gebildet, als der Einfluß der Kirchen kleiner wurde, und die Erklärung der Menschenrechte kam nicht umsonst völlig ohne Kirche aus.

 

Schöne Reden von Menschenwürde werden zwar im Ansatz auch in der Bibel deutlich, sie relativieren sich aber stark durch Zwang zum Glauben, den ethisch menschenverachtenden christlichen Morallehren und der Höllendrohung. Das darf man nicht voneinander trennen und sich nur das herauspolken, was einem gerade in den Kram paßt. Sonst verzerrt man das Gesamtbild.

 

Viele Grüße,

Claudia

bearbeitet von Claudia
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Wo sonst wird mehr eingeschränkt als in Religionen oder Ideologien, und zwar in jeder Hinsicht?

In jedem Staat, in jedem System dem man nicht freiwillig angehört. Dagegen wird man in der katholischen Kirche überhaupt nicht eingeschränkt.

 

Nur hat das mit dem frei-sein nichts zu tun, es rechtfertigt nur die tatsächliche (Denk-)Unmündigkeit.

 

Ich finde es immer wieder erfrischend, wenn mir Unmündigkeit attestiert wird.

 

Man kann also die Handlungs- und Denkfreiheit umformulieren und bekommt dann Sätze wie *Glauben befreit* oder so heraus. Davon halte ich nichts.

 

Und ich halte nichts von dem, was Du denkst. Und jetzt?

 

Die Idee ist MIT diesem nicht umsetzbar. Daher hat sich der Begriff *Menschenwürde* auch erst als system- und glaubensunabhängiger Begriff gebildet, als der Einfluß der Kirchen kleiner wurde, und die Erklärung der Menschenrechte kam nicht umsonst völlig ohne Kirche aus.

 

Der Begriff der Menschenwürde ist ohne das Christentum überhaupt nicht denkbar. In keinem anderen Kulturkreis hat sich jemals so etwas entwickelt. In nicht-christlichen Kulturen wird der Begriff bis heute oft nicht verstanden.

 

Zwang zum Glauben

 

Gibt es nicht.

 

den ethisch menschenverachtenden christlichen Morallehren

 

gibt es auch nicht.

 

Höllendrohung

 

Was Du Drohung nennst, ist die Tatsache, daß Handeln Konsequenzen hat. Ich würde sagen, daß gerade diese Tatsache eine Voraussetzung von Freiheit ist.

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Der Begriff der Menschenwürde ist ohne das Christentum überhaupt nicht denkbar. In keinem anderen Kulturkreis hat sich jemals so etwas entwickelt. In nicht-christlichen Kulturen wird der Begriff bis heute oft nicht verstanden.

Da stimme ich voll und ganz zu: Die Idee der Menschenrechte ist eine historisch einmalige Synergie zwischen Christentum und Aufklärung. Leider wird das auf beiden Seiten oft nicht anerkannt.

 

Was Du Drohung nennst, ist die Tatsache, daß Handeln Konsequenzen hat. Ich würde sagen, daß gerade diese Tatsache eine Voraussetzung von Freiheit ist.

Das ist allerdings eine Vergewaltigung des Begriffs "Konsequenzen", und ist auch für mich als Katholiken kein angemessener Umgang mit der Problematik der Höllendrohung und anderer Drohbotschaften. Denn es wiederholt nur die Drohung, behauptet aber es sei keine.

 

Wenn ich auf einem Berg stehe, und mein Partner sagt: "Geh nicht auf die Brücke, die ist rutschig, sonst fällt Du hinunter und bist tot", dann ist das ein Hinweis auf Konsequenzen. Wenn mein Partner sagt: "Gib mir Dein Wurstbrot, oder ich schmeiss Dich runter", dann ist das eine Drohung. Ich denke schon, dass man hier unterscheiden kann und muss.

 

Im Übrigen ist die Darstellung der Höllendrohung als blosse "Konsequenz" des Handelns auch gegen die Rechtfertigungslehre: Gott ist nämlich frei in seiner Entscheidung, was er mit einem Sünder macht. Die Hölle ist also keinesfalls eine unausweichliche "Konsequenz" meines Handelns, sondern etwas, was Gott mir androht (aber ggf. nicht wahrzumachen braucht).

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Im Übrigen ist die Darstellung der Höllendrohung als blosse "Konsequenz" des Handelns auch gegen die Rechtfertigungslehre: Gott ist nämlich frei in seiner Entscheidung, was er mit einem Sünder macht. Die Hölle ist also keinesfalls eine unausweichliche "Konsequenz" meines Handelns, sondern etwas, was Gott mir androht (aber ggf. nicht wahrzumachen braucht).

Das ist so nicht richtig, Sokrates. Die Rechtfertigungslehre sagt, daß ich Gott gegenüber keine Ansprüche erwerben kann, soweit ist das korrekt. Umgekehrt sagt Gott uns aber unsere Erlösung nicht als vage Hoffnung, sondern als verbindliches Versprechen zu. Nicht wir verpflichten Ihn, sondern Er sich selbst. Gott ist treu - das ist Geschichte, die in der Bibel von seinem Volk erzählt wird.

 

Wenn ich auf einem Berg stehe, und mein Partner sagt: "Geh nicht auf die Brücke, die ist rutschig, sonst fällt Du hinunter und bist tot", dann ist das ein Hinweis auf Konsequenzen.

 

Genau so ist die "Höllendrohung" zu verstehen. Denn Gott will uns nichts nehmen, nicht mal ein Wurstbrot. Er ist der, der gibt, Leben nämlich, und das in Fülle. Und er fleht uns geradezu an, es anzunehmen.

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