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Sklaven in der jüdischen Familie?


platon

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Hallo Leute,

 

da diese Frage immer wieder in den Diskussionen auftaucht, entschloß ich mich, sie hier sogleich zu posten und mit einer Antwort zu versehen. Wenn jemand eine andere Auslegung hat, herzlich eingeladen, dies zu schreiben.

 

Phlm 1-25. paulus möchte onesimus gern bei sich behalten. doch gegen die sklavenhaltung insgesamt sagt er hier nichts....

 

Das wäre ein Trugschluß, wenn man hier an dieser Stelle die Schrift nur einfach liest, dabei die geschichtlichen Zusammenhänge nicht kennt oder ignoriert.

 

Ich habe von Norbert Lohfink gelernt, daß man zwischen dem jüdischen Sklaven und dem Sklaven des Römers unterscheiden muß.

  • Der jüdische Sklave war noch ein Mitglied der großen (Nomaden)-Familie.

Wer nicht irgendwie einer Familie angehörte, war praktisch mittellos, wir würden sagen "obdachlos".

 

Die jüdischen Sklaven hatten vielerlei verschiedene Rechte. Sie durften an vielen verschiedenen Familienfeste teilnehmen, während es ein paar Feste gab, an denen sie nicht teilnehmen durften. Welche Tage nun Tage der Ruhe und welche Tage Arbeitstage waren, war fest durch religiöse Riten geregelt.

 

Ganz im Gegensatz zu den Sklaven der Römer, bei denen die Herren das Recht hatten, mit ihrem Besitz zu tun, was sie wollten, ggf. auch töten. Selbstverstänlich trugen die Herren Sorge für ihr Besitz, ganz so wie man auch für einen Viehbestand Sorge tragen würde, aber die Sklaven dort hatten keine Rechte.

 

Diesen Sachverhalt, den ich hier erwähnt habe, kennt nunmal nicht jeder. Das ist wahr, aber Paulus an dieser Stelle vorzuwerfen, er hätte nicht eifrig genug gegen die "Sklaverei" getan, ist ein Anachronismus, weil es im strengen Sinne des Wortes keine "Sklaverei" in der Form, wie wir sie z.B. aus der Geschichte bei den Afrikanern kennen, nicht gab.

 

Nur so ist es zu verstehen, warum Paulus einem Sklaven sagen kann, wenn er die Möglichkeit hätte, frei zu kommen, dann solle er dies tun, d.h. er solle sich unabhägig machen und eine Großfamilie gründen, wenn es aber nicht gelingt, so galt es zuerst auf Gott zu schauen, denn das ist es, was wichtig ist. Und nur so ist es zu verstehen, wieso denn Paulus einen Brief verfassen konnte, wie er an Philemon geschrieben hat.

 

Grüße, Carlos

 

P.S.: Formatierungsfehler korrigiert.

bearbeitet von platon
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Ud wir bräuchten eine gute Übersetzung. Die gängigen sind schlecht.

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Hallo platon,

 

wie du ja schon anmerkst, ist Sklave im jüdisch-alttestamentlichen Verständnis nicht gleichzusetzen mit Sklave bei den Heiden (Gojim), Griechen, Römer usw.

 

"Wenn du einen hebräischen Sklaven kaufst, dann soll er dir sechs Jahre lang dienen, im siebten Jahr soll er ohne Entgelt als freier Mann entlassen werden. . . " (Ex 21,2ff.), sowie Deut 15,12ff., und Lev 25,44ff.

 

Zu einem Sklaven wurde man u.a. wenn man sich verschuldet hatte, aus welchen Grund auch immer, hat man sich sozusagen an denjenigen versklavt dem man Schuldner wurde. Das hebräische Wort "Ewed" wird mit Sklave übersetzt. Jedoch ist mit "Ewed" alles andere als ein Sklave, ein Leibeigener, im üblichen Sinn gemeint. Das Wort Eved (Sklave) kommt von Arbeit her. Das Verb für Arbeiten ist das selbe wie für Sklave. Im Grunde hat der hebräische Sklave seine Arbeitskraft, und NICHT sich selbst, für 6 Jahre verkauft. Er hat die Rechte und Pflichten eines freien Menschens (Talmud Kiduschin 20,1). Das siebte Jahr war das Jubeljahr, wo dieser Zustand in jedem Fall aufgehoben werden musste, siehe oben.

 

Es heißt z.B. auch eine Anweisung zum jüdischen Wochenfest unser heutiges Pfingstfest, sieben Wochen nach Ostern (Pesach). – Und sollst dabei eine freiwillige Gabe darbringen, die du danach misst, wie der Herr dein Gott dich gesegnet hat. Du sollst fröhlich sein, du, dein Sohn, deine Tochter auch dein Sklave, die Fremden, die Waisen und die Witwen die in deiner Mitte leben.

 

Die „Freude“ an Gott und am Leben ist hier ein Gebot in Israel. Aber man ist nicht nur für die eigene Fröhlichkeit zuständig, auch für die Fröhlichkeit der Hausgenossen, der Sklaven, sie müssen zu essen haben, müssen Wein zu trinken haben, so umfänglich greift die Sozialordnung Israels. Dies, um deutlich zu machen, dass der Begriff Sklave hier eine völlig andere Bedeutung hat.

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Hallo Martin,

 

grundsätzlich muss man bedenken, dass die geopolitische Situation und Zeit in der Paulus lebte und in der der Philemonbrief seinen Sitz hat eine total andere ist, als die oben beschriebene in der hebräischen Welt des Pentateuch obwohl ihm natürlich die gesamte „Weisung“ als pharisäischem (im positiven Sinne) Juden ganz vertraut war und man darf diesen Brief nicht mit unserer zweitausendjährigen christlichen Brille lesen. Das Entscheidende meines Erachtens war, dass Paulus’ Welt vom Hellenismus geprägt war als Jude in der er ja die meiste Zeit gelebt hat, in Tarsus und nicht in Jerusalem. Dieses hellenistische Diasporaerbe ist in all seinen Briefen erkennbar.

 

Eine ausführliche Betrachtung und Auslegung findet man unter - www.st-georgen.uni-frankfurt.de/leseraum/baumert5.html - „Ein Freundesbrief an einen Sklavenhalter?“

 

 

Über Onesimus’ Status aus dem Philemonbrief gibt es viele Betrachtungen.

Hier nur eine weitere von vielen. Ich zitiere aus Udo Schnelle, (1991) Anthropologie:

„Paulus schließt das Ergreifen der Freiheit für einen christlichen Sklaven keineswegs aus, wie etwa der Philemonbrief zeigt. Er ist ein Lehrbeispiel paulinischer Argumentation. Zunächst versucht Paulus, Philemon für sich zu gewinnen. Er behaftet ihn bei seinem Christsein, indem er ihm nahelegt, das Gute zu tun, das er tun kann (Phlm 6f). Appellierte der Apostel bisher nur an die Verantwortung des Philemon, so bringt er in V. 8f in subtiler Weise seine eigene Autorität ins Spiel. Er betont ausdrücklich, von ihr keinen Gebrauch machen zu wollen, aber gerade dadurch setzt er sie um so wirkungsvoller ein. Erst in V. 10 wird deutlich, was Paulus wirklich will: Er bittet für den Sklaven Onesimus, dessen Herr Philemon war und ist /125/. In V. 11 erscheint das zentrale theologische Motiv des Briefes: Die Bekehrung des Onesimus hat nicht nur Konsequenzen für diesen selbst, sondern auch für die Beurteilung des Sklaven durch seinen Herrn Philemon. Onesimus ist nun für Philemon ebenso ein Bruder wie Paulus. Philemon soll den neuen Status des Sklaven Onesimus als geliebten Bruder >in Christus< erkennen und akzeptieren. Damit mutet Paulus ihm zu, das antike Sozialgefüge zu durchbrechen und Onesimus einen neuen Sozialstatus bei gleichbleibendem Rechtsstatus zuzuerkennen. Indem sich der Apostel nachdrücklich mit Onesimus identifiziert (Phlm 12.1720), verdeutlicht er Philemon eindringlich die neue Situation. Wenn er nun der Rechtslage entsprechend Onesimus zurückschickt (Phlm 12. 14), so kommt ein Teil seiner selbst zu Philemon.

Das eigentliche Argumentationsziel des Paulus wird in V. 13 sichtbar. Er möchte, dass Onesimus bei ihm bleibt und ihm in der Gefangenschaft um des Evangeliums willen dient. Den Dienst des Onesimus will er jedoch nicht ohne die freiwillige Zustimmung des Philemon annehmen (Phlm 14), die er aber faktisch voraussetzt (Phlm 21). Der Apostel hofft zwar, Philemon bald selbst besuchen zu können (Phlm 22), was aber den gegenwärtigen und vielleicht auch zukünftigen Dienst des Onesimus an Paulus nicht überflüssig macht. Nach dem Zeugnis des Philemonbriefes hat die christliche Freiheit nicht die Aufhebung gesellschaftlicher Ordnungen insgesamt zur Folge, sondern sie realisiert sich konkret zuallererst im Raum der Gemeinde. Nicht die Aufhebung oder Beibehaltung der Rechtsverhältnisse ändert die Situation des Sklaven Onesimus, sondern durch den Tod und die Auferstehung Jesu Christi wird aus dem Sklaven in der Gemeinde der geliebte Bruder Onesimus. Gerade der Philemonbrief zeigt, dass für Paulus Freiheit nicht Attribut des Menschseins im neuzeitlichen Sinn ist. Paulus fordert indirekt die Freilassung des Onesimus, damit dieser ihm bei der Evangeliumsverkündigung behilflich sei. Allein von diesem Ziel her ist die Bitte des Apostels zu verstehen. Individuelle Freiheit stellt keinen Wert an sich dar, sondern steht im Dienst der Evangeliumsverkündigung.“

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Gibt es in der Bibel überhaupt eine Stelle, in der gegen die Sklaverei Stellung bezogen wird? Die Unterscheidung von Carlos halte ich für zweitrangig, es geht ja primär um die Institution der Sklaverei, also einer Rangordnung, aus der man nicht ohne weiteres ausbrechen kann.

 

Die Sklaverei wird von Paulus anscheinend befürwortet, z.B. im Brief an Titus 2, 9ff.

 

Den Sklaven sage, daß sie sich ihren Herren in allen Dingen unterordnen, ihnen gefällig seien, nicht widersprechen, nichts veruntreuen, sondern sich in allem als gut und treu erweisen, damit sie der Lehre Gottes, unseres Heilands, Ehre machen in allen Stücken.

 

und im Brief an Timotheus 6, 1ff.

 

Alle, die als Sklaven unter dem Joch sind, sollen ihre Herren aller Ehre wert halten, damit nicht der Name Gottes und die Lehre verlästert werde. Welche aber gläubige Herren haben, sollen diese nicht weniger ehren, weil sie Brüder sind, sondern sollen ihnen um so mehr dienstbar sein, weil sie gläubig und geliebt sind und sich bemühen, Gutes zu tun.

 

und im Brief an die Epheser 6, 5ff.

 

Ihr Sklaven, seid gehorsam euren irdischen Herren mit Furcht und Zittern, in Einfalt eures Herzens, als dem Herrn Christus; nicht mit Dienst allein vor Augen, um den Menschen zu gefallen, sondern als Knechte Christi, die den Willen Gottes tun von Herzen. Tut euren Dienst mit gutem Willen als dem Herrn und nicht den Menschen; denn ihr wißt: Was ein jeder Gutes tut, das wird er vom Herrn empfangen, er sei Sklave oder Freier.

 

Es gibt noch einige weitere Stellen. Insgesamt kann man also wohl davon ausgehen, dass Paulus die Sklaverei im Sinne einer Rangordnung eindeutig befürwortet.

bearbeitet von Squire
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Hallo Squire,

 

wenn für Paulus das erste Ziel die Abschaffung der Sklaverei gewesen wäre, hätte er anders schreiben müssen. Offensichtlich war es nicht sein erstes Ziel in einer Gesellschaft, für die Sklaverei scheinbar selbstverständlich war.

 

Herzliche Grüße

Martin

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Wäre die Sklaverei denn heute mit dem christlichen Glauben vereinbar? Falls nicht, ab wann wurde sie unchristlich?

 

Ich persönlich bin der Meinung, dass die Sklaverei schon immer unchristlich war. Man kann das Wesen des Christentums nicht aus den Lebensverhältnissen der Bibel-Autoren ableiten.

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War die Diskrepanz zwischen den Industriellen und der Arbeiterklasse im 19. Jahrhundert christlich - die hatten immerhin schon etwas Übung im Christ-sein? Waren die Bolschewisten auf der anderen Seite der christliche Prototyp? Können Soldaten Christen sein? Oder nur Mönche?

 

So einfach ist das nicht, Squire.

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War die Diskrepanz zwischen den Industriellen und der Arbeiterklasse im 19. Jahrhundert christlich -

Eindeutig nein. Die Kirche hatte sich hier zunächst leider auf die falsche Seite geschlagen. Diesen Fehler hat sie mittlerweile aber wieder ausgebügelt.

 

Waren die Bolschewisten auf der anderen Seite der christliche Prototyp?

 

Es kommt darauf an, wen du meinst.

 

Können Soldaten Christen sein? Oder nur Mönche?

 

Sowohl Soldaten als auch Mönche können Christen sein. Für Soldaten ist es allerdings einfacher. :blink:

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Hallo alle

 

Zu Deiner Anfrage Carlos: Ich bin jos wie jos-eph.

 

Squire: 28 Jan 2004, 09:45 Wäre die Sklaverei denn heute mit dem christlichen Glauben vereinbar? Falls nicht, ab wann wurde sie unchristlich?

 

Ich persönlich bin der Meinung, dass die Sklaverei schon immer unchristlich war. Man kann das Wesen des Christentums nicht aus den Lebensverhältnissen der Bibel-Autoren ableiten.

 

Wie ich meine, ist diese Frage eigentlich schon längst sowohl in der hebräischen Bibel, (als Beispiel siehe dazu u.a. meine obigen Beiträge) wie auch im Neuen Testament, siehe Bergpredigt, eindeutig positiv beantwortet. Deshalb kann ich mich der Schlussfolgerung von Squire anschließen, dass Sklaverei schon immer unchristlich war.

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Dann sollten wir uns doch einmal mit dem Begriff der Sklaverei auseinandersetzen.

 

 

Wort: Sklave

Beschreibung: entrechteter Mensch, unfreier Mensch

 

Relationen zu anderen Wörtern:

 

Synonyme: Abhängiger, Arbeitskraft, Ausgebeuteter, Knecht, Leibeigener, Untergebener

 

Teilwort von: gefangener Neger zum Verkauf als Sklave, Sklave seiner Triebe, ein Sklave sein von

 

 

Nichts spricht in diesem Sinne für ein Dasein als Sklave. Die wenigsten werden solch einen Status suchen.

 

 

Was ist dann davon zu halten, dass sich Paulus nicht gegen die Sklaverei ausspricht. Oder noch deutlicher: Warum war es nicht Jesu Botschaft - Ich fordere im Namen Gottes die Befreiung aller Sklaven?

 

Herzliche Grüße

Martin

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Was ist dann davon zu halten, dass sich Paulus nicht gegen die Sklaverei ausspricht. Oder noch deutlicher: Warum war es nicht Jesu Botschaft - Ich fordere im Namen Gottes die Befreiung aller Sklaven?

Die Befreiung aller Sklaven ist als abstrakte Forderung ebensowenig christlich wie die Befürwortung der Sklaverei. Es kommt auf die Umstände an. Die Unterdrückung von Menschen dürfte jedenfalls nach christlichen Maßstäben niemals als gut, allenfalls als hinzunehmenes Übel anzusehen sein.

 

Mann kann nicht von den Autoren der Bibel erwarten, die zwischenzeitliche Entwicklung der Menschheit vorwegzunehmen. Wenn Paulus heute lebte, würde er die Sklaverei sicherlich ablehnen.

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Eine aktuelle Seite dieser Problematik: Im Sudan werden Sklaven gehalten. Christliche Gruppierungen treten als Käufer und Freilasser auf. Was dazu führt, dass ein neuer Markt entstanden ist.

 

Aber zurück zur Argumentation. Kann man dann noch so einfach sagen, dass Sklaverei christlich oder unchristlich ist? Oder muss man sagen, dass sie es erst wurde, nachdem sich die Sozialgeschichte der Menschen geändert hat.

 

Wenn Jesus und Paulus nichts unternommen haben, und wenn auch heute diese Frage von mindestens ebenso vielen Nicht-Christen abgelehnt wird - läßt sich dann nicht eher sagen, dass diese Frage nichts spezifisch-christliches berührt?

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Wenn Jesus und Paulus nichts unternommen haben, und wenn auch heute diese Frage von mindestens ebenso vielen Nicht-Christen abgelehnt wird - läßt sich dann nicht eher sagen, dass diese Frage nichts spezifisch-christliches berührt?

Nein, die Sklaverei berührt die Freiheit, und das ist m.E. ein Grund-Thema des Christentums. Wer die Sklaverei in irgendeiner Form befürwortet oder sie auch nur nicht ablehnt, kann kein Christ sein. Paulus könnte man insoweit allenfalls seine Unwissenheit zugute halten.

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Hi Squire,

 

ich glaube, es ist immer schwer, mit einem ad hoc-Problem oder einer speziellen gesellschaftspolitischen Fragestellung an die Bibel heranzugehen.

 

Erlaubt das Christentum Krieg? Erlaubt es Zinserhebung? Darf ich Wehrdienst leisten? Wie weit darf die Biotechnologie gehen? Darf es im Christentum Sklaverei geben? Dürfen Völker aus ihrem angestammten Lebensraum vertrieben werden?

 

Ich fürchte, dass Christen (oder solche, die sich so nannten) zu allen Zeiten diese Fragen sehr unterschiedlich beantwortet haben. Auch – je nach Interessenlage.

 

Andererseits: Wenn ich beginne, den Menschen mit den Augen Gottes/Jesu zu sehen – wie in diesem Fall Paulus den Onesimus, wie kann ich da weiter Sklavenhalter bleiben? Vielleicht kann ich selber einmal den Brief an Philemon unter diesem Aspekt lesen.

 

Nein, ich halte keine Sklaven – aber ich betrachte Menschen vielleicht doch nur in ihrer Funktion und Stellung: Die Verkäuferin, den Busfahrer, den Art Director, den Falschsänger in der Kirchenbank neben mir.

 

Paulus hat gewusst, dass die Änderung aus dem Herzen kommt, aus der Ganzhinwendung des Menschen zu Gott. Es könnte einem neu aufgehen, was «Bruder» bedeutet. Strukturveränderungen nützen nichts.

 

 

Nachtrag: Natürlich weiß ich, dass diese Haltung sehr leicht zu einer reinen Innerlichkeit führen könnte. Daher füge ich sicherheitshalber hinzu, dass ich überpointiert habe. Wir kommen allerdings sehr schnell in die Gefahr, dass wir uns – mit genau so viel Recht – fragen könnten, ob wir Christen sein und gleichzeitig Hemden aus Billiglohnländern tragen können.

bearbeitet von Peter Esser
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(Ich gestehe, dass ich manchmal Volker aus seinem angestammten Foralraum vertreiben würde. Aber das tut hier nichts zur Sache … :blink: )

bearbeitet von Peter Esser
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ich glaube, es ist immer schwer, mit einem ad hoc-Problem oder einer speziellen gesellschaftspolitischen Fragestellung an die Bibel heranzugehen.

Hallo Peter,

 

Ich halte das gar nicht für so schwer, ich verstehe im Gegenzug allerdings kaum, weshalb man sich die Bibel so zurechtbiegen muß, dass sie einerseits mit dem persönlichen Gewissen übereinstimmt, andereseits aber auch mit allen Punkten und Kommata das unfehlbare Wort Gottes sein soll. Für mich ist die Antwort einfach, Paulus liegt hier falsch, die Sklaverei ist ein Unrecht, das erst zu einer Zeit erkannt wurde als Paulus schon tot war.

 

Meiner Meinung nach erlaubt das Christentum Krieg, Zinserhebung, Wehrdienst und Biotechnologie, Sklaverei und Vertreibung dagegen nicht. Diese Werturteile sollte man sich aber nicht aus der rabulistischen Interpretation zusammengeklaubter Bibelstellen bilden, sondern einzig und allein aus dem Anliegen des Christentums, letztlich also aus Treu und Glauben.

 

Ich bin mir sicher, das spätere Generationen ebenfalls viele Dinge verurteilen werden, die wir heute noch für selbstverständlich halten, die aber trotzdem Unrecht sind. Man sollte sich auch von dem Gedanken freimachen, so ohne weiteres ein Heiliger sein zu können. Wenn man Unrecht aber erkennt, sehe ich keinen Grund, das nicht beim Namen zu nennen.

 

Ich trage gerne Hemden aus Billiglohnländern und trinke ausschließlich Kaffee aus ungerechtem Anbau und fühle mich gut dabei. Das ist aber etwas anderes, als solche Mißstände schönzureden oder etwa noch als gottgewollt hinzustellen.

bearbeitet von Squire
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Wenn Jesus und Paulus nichts unternommen haben, und wenn auch heute diese Frage von mindestens ebenso vielen Nicht-Christen abgelehnt wird - läßt sich dann nicht eher sagen, dass diese Frage nichts spezifisch-christliches berührt?

Nein, die Sklaverei berührt die Freiheit, und das ist m.E. ein Grund-Thema des Christentums. Wer die Sklaverei in irgendeiner Form befürwortet oder sie auch nur nicht ablehnt, kann kein Christ sein. Paulus könnte man insoweit allenfalls seine Unwissenheit zugute halten.

Nein, Squire, der Ausweg für Paulus wäre zu leicht! Da kann es keine Unwissenheit geben. Wenn dieser Gedanke so subtil wäre, dass Paulus ihn nicht hätte sehen MÜSSEN, dann wäre der Gedanke bedeutungslos.

 

Ich denke, dass Paulus viel weiter denkt. WIR sind es, die mit dem Gedanken der Sklaverei unvertraut sind, so dass wir nicht die richtigen Schlüsse ziehen können. VERSKLAVUNG ist allerdings etwas, das auch uns vertraut sein müßte, z.B. in Bezug auf Süchte. Ich möchte nur mal zwei Beispiele nennen - Alkoholiker und Drogenabhängige, sind sie nicht in einer Sklaverei gefangen, die schlimmer ist als das Schicksal des durchschnittlichen Sklaven im Altertum?

 

Ist es möglich, in einer Sklavenhaltergesellschaft Christ und Sklavenhalter zu sein, wenn man die Sklaven als geliebte Brüder behandelt, oder ist es nicht möglich?

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Mir scheint, ich bin der Gefahr doch nicht entgangen, eine Art Pietismus zu predigen … :blink:

Nein, Peter, in dieser Gefahr steckst du nicht. Wir liegen genau auf einer Wellenlänge und wenn du dir nicht sicher bist, so bin ich es um so mehr.

 

Herzliche Grüße

Martin

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hi Martin,

 

genaugenommen meinte ich mit «Pietismus» den Rückzug auf die persönliche Frömmigkeit – ohne die «Gefahr», politisch zu werden. Also jedes Problem erst mal innerlich anzugehen.

 

Aber ich stehe dennoch dazu. Daher danke für deinen Beistand! Es ist für mich mitunter frappierend, wie tyrannisch Menschen sein können, die sich einem liberalen politischen Programm verschrieben haben. (Ich weiß nicht, ob ihr je solche Charaktere kennengelernt habt: Sie treten für Gerechtigkeit und Friede ein, aber zu Hause hinterlassen sie verbrannte Erde. Ich kenne diesen Menschenschlag gut, denn ich bin selber so einer, wahrscheinlich.)

 

Und da steht Paulus meiner Ansicht nach (und mit etwas Muße kann ich das auch begründen) dafür, dass das Herumdoktern an Strukturen und Weltentwürfen nichts bringt, wenn der Mensch (also du und ich) nicht den Neuen Menschen angezogen hat. Mag sein, dass auch eine gewisse endzeitliche Erwartungshaltung bei ihm eine Rolle spielte. Aber ich vermute, ersteres ist bei ihm eher der Fall.

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Stimmt, Peter. Auch wenn das in einem Sklavenumfeld bedenktlich stimmt, wird es Menschen geben, die "freie Arbeiter" knechten und ausbeuten bis zum Exzess und es wird Menschen geben, die Sklaven so behandeln wie Familienmitglieder.

 

Das soll nun keinesfalls eine Arguementation "pro Sklaverei" sein, sondern einfach der Hinweis darauf, dass der Schrei "weg mit der Sklaverei" das Problem, das hinter diesem Phänomen steht, nicht löst.

 

Ich möchte die These wagen, dass die Abschaffung der Sklaverei auch für die Besitzter eine Befreiung ist - von der verhängnisvollen Versuchung zum Machtmißbrauch.

 

Herzliche Grüße

Martin

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Ich denke, dass Paulus viel weiter denkt. WIR sind es, die mit dem Gedanken der Sklaverei unvertraut sind, so dass wir nicht die richtigen Schlüsse ziehen können.

Kannst du das mal näher erläutern?

 

Ist es möglich, in einer Sklavenhaltergesellschaft Christ und Sklavenhalter zu sein, wenn man die Sklaven als geliebte Brüder behandelt, oder ist es nicht möglich?

 

Meiner Meinung nach ist es nicht möglich, soweit es die Überzeugung betrifft. Es ist außerdem schon begrifflich ein Widerspruch.

bearbeitet von Squire
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