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Historisch - kritische Exegese: Mk 4,35-41


Justin Cognito

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Justin Cognito

Ich habe dieses Semester eine Vorlesung über Wundererzählungen in den synoptischen Evangelien besucht. Da hier im Forum viel über historisch kritische Exegese gesprochen, solche aber kaum betrieben wird, finde ich es spannend einmal ein diesbezügliches Beispiel zu posten. Ich hoffe der eine oder die andere von euch kann etwas damit anfangen und vielleicht seine / ihre Meinung über hist.-kr. Exegese (und was sie kann, soll, etc.) ein bisschen modifizieren.

 

Als Beispiel habe ich mir gewählt:

 

Die Stillung des Sturmes auf dem Meer (Mk. 4,35-41)

 

These

 

Bei Mk 4,35-41 handelt es sich nicht um einen historisch / meteorologischen Tatsachenbericht, sondern um eine Überbietungserzählung. Jesus ist mehr als Jona (vgl. Mt. 12,41 [„Hier aber ist einer, der mehr ist als Jona“] par Lk 11,32). Kombiniert wird das Ganze mit Zügen einer Epiphanie (Gott selbst zeigt sich den Menschen in Jesus). Der Text ist eine überbietende Nacherzählung der Jonageschichte unter Anspielung auf Ps 107,23-31. Intendierte Aussage ist: Jesus ist mehr als ein Prophet. Er handelt in der Macht Jahws selbst. Das ist für mich eine gewaltige theologische Aussage und bedeutet mir für meinen Glauben sehr viel. Doch zum Text im Einzelnen (der genauso aufgebaut ist wie zahlreiche andere biblische und außerbiblische Rettungswundererzählungen):

 

Szenische Einleitung

 

Und er sagt ihnen an jenem Tag, als es Abend geworden war: Lasst uns hinüberfahren zum Gegenüber! Und lassend die Volksmenge, mitnehmen sie ihn, wie er war, im Boot, und andere Boote waren mit ihm.

 

Jesus befindet sich am Ufer des Sees Genesareth. „Ihnen“ bezieht sich auf die Begleiter Jesu, die aber bei Markus noch nicht als Jünger vorgestellt werden. Das passiert erst auf einer späteren Stufe. Auch von den „anderen Booten“ ist in den Parallelstellen nicht mehr die Rede. Diese werden im folgenden Text auch vollkommen „vergessen“.

 

Die Zeitangabe: „Als es Abend geworden war“ mag zunächst belanglos klingen, doch im Bezug auf die später geschilderten Gefahr und die sich in ihr ereignende Epiphanie bringt dieses Motiv die den Menschen bedrängende Gefahr zum Ausdruck.

Neben Sturm und Meer ist Nacht bzw. Finsternis eine weitere den Menschen bedrohende Chaosmacht (vgl. Mk. 6,47 – die Epiphanie Jesu bei Seewandel).

 

„Lasst uns hinüberfahren zum Gegenüber!“ Die Aufforderung geht von Jesus aus. Wenn es in der Geschichte um eine Lehre geht und sie nicht nur ein historischer Bericht ist, dann wird damit deutlich, dass diese Lehre eindeutig von Jesus ausgeht und er sich den Jüngern später absichtlich als ein in der Macht JHWs Handelnder offenbart.

 

„zum Gegenüber“: Diese Angabe wird benötigt weil sich die folgende Geschichte vom besessenen im heidnischen Gebiet, jenseits des Sees abspielt.

 

Das Entlassen des Volkes ist ebenfalls kontextbedingt, weil vorher vom zuhörenden Volk die Rede war. Diese Wendung kommt bei Markus noch zweimal vor und ist eine indirekte Aussage des Entlassenden. Wie oft bei Markus, passiert das Wunder abseits des Volkes, das wohl bei stockfinstrer Nacht nicht auf den See hinausschauen kann um zu sehen was dort passiert.

 

Schilderung der Notsituation

 

Und es entsteht ein großer Sturmwind, und die Wellen warfen sich auf ins Boot, so dass schon gefüllt wurde das Boot.

 

Diese Szene ist paralell zu Jon 1,4 im Septuagintatext gestaltet. Dort wird die gleiche Formulierung verwendet (die Einheitsübersetzung: "Es entstand ein gewaltiger Seesturm" ist ungenau). Auch Ps 107 verwendet das Motiv des Sturmwinds (Gott gebot und ließ den Sturmwind aufstehen / der hoch die Wogen türmte)

 

Das sich Entziehen des Wundertäters

 

Und er selbst war im Heck auf dem Kopfkissen schlafend.

 

Heck (Prymna ist das Hinterdeck) passt eigentlich mehr zu einem Schiff als zu einem Boot. Am Heck befindet sich der Steuermann. Besonders bei den Parallelstellen bei Mt und Lk wird hier auch die Symbolik des Schiffes als Staatsschiff Israels bzw. der Kirche deutlich, deren Steuermann Jesus ist.

 

Die Formulierung „er war … schlafend“ findet sich gleich lautend bei Jona 1,5. Jesus schläft lange und fest wie Jona. Die Aussage ist nicht nur eine psychologische, dem Erzählverlauf folgende Feststellung, sondern bereitet auch die Darstellung der Souveränität des Wundertäters vor. Die Stelle vor diesem Hintergrund zu verstehen scheint mir auch stimmiger zu sein als sich vorzustellen dass Jesus am „sich (mit Wasser) füllenden Boot“ seelenruhig schläft.

 

Es gehört zur Topik der Rettungswunder, dass der Rettungbringende unerkannt auf dem Schiff weilt. Der Wundertäter scheint sich seiner Aufgabe zu entziehen (vgl. zB Mk 6,48 [er wollte vorübergehen] aber auch Paulus auf der Seereise nach Rom Apg. 27,14ff. aber auch viel außerbiblische Literatur)

 

Die Bitte um Hilfe

 

Und sie wecken ihn und sagen ihm: Lehrer, nicht kümmert dich, dass wir vernichtet werden?

 

Didaskalos (Lehrer) ist die Anrede von SchülerInnen gegenüber ihrem Lehrer (im vorausgehenden Kapitel Mk 4,1-34 lehrt Jesus in Form von Gleichnissen) oder von Menschen die die Jesus (noch) fern stehen. Zu bedenken ist aber auch das Idealbild des Steuermanns (lat. Magister = gr. didaskalos) der über das Schiff „wacht“.

 

„Nicht kümmert dich, dass wir vernichtet werden“ Diese Stelle erinnert an Jona 1,6. Der Steuermann kommt und weckt den Propheten auf: Jona soll seinen Gott anflehen, „damit er uns rette = damit wir nicht vernichtet werden“ Die Jünger tun so als ob Jesus etwas ändern könnte! Der Steuermann fordert Jona nur auf, dass er so wie die übrigen Seeleute zu seinem Gott um Rettung bete. Der Seesturm ist so ungeheuer gefährlich, dass man jeden zum Anrufen der Götter bzw. seines Gottes braucht. Jesus verhält sich aber anders als die Seeleute es von Jona erwarten, er handelt wie Gott in der Jonaerzählung handelt (er stillt den Sturm).- Hier ist er mehr als Jona.

 

Rettende, exorzistische Aktion durch das wunderwirkende Wort

 

Und aufgeweckt anfuhr den Wind und sprach zum Meer: Schweig, sei stumm!

 

Jesus beherrscht den Wind wie JHW die Macht des Chaos. Wie Dämonen bringt er ihn zum schweigen (vgl. Mk 1,25: [und Jesus herrschte ihn (den unreinen Geist) an: verstumme, fahr aus von ihm]). Wind und Meer erscheinen als bedrohliche Lebensregungen die durch Jesu Wort niedergeschlagen werden. Die urkirchliche Tradition kennt das Bild vom Exorzisten Jesus, das hier gesteigert ist, parallel zu Ps 107,29 (er [Gott] machte aus dem Sturm ein Säuseln, / so dass die Wogen des Meeres schwiegen). In Ps 104,7 weichen die Wasser zurück aufgrund des Drohens und des Donners der Stimme Gottes. Vgl. auch die Vorstellung von der unheimlichen Macht des Urmeeres im Schöpfungsbericht der Genisis, aber auch Ps 69,2f.15.f; 18,16f. Jes 42,2f (Meer als Bild für die Lebensgefährdung des Frommen). Vgl. Ps 107,23-31 oder 2 Makk 9,8

 

Konstatierung des Wunders, der Erfolg

 

Und nachließ der Wind, und (es) wurde große Stille.

 

Der Erfolg wird mit Anspielung an Jon 1 und Ps 107,27 festgestellt. Die gescholtenen Elemente weichen zurück, der Wind lässt nach, das brüllende Meer wird still.

 

Exkurs: Vorwurf des Unglaubens

 

Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr feige? Noch nicht habt ihr Glauben?

 

Der Vorwurf des Unglaubens unterbricht den Zusammenhang zwischen Wunder und Reaktion darauf. Der Vorwurf des mangelnden Vertrauens ist im Schema einer Rettungswundergeschichte bzw. eines Exorzismus nicht vorgesehen. Der Geschichte ohne Vers 40 geht es um die Macht Jesu, dazu ist Vers 40 ungeeignet. Der Zug ist besser verständlich als von Mk sekundär eingetragenes Element im Zusammenhang mit dem Jüngerverständnis: Auch in solchen Situationen, wie sie durch die Seesturmgeschichte vorgestellt werden, brauchen die Jünger keine Angst zu haben; es ist sogar Unglaube, wenn sie sich so verhalten.

 

In diesem Sinn wird die missionarische Wundergeschichte von Mk katechetisch als „Gleichnis“ verstanden. Der Sturm könnte ein Sinnbild für die Bedrängnis der Christen sein analog zu Mk 13. Das Schiff im Sturm wird zum Symbol der Kirche in eschatologischer Bedrängnis. Möglicherweise denkt Markus an die apokalyptische Bedrängnisse der Endzeit, wie die römische Gemeinde sie in der ungeheuer brutalen Verfolgung durch Nero erlebt hat. Die Situation aus der Jesus rettet, ist die Situation der Feigheit und des mangelnden Glaubens.

 

Feigheit und Glaubenslosigkeit sind Zeichen des Versagens der Christinnen und Christen in äußerer Bedrängnis. Das gilt besonders für die Situation der Verfolgung und Bewährung. Abgesehen von der neronischen Verfolgung könnte diese Aktualisierung unter dem Eindruck der Zeit vor und während des jüdischen Krieges erfolgt sein und Mk 13 entsprechen.

 

Aber: Der Abschluss der Seerettungsgeschichte von Mk 4,35-41 lenkt das Augenmerk des/der Lesenden nicht auf die wunderbare Rettung der Jünger, wie es im Ps 107,31 der Fall ist. Die Jpnger sprechen nicht von ihrer wunderbaren Rettung, sondern fragen staunend: Wer ist dieser, dass der Wind und das Meer ihm gehorchen“? (Mkl 4,41)

 

Admiration

 

Und sie fürchteten sich in großer Furcht

 

„Sie fürchteten sich in großer Furcht“ ist eine figura etymologica (=inneres Objekt, Verbum und Nomen haben denselben Stamm). Genau dieselbe Formulierung kommt bei Jon 1,10 vor (leider in der deutschen Einheitsübersetzung nicht genau übersetzt). Die Furcht ist religiöse Furcht, vor der Epiphanie des Heiligen. Bei Jona 1,16 anerkennt die heidnische Besatzung des Schiffes den Gott Jonas, JHW; bei Mk 4,41 wird in der Autorität Jesu die Autorität JHWs erkennbar. Sprachlich erinnert der Markustext mit seinem ungewöhnlichen griechischen Ausdruck (fürchteten sich in großer Furcht) einen mit dem AT vertrauten christlichen Leser / christliche Leserin unbedingt an die Jonaerzählung mit dem Zweck, dem Leser / der Leserin klarzumachen, dass in dieser Geschichte etwas ähnliches (und doch auch mehr!) geschieht wie in der Erzählung mit dem Propheten Jona.

 

Akklamation

 

und sie sagten zueinander: Wer also ist dieser, dass auch der Wind und das Meer ihm gehorcht?

 

Der Abschluss passiert in Form einer Chorschlussfrage. Keine Deklaration als feststehende Glaubenslehre, sondern als Frage zur Beteiligung der Hörenden oder Lesenden. Hier wird missionarisches Interesse in werbender Form sichtbar.

 

Die Antwort der ZeugInnen ist eindeutig: Der, dem sogar Wind und Meer gehorchen, ist mehr als Jona. Er handelt in der Kraft JHWs. Er ist Herr über die Gewalten des Chaos.

 

 

--------------------------------------------------------------------------------------

 

Aus Zeitgründen bleibe ich bei der Besprechung des Markustext stehen. Formgeschichtliche Überlegungen zu den Parallelstellen gibt es hier (erste Seite, weiter unten)

 

Theologische Interpretationen der Parallelstellen und außerbiblische Vergleiche mit anderen Texten lass ich ganz bleiben. Wer bis hierher gelesen hat, hat sich ja eh schon "ziemlich viel Text angetan". Herzlichen Dank dafür und wenn es wen interessiert könnte ich noch weitere Beispiele für historisch kritische Exegese bringen (da es sehr arbeitsaufwendig ist, tu ich das nur wenn wirklich Interesse besteht - es geht mir ja nicht darum möglichst viel Text hier im Forum zu produzieren [den erst keine/keiner liest])

bearbeitet von Kryztow
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Intendierte Aussage ist: Jesus ist mehr als ein Prophet. Er handelt in der Macht Jahws selbst. Das ist für mich eine gewaltige theologische Aussage und bedeutet mir für meinen Glauben sehr viel.

Mir auch! Dumme Frage: wieso wird diese "gewaltige Aussage" weniger gewaltig, wenn sich die Geschichte tatsächlich ereignet hat? Für mich wird sie dann noch viel gewaltiger - der Einbruch des Wunderbaren in diese Welt, die Macht Gottes im hier und jetzt (bzw. im dort und damals), im historischen Ereignis.

 

Warum muß ich den Umweg über eine komplizierte hist.-kritische Analyse gehen, wenn ich auf dem kurzen Weg der historischen Realität zum selben Ziel kommen kann?

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Justin Cognito
Mir auch! Dumme Frage: wieso wird diese "gewaltige Aussage" weniger gewaltig, wenn sich die Geschichte tatsächlich ereignet hat? Für mich wird sie dann noch viel gewaltiger - der Einbruch des Wunderbaren in diese Welt, die Macht Gottes im hier und jetzt (bzw. im dort und damals), im historischen Ereignis.

Vielleicht hältst du mich für naiv, aber für mich waren die Hinweise:

 

a) auf die Gestaltung der Erzählung nach der Jona-Erzählung und die Überbietung derselben (Gott hilf Jona - Jesus handelt wie Gott)

 

und

 

b ) der Hinweis dass die Macht Stürme und Meer zu beruhigen und aus diesen Gefahren zu retten als typische Wesenszüge Gottes im AT gilt

 

sehr wichtig um nicht dabei stehenzubleiben die Perikope als "unglaubliche" (zB schlafen während eines Sturmes) Geschichte anzusehen deren Aussage: "Jesus hilft seinen Freunden" ist .....

bearbeitet von Kryztow
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Männo! Maul mich doch nicht gleich an! Ich bin sensibel!

 

Ich hab ja gar nix dagegen, die Geschichte vor dem Hintergrund des heilsgeschichtlichen Kontextes zu lesen und dadurch neben der Schilderung ds Sachverhaltes einen Sinn zu entdecken, der über die historische "Reportage", also die Fakten, hinausgeht. Im Gegenteil, ich halte das in jedem Falle für notwendig, weil ich davon überzeugt bin, daß die in den Evangelien erzählten tatsachen ihrerseits heilsgeschichtliche Zeichen sind, die selbstverständlich über sich hinaus auf die Offenbarung Gottes und seines Sohnes hinweisen.

 

Mir ist nur rätselhaft, warum man dabei nicht von einem Geschehen ausgehen sollte, das tatsächlich stattgefunden hat.

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Justin Cognito
Männo! Maul mich doch nicht gleich an! Ich bin sensibel!

 

Ich hab ja gar nix dagegen, die Geschichte vor dem Hintergrund des heilsgeschichtlichen Kontextes zu lesen und dadurch neben der Schilderung ds Sachverhaltes einen Sinn zu entdecken, der über die historische "Reportage", also die Fakten, hinausgeht. Im Gegenteil, ich halte das in jedem Falle für notwendig, weil ich davon überzeugt bin, daß die in den Evangelien erzählten tatsachen ihrerseits heilsgeschichtliche Zeichen sind, die selbstverständlich über sich hinaus auf die Offenbarung Gottes und seines Sohnes hinweisen.

 

Mir ist nur rätselhaft, warum man dabei nicht von einem Geschehen ausgehen sollte, das tatsächlich stattgefunden hat.

Ich halte eh das Maul .... (= mein voriger Beitrag war nicht maulig gemeint)

 

Ich glaube auch dass Jesus zum Beispiel Exorzismen durchgeführt hat und Gottes Heil nicht nur in Worten sondern auch in Taten verkündet hat. Aber ich halte die Erzählungen dieser Wunder im NT doch für sehr "gestyled". Oder anders gesagt: Viele Details sind eigentlich ein bisschen widersprüchlich wenn man sie "nur historisch" versteht. Warum fahren sie am Abend noch über den See (für einen Kurzbesuch in Gerasa - das eigentlich ganz wo anders liegt und von wo sie gleich wieder umdrehen [vgl. die nächste Perikope])? Wieso brauchen sie für die Überfahrt die ganze Nacht? Warum legt sich Jesus schlafen, wenn die Überfahrt eigentlich recht kurz ist (der See ist an seiner breitesten Stelle 6 km breit)? Und warum wacht er nicht auf, wenn sich das Schiff mit Wasser füllt? Warum lässt er sich bitten und hilft nicht von sich aus? Wieso konnten Fischer, die den See vermutlich wie ihre Westentasche kannten von einem Sturm überrascht werden? Was ist eigentlich mit den anderen Booten? Wieso gibt es von diesem Wunder keine außerbiblischen Berichte? Wieso beanken sich die Jünger nicht, sondern beschäftigen sich nur mit der Frage wer dieser Jesus nun ist etc. etc.

 

Wenn ich das ganze aber als Glaubenstext lese, dessen Aussage nicht historisch sondern überzeitlich ist, wirkt er für mich äußerst stimmig. Diese Glaubensschicht muss aber erst frei gelegt werden. Dabei hilft mir eben Exegese. Wie weit ein historischer Kern hinter der Seesturmerzählung steht, können wir heute sowieso nicht mehr feststellen, mir scheint aber die Ausgestaltung der Erzählung durch Markus (mit all ihren Bezügen zu Jona, den Psalmen, außerbiblischen Rettungswundererzählungen etc.) die wesentlichen Erfahrungen die die Menschen mit Jesus gemacht haben, gut wiederzugeben. Und diese Erfahrung ist die Hauptsache. Und über den Inhalt dieser Erahrung scheinen wir ja einer Meinung zu sein ...

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Und für mich verlieren die Erzählungen an Wert, wenn sie nicht stattgefunden haben. Da ist es nur ein kleines Stück weit zu Märchen.

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Justin Cognito
Und für mich verlieren die Erzählungen an Wert, wenn sie nicht stattgefunden haben. Da ist es nur ein kleines Stück weit zu Märchen.

Hilf mir bitte dich zu verstehen?

 

Glaubst du

 

a) dass die Erzählungen der Bibel wörtilch so stattgefunden haben und die Evangelisten lediglich das selbst Gesehene oder ihnen Erzählte wortgetreu niedergeschrieben haben.

 

b ) dass hinter den Erzählungen der Kern einer Begebenheit steckt, den die Evangelisten in ihren Erzählungen ausschmücken um dass ihnen an Jesus Wesentlich erscheinende auszudrücken.

bearbeitet von Kryztow
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Ich weiß nicht, was ich glauben soll, ich respektiere die immense Arbeit der historisch-kritischen Exegese, sie wird wohl vielen Menschen helfen.

Aber ich fühle mich in meinem Glauben wohler, wenn ich das, was geschrieben ist, wortwörtlich nehme.

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Kann Jesus Christus Wind und Sturm zum Erliegen bringen? - In jedem Fall

Ist diese Geschichte historisch korrekt wieder gegeben? - Für mich bedeutungslos

 

Für mich ist relevant, was diese Perikope über Jesus Christus aussagt, und da fand ich Kryztows Ausführungen äußerst ergiebig, aber es ist für mich nicht relevant, was wirklich passiert ist.

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Wenn man über beide Betrachtungen zum gleichen Ziel kommt - ist es dann gleichgültig, welchen Weg man geht?

 

Herzliche Grüße

Martin

Im Grund genommen ist es völlig gleich, ob ich davon ausgehen, dass es genau so geschehen ist, oder ob ich davon ausgehe, dass es ein kunstvolles Bild ist, mit dem der Evangelist seinen Glauben darstellt.

 

Wichtig ist, ob ich mich selber in dieses Geschehen hinein begeben kann. Kann ich an Petrus Stelle treten und seine Erfahrungen machen, was die Stürme meines Lebens angeht? Das steht für mich an der ersten Stelle. Kann ich Jesus dort begegnen, ihm vertrauen, zweifeln, eilt er mir auch dann, wenn ich zweifle zuerst zu Hilfe und kommentiert es dann?

 

Herzliche Grüße

Martin

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Und für mich verlieren die Erzählungen an Wert, wenn sie nicht stattgefunden haben. Da ist es nur ein kleines Stück weit zu Märchen.

Glaubst du

dass die Erzählungen der Bibel wörtlich so stattgefunden haben und die Evangelisten lediglich das selbst Gesehene oder ihnen Erzählte wortgetreu niedergeschrieben haben.

 

Ich denke schon, daß es sich um Augenzeugen-Berichte handelt;

 

sollten die Jünger Jesu freiwillig ihr Leben für Sagen und Märchen gegeben haben?

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Mit allem bin ich soweit einverstanden, wenn der erste Satz der These nicht

Bei Mk 4,35-41  handelt es sich nicht um einen historisch / meteorologischen Tatsachenbericht, sondern um eine Überbietungserzählung.

 

sondern

Bei Mk 4,35-41  handelt es sich nicht nur um einen eventuellen historisch / meteorologischen Tatsachenbericht, sondern auch/vor allem um eine Überbietungserzählung.

 

lauten würde. Damit wäre dem wiss. Anspruch Genüge getan.

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Ich habe dieses Semester eine Vorlesung über Wundererzählungen in den synoptischen Evangelien besucht. Da hier im Forum viel über historisch kritische Exegese gesprochen, solche aber kaum betrieben wird, finde ich es spannend einmal ein diesbezügliches Beispiel zu posten. Ich hoffe der eine oder die andere von euch kann etwas damit anfangen und vielleicht seine / ihre Meinung über hist.-kr. Exegese (und was sie kann, soll, etc.) ein bisschen modifizieren.

......

Deine Beweisführung, lieber Krzysztow, die ich für sehr schlüssig erachte wegen der immer wieder zu Jona führenden Parallen, kann aber nicht widerlegen, dass sich das Grundschema tatsächlich auf dem See/Meer Genezareth zugetragen hat.

Warum sollte man nicht einfach davon ausgehen, dass der Evangelienschreiber die ursprüngliche und wahre Jesuserzählung einfach in eine theologisch reflektierte Form gegossen hat?

 

 

Zitat gekürzt. Bitte nicht solche Mammutpostings ungekürzt zitieren!

bearbeitet von Gabriele
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Männo! Maul mich doch nicht gleich an! Ich bin sensibel!

 

Ich hab ja gar nix dagegen, die Geschichte vor dem Hintergrund des heilsgeschichtlichen Kontextes zu lesen und dadurch neben der Schilderung ds Sachverhaltes einen Sinn zu entdecken, der über die historische "Reportage", also die Fakten, hinausgeht. Im Gegenteil, ich halte das in jedem Falle für notwendig, weil ich davon überzeugt bin, daß die in den Evangelien erzählten tatsachen ihrerseits heilsgeschichtliche Zeichen sind, die selbstverständlich über sich hinaus auf die Offenbarung Gottes und seines Sohnes hinweisen.

 

Mir ist nur rätselhaft, warum man dabei nicht von einem Geschehen ausgehen sollte, das tatsächlich stattgefunden hat.

Das ist genau meine Position!

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Warum fahren sie am Abend noch über den See (für einen Kurzbesuch in Gerasa - das eigentlich ganz wo anders liegt und von wo sie gleich wieder umdrehen [vgl. die nächste Perikope])? Wieso brauchen sie für die Überfahrt die ganze Nacht? Warum legt sich Jesus schlafen, wenn die Überfahrt eigentlich recht kurz ist (der See ist an seiner breitesten Stelle 6 km breit)? Und warum wacht er nicht auf, wenn sich das Schiff mit Wasser füllt? Warum lässt er sich bitten und hilft nicht von sich aus? Wieso konnten Fischer, die den See vermutlich wie ihre Westentasche kannten von einem Sturm überrascht werden? Was ist eigentlich mit den anderen Booten? Wieso gibt es von diesem Wunder keine außerbiblischen Berichte? Wieso beanken sich die Jünger nicht, sondern beschäftigen sich nur mit der Frage wer dieser Jesus nun ist etc. etc.

Das Wetter kann sich jederzeit ändern. In den meisten Fällen wird Erfahrung zu einer gewissen Zuverlässigkeit in der Einschätzung führen, aber Sicherheit und absolut unzuverlässige Prognosen wird es wohl nicht gegen. Eine Fahrt, die zunächst gemächlich erfolgte, kann gerade durch aufkommenden Sturm einen ganz anderen Verlauf nehmen als geplant.

 

Eine Überfahrt wird ja nicht immer in einer geraden Linie erfolgen. Wenn die Orte sich nicht gegenüber liegen, ist eine Diagonale durchaus länger.

 

Ich weiß nicht, wie schnell solch ein Boot gerudert werden kann, wobei das Tempo an einem Abend nach einen langen Tag, an dem Jesus offensichtlich müde und erschöpft war, sicherlich keiner Ramm-Geschwindigkeit :blink: entsprach. Die Berichte sprechen durchaus an manchen Stellen davon, dass Jesus erschöpft war. Solch ein Schlaf nach einem langen Tag muß ja nicht gleich für die ganze Nacht geplant gewesen sein.

 

Es gibt in Frankfurt ein Museum (ich war selbst nicht dort) in dem z.A. ein Boot ausgestellt wird, wie die Fischer auf dem See es benutzt haben. Der Platz, an dem Jesus geschlafen haben könnte, bietet sich durchaus dafür an.

 

Tiefer Schlaf, Erschöpfung, zunächst mal nicht wecken wollen, weil er eben so erschöpft ist, das schaffen wir auch so ...

 

Wenn man sich die Situation genau so vorstellt, dann werden die Jünger sich sicherlich bedankt haben, aber größer als diese Dank ist das Erstaunen über das, war da Außerordentliches geschehen war. Gott sei Dank, Jesus, danke, dass du uns gerettet hast ... aber sag mal, wie hast du das gemacht?

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Also sofern ich Krytzow verstanden habe, wäre für ihn diese Geschichte wenn es auch nur als Parabel zu verstehen ist, immer noch ein Beweis Gottes, oder?

 

Ich muß allerdings sagen, daß ich sowas ziemlich unbefriedigend finde. Was nützt mir ein Gott, von dem es nur erdachte Geschichten gibt. Ehrlich gesagt, ist mir so ein Jesus nichts wert, weil der dann auch nicht von den Toten auferstehen kann.

 

Gruss

 

Matthias

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Justin Cognito
Ich muß allerdings sagen, daß ich sowas ziemlich unbefriedigend finde. Was nützt mir ein Gott, von dem es nur erdachte Geschichten gibt. Ehrlich gesagt, ist mir so ein Jesus nichts wert, weil der dann auch nicht von den Toten auferstehen kann.

Ich würde zwischen gelebter bzw. erlebter Erfahrung und literarischer Ausgestaltung unterscheiden. Die Erfahrung dass sich in Jesus JHW offenbart, wird literarisch durch die Ausgestaltung oder Neuformulierung eines Seesturmwunders geschildert. Eine andere Erfahrung ist dass Jesus auferstanden ist und sich den Jüngerinnen und Jüngern offenbart. Diese Erfahrung wird auch literarisch ausgestaltet erzählt, das ändert aber nichts an der Authentizität der Erfahrung von Gott und Auferstehung.

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Lieber Matthias,

 

Deine Schlussfolgerungen sind so nicht haltbar:

 

Was nützt mir ein Gott, von dem es nur erdachte Geschichten gibt.

 

Niemand hat behauptet, dass es sich hier um erdachte Geschichten handelt! Es wurde nur die Historizität der geschilderten Ereignisse angezweifelt, zugunsten einer Glaubenswahrheit. Von "sich ausdenken" kann überhaupt keine Rede sein, denn an der Inspiration durch den Heiligen Geist zweifelt gewiss niemand hier.

 

Man könnte Deine Frage umdrehen: Nützt Dir Gott nur dann etwas, wenn alle Ereignisse der Bibel historisch korrekt sind?

 

Ehrlich gesagt, ist mir so ein Jesus nichts wert, weil der dann auch nicht von den Toten auferstehen kann.

 

Wie kommst Du zu diesem Vergleich? Willst Du damit sagen, dass wer an der Historizität der Seesturmgeschichte zweifelt, genauso gut auch an der Historizität der Auferstehung zweifeln muss?

 

Hier sollte man doch beachten, dass Jesus Christus ohne Seesturmberuhigung sehr wohl Messias sein kann, aber nicht ohne Auferstehung. Wenn man diese Geschichten auf die Ebene der Glaubenswahrheiten hievt, sieht das schon anders aus: Ohne Überwindung des Todes kein Messias, ohne Allmacht kein Gott.

 

Liebe Grüße,

Wolfgang

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Nur ums mal auf den Punkt zu bringen.

 

1. Glaubst Du das Jesus den Sturm zu schweigen befohlen hat und der dann aufhörte

 

2. Siehst Du in Jesus schon den wahrhaft Auferstandenen und nicht ein literarisches Konstrukt, dass mit der Realität nicht übereinstimmt

 

???

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Justin Cognito
Nur ums mal auf den Punkt zu bringen.

 

1. Glaubst Du das Jesus den Sturm zu schweigen befohlen hat und der dann aufhörte

 

2. Siehst Du in Jesus schon den wahrhaft Auferstandenen und nicht ein literarisches Konstrukt, dass mit der Realität nicht übereinstimmt

 

???

Wenn ich das mal für mich beantworte:

 

1) Als historisches Ereignis vermutlich eher nicht. Zumindest nicht mit all den beschriebenen Details

2) Auf jeden Fall

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Nur ums mal auf den Punkt zu bringen.

 

1. Glaubst Du das Jesus den Sturm zu schweigen befohlen hat und der dann aufhörte

 

2. Siehst Du in Jesus schon den wahrhaft Auferstandenen und nicht ein literarisches Konstrukt, dass mit der Realität nicht übereinstimmt

 

???

Wen frägst Du? :blink:

 

1. Ich glaube, dass Jesus dem Sturm befehlen kann zu schweigen, und dass der Sturm dann aufhört.

Ich glaube auch, dass Mk 4,35-41 nicht unbedingt wortwörtlich so passiert sein muß.

 

2. Ja.

 

Und nun hätte ich da auch zwei Fragen an Dich, die schon Wolfgang stellte:

Wie kommst Du zu diesem Vergleich? Willst Du damit sagen, dass wer an der Historizität der Seesturmgeschichte zweifelt, genauso gut auch an der Historizität der Auferstehung zweifeln muss?

 

Liebe Grüße, Gabriele

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Theologische Interpretationen der Parallelstellen und außerbiblische Vergleiche mit anderen Texten lass ich ganz bleiben. Wer bis hierher gelesen hat, hat sich ja eh schon "ziemlich viel Text angetan". Herzlichen Dank dafür und wenn es wen interessiert könnte ich noch weitere Beispiele für historisch kritische Exegese bringen (da es sehr arbeitsaufwendig ist, tu ich das nur wenn wirklich Interesse besteht - es geht mir ja nicht darum möglichst viel Text hier im Forum zu produzieren [den erst keine/keiner liest])

Lieber Krystow,

 

ich habe Dein Beispiel einer hist.-kr. Exegese mit sehr viel Interesse gelesen, ebenso die folgende Diskussion.

 

Ich fände es schön, wenn ich mir noch weitere solcher Beispiele "antun" könnte.

:blink:

 

Liebe Grüße, Gabriele

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