Jump to content

Depression und Glaube


Mecky

Recommended Posts

Dann müßten Christen ja an deutlich weniger Depressionserkrankungen leiden. Ich warte immer noch auf die Statistik, die das belegt.

Genauer: Dadurch leiden die Gläubigen nicht an Depression. Wer daran glaubt, dass sein Leben geborgen ist, hat keine Depression. Depression besteht ja gerade in der Verengung dieses Glaubens. Ein Depressiver kann nicht mehr daran glauben, dass all sein Handeln und seine Existenz getragen und wertvoll sind. Oft verengt sich der Glaube eines Depressiven auf einen einzigen (wenn auch manchmal sehr intensiven) Punkt: Dass Gott helfen wird - aber erst, wenn man sich selbst tötet.

 

Christsein ist aus dieser Perspektive gesehen ein Weg der Glaubensstärkung. Der konkret vom einzelnen Christen eingeschlagene Weg kann aber auch ein Irrweg sein. Wer z.B. im christlichen Rahmen Gott nur als richterlichen Tyrannen kennen lernt, der peinlich genau auf Sündlosigkeit schaut und die Sünde, wenn auch nach Abzug von zwei bis drei Gramm Gnade, grenzenlos bestraft, der erleidet durch diesen "Glauben" in Wirklichkeit einen schweren Schaden am Glauben. Und so was kann ganz übel zu Depression führen. Wer z.B. im Christentum von einem Hokuspokusgott erfasst wird und diesen seltsamen Gott nicht mehr (oder nur mit Hilfe abstruser Realitätsverzerrungen) mit der hokuspokusfreien Welt zurecht kommt, hat seine Glaubenskraft auf das falsche Pferd gesetzt. Die ganze Energie, die er in diesen Glauben investiert hat, hat er nicht für den Glauben, sondern für jene seltsamen Phantasieprodukte verwendet.

 

 

 

 

Dieser thread wurde nicht von Mecky eröffnet, sondern entstand durch Splitten. gouvernante als mod.

bearbeitet von gouvernante
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Dann müßten Christen ja an deutlich weniger Depressionserkrankungen leiden. Ich warte immer noch auf die Statistik, die das belegt.
... Wer daran glaubt, dass sein Leben geborgen ist, hat keine Depression. Depression besteht ja gerade in der Verengung dieses Glaubens.
Sorry, OT: Dir ist aber auch klar, daß Depression duchaus auch eine Neurotransmitterstörung als Ursache haben kann, oder?
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Dann müßten Christen ja an deutlich weniger Depressionserkrankungen leiden. Ich warte immer noch auf die Statistik, die das belegt.
... Wer daran glaubt, dass sein Leben geborgen ist, hat keine Depression. Depression besteht ja gerade in der Verengung dieses Glaubens.
Sorry, OT: Dir ist aber auch klar, daß Depression duchaus auch eine Neurotransmitterstörung als Ursache haben kann, oder?

Das ist überhaupt nicht OT. Das ist der biochemische Hintergrund. Er nimmt aber dem nichts hinweg, dass ein Depressiver, je schlimmer sein Leiden wird, an immer weniger glauben kann.

 

Hinter Deinem Einwand, den ich aus anderen Diskussionen her kenne, steckt noch was, nämlich eine Angst vor der Moralisierung des Glaubens. Dass man einen Depressiven noch mal verurteilen könnte, weil er nicht genug glaubt. "Glaub gefälligst, denn verschwindet auch Deine Depression!" Das ist natürlich ein unglaublicher Schwachsinn. Glaube kann nicht befohlen werden.

Andersrum muss man es sehen: Gelingt es, einem Depressiven ein Stück Glauben wiederzugeben, dann schwindet auch seine Depression. Das atheistische "In Wirklichkeit hast Du Recht! Wenn man es 'realistisch' betrachtet, ist das Leben ungeborgen und das Handeln nur so lange sinnvoll, wie es uns kurze Glücksmomente bescheren kann." ist vernichtend.

 

Es geht auch auf diese Weise: Bringt man die Biochemie wieder in Ordnung (Psychopharmaka, aber auch Substitution gewisser chemischer Transmitter), dann kann der Depressive wieder an was glauben, was ihm im Zustand tiefer Depression unmöglich war. Und das ist befreiend.

bearbeitet von Mecky
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Gelingt es, einem Depressiven ein Stück Glauben wiederzugeben, dann schwindet auch seine Depression.

...

Bringt man die Biochemie wieder in Ordnung (Psychopharmaka, aber auch Substitution gewisser chemischer Transmitter), dann kann der Depressive wieder an was glauben, was ihm im Zustand tiefer Depression unmöglich war.

Beide Aussagen halte ich für verkürzt, aber sie stellen die zwei Seiten einer Medaille dar.

Und: Ja, ich bin strikt gegen eine Moralisierung des Glaubens.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

ad 1) Ich kenne tief gläubige Menschen, die dennoch an massiver Depression leiden

ad 2) nicht immer bedeutet ein medikamentös korrigierter Neurotransmitterspiegel auch das Ende (den Weg aus) einer Depression

 

Schlußfolgerung meinerseits: es gibt hier keinen einfachen Automatismus à la "wenn A dann auch B"

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Schau mal auf den Glauben der Depressiven: Der kann zwar unheimlich tief und intensiv sein, aber er hat wenig Breite. Depression ist ja gerade der Unglaube an den Wert der eigenen Handlungen (und Handlungsweise) und meist auch Unglaube an den Wert der eigenen Person.

 

Viele Depressive konzentrieren ihren Glauben auf einen ganz kleinen, manchmal schon punktförmigen Bereich - und zumeist ist das ein rein empfangender Bereich, kein anspornender, lebenspulsierender. "Gott wird mir helfen" kann ganz intensiv geglaubt werden - aber nicht verbunden mit dem konkreten Geschehen des Lebens selbst.

Dass Gott mich liebt, auch wenn mir alles schief geht, dass er mir hilft, obwohl ich mich völlig hilflos fühle, wirkt sich beim Depressiven nicht dahingehend aus, dass er was anpackt bzw. sein Handeln als wertvoll erachtet. Das ist doch gerade die Depression.

 

Der Zusammenhang ist kein Automatismus, sondern noch viel direkter. Depression ist das Lebensgefühl der Glaubenslosigkeit in weiten Bereichen. Und der Glaubensbereich zieht sich (durchaus dadurch sehr intensiv werdend) fast punktförmig zusammen, wenn Suizidgedanken hochkommen. Dann glaubt man nur noch an eine jenseitige Hilfe Gottes. Dass das mit dem Diesseits noch mal was werden kann, ist ausgeblendet.

bearbeitet von Mecky
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ich halte diese Verquickung von Depression und Glaube bzw. Glaubenslosigkeit nicht nur für falsch, sondern vor allem für gefährlich. Für die Korrelation (richtiger) Glaube - keine Depression hätte ich gerne mal einen Beleg, nicht nur ein paar plausibel klingende Gedanken.

 

Für gefährlich halte ich das deswegen, weil suggeriert wird, der richtige Glaube bewahre Menschen vor Depressionen bzw. könne aus diesen befreien. Einem Depressiven - der ohnehin sich selbst und alles um ihn herum für wertlos hält - zu sagen, auch sein "verengter" Glaube sei wenig wert, ist mehr als kontraproduktiv. Mir ist bewusst, Mecky, dass das auch nicht Deine Intention ist; ich frage mich allerdings, wie Du überhaupt auf diese Zusammenhänge kommst. Und wie Du vermeiden willst, genau so verstanden zu werden, ist mir auch nicht klar.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Es mag sein, daß der Glaube eines Depressiven "eng" ist, aber doch nur, weil der Glaubende krank ist. Und der "enge" Glaube ist dann vielleicht doch eine Stütze, durch die Krankheit zu kommen. Grüße, KAM

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Dann müßten Christen ja an deutlich weniger Depressionserkrankungen leiden. Ich warte immer noch auf die Statistik, die das belegt.
... Wer daran glaubt, dass sein Leben geborgen ist, hat keine Depression. Depression besteht ja gerade in der Verengung dieses Glaubens.
Sorry, OT: Dir ist aber auch klar, daß Depression duchaus auch eine Neurotransmitterstörung als Ursache haben kann, oder?

Wurscht, wovon sowas kommt, vom Glauben jedenfalls auch nicht.

Und Glauben hilft auch nicht dagegen, sondern Arzt, Apotheker und Psychotherapeut. Und zwar alle zusammen.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Andersrum muss man es sehen: Gelingt es, einem Depressiven ein Stück Glauben wiederzugeben, dann schwindet auch seine Depression. Das atheistische "In Wirklichkeit hast Du Recht! Wenn man es 'realistisch' betrachtet, ist das Leben ungeborgen und das Handeln nur so lange sinnvoll, wie es uns kurze Glücksmomente bescheren kann." ist vernichtend.

 

Es geht auch auf diese Weise: Bringt man die Biochemie wieder in Ordnung (Psychopharmaka, aber auch Substitution gewisser chemischer Transmitter), dann kann der Depressive wieder an was glauben, was ihm im Zustand tiefer Depression unmöglich war. Und das ist befreiend.

 

Ich rate da sehr zur Vorsicht.

 

Mit in Ordnung gebrachter Biochemie (wenn das denn möglich ist) kann der Betroffene aber auch zu dem Ergebnis kommen: ich bin frei und in der Lage, meinen Weg selbst zu finden, das stärkt mich mehr als jeder Glaube. Eine zwingende Verbindung zwischen Unglauben und der von dir geschilderten Meinung, das Leben sei ungeborgen und nur momentan glücklich, gibt es nicht.

 

Schließlich sollte man auch nicht vergessen, dass Depression nicht zwingend und ausschließlich die schlechteste Alternative darstellen; manische Störungen können sehr viel destruktiver sein.

 

Ich kenne eine sehr gut dokumentierte Biographie eines Menschen mit massiver manisch-depressiver Störung. Seine manische Phasen - die seine unglücklichen waren- begannen stets mit extensiver religiöser Betätigung; in seinen depressiven - und kreativen - war er sehr skeptisch gegenüber jeder Religion.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Depression ist ja gerade der Unglaube an den Wert der eigenen Handlungen (und Handlungsweise) und meist auch Unglaube an den Wert der eigenen Person.

 

also, wenn ich wohlwollend formuliere: das ist so verkürzt, daß es falsch ist.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ich gehe davon aus, dass ein richtig depressiver in den entsprechenden Phasen nicht in der Lage/Verfassung ist, die Frohe Botschaft Gottes anzunehmen.

 

Das das für mich eien Grundvoraussetzung für christlichen Glauben ist, kann ein Depressiver nur sehr schwer so glauben, dass der Glaube ihm helfen könnte.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Depression ist ja gerade der Unglaube an den Wert der eigenen Handlungen (und Handlungsweise) und meist auch Unglaube an den Wert der eigenen Person.

 

also, wenn ich wohlwollend formuliere: das ist so verkürzt, daß es falsch ist.

 

Mecky muss es wohl so verkürzen, weil er sonst in keinen Zusammenhang mit Unglaube in religiöser Hinsicht kommt.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Selbstverständlich gibt es auch die umgekehrte These: Dass Glaube und Religion Depressionen begünstigen.

 

Inwieweit diese Korrelationen empirisch untersucht sind, vermag ich allerdings nicht zu sagen - und habe keine Zeit zu suchen.

 

Wen das Thema Psychologie und religiöse Erfahrung (v.a. auf der Basis von Fallgeschichten) interessiert, dem empfehle ich den Klassiker "Die Vielfalt religiöser Erfahrung" von William James.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Mir ist keine Studie bekannt, die so einen Zusammenhang weder stuetzt noch widerlegt. Auf der anderer Seite ist zu bedenken: Depression hat sehr viel verschiedene Ausloeser. Mir ist als Einzelbeispiel der Fall eines Sizilianers bekannt, der waehrend seines Studiums ein Auslandsjahr in Umea machen wollte (ungluecklicherweise beginnend mit dem Wintersemester). Nach knapp drei Monaten musse er es abbrechen, weil er eine typische Winterdepression bekommen hatte. Fuer ihn war es einfach zu wenig Sonne so hoch im Norden. Ich bezweifle, dass im allg. ein Suedeuropaeer nur dank seinen Glaubens den - infolge Lichtmangels - gefallenen 5HT-Spiegel wieder auf das gewohnte Mass anheben kann. Ich denke, bei der Frage Biochemie vs. Glauben gewinnt die Biochemie.

 

A mi modo de ver ...

DonGato.

bearbeitet von DonGato
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

×
×
  • Neu erstellen...