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Synodaler Weg - schon versperrt?


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Geschrieben
vor 5 Minuten schrieb Shubashi:


Nur ist das eben ein bürokratisch-sektiererisches System, aber kein Evangelium mehr. Das Evangelium kennt vor allem zwei Gebote, die Liebe zu Gott und den Menschen, nicht aber den Katechismus. Wer aber vor allem die Bücher- und Regelwerke in den Vordergrund stellt, und so die einfache Botschaft Jesu hinter einem theologischen Betonwall versteckt, macht meiner Meinung nach zwei große Fehler:

1. Die gute Botschaft wird unzugänglich

2. Es wird nichts verbessert, weil die Bürokratie v.a. den Machtmissbrauch und Heuchelei fördert, nicht aber Moral und Glauben.

Ich gehe fast jede Wette mit Dir ein, daß diejenigen, die diese ganz oder gar nicht Haltung vertreten diese Sicht der Kirche als Bürokratie überhaupt nicht nachvollziehen können.

 

Die frohe Botschaft ist der Christus. Das muss angenommen werden und geglaubt werden. Der richtige Glaube beruht nicht auf Verstehen, Kenntnis oder Wissen sondern allein auf dem Vertrauen in die Wahrhaftigkeit der kirchlichen Lehre. Du musst sie nicht kennen sondern glauben, daß die Kirche die Wahrheit lehrt. Was Du nicht kennst kannst Du nachlesen, aber in der Praxis musst du nur die Gebote der Kirche halten und dein Vertrauen in die Kirche und in das göttliche Erlösungswerk wird dir die Erfüllgung dieses Gesetzes erträglich machen. Du musst halt nur auch in die Heilmittel die die Kirche anbietet - wie die Beichte, das Altarsakrament, etc. vertrauen und sie nutzen.

 

Hast Du kein vollumfassendes Vertrauen in die Kirche, ihre Satzungen und Lehren, kann es nicht funktionieren. Insofern ist die äußere Übung und Präsentation der Moral ein äußeres Zeichen des inneren Glaubens.

Geschrieben
vor 11 Stunden schrieb rorro:

Sobald ich dann beim Sex verhindern will, daß das Abbild Gottes, das ich bin, das die andere Person ist, in Gänze, auch mit allen prokreativen sexuellen Funktionen natürlich, so lebt, so gibt, so empfängt, wie es vom Schöpfer in das Abbild gelegt ist - mit Absicht - ist es letztlich die Aussage: Du interessierst mich weniger als das was Du bist, nicht so, wie der Schöpfer Dich gemacht und gewollt hat, sondern vor allem als das, was wie hier an Spaß haben können (und ist es nebenbei nicht großartig, daß alles, was Leben schenkt und erhält, der Schöpfer so eingerichtet hat, daß wir dabei Spaß und Freude empfinden können?). Nehme ich mich und die andere Person in Gänze so an wie wir sind oder nicht? Das ist entscheidend.

 

Dieses Argument ist allerdings höchstens im Hinblick auf Verhütung relevant, nicht jedoch im Hinblick auf sämtliche nicht-vaginale sexuelle Praktiken (seien sie heterosexuell, homosexuell oder autosexuell).

Denn bei letzteren wird keine Zeugung verhindert. Derartige Akte stellen zwar keine Zeugungsakte dar, vereiteln aber auch keine Zeugung und sind daher in diesem Sinne neutral. Bei solchen Akten wird die sexuelle Fakultät vielmehr einfach zu einem anderen Zweck als dem der Zeugung gebraucht. In Analogie stellt das Kauen eines Kaugummis zwar keine Nahrungsaufnahme dar, verhindert eine solche aber auch nicht, sondern verhält sich zur Nahrungsaufnahme neutral. Oder die Benutzung des Fußes, um ein Bild in den Sand zu zeichnen oder ein Klavier-Pedal zu bedienen, stellt zwar keinen Akt der Fortbewegung dar, verhindert eine Fortbewegung aber auch nicht. (Außer natürlich in dem banalen Sinne, dass jemand oftmals nicht gleichzeitig verschiedene Akte, die eine bestimmte Fakultät involvieren, vollziehen kann.)

 

Selbst wenn man Dein obiges Argument also akzeptieren würde, wäre damit für einen Großteil der kath. Sexualmoral noch nichts gewonnen. 

 

Was nun die Verhütung angeht, so stellt sich folgende Frage: Warum interessiert sich jemand, der verhütet, angeblich nicht dafür, wie der andere vom Schöpfer gemacht wurde? Wieso lehnt er den anderen angeblich so ab, wie dieser ist?

Im Grunde setzt diese Art von Argument doch voraus, dass (humane) natürliche Prozesse und Dispositionen stets so belassen werden müssen, wie sie sind, und dass der Mensch nicht in sie eingreifen darf - nicht einmal dort, wo ein solches Eingreifen sinnvoll wäre. Andernfalls würde er die von Gott geschaffene Natur ablehnen.

Damit könnte man dann aber auch sagen, dass jemand, der sich selbst und den anderen so annimmt, wie er selbst und der andere natürlicherweise ist, auf Kleider und auf das Schneiden der Haare verzichten sollte.

Ist es nicht viel rationaler anzunehmen, dass zu Gottes Schöpfung auch die Vernunft gehört samt der mit ihr verbundenen (gottgewollten) Fähigkeit, natürliche Prozesse zu regulieren und zu überformen? Und dass dies auch zulässig ist, soweit derartige Eingriffe im Interesse des Menschen sind und keine spezifischen Gegenargumente gegen bestehen?

Wenn ja, dann kann eben nicht jeder Eingriff in die Natur von vornherein als Ablehnung der Natur bzw. als Ablehnung des (anderen) Menschen interpretiert werden. 

 

Und mal ehrlich: Was hat es denn mit der "Annahme" einer anderen Person zu tun, wenn man ihr das folgende sagt? "Es ist nicht gut, wenn wir jetzt ein Kind zeugen, aber es wäre gut, wenn wir jetzt Sex hätten; aber wir können keinen haben, denn Du bist jetzt gerade empfänglich, und wir dürfen in die biologische Natur nicht eingreifen." Hier wird das Faktisch-Biologische für unantastbar erklärt und zu einer ethischen Norm gemacht, die oberhalb personaler Werten steht.

 

Wenn der Sexualakt in einer Situation, in der anerkanntermaßen gar kein Kind entstehen soll, dennoch unbedingt fruchtbar bleiben soll, warum dann eigentlich? Ja eben nicht, weil ein Kind entstehen soll, sondern ... ja warum eigentlich genau?

Die Fruchtbarkeit dient hier keinem nachvollziehbaren Zweck (wie eben der Zeugung von Kindern), sondern sie wird zum Selbstzweck: Der Sexualakt muss fruchtbar sein, damit er fruchtbar ist. Das Verbot, in die Natur einzugreifen, dient nicht dem Wohl des Menschen, sondern hat den einzigen Zweck, sicherzustellen, dass nicht in die Natur eingegriffen wird. Wieso sollte das sinnvoll sein?

 

Zitat

Und genau daher kommt auch die Frage mit dem Sex außerhalb der Ehe, was nichts anderes bedeutet als außerhalb der auf die Dauer angelegten Partnerschaft, Treuezusage und gewollter Liebe. [...]

 

Das muss nicht so sein; zwei Leute können auch ohne formale Ehe den Willen zur Dauerhaftigkeit haben. Aber es gibt natürlich Fälle, in denen das nicht gegeben ist; dazu gleich mehr. 

 

Zitat

Außerhalb der Agape ist außerhalb Gottes, der die Liebe (=Agape) ist. Dabei sollen wir Gott lieben von ganzem Herzen, mit ganzer Seele und ganzer Kraft (Dtn 6,5).  [...] Können wir hingebungsvoll mehrere gleichzeitig lieben? Die Erfahrung des Menschen spricht sicher dagegen, das ist keine Agape. Können wir mehrere Menschen so lieben, wie Gott uns liebt und das nicht auf Dauer angelegt, sondern absehbar oder potentiell als Teilzeitprojekt? Auch das ist nicht Agape.

 

Nun, das eine ist doch wohl eher ein Argument gegen Polyamorie. Und zum anderen: Ja, wenn eine Liebe nicht auf lebenslange Dauer angelegt ist, dann ist das offenbar keine Agape in dem Sinne, wie sie für die (kath.) Ehe als angemessen oder notwendig gilt. Daraus ergäbe sich aber nur dann ein Problem für nicht-eheliche sexuelle Partnerschaften, wenn man folgende Aussage für wahr hält:

 

"Jede sexuelle Beziehung muss stets jene Art von Agape beinhalten, welche einer ehelichen Beziehung angemessen ist."

 

Aber warum sollte das gelten? Dass der Christ jeden Menschen lieben soll, ist hier kein Argument - denn sicher wird auch von einem Christen nicht erwartet, dass er jedem Menschen eine spezifisch eheliche Agape mit lebenslanger sexuelle Treue usw. entgegenbringt. Auch vom Christen wird in Bezug auf die meisten seiner Mitmenschen Agape nur im Sinne einer allgemeinen Menschenliebe erwartet. Warum sollte eine solche Art der Menschenliebe - oder auch eine spezifischere Liebe - dann aber nicht für sexuellen Beziehungen "unterhalb" der Ehe genügen?

 

Dein Argument scheint auf der Voraussetzung aufzubauen, dass eine sexuelle Beziehung oder Begegnung immer nur dann statthaft sein kann, wenn sie eine "eheliche" Liebe beinhaltet, und dass Respekt, guter Wille oder selbst spezifischere Formen der Liebe nicht genügen - genau das aber wäre aber zu begründen. 

 

(Völlig unabhängig davon sei noch angemerkt, dass Du hier ein sehr romantisches Bild von der Ehe hast. Lange Zeit haben die Gatten allem Anschein nach weniger aus Liebe (sei es Eros oder Agape) als aus wirtschaftlichen Gründen geheiratet; oft gab es große Altersunterschiede; oft ist die Frau nach ein paar Jahren gestorben und wurde durch die nächste ersetzt; und die Idee, dass Sexualität Ausdruck von Liebe ist, ist jedenfalls für die Kirche ohnehin ziemlich neu.)

  

vor 11 Stunden schrieb rorro:

Soweit nur eine kleine und sicher nicht perfekte Darstellung.

 

Ich schätze es, auch wenn ich selbst anderer Meinung bin. 

Geschrieben
vor 40 Minuten schrieb Flo77:

Frag mal Rorro. Es gibt nur entweder man glaubt und tut alles oder halt nicht und wenn nicht ist es halt nicht Katholisch.

 

Dann frag doch mal mich bevor Du Behauptungen über mich in die Welt setzt.

Geschrieben
vor 5 Minuten schrieb iskander:

Ich schätze es, auch wenn ich selbst anderer Meinung bin. 

 

Ich teile auch Deine Beurteilung meiner kurzen Darstellung nicht, aber das ist okay. Daß wir nicht einer Meinung sind ist ja eh klar. Und auch zur Genüge debattiert. Dabei können wir es belassen.

Geschrieben
vor 11 Minuten schrieb Flo77:

Ich gehe fast jede Wette mit Dir ein, daß diejenigen, die diese ganz oder gar nicht Haltung vertreten diese Sicht der Kirche als Bürokratie überhaupt nicht nachvollziehen können.

 

Die frohe Botschaft ist der Christus. Das muss angenommen werden und geglaubt werden. Der richtige Glaube beruht nicht auf Verstehen, Kenntnis oder Wissen sondern allein auf dem Vertrauen in die Wahrhaftigkeit der kirchlichen Lehre. Du musst sie nicht kennen sondern glauben, daß die Kirche die Wahrheit lehrt. Was Du nicht kennst kannst Du nachlesen, aber in der Praxis musst du nur die Gebote der Kirche halten und dein Vertrauen in die Kirche und in das göttliche Erlösungswerk wird dir die Erfüllgung dieses Gesetzes erträglich machen. Du musst halt nur auch in die Heilmittel die die Kirche anbietet - wie die Beichte, das Altarsakrament, etc. vertrauen und sie nutzen.

 

Hast Du kein vollumfassendes Vertrauen in die Kirche, ihre Satzungen und Lehren, kann es nicht funktionieren. Insofern ist die äußere Übung und Präsentation der Moral ein äußeres Zeichen des inneren Glaubens.

 

Ich finde in den Worten Jesu eine Hochachtung des kindlichen Vertrauens und eine mindestens ausgeprägte Skepsis gegenüber „den Klugen und Weisen“.

 

Wer andere Maßstäbe anlegt, bitte.

Geschrieben
vor 9 Minuten schrieb iskander:

 

Und mal ehrlich: Was hat es denn mit der "Annahme" einer anderen Person zu tun, wenn man ihr das folgende sagt? "Es ist nicht gut, wenn wir jetzt ein Kind zeugen, aber es wäre gut, wenn wir jetzt Sex hätten; aber wir können keinen haben, denn Du bist jetzt gerade empfänglich, und wir dürfen in die biologische Natur nicht eingreifen." Hier wird das Faktisch-Biologische für unantastbar erklärt und zu einer ethischen Norm gemacht, die oberhalb personaler Werten steht.

 

Hierzu nochmals eine Anmerkung von Schockenhoff zum auf Aristoteles zurückgehenden Begriff des Naturrechts:

 

"Das, was dem Menschen naturgemäß ist, ist eine Existenzweise gemäß der Vernunft. Damit kann man nicht einfach von der Biologie her Vorschriften für die naturgemäße Lebensführung des Menschen machen."

 

Ob ein Eingriff in die biologische Natur moralisch erlaubt ist, hinge dann davon ab, ob er "vernunftgemäß" ist; also vor allem davon, ob sein Zweck und die zum Erreichen des Zwecks eingesetzten Mittel moralisch in Ordnung sind.

 

vor 1 Minute schrieb rorro:

Ich teile auch Deine Beurteilung meiner kurzen Darstellung nicht, aber das ist okay. Daß wir nicht einer Meinung sind ist ja eh klar. Und auch zur Genüge debattiert. Dabei können wir es belassen.

 

Ganz wie Du möchtest. (Falls Du meinst, dass ich Deine Darstellung bzw. Deine Argumentation missverstehe, könntest Du Deine zentralen Argumente andernfalls auch als Prämissen plus Konklusion aufschreiben.)

Geschrieben
vor 50 Minuten schrieb rorro:

 

Dann frag doch mal mich bevor Du Behauptungen über mich in die Welt setzt.

Das hast Du mir gestern so geschrieben.

 

Der Satz "das ist dann halt nur nicht katholisch" ist von Dir mittlerweile so oft gefallen, daß ich davon ausgehe, daß Du ihn auch ernst meinst.

Geschrieben
vor 1 Minute schrieb Flo77:

Der Satz "das ist dann halt nur nicht katholisch" ist von Dir mittlerweile so oft gefallen, daß ich davon ausgehe, daß Du ihn auch ernst meinst.

 

Das meine ich auch so - und bezeichnet eine Ansicht einer Person, die eine andere Überzeugung vertritt als die Kirche es in ihrer Lehre tut.

 

Das ist rein deskriptiv. Die Wertung haust Du da ständig rein.

 

Es ist zudem nur eine Beschreibung der Überzeugung einer Person, nicht die einer Person selbst.

Geschrieben (bearbeitet)
vor 1 Stunde schrieb rorro:

 

Ich finde in den Worten Jesu eine Hochachtung des kindlichen Vertrauens und eine mindestens ausgeprägte Skepsis gegenüber „den Klugen und Weisen“.

In den Worten Jesu(sic! nicht Christi...) geht es um das Vertrauen in den Vater und die Skepsis gegenüber dem Establishment.

 

Genau in diesen Tugenden übe ich mich, gebe mein Leben komplett in die Hand des Vaters und traue denen, die das Joch schwer machen und die Pforte zum Himmel noch enger mauern als sie ohnehin schon ist, nicht über den Weg.

 

(Wobei ich diese Opposition zwischen Pharisäern und Jesus eh für - ach was soll's.)

 

vor 1 Stunde schrieb rorro:

Wer andere Maßstäbe anlegt, bitte.

Und wieder. Andere Maßstäbe = nicht katholisch.

bearbeitet von Flo77
Geschrieben
54 minutes ago, Flo77 said:

Hast Du kein vollumfassendes Vertrauen in die Kirche, ihre Satzungen und Lehren, kann es nicht funktionieren. Insofern ist die äußere Übung und Präsentation der Moral ein äußeres Zeichen des inneren Glaubens.


Nur genießt die Kirche aufgrund ihres früheren Machtmissbrauchs auch unter den Gläubigen kein Vertrauen mehr. Deshalb erscheint mir dieses Bestehen auf dem „Wahrheits- und Alleinvertretungsanspruch“ so paranoid und erinnert mich an Erich Honecker und die Seinen; die haben die Welt auch nicht mehr verstanden, als ihre Macht zusammenbrach. Eine Kirche, die sich „Glaubwürdigkeit“ rein institutionell-doktrinär zusammenfantasieren wollte, wäre nun mal keine überzeugende Botschafterin Christi mehr.

Wie das Paradox „Glauben ohne Glaubwürdigkeit“ funktionieren soll, dafür habe ich bisher noch keine Erklärung hier gelesen.

Geschrieben
vor 6 Minuten schrieb rorro:

 

Das meine ich auch so - und bezeichnet eine Ansicht einer Person, die eine andere Überzeugung vertritt als die Kirche es in ihrer Lehre tut.

 

Das ist rein deskriptiv. Die Wertung haust Du da ständig rein.

 

Es ist zudem nur eine Beschreibung der Überzeugung einer Person, nicht die einer Person selbst.

Wo bitte war in meinem Posting eine Wertung?

 

Jemand mit nicht-katholischer Überzeugung kann auch als Person wohl kaum Katholisch sein, oder?

Geschrieben (bearbeitet)
vor 5 Stunden schrieb Flo77:

Ich denke, das ganze Thema ist weitaus komplexer als es eine Studie abzubilden vermag.

 

Sicher. Aber bei den Studien ging es ja auch um weniger als um das, was Du im Rest Deine Beitrags beschreibst, sondern um spezifischere Fragen.

 

vor 5 Stunden schrieb Flo77:

Überzeugte Mitglieder einer High-Demand-Religion profitieren in der Regel emotional/psychisch gerade von diesen hohen Schwellen, die die eigene Gruppe gegen andere abgrenzen bzw. über andere erheben. Problematisch wird das eher für Mitglieder, die qua Geburt oder unfreiwillig in die Gemeinschaft gekommen sind und die nicht den Überzeugungsgrad eines Konvertiten erreichen. Hängt natürlich immer auch von der Verkündigung bzw. Ausbildung ab.

 

Es gibt sicher solch eine Art des psychischen "Profitierens". Gerade bezogen auf die Sexuallehre lautet meine "Theorie" - plakativ und vereinfacht ausgedrückt - wie folgt: Abgesehen von denjenigen, die aus unterschiedlichen Gründen tatsächlich gut mit der Norm zurechtkommen und ihr gemäß leben, gibt es im Wesentlichen drei weitere Gruppen:

 

- Diejenigen, die entsprechende Moral sehr ernst nehmen und schwere Schuldgefühle entwickeln, wenn sie ihr nicht gerecht werden. Diese Leute profitieren vermutlich kaum von den "high demands" ihrer Glaubensrichtung (womöglich aber durchaus von anderen Elementen).

 

- Diejenigen, die die entsprechende Moral "im Prinzip" anerkennen, aber bei ihrer Übertretung kein extrem schlechtes Gewissen und erst recht keine Höllenängste haben. Ich denke hier an solche Leute, die die Lehre eben einfach deshalb akzeptieren, weil es die Lehre ist. Inwieweit diese Leute psychisch von den "hohen Ansprüchen" profitieren, sei dahingestellt - vermutlich kommt es hier auf den Einzelfall an.

 

- Diejenigen, die zwar fest an strengen Moral festhalten, sie in der Praxis aber kaum ernst nehmen - und falls sie denn überhaupt ein schlechtes Gewissen haben, dieses gut dadurch in den Griff bekommen, dass sie die Moral predigen und mit dem Finger auf andere zeigen.

 

Die letztere Gruppe ist besonders interessant. Hier denke ich beispielsweise an viele prominente Geistliche aus dem evangelikalen Spektrum der USA, die erwischt wurden, wie sie gegen ihre Normen verstoßen (Ehebruch mit Frauen, homosexuelle Affären mit Callboys etc.). (Oft scheinen ihre Glaubensbrüder übrigens einiges Verständnis zu haben und die Schuld vor allem bei den Frauen zu sehen, die ihren Männern sexuell nicht willfährig genug gewesen seien.)

 

Diese Leute dürften - zumindest in einem gewissen Sinne - oftmals von der strengen Moral profitieren. Sie können sich gut fühlen, weil sie einer so rigiden Moral anhängen; sie können sich über andere moralisch erheben, die gegen diese verstoßen; und gleichzeitig können sie in der Praxis ihr Leben leben, ohne auf ihre eigene Moral Rücksicht zu nehmen. Diese Leute sind offenbar bequem in der Lage, eine innere Spaltung zu vollziehen, die es ihnen erlaubt, mit solchen Widersprüchen gut zurechtzukommen. 

 

Wir können statt an Evangelikale und andere hier aber auch genauso gut an die kath. Kirche denken: Wenn man den umfangreichen Recherchen von F. Martel (und ähnlichen Berichten) Glauben schenken darf, gibt es wie schon mehrfach erwähnt zahlreiche hochrangige Prälaten im Vatikan, die homosexuell leben, gleichzeitig aber strikt an der kath. Sexualmoral festhalten und alle (anderen) Leute, die Homosexualität praktizieren, der Sünde zeihen.

 

Ein besonders eindrückliches Beispiel liefert Alfonso Kardinal López Trujillo, unter JPII ein sehr mächtiger Kirchenmann, welcher mitunter als "Papst Südamerikas" bezeichnet wurde und beim Konklave von 2005 sogar als "papabile" galt. Trujillo war der Präsident des Päpstlichen Rates für die Familien, und er galt als besonders konservativ: Laut New York Times war er "the Vatican's leading voice in defense of traditional family values". Verhütung und Homosexualität lehnte er natürlich strikt ab Homosexuelle sind zur (offenbar lebenslangen) Keuschheit berufen. 

 

Nach den Darstellungen von Martel (Sodom), der sich hier auf zahlreiche Quellen beruft, pflegte er aber selbst ein reiches homosexuelles Leben - er lebte mit Liebhabern zusammen und "beglückte" beispielsweise viele junge Seminaristen, deren Abhängigkeit er ausgenutzt habe. Martel sagt, dass dies alles auch allgemein bekannt gewesen sei (ich zitiere hier nur auszugsweise - er gibt noch mehr Belege an):

 

"Kardinal Alfonso López Trujillos Homosexualität ist ein offenes Geheimnis, von dem mir Dutzende von Zeugen erzählt und das mehrere Kardinäle mir persönlich bestätigt haben. Sein »Pansexualismus«, um das Wort aus seinem Lexikon zu verwenden, ist in Medellín, Bogotá, Madrid und Rom bestens bekannt. Dieser Mann war ein Experte für den Spagat zwischen Theorie und Praxis, zwischen Geist und Körper, ein unübertroffener Meister der Heuchelei [...]. Der venezolanische Hochschullehrer Rafael Luciani gibt an, Alfonso López Trujillos krankhafte Homosexualität sei »bei den lateinamerikanischen Kirchenbehörden und bestimmten Führungsfiguren der CELAM wohlbekannt gewesen«. Dazu sei auch ein Buch in Vorbereitung, in dem mehrere Priester das Doppelleben und die sexuelle Gewalt von Kardinal López Trujillo darstellen. Und Morgain, der Seminarist und Ex-Assistent von López Trujillo, nennt mir die Namen von mehreren Anwerbern und Geliebten – viele von ihnen mussten dem Erzbischof zu Diensten sein, um nicht ihre Karriere zu gefährden. [...]

Abgesehen von diesem zügellosen Leben, diesem »Flirt mit dem Feuer«, berichten Zeugen auch von López Trujillos Gewalttätigkeit, seinem verbalen und physischen Missbrauch von Seminaristen. »Er beschimpfte sie, demütigte sie«, ergänzt Alvaro Léon. Alle Quellen weisen darauf hin, dass der Kardinal seine Homosexualität nicht in Frieden auslebte wie die meisten seiner Kollegen in Rom. Für ihn war es eine Perversion, tief verwurzelt in der Sünde, die er durch physische Gewalt exorzierte. [...] Auch Stricher hatte der Erzbischof am laufenden Band: Seine Bereitwilligkeit, für Körper zu bezahlen, war in Medellín weithin bekannt.

»López Trujillo schlug die Prostituierten, das war seine Einstellung zur Sexualität. Er bezahlte sie, aber sie mussten dafür seine Prügel einstecken. Und zwar immer am am Schluss, nicht während des Akts. Aus reinem Sadismus schlug er sie nach dem Geschlechtsverkehr«, versichert Alvaro Léon."

 

Auch wenn das Beispiel selbst für vatikanische Verhältnisse extrem ist, wird hier m.E. hier ein entscheidender Grund für die psychologischen Vorteile von High-Demand-Religionen dieser Art: Es  gibt - gerade in einflussreichen Positionen - scheinbar viele Leute, die mit den strengen moralischen Anforderungen sehr gut klarkommen; und zwar oft einfach deshalb, weil sie überhaupt nicht nach den entsprechenden Normen leben, sondern sich damit begnügen, diese zu predigen und ihre Einhaltung von anderen einzufordern. Diese Leute mögen dann von den strengen Normen wie gesagt sogar psychologisch profitieren. 

 

Wie glücklich jemand in einer High-Demand-Religion ist, hängt im Fall vieler (nicht aller!) Menschen vermutlich eben auch von seiner Fähigkeit zur inneren Spaltung und Doppelmoral ab. Gäbe es nur solche Menschen, die umfangreiche (sexuelle) Verbots-Normen absolut ernst nehmen und schlimme Schuldgefühle bei jedem Verstoß gegen sie haben, so wären High-Demand-Gemeinschaften mit einer entsprechenden Ethik vermutlich deutlich weniger attraktiv und erfolgreich. 

bearbeitet von iskander
Geschrieben (bearbeitet)
vor einer Stunde schrieb Flo77:

Wo bitte war in meinem Posting eine Wertung?

 

Deine Aufregung ist es.

 

vor einer Stunde schrieb Flo77:

Jemand mit nicht-katholischer Überzeugung kann auch als Person wohl kaum Katholisch sein, oder?

 

Das kann ich nicht beurteilen und steht mir auch nicht zu. Wenn jemand getauft ist, dann ist die Person katholisch, solange er/sie das möchte (bei Apostaten zu anderen Religionen ist das wohl nicht anzunehmen). Getauft werden Menschen und nicht Meinungen. Ob eine Meinung - mal im Zertifierungsjargon der Industrie gesprochen - eine "Nebenabweichung" ist oder ein "Hauptabweichung" ist, also die Bewertung davon, ist nicht mein Job. Eine Abweichung als solche zu benennen ist ja erst einmal nicht tragisch.

bearbeitet von rorro
Geschrieben (bearbeitet)

Noch ein kleiner Nachtrag zu meinem letzten Beitrag: Ein konservativer Katholik wird das Verhalten, das ich beschrieben habe, zwar als heuchlerisch verurteilen. Er wird die Missstände sind immer auf das Versagen Einzelner zurückzuführen und es vorwiegend durch moralische Appelle zu lösen versuchen, die den Einzelnen zur Reue und Umkehr bewegen sollen.

 

Dass man es hier mit einem Problem zu tun haben könnte, das systemischer Natur ist und womöglich auch nur durch systemische Veränderungen einer Lösung nähergebracht werden könnte, ist offenbar ein Gedanke, der für den konservativen Katholiken schlichtweg undenkbar ist.  

bearbeitet von iskander
Geschrieben
vor 2 Stunden schrieb Shubashi:


Nur ist das eben ein bürokratisch-sektiererisches System, aber kein Evangelium mehr. Das Evangelium kennt vor allem zwei Gebote, die Liebe zu Gott und den Menschen, nicht aber den Katechismus. Wer aber vor allem die Bücher- und Regelwerke in den Vordergrund stellt, und so die einfache Botschaft Jesu hinter einem theologischen Betonwall versteckt, macht meiner Meinung nach zwei große Fehler:

1. Die gute Botschaft wird unzugänglich

2. Es wird nichts verbessert, weil die Bürokratie v.a. den Machtmissbrauch und Heuchelei fördert, nicht aber Moral und Glauben.

 

Deine Beiträge sind aber auch ganz schön monothematisch geworden. Ständig haust du irgendwelche protestantischen Ressentiments gegen die Römisch-Katholischen raus. Warum? Willst du mit Nachdruck  bestätigen, dass Protestanten wie du keinen Zugang zum römisch-katholischen Glauben haben und genau deshalb Protestanten sind. Aber das wissen doch schon alle ... oder sollten es wissen. Willst du Römisch-Katholische zum Protestantismus bekehren?

Deine Ressentiments sind allesamt objektiv unbegründbar und du kannst sie nur mit deinem subjektiven Empfinden "begründen". Täuschen sich die 1,4 Milliarden Römisch-Katholischen auf der Welt, weil du da irgendwelche subjektiv-emotionalen Abneigungen hast?

 

Die Leute die deine Beiträge liken sind immer die gleichen: Leute die sowieso nicht glauben. Das sollte dir zu denken geben.

Geschrieben
vor 3 Stunden schrieb Flo77:

Frag mal Rorro. Es gibt nur entweder man glaubt und tut alles oder halt nicht und wenn nicht ist es halt nicht Katholisch.

Na und?

 

Der "Mittelweg" ist auch nicht katholisch. Aber natürlich gibt es ihn. Und ein Katholik, der sich entscheidet, diesen Weg zu gehen, ish immer noch ein Katholik.

 

Niemand spricht jemandem das Katholisch-Sein ab, wenn er sagt, dass eine bestimmte Ansicht zu einem bestimmten Thema nicht katholisch ist.

 

Deswegen verstehe ich das Problem nicht. 

Geschrieben
vor 20 Minuten schrieb Kara:

Niemand spricht jemandem das Katholisch-Sein ab, wenn er sagt, dass eine bestimmte Ansicht zu einem bestimmten Thema nicht katholisch ist.

DAS halte ich für eine äußerst gewagte These.

 

Im Sinne der ganz-oder-gar-nicht-Haltung, ist natürlich jemand, der keine Katholische Überzeugung hat auch nicht als Person Katholisch. Wie soll das  anders gehen?

Geschrieben
vor 2 Minuten schrieb Flo77:

DAS halte ich für eine äußerst gewagte These.

Ja, du hast Recht...

 

vor 36 Minuten schrieb SteRo:

Protestanten wie du

...

 

Aber zumindest tut @rorro das nicht (hat er ja weiter oben auch nochmal erklärt), und dem hast du es ja vorgeworfen.

 

vor 5 Minuten schrieb Flo77:

Im Sinne der ganz-oder-gar-nicht-Haltung, ist natürlich jemand, der keine Katholische Überzeugung hat auch nicht als Person Katholisch. Wie soll das  anders gehen?

Dazu hat @rorro ja auch was gesagt.

Geschrieben
vor 10 Stunden schrieb rorro:

Die Kirche sieht sich

Das ist der Hauptgrund, warum ich mich immer noch als Christ, ja sogar als katholischen Christ sehe, aber mit „der Kirche“ immer weniger anfangen kann.

Kirche ist für mich die Gemeinschaft der Gläubigen, nicht irgendwelche Behörden mit einer Art König an der Spitze, die sich ausdenken und beschließen, was als „die Wahrheit“ zu gelten habe

 

Werner

Geschrieben
vor 21 Stunden schrieb iskander:

Das ist potentiell auch ein Problem - aber nicht das Problem, um das es mir ging. Es ging mir hier darum, dass konservative Katholiken oft vor einer uns allen zugängliche Wirklichkeit die Augen zumachen. 

Du siehst es doch hier: Die Wirklichkeit ist für Vertreter dieser Position nicht der Mensch, wie er ist, sondern ihr Menschenbild. Das ist auch die Beurteilungsgrundlage für ihre Moralvorstellungen. Wenn dieses Menschenbild von der Realität abweicht ist das nicht etwa Pech für die Kirche, sondern für die Menschen. Die sind dem "hohen Anspruch" ihres Menschenbildes nicht gerecht geworden. Es geht für dieses Menschenbild offenbar nicht an, die Wirklichkeit, wie sie ist, einfach zu akzeptieren, sondern um Umkehr und Nachfolge, d.h. Anpassung an das Menschenbild. 

Geschrieben (bearbeitet)
vor einer Stunde schrieb Kara:

Aber zumindest tut @rorro das nicht (hat er ja weiter oben auch nochmal erklärt), und dem hast du [@Flo77] es ja vorgeworfen.

 

Allerdings sagt rorro, dass es dem Katholiken (moralisch) nicht frei steht, die Morallehre der Kirche abzulehnen:

 

"Oder willst du allen Ernstes behaupten, es stünde jedem Katholiken frei, in moralischen Fragen seine eigenen Entscheidungen innerhalb der Kirchenlehre zu treffen? Für Kinderarbeit, für Sklaverei, für wasweißich? Echt jetzt?"

 

Ob es den Katholiken früherer Zeiten dann frei gestanden ist, gegen Sklaverei und religiösen Zwang zu sein und als Träger der staatlichen Macht gegen entsprechende päpstliche Weisungen die Verfolgung von Häretikern zu verweigern: Diese Frage hat indes noch kein konservativer Katholik beantwortet.

 

Der Grund ist offensichtlich: Ein "nein" wäre sehr peinlich und erscheint als unannehmbar, ein "ja" aber würde implizieren, dass eine unbedingten kath. Gehorsamspflicht unhaltbar ist. Letzteres ist für manche konservativen Katholiken aber offenbar unannehmbar, da sie an dieser unbedingten Gehorsamspflicht auf jeden Fall festhalten wollen. Und so steckt man seinen Kopf in den Sand: Man meint das Problem zum Verschwinden zu bringen, indem man einfach so tut, als würde es nicht existieren, und indem man jene Fragen, die das Problem offensichtlich machen würden, unbeantwortet lässt. Man muss nur fest die Augen schließen und die Aporie verschwindet.  

 

Das ist übrigens eine Strategie, die man bei konservativen Katholiken sehr oft findet. Die Erklärung hingegen, dass das Beantworten von Fragen, das in ein paar Sekunden erfolgen könnte, zu viel Zeit in Anspruch nähme, ist eine offensichtliche Schutzbehauptung.

 

bearbeitet von iskander
Geschrieben
vor 16 Stunden schrieb rorro:

Soweit nur eine kleine und sicher nicht perfekte Darstellung.

Das ist tatsächlich ergiebiger als der übliche Hickhack.  Nach meiner Wahrnehmung beinhaltet die von dir genannte Aussage aber auch: Ich sehe den Partner so, wie das Lehramt will, dass ich ihn sehe. Nicht etwa unvoreingenommen, nicht entsprechend dem, was ich selbst wahrnehme, nicht entsprechend dem, was in der Situation angebracht wäre, nein, das Lehramt steht immer an erster Stelle. Die Person, der man begegnet, wirkt für mich dabei nur wie ein Statist, der ein Menschenbild repräsentiert.   

Geschrieben (bearbeitet)
vor 30 Minuten schrieb Merkur:

Du siehst es doch hier: Die Wirklichkeit ist für Vertreter dieser Position nicht der Mensch, wie er ist, sondern ihr Menschenbild. Das ist auch die Beurteilungsgrundlage für ihre Moralvorstellungen. Wenn dieses Menschenbild von der Realität abweicht ist das nicht etwa Pech für die Kirche, sondern für die Menschen. Die sind dem "hohen Anspruch" ihres Menschenbildes nicht gerecht geworden. Es geht für dieses Menschenbild offenbar nicht an, die Wirklichkeit, wie sie ist, einfach zu akzeptieren, sondern um Umkehr und Nachfolge, d.h. Anpassung an das Menschenbild. 

 

Das ist wieder ein anderer Punkt: Ein (bestimmtes) Ideal vs. die faktische Wirklichkeit.

 

Man kann natürlich - soweit es um das menschliche Verhalten geht - die faktische Realität ablehnen und sich wünschen, dass sie einem Ideal Platz macht. Hier nimmt man die Wirklichkeit allerdings durchaus zur Kenntnis, auch wenn man sie kritisch beurteilt. Etwas anderes ist es hingegen, wenn man die schiere Existenz von Tatsachen und logische Zusammenhängen, die einem nicht passen, einfach ignoriert.

 

Siehe meinen letzten Beitrag:

- Entweder kann es innerhalb der Kirche in moralischen Fragen grundsätzlich legitimen Dissens geben - dann haben sich diejenigen Katholiken, die Sklaverei und religiösen Zwang abgelehnt haben, womöglich pflichtkonform verhalten.

- Oder es kann keinen legitimen Dissens geben, und der Katholik hat stets der Kirche zu folgen - dann haben aber diejenigen, die gegen Sklaverei und religiöse Verfolgung waren, gegen ihre kath. Pflicht, ihr Gewissen an der kirchlichen Lehre auszurichten, verstoßen.

 

Wenn man solche Dinge nicht zugibt, weil man einerseits unbedingt an einer absoluten kath. Gehorsamspflicht festhalten will, andererseits aber nicht die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen ziehen will, dann geht es nicht darum, dass man das Faktische kritisiert und ihm ein vermeintlich höheres Ideal entgegensetzt. Es geht hier - und an vielen anderen Stellen - darum, zielgerichtet seine Augen vor bestimmten Aspekten der Wirklichkeit, die das eigene Weltbild herausfordern, zu verschließen. 

 

bearbeitet von iskander
Geschrieben

Wenn ich diese Diskussion verfolge, verstehe ich genau, warum Hubert Wolf im Untertitel seiner Biografie Pius IX, die ich gerade lese, von der „Erfindung des Katholizismus im 19. Jahrhundert“ schreibt.

 

Das, was hier von einigen Rechtgläubigen als „Katholizismus“ vertreten wird ( im Sinne von „das oder der ist katholisch, jenes oder die sind es nicht“) ist tatsächlich ein Produkt des 19. Jahrhunderts. 
Viele Jahrhunderte verstand man darunter etwas ganz anderes, und so ist es auch ins Credo gekommen. Es war das Christentum, eine Religion.

Im 19. Jahrhundert ist die katholische Konfession entstanden, und in diesem Sinne kann man dann eben sagen „dies ist katholisch, das nicht“.

Ich habe lange nicht verstanden, wenn orientalische Christen fragten “wieso sprecht ihr immer von ‘der Kirche’ wie von einer Organisation oder Behörde?”

 

Inzwischen verstehe ich es. Es handelt sich dabei um die Im 19. Jahrhundert entstandene Wahrheits-Definitions- und -Erfindungsbehörde, die sich „römisch-katholische Kirche“ nennt.

 

Ich fühle mich mehr der katholischen Kirche aus dem Credo zugehörig, wie alle Christen, mag die römische Behörde Wahrheiten erklären wie sie will

 

Werner

Geschrieben
vor 1 Stunde schrieb iskander:

Noch ein kleiner Nachtrag zu meinem letzten Beitrag: Ein konservativer Katholik wird das Verhalten, das ich beschrieben habe, zwar als heuchlerisch verurteilen. Er wird die Missstände sind immer auf das Versagen Einzelner zurückzuführen und es vorwiegend durch moralische Appelle zu lösen versuchen, die den Einzelnen zur Reue und Umkehr bewegen sollen.

 

Dass man es hier mit einem Problem zu tun haben könnte, das systemischer Natur ist und womöglich auch nur durch systemische Veränderungen einer Lösung nähergebracht werden könnte, ist offenbar ein Gedanke, der für den konservativen Katholiken schlichtweg undenkbar ist.  

 

Nein, das ist nicht der entscheidende Punkt.

 

Es geht darum, daß abgesehen von vielleicht ganz ganz wenigen Begnadeten die allermeisten Menschen dem Anspruch nicht genügen, den Jesus an uns stellt (Vollkommenheit).

 

(Was gar nicht weiter schlimm ist, doch das wird oftmals unterschlagen)

 

Dennoch ist es Aufgabe der Kirche, diesen hohen Anspruch zu verkünden - wohlwissend, daß auch die Verkünder selbst zu den geliebten Versagern gehören.

 

Glaub mir, es wäre auch für sehr viele Kirchenleute einfacher, eine Komfortvariante zu predigen. 

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