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Pensées et Regards sur....


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Geschrieben
35 minutes ago, Merkur said:

Dagegen kann niemand etwas einzuwenden haben. Ich zumindest nicht. Fraglich ist für mich nur, welche allgemeingültigen (oder zumindest auch außerhalb der Religion gültigen)  Erkenntnisse man sich von der Religion erhoffen könnte. 

 

Erkenntnisse keine.

 

Für mich verdichten sich in der Religion "Dinge", die ohnehin da sind und die man auch säkular beschreiben kann.

 

Und diese Verdichtung ist für mich ein Wert an sich.

 

Ein solches Religionsverständnis setzt voraus, dass Ethik und unser Wissen über die Welt Kriterien für Religion sind und nicht umgekehrt.

 

Es handelt sich quasi um ein "nachmetaphysisches" (in Anlehnung an @Cosifantutti ) Religionsverständnis.

 

Exakter: Um eine Religiösität ohne die Notwendigkeit eines Glaubens an eine religiöse Metaphysik.

Geschrieben
20 minutes ago, Marcellinus said:

 

Und das Gleiche gilt für die Philosophie. Auch sie mag Erkenntnisse hervorbringen, aber keine, die außerhalb der Philosophie Bedeutung haben. Aber während die Religionen, zumindest in unseren Breiten mittlerweile zugeben, daß ihre Erkenntnisse nur für die Verbindlichkeit besitzen, die ihren Glauben teilen (auch wenn sie allgemeine Gültigkeit wohl weiterhin in Anspruch nehmen), so gehen Philosophen davon aus, daß ihre "Wahrheiten" allgemeine Gültigkeit und Verbindlichkeit besitzen, auch für die, die ihren Glauben an die Philosophie nicht teilen. 

 

 

Was erstaunlich ist, wenn man bedenkt, dass den Philosophen die Relativität ihres eigenen Denkens teilweise ja quasi ins Gesicht springt.

 

Ein gutes Beispiel ist das philosophische Induktionsproblem, über das wir hier im Forum ja auch schon ausgiebig diskutiert haben.

 

@iskander scheint darin einen Beweis für die Notwendigkeit der "reinen Vernunft" zu sehen, sprich der seiner Philosophie.

 

Ich hingegen sehe darin eine natürliche Grenze des philosophischen Begründungsdenkens.

 

Nun könnte Iskander einwenden, diese Wertung sei selbst eine Form der Philosophie und das ist durchaus korrekt.

 

Nur ist es eben eine Philosophie, die die Philosophie, oder zumindest Teile davon, stark relativiert.

 

Ich nenne es "Minimalphilosophie" 🙂

Geschrieben
vor 21 Stunden schrieb Weihrauch:

Die Naturwissenschaft kann die Frage, ob es JHWH gibt und ob es sinnvoll ist, im Tiere zu opfern, genau so wenig adressieren, wie die Frage, ob es Ganesha gibt und ob es sinnvoll ist, ihm Milch zu opfern.

"Wenn man nicht gerade auf einer wörtlichen Interpretation der Purana beharrt, wird eine Harmonisierung von Vernunft und Glaube wohl durchaus möglich sein." Warum nicht auch dort, wenn es im Buch Genesis durchaus möglich ist. Hinduismus ist bloß ein anderer Glaube.

 

Sicher: Aus einer neutralen Perspektive sind sehr viele religiöse Vorstellungen prinzipiell mit der Wissenschaft vereinbar, einfach, weil sie Dinge beschreiben, die jenseits einer wissenschaftlichen Prüfung liegen. Die Frage, ob es vernünftig ist, eine bestimmte Vorstellung zu akzeptieren, und wenn in welchem Sinne, und wenn welche, ist natürlich eine ganz andere Frage. 

Ich wollte hier gar nicht etwas Weitreichendes implizieren, sondern nur auf @KevinFs Anmerkungen zur Vereinbarkeit von Religion und Wissenschaft etwas sagen. Wobei er das allerdings - es hat das ja dann beschrieben - ohnehin so gemeint hat, dass meine Anmerkung wahrscheinlich gar nicht nötig gewesen wäre.

Geschrieben
vor 15 Minuten schrieb KevinF:

Ein gutes Beispiel ist das philosophische Induktionsproblem, über das wir hier im Forum ja auch schon ausgiebig diskutiert haben.

 

Man könnte es auch ein abschreckendes Beispiel nennen. @iskander mahnt Antworten auf Fragen an, die aus seiner Sicht unbeantwortet geblieben sind, übrigens nicht nur uns gegenüber, sondern gegenüber anderen auch. Die entscheidende Frage aber, sozusagen der große unsichtbare Elefant im Raum, ist doch, warum wir seine Philosophie bedeutsam finden sollten.

 

Ich hab schon eine Menge Philosophen gelesen, aber eigentlich alle geben zu, daß Philosophie charakterisiert wird durch eine bestimmte Art, Fragen, zu stellen, und die Erkenntnis, daß es Fragen sind, auf die es vermutlich nie eine abschließende Antwort geben wird, und wenn doch, dann von jedem Philosophen eine andere. Es ist eine bestimmte Art eines existenziellen Spiels um existenzielle Fragen, das nicht jedem liegt.

 

Was es dagegen schon längst nicht mehr ist, ist eine Art Gedankenkontrollbehörde, die anderen vorschreiben kann, wie sie in ihren Fachgebieten zu arbeiten haben. Das scheint mir eher eine Philosophie für Arme zu sein. Dafür ist dieser Anspruch einfach schon zu oft gescheitert. 

 

Daraus ziehe ich für mich den Schluß, daß, wie es keine außerreligiösen Gründe für Religion gibt, es auch keine außerphilosophischen Gründe gibt für Philosophie. Man mag sie betreiben, wenn man Spaß daran hat, aber man sollte sie nicht anderen aufdrängen wollen. 

Geschrieben
vor 9 Minuten schrieb KevinF:

Nur ist es eben eine Philosophie, die die Philosophie, oder zumindest Teile davon, stark relativiert.

 

Ich nenne es "Minimalphilosophie" 🙂

 

Du siehst aber immerhin, wo das Problem liegt: Wenn wir zehntausend schwarze Raben sehen, dann nehmen wir an, dass auch der nächste schwarz sein wird, obwohl wir den nächsten Raben noch nicht gesehen haben und daher unsere diesbezügliche Überzeugung nicht einfach "unmittelbar" auf unsere Sinneswahrnehmung stützen können. Wir schließen hier vielmehr von unserer Erfahrung auf die Zukunft, wobei wir - damit der Schluss gültig ist -, eine Prämisse im Sinne von "Was bisher immer so war, wird vermutlich auch das nächste mal so sein" benötigen. 

Und da wir diese Prämisse nicht zirkelfrei einfach direkt aus der Erfahrung ableiten kann, wir diese Prämisse aber brauchen, wenn wir wirklich etwas über den nächsten Raben wissen wollen, stellt sich die Frage: Wie kann man diese Prämisse begründen, falls man sie denn begründen kann?

 

Wenn ich Dich richtig verstehe, würdest Du bei dieser Problemanalyse grundsätzlich zustimmen, auch wenn Deine Lösung eine andere ist. (Vielleicht hat die Differenz damit zu tun, dass ich daran festhalte, dass wir tatsächlich - wenn auch nicht zweifelsfrei - wissen können, dass der nächste Rabe schwarz sein wird, während Du diese Annahme aufzugeben bereit bist?)

 

Wenn ich hingegen @Marcellinus richtig verstehe, anerkennt er nicht, dass hier überhaupt eine - zumindest theoretische - Frage auftaucht. Falls ich in richtig verstehe, ist er zwar so wie ich der Meinung, dass wir wissen können, dass der nächste Rabe wahrscheinlich schwarz sein wird; doch scheint er das Induktions-Problem aber überhaupt nicht als Problem zu betrachten. Vielmehr scheint er zu glauben, dass wir einfach auf Grundlage der Erfahrung (irgendwie?) das Wissen über den nächsten Raben haben. (Falls ich ihn diesbezüglich missverstehe, bitte ich natürlich um Entschuldigung!)

 

Was eine Minimalphilosophie angeht, die die Philosophie oder teile von ihr relativiert, so findet man diese zur Genüge ja auch in der Philosophie selbst. Bei @Marcellinusverhält es sich aber aus meiner Sicht weniger so, dass er sich mit einer "Minimalphilosophie" begnügt, sondern dass er durchaus in einem erheblichen Umfang zu Fragen Stellung nimmt, die man üblicherweise als "philosophisch" betrachten würde. Der relevante Punkt ist aber der, dass er überzeugt ist, dass das, was er sagt, einfach (empirische) Soziologie sei und nichts mit "Philosophie" zu tun habe.

Das ist aber eben etwas, was ich bisher nicht verstanden habe, denn ich sehe keine soziologischen, geschweige denn soziologisch-empirischen Forschungen aufgelistet, die seine Thesen belegen oder auch nur adressieren würden. 

Geschrieben (bearbeitet)
23 minutes ago, iskander said:

Wenn ich Dich richtig verstehe, würdest Du bei dieser Problemanalyse grundsätzlich zustimmen, auch wenn Deine Lösung eine andere ist.

 

Bei den Raben sehe ich gar kein Problem (und ich nehme an, gerade dieses Beispiel dürfte bei @Marcellinus eher ein Kopfschütteln auslösen), weil man das Induktionsproblem imo reduzieren kann auf die Frage nach der Begründbarkeit der Annahme von grundlegenden Invarianzen in der Natur.

 

Hier haben wir es mit einem Trilemma zu tun:

 

Deduktiv ist eine Begründung nicht möglich, dies wäre ein logischer Fehler, via Erfahrung ist eine Begründung auch nicht möglich, dies wäre ein Zirkelschluss.

Schließlich scheint man auch nicht auf eine Begründung verzichten zu können, weil dann all unser empirisches Wissen zu einem reinen Glauben werden würde gemäß philosophischem Begründungsdenken.

 

Da dies offensichtlich Kokolores ist, ist meine Lösung:

 

Das philosophische Begründungsdenken hat hier eine natürliche Grenze erreicht, wir behalten unsere Grundannahme und unser Wissen bleibt Wissen, weil Wissen in der Alltagssprache eben so definiert ist, egal, was die entsprechenden Vertreter der Philosophie davon halten 😉

 

bearbeitet von KevinF
Geschrieben
vor 23 Stunden schrieb Frey:

Deine Überlegungen sind klug, aber ich sehe mich nicht als Verteidiger einer Position, die sich vor jedem Argument verschließt, auch wenn ich eine Position habe, in die ich hineingeboren wurde und mit der ich aufgewachsen bin.

 

Positionen verschließen sich nicht vor jedem Argument, sondern manche Menschen, die irgendwelche Positionen eingenommen haben, und unbedingt auf ihnen beharren wollen. Ich orientiere mich an den Menschen, nicht an Institutionen, Ämtern oder Autoritäten. Die Kirche hat keine Position, die Kirche kann gar nichts machen. Ich meine das jetzt nicht böse. Biblisch gesprochen ist sie ein toter, von Menschenhand gemachter Götze, aus Immobilien und jeder Menge beschriebenem Papier. Papier ist geduldig. Lebende Katholiken machen etwas, machen das, was sie können, Gutes und Schlechtes und sie tragen für ihr Tun die Verantwortung. Sie können sich nicht hinter der Kirche verstecken.

 

Die Einheit der Kirche ist ein Mythos, der ablenken soll, von den sich um die Macht streitenden Katholiken, und das zu allen Zeiten. Es ist aber auch eine Erzählung davon, wie Menschen an einem Gottesbild weitergearbeitet haben. Schade nur, dass sie mit ihrem Gottesbild ziemlich fertig geworden sind, und nur noch minimale Korrekturen daran vornehmen können.

 

Die Kirche hat keine institutionellen Strukturen die Missbrauch begünstigen. Es sind Menschen, deren Denken und Handeln Missbrauch begünstigen, es geht um die Strukturen in ihren Köpfen. Wenn diese sich auf die Tradition der Kirche berufen, dann um Verantwortung von sich abzuwälzen. Wenn sie sich auf Autorität und Gehorsam berufen, dann um Verantwortung von sich abzuwälzen. "Unsere Autorität kommt von Gott. Wir sind Gott zu Gehorsam verpflichtet. Deus vult."

 

Die Besonderheit des autoritären Charaktertypus, seine Art zu denken und zu handeln, haben Erich Fromm, Hannah Arendt und andere auf den Punkt gebracht. Auch Kant mit seiner Antwort auf die Frage: Was ist Aufklärung? schlägt in dieselbe Kerbe: "Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen."

 

vor 23 Stunden schrieb Frey:

Du sprichst von der Existenz Gottes als „unverhandelbarem Faktum“ oder nicht. Das ist nachvollziehbar, aber die Geschichte des menschlichen Denkens zeigt: Was für den einen eine Tatsache ist, bleibt für den anderen eine Hypothese oder gar ein Märchen. 

       

Nein, tut mir wirklich leid, existierende Tatsachen sind etwas anderes als Meinungen, Hypothesen oder Märchen. Vor allem in diesem Zusammenhang, denn es macht einen Unterschied, ob Katholiken sich "ihres Verstandes ohne Leitung eines anderen bedienen oder nicht", wobei der andere Gott ist - falls Gott existiert. Hier geht es wirklich ans Eingemachte. Denn falls Gott nicht existieren sollte, gibt es eben diesen anderen, der den Verstand der Katholiken leitet nicht, dann ist Vernunft nicht, das zu tun, was Gott will.

 

Wenn wir hier über die Frage von der Vereinbarkeit von Vernunft und Glaube diskutieren, kann nicht für die einen Vernunft gleich Glaubensgehorsam sein, und für alle anderen etwas völlig anderes, niedrigeres, geschöpfliches. Dann reden wir aneinander vorbei. Wir hatten hier erst kürzlich den Versuch auch das Gewissen auf Glaubensgehorsam zu reduzieren, vieles wird darauf reduziert, die Sexualität, die Moral, der Glaube sowieso. Schon eigenartig. 

 

vor 23 Stunden schrieb Frey:

Die Frage nach Gott ist nicht wie die nach einem Baum im Wald, den man anfassen kann.

 

Da bin ich bei dir - weil es eine offene Frage ist, der Baum hingegen antwortet den Sinnen. Du lässt den Blick schweifen und wenn du in die richtige Richtung blickst, antwortet dir der Baum: Er sagt nicht: "Hier bin ich", sondern du wirst dir unmittelbar bewusst, dass du dich mitten in einer Interaktion mit dem Baum befindest.   

 

vor 23 Stunden schrieb Frey:

Sie ist eine Frage nach dem, was das Leben trägt, was ihm Sinn gibt – und das lässt sich nicht mit denselben Methoden beantworten wie die Frage nach der Existenz eines Steins.

  

Die Frage nach der Existenz eines Steines stellt sich überhaupt nicht, weil es diese bewährten Methoden gibt, mit dem Stein zu interagieren. Im Grunde befragt man Steine kritisch (= vergleichend) nach ihren Eigenschaften und nicht danach, ob sie existieren oder nicht. Falls Gott existiert, versagen dieselben Methoden, falls Gott nicht existiert, sind da auch keine Eigenschaften. Es stellt sich die Frage: gibt es überhaupt Methoden, die offene Frage nach der Existenz Gottes zu beantworten, die nicht die Existenz Gottes von vornherein voraussetzen? Die Methoden von Ignatius von Loyola setzen die Existenz Gottes voraus, deshalb gehe ich da jetzt nicht näher darauf ein. Vielleicht insofern, Gott in allem zu entdecken, deshalb betrachte ich nochmal die Sache mit dem Stein, Vielleicht sind die dort anwendbaren Methoden, doch auch ein wenig auf Gott anwendbar.    

 

Obwohl die Anfänge im Dunkeln liegen, lehrt die Menschheitsgeschichte, dass wir im Grunde mit Gott so vorgegangen sind, wie mit Steinen. Wir haben die Gottesbilder anderer kritisch (= vergleichend) nach ihren Eigenschaften befragt, und nicht danach gefragt, ob sie existieren oder nicht, weil diese Gottesbilder offensichtlich existieren. Dann haben wir mit diesen Gottesbildern weiter gearbeitet, wie wir mit Steinen weiter gearbeitet haben, wir haben Muscheln aufgeschlagen, funktionellere Faustkeile hergestellt, und Tempel, Pyramiden und Kirchen mit Steinen gebaut.

 

Was meinst du denn, warum einem der Gott Marduk aus so vielen Versen der biblischen Urgeschichte ins Gesicht springt, wenn man seine Offenbarung kennt? Wir haben an Marduk weitergearbeitet, wie wir an Marduks Vorgängern weiter gearbeitet haben, und an JHWH der im NT, wenn auch nicht unter diesem Namen so präsent ist, wie Marduk im AT. Wir haben aus JHWH unsere neue trinitarische Gottheit gemacht, so wie wir uns immer schon unsere Gottheiten gemacht haben. Der Gott Marduk ist nicht tot. Er ist im Apostolischen Glaubensbekenntnis präsent, denn die wunderbare Idee, dass es einen Schöpfer des Himmels und der Erde gibt, war vor dem Gott JHWH an den Gott Marduk und ist heute an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde geknüpft.

 

Stört das meinen Glauben? Nein, warum auch? Existieren Marduk, JHWH, und Gott Vater? Keine Ahnung. Spielt deren Existenz eine Rolle für mein Gottesbild oder meinen Glauben? Nicht wirklich. Denn ob sie existieren oder nicht, ändert nichts an der Erzählung von der Schöpfung. Dass sich diese Erzählung entwickelt und so lange gehalten hat, spricht doch dafür, wie gut sie das Leben von so Vielen getragen und ihnen Sinn gegeben hat. Es braucht weder einen existierenden Marduk noch einen existierenden JHWH oder einen existierenden Gott Vater, der einem noch zusätzlich unter die Arme greift, und einen durch das Leben trägt und Sinn verleiht.

 

Nebenbei hätte sich die Theodizeefrage erledigt, wenn man davon ausginge, dass kein Gott existiert man aber trotzdem an Gott glaubt. Der Glaube ist sowieso ein großes Trotzdem, und um dem Trotzdem zu trotzen glaube ich halt trotzdem. Die Erzählung von der Schöpfung erledigt ihren Job auch trotzdem, so lange sie gebraucht wird.

Aber was, falls Gott wider Erwarten dann doch existiert? Änderte das überhaupt etwas? Hätte Gott ein Problem damit, oder nicht? Hätten wir ein Problem damit, oder nicht? Spannende Fragen an unser Gottesbild, vielleicht gut für einen anderen Thread. Jedenfalls zeigt dieses Gedankenspiel, dass so oder so, die Existenz Gottes nicht davon abhängt, was wir denken oder nicht denken, wissen oder nicht wissen, glauben oder nicht glauben. Der Ball liegt nicht in unserem Spielfeld.

 

Wenn wir uns also schon auf die Tradition / Geschichte berufen, dann auf unsere ganze Tradition / Geschichte - ohne wesentliche Teile davon zu unterschlagen oder sie zu ignorieren. Sonst wird es unvernünftig bzw. unredlich und damit unglaubwürdig. Wir tun uns keinen Gefallen damit, unsere Glaubwürdigkeit und das in uns gesetzte Vertrauen dadurch zu verspielen, dass wir nicht alles lehren, was wir wissen. Denn wir glauben nicht nur was wir glauben, wir wissen auch eine Menge über unseren Glauben - und den der anderen vor und neben und zwischen uns. Zumindest könnten und sollten wir darüber eine Menge wissen.

 

vor 23 Stunden schrieb Frey:

Ich habe persönliche Gründe für die Annahme, an Gott zu glauben, sie sind nicht egoistischer Art, sondern rationaler.

 

Findest du das nicht sehr kopflastig? Dem würde ich gerne hinzufügen, dass ich im Glauben an Gott nicht frei von egoistischen Anwandlungen bin, dass es auch das Unterbewusstsein in uns gibt, das weit über die Hälfte unserer Lebensentscheidungen bestimmt. Meine Gründe sind daher bei weitem nicht nur rationaler sondern auch emotionaler und emphatischer, um nicht zu sagen herzlicher Art.

 

Ich bin alt, aber kein alter Computer mit Windows NT drauf, der seinen Speicher über einen 300 Baud Akustikkoppler mit Daten aus NT-Servern im Vatikan füllt, stur die Algorithmen des Lehramtes abarbeitet, wegen dem Fachkräftemangel von überarbeiteten Servicetechnikern notdürftig über die Runden gebracht wird, bis Jesus Christus aus der Cloud wiederkommt, mich richtet, anständige Software installiert und mich mit ins Neue Silicon Valley nimmt, und so vor der Müllverbrennungsanlage rettet.  

 

Das klingt jetzt vermutlich alles sehr fremdartig in deinen katholischen Ohren, vielleicht so, als würde ich an gar nichts mehr glauben. Dem ist nicht so. Ich mache meinen Glauben nur nicht mehr an den gleichen Dingen fest wie früher, als ich noch ein Katholik war. Mein Geschichtsbewusstsein hat sich verändert und damit meine Perspektive - und das zu einem großen Teil durch Gespräche mit anderen, weil ich bereit und offen war, andere überzeugende Vorstellungen kennen zu lernen, und meine Perspektive daraufhin tatsächlich zu ändern. Okay, das Resultat wird dich nicht begeistern, schon klar. 

 

Meine Geschichtsgleichung ist nicht mehr: Jesus war eine historisch nachweisbar existierende Person, also existiert der trinitarische Gott logischerweise auch, und unsere ganze historische Entwicklung ist in der Bibel, vom Anfang der Schöpfung und dem Beginn der Menschenheit mit Adam und Eva wie ein Bericht aufgezeichnet. Ergo ist das Christentum eine Geschichtsreligion, unsere Geschichte unser historisches Zeugnis, und das Ziel ist die Vollendung der Heilsgeschichte in der Zukunft. Das war früher mal meine Position.

 

Kaum zu glauben, aber wahr, denn damals war ich noch sehr viel jünger als heute. In meinem Leben geht es nicht mehr um eine Position, weil ich auf einem Weg bin. Wer mit Jesus unterwegs ist, positioniert sich nicht, der bleibt in Bewegung - oder wird abgehängt, und dann geht diese Sucherei wieder los. 

 

Die Methode, die wir bei Steinen anwenden funktioniert auch bei Gottheiten erstaunlich gut.

Existiert Gott oder nicht? Keine Ahnung.

 

Aber ich weiß jetzt ein wenig mehr darüber, wie sich mein Gottesbild entwickelt hat, und dass es ganz natürlich und kein Sakrileg ist, wenn ich an meinem Gottesbild weiterarbeite: dieser Teil darin ist gut, aber da drüben fehlt vielleicht noch etwas. Da kann was weg. Was ist eigentlich damit? Das beißt sich doch mit dem anderen daneben ...

 

Ich mach das einfach, und vereinbare meine Vernunft und meinen Glauben in meinem Gottesbild. 

Geschrieben (bearbeitet)
vor 1 Stunde schrieb Marcellinus:

@iskander mahnt Antworten auf Fragen an, die aus seiner Sicht unbeantwortet geblieben sind, übrigens nicht nur uns gegenüber, sondern gegenüber anderen auch.

 

Im Fall von @KevinF halte ich zwar nicht alle seine Antworten für überzeugend, so wie er umgekehrt auch nicht alle meine Antworten für überzeugend hält - daran jedoch, dass er irgendwelche wichtigen Fragen komplett unbeantwortet gelassen, kann ich mich nicht erinnern. 

 

In Deinem Fall gibt es hingegen natürlich unbeantwortete Fragen, und zwar nicht aus meiner Sicht, sondern objektiv. Beispielsweise hast Du zahlreiche Themen adressiert, die gemeinhin unbestreitbar als "philosophisch" gelten und von Philosophen erörtert werden. Das habe ich schon in der Vergangenheit belegt, kann es aber gerne wiederholen. 

Meine Frage war darum, wieso das, was Du zu Fragen, die normalerweise als "philosophisch" gelten, schreibst, rein gar nichts mit der Philosophie zu tun haben soll. Zumal es philosophische Schulen gibt, die inhaltlich ganz ähnliche Antworten gegeben haben (auch das habe ich schon ausgeführt und belegt).

 

Deine Antwort: Du möchtest nicht philosophisch, sondern wissenssoziologisch verstanden werden. Und da Du zudem ja auch darauf beharrst, dass es nur im Zusammenhang mit der Prüfung durch Beobachtung und Experiment Erkenntnisse gibt und alles andere "Fantasie" sei, muss man Deine Position ja offenbar so verstehen, dass sie durch die empirische Sozialforschung gedeckt ist. (Zumindest wüsste ich nicht, wie man sie ansonsten sinnvoll verstehen könnte, und Du hast mir hier ja auch nie widersprochen. ;))

 

Deshalb habe ich nachgefragt, was Deine Herangehensweise denn nun genau "wissenssoziologisch" und "empirisch" macht und also grundsätzlich von einem philosophischen Vorgehen unterscheidet. Welche konkrete soziologisch-empirischen Forschungen bestätigen jene zahlreichen Überzeugungen von Dir, die man üblicherweise in der Philosophie der Logik, der Erkenntnistheorie, der Wissensschaftheorie usw. verorten würde?

(Und da ja auch die Philosophie sich auf andere Disziplinen stützt, wo das möglich ist, müsste die Frage genauer lauten: Wie kann man allein auf der Grundlage der empirisch arbeitenden Sozialwissenschaften - und ohne zusätzliche Philosophie - Deine entsprechenden Thesen begründen?)

 

Ich erinnere mich nicht an eine Antwort. Vielleicht habe ich sie übersehen, und dann lasse ich mich gerne korrigieren. Aber auch bei Elias findet man an der entscheidenden Stelle keinen Verweise auf empirisch-sozialwissenschaftliche Erhebungen, die diejenigen seiner Positionen, die als philosophisch erscheinen, begründen würden. Es hat vielmehr ganz den Anschein, als würde Elias sich mit den fraglichen Sachverhalten vertraut machen, über sie nachdenken und dann zu seinen entsprechenden Überzeugungen gelangen. Jedenfalls erwähnt er im jeweiligen Zusammenhang weder relevante soziologische Studien, noch kommen von ihm entsprechende Literaturangaben. 

 

Und ja, auch andere haben auf wichtige Fragen "aus meiner Sicht" nicht geantwortet, nämlich die konservativen Katholiken zu meinen kritischen Rückfragen zur kath. Sexualmoral. Beispielsweise hatte ich darauf hingewiesen, dass alles dafür spricht, dass ohne Verhütung - die kirchlich verboten ist - die Welt auf eine Bevölkerungskatastrophe zurasen würde (wenn sie dort nicht bereits angekommen wäre). Dazu haben die konservativen Katholiken keine Stellung genommen; weder in dem Sinne, dass die Welt trotz möglicher schwerwiegender Konsequenzen dennoch auf die Verhütung verzichten sollte; noch in dem Sinne, dass man die Lehre der Kirche an dieser Stelle hinterfragen dürfe; noch in dem, dass man sich selbst unsicher seien. Die einzige "Antwort" auf derartige Fragen war in einem Fall die, dass man keine Zeit für eine Antwort habe. 

 

Falls Du das anders siehst und der Meinung bist, dass ich durchaus Antworten in der Sache bekommen habe, und dass es allein meine subjektive Sicht sei, dass ich keine bekommen habe: Kannst Du mir dann einen Beitrag verlinken, in welchem ich eine Antwort bekommen habe? Falls nein, stimmst Du mir dann zu, dass ich nicht nur behaupte, keine solchen Antworten bekommen zu haben, sondern dass ich es zurecht behaupte?

 

Zitat

Die entscheidende Frage aber, sozusagen der große unsichtbare Elefant im Raum, ist doch, warum wir seine Philosophie bedeutsam finden sollten.

 

Wieso sollte das eine relevante Frage sein? Ich "verlange" doch von niemandem, dass er "meine" Philosophie bedeutsam finden möge. Ich hätte nur gerne gewusst, warum viele Deiner Äußerungen entgegen dem Augenschein nicht Deine Philosophie sind, sondern Deine empirische Soziologie

 

vor 1 Stunde schrieb Marcellinus:

Was es dagegen schon längst nicht mehr ist, ist eine Art Gedankenkontrollbehörde, die anderen vorschreiben kann, wie sie in ihren Fachgebieten zu arbeiten haben. 

 

Kannst Du mir denn ein Beispiel nennen, wo die Philosophie das in der Vergangenheit war? Ich habe Dir ja schon wiederholt die Frage gestellt, wieso Du der Philosophie diese Art von Herrschsucht und Anmaßung unterstellst. Soweit ich mich erinnere, hast Du bisher auch dazu nichts sagen wollen.

 

(Bei Elias liest es sich zwar ähnlich, ist aber unbegründet. Es scheint ihn zu fuchsen, dass die Soziologen aus falschem Respekt vor der Philosophen Fragestellungen, die eigentlich in die Domäne der Soziologie gehören, unbeackert ließen. Nun, kein Mensch wird etwas dagegen haben, wenn die Soziologen in der Lage sind, mit sozialwissenschaftlichen Mitteln Antwort auf Fragen zu geben, die bis dato als philosophisch gelten! Wenn die Soziologen das nicht tun, dann hat das seinen Grund - und der liegt gewiss nicht in einem falschen Respekt vor der Philosophie.)

 

vor 1 Stunde schrieb Marcellinus:

Daraus ziehe ich für mich den Schluß, daß, wie es keine außerreligiösen Gründe für Religion gibt, es auch keine außerphilosophischen Gründe gibt für Philosophie. Man mag sie betreiben, wenn man Spaß daran hat, aber man sollte sie nicht anderen aufdrängen wollen. 

 

Das liegt aber offensichtlich daran, dass Du einfach Worte in einer ungewöhnlichen Bedeutung verwendest. Gemäß dem üblichen Sprachgebrauch befasst Du Dich sehr viel und sehr intensiv mit philosophischen Themen. Nur nennst Du das, was andere als "Philosophie" bezeichnen, eben "(empirisch arbeitende) Wissenssoziologie". Das ist so, als würde ich viel Kaffee trinken, den Kaffee aber einfach "Tee" nennen - und dann behaupten, dass ich keinen Kaffee trinke. In Wahrheit ist das aber nur ein Unterschied in den Worten, keiner in der Sache.

 

Du meinst, dass ich mich irre und Du nicht nur gemäß Deiner Privatsprache, sondern auch im Sinne der Standardsprache keine Philosophie betreibst, und dass hinter Deinen Thesen auch im Sinne der üblichen Wortbedeutung allein die empirische Sozialforschung steht?

Nun, ich lasse mich gerne überzeugen. Gib mir bitte einfach ein konkretes Beispiel, das zeigt, wie man eine Deiner zahlreichen, zumindest dem Anschein nach philosophischen Äußerungen allein empirisch-sozialwissenschaftlich begründen kann. ;)

bearbeitet von iskander
Geschrieben (bearbeitet)
vor einer Stunde schrieb KevinF:

Das philosophische Begründungsdenken hat hier eine natürliche Grenze erreicht, wir behalten unsere Grundannahme und unser Wissen bleibt Wissen, weil Wissen in der Alltagssprache eben so definiert ist, egal, was die entsprechenden Vertreter der Philosophie davon halten 😉

 

(Hervorhebung von mir)

 

Diese Antwort schiene inhaltlich sehr stark einer "Ordinary-Language" Lösung nahezukommen, falls Du sie denn so meinen solltest, wie es mir als naheliegend erscheint. (Das wäre dann allerdings durchaus ein philosophischer Ansatz.)

 

Die Lösung bestünde dann hierin: Wir einigen uns als (Sprach)gemeinschaft formell oder zumeist informell einfach auf einen gewissen Standard - etwa den, dass wir die Sprache so gebrauchen, dass wir im Zusammenhang mit der Induktion von "Wissen" sprechen. 

 

Das Problem besteht aus meiner Sicht aber darin, dass wir zwar alles so definieren können, wie wir wollen (sofern wir Widersprüche vermeiden); dass das, was wir dann aber bekommen, womöglich keine Kraft und Relevanz mehr besitzt. Wir können als Sprachgemeinschaft "Wissen" also natürlich so definieren, dass auch etwas darunter fällt, wofür es keinen vernünftigen Grund gibt. Dann führen wir uns aber letztlich doch an der eigenen Nase herum, denn ein solches "Wissen" wäre der Sache nach einfach nur eine willkürliche Annahme. Das eigentliche Problem wird auf diese Weise nicht adressiert. BonJour verdeutlicht das wie folgt:

 

"The central problem with Strawson's argument may perhaps be made clearer by considering an analogous case. Imagine a religiously oriented community in which judgments on a wide variety of factual issues are made by appeal to a body of sacred literature that is generally accepted as authoritative. If a skeptic were to question whether believing in accordance with evidence of this sort yields beliefs that are epistemically justified, that is, likely to be true, we could imagine a member of the community replying as follows:


Of course believing in accordance with scripture results in justified beliefs! Beliefs arrived at in this way are what we mean by "justified beliefs" in this community. It is an analytic truth that beliefs supported by strong evidence are justified; and it is also an analytic truth that being highly in accord with scripture constitutes strong evidence.


But such a reply to the skeptic is irrelevant to the skeptic's challenge if "justified" does not mean epistemically justified; and either questionbegging or guilty of equivocation otherwise. Here too, the basic issue is whether what the community in question accepts as strong evidence really is strong evidence in the epistemically interesting sense. And on this question, the argument just offered, like Strawson's argument concerning induction, sheds no light at all. Nor can any argument that appeals only to generally accepted standards (or to the reflection of such standards in ordinary usage) do any better. [...]

The core of the problem of induction is the problem of finding an adequate reply to the skeptic who questions whether inductive evidence ever provides a good reason for thinking that an inductive conclusion is likely to be true or even that it is to any degree more likely to be true than it would be in the absence of such evidence. [...] To show that inductive conclusions are justified or reasonable in other senses that have no bearing on likelihood of truth, senses like those involved in the pragmatic and ordinary-language justifications, is to leave this central problem untouched."

(L. BonJour, In Defense of Pure Reason)

 

(Fettung durch mich)

 

Dem würde ich mich persönlich anschließen: Wir glauben doch, dass es sich tatsächlich so verhält, dass der nächste Rabe vermutlich schwarz sein wird; dass wir das in einem episetmisch relevanten Sinne "wissen". Und hier nun stellt sich eben das Induktions-Problem. 

 

Oder vielleicht verstehe ich Dich auch falsch, und Du meinst einfach, dass man sozusagen spontan einsehen kann, dass es plausibel ist, dass es "Invarianzen" vermutlich tatsächlich gibt? Dann würde ich das nicht als "unbegründet" bezeichnen, sondern als eine spontane, nicht weiter zu hintergehende Einsicht. Auf solche Einsichten ist man ja letztlich ohnehin angewiesen. Nur glaube ich wie gesagt, dass man noch einen Schritt zurückgehen kann, bevor man ans Ende gelangt, an dem man sich auf Einsichten berufen muss. 

 

bearbeitet von iskander
Geschrieben
28 minutes ago, iskander said:

Diese Antwort schiene inhaltlich sehr stark einer "Ordinary-Language" Lösung nahezukommen, falls Du sie denn so meinen solltest, wie es mir als naheliegend erscheint. (Das wäre dann allerdings durchaus ein philosophischer Ansatz.)

 

 

Das mag ich so an Deinen Beiträgen (ist ernst gemeint): 
 
Ich bringe einen Gedanken und Du so (ich paraphrasiere): "Oh, da gibt es eine ganze philosophische Schule, die darauf basiert" und dann kommt eine ausführliche Erläuterung 🙂

 

 

29 minutes ago, iskander said:

Das eigentliche Problem wird auf diese Weise nicht adressiert. BonJour verdeutlicht das wie folgt:

 

Das ist aus meiner Sicht ein Beispiel für ein falsches Dilemma: 
 
Nur weil das Begründungsdenken gewisse Grenzen hat, heißt das nicht, dass es grundsätzlich sinnlos ist. 
 
Tatsächlich ist es in den allermeisten Fällen sehr sinnvoll.

Geschrieben (bearbeitet)
vor 8 Minuten schrieb KevinF:

Nur weil das Begründungsdenken gewisse Grenzen hat, heißt das nicht, dass es grundsätzlich sinnlos ist. 
 
Tatsächlich ist es in den allermeisten Fällen sehr sinnvoll.

 

Aber reden wir hier nicht womöglich aneinander vorbei? Meinst du mit "Grenzen des Begründungsdenkens" nicht in der Sache vielleicht das gleiche, was ich (und in vielleicht etwas anderen Worten auch BonJour) wie folgt bezeichnen würde: "etwas was unmittelbar ersichtlich ist (nicht unbedingt als gewiss ersichtlich, aber doch als plausibel ersichtlich) - und was daher keine externe Begründung braucht"? 

 

bearbeitet von iskander
Geschrieben
11 minutes ago, iskander said:

 

Aber reden wir hier nicht womöglich aneinander vorbei? Meinst du mit "Grenzen des Begründungsdenkens" nicht in der Sache vielleicht das gleiche, was ich (und in vielleicht etwas anderen Worten auch BonJour) wie folgt bezeichnen würde: "etwas was unmittelbar ersichtlich ist (nicht unbedingt als gewiss ersichtlich, aber doch als plausibel ersichtlich) - und was daher keine externe Begründung braucht"? 

 

 

 

Ich weiß nicht, ich denke der Unterschied ist:

Du siehst eine Lösung für das Induktions-Trilemma, während ich zu dem vorläufigen Ergebnis komme, dass es keine gibt (bzw. nicht innerhalb des Begründungsdenkens) und daher hier eine Grenze des Begründungsdenkens selbst sehe.

Geschrieben
Am 21.6.2025 um 18:40 schrieb Frey:

Wie kommst Du darauf, ich würde das von anderen erwarten? Ich kenne doch gar nicht die Motive oder den "subjektiven Sinn" einer Überzeugung.

 

Verstehe ich nicht. Beim ersten Satz nicht, welche Erwartung du meinst, die ich dir unterstellt habe, den zweiten überhaupt nicht.

 

Am 21.6.2025 um 18:40 schrieb Frey:

Du hast recht: Eine religiöse Vorstellung wird nicht dadurch zur Tatsache, dass sie jemand überzeugend findet. 

 

Religiöse Vorstellungen sind Tatsachen, egal ob sie jemand anderes überzeugend findet, oder nicht. Das Enuma Elisch und das AT enthalten tatsächlich religiöse Vorstellungen. Ob die Inhalte dieser Vorstellungen Tatsachen entsprechen ist eine andere Frage. Wer ist der Schöpfer des Himmels und der Erde - Marduk oder JHWH? 

 

Am 21.6.2025 um 18:40 schrieb Frey:

Aber du übersiehst, dass viele Menschen von Erfahrungen sprechen, die sie auf Gott zurückführen – ...

 

Ich oder du? Ich übersehe weder die Menschen, die ihre Erfahrungen auf den christlichen Gott zurückführen, noch die Menschen die ihre Erfahrungen auf Marduk zurückgeführt haben. Die einen wie die anderen blickten nachts in den Sternenhimmel, und empfanden dabei das "Mysterium tremendum et fascinosum" (Rudolf Otto). Das ist eine religöse Grunderfahrung.

 

Wie du sagst führen die Menschen solche Grunderfahrungen auf ihre jeweilige Gottheit zurück. Dabei stellen sie die Dinge allerdings auf den Kopf, sie erkennen ihren mächtigen Schöpfer (Marduk oder JHWH?) nicht mit der Vernunft im überwältigenden Anblick des Firmamentes wieder (wie Paulus oder Ignatius von Loyola meinen), sondern kleiden ihre überwältigende Erfahrung in Erzählungen. Bei den einen ist der Schöpfer dann Marduk, bei den anderen ist es JHWH oder eben irgend eine andere Gottheit. Es ist also keine Zurückführung sondern eine Projektion (Ludwig Feuerbach) der eigenen Erfahrung.

 

Ist das schlimm? Finde ich nicht, das ficht meinen Glauben nicht an. Jemand der eine religiöse Position unbedingt halten will, wird dieses Argument strickt von sich weisen. Paul Tillichs Einwand gegen diese Projektionstheorie "Das bedeutet keineswegs, dass die ›Projektionswand‹, dass also Gott, der letzte Grund alles Seins und Sinns, Grund und Ziel unserer Existenz, selbst eine Projektion ist." ist so lala. Richtig ist, dass Gott trotzdem existieren könnte, falsch finde ich, dass er die Projektionswand automatisch mit Gott gleichsetzt (Zirkelschluss), denn die Projektionswand ist nicht Gott (Marduk oder JHWH?) sondern die unterschiedlichen Schöpfungserzählungen bzw. ihr Echo im Hörer bzw. Leser - was auch in gewisser Weise ein Zirkelschluss ist, da Autor und Hörer bzw. Leser der Erzählung der Mensch ist.

 

Es ist böse formuliert eine Selbstbespiegelung, anders ausgedrückt eine sinnvolle Selbstreflexion, mit deren Hilfe der Mensch Zugang zu den Bereichen in sich selbst erhält, die ihm normalerweise verwehrt sind. Die Reise geht also nach innen, und da kommen wir dann vielleicht doch noch auf einen Nenner: 

 

Am 21.6.2025 um 18:40 schrieb Frey:

... sei es in der Stille des Gebets, in der Gemeinschaft, in der Liebe oder im Erleben von Vergebung. Diese Erfahrungen sind subjektiv, aber nicht weniger real für die, die sie machen. Sie sind der Grund, warum Menschen glauben – nicht nur, weil sie eine Vorstellung für überzeugend halten, sondern weil sie etwas erlebt haben, das sie nicht anders deuten können.

 

Fast volle Zustimmung, bis auf den letzten Halbsatz, denn es gibt eben nicht nur die christliche Deutung, sondern auch viele andere Deutungsmöglichkeiten, je nachdem in welcher Zeit, in welcher Gegend, in welcher Kultur, in welchem religiösem Umfeld die Menschen aufgewachsen sind.

 

Die Lösung finde ich weder in "Ich respektiere deine Position" auf der einen Seite noch "Jeder mag glauben, was er will" auf der anderen Seite, sondern in einer Herangehensweise in der die Empathie die Hauptrolle spielt. Dann erübrigen sich Ideologische Abnutzungsschlachten, Religionskriege, fruchtlose Diskussionen um des Kaisers Bart und Frieden rückt in eine greifbare Nähe.

Geschrieben
vor 11 Stunden schrieb KevinF:

Bei den Raben sehe ich gar kein Problem (und ich nehme an, gerade dieses Beispiel dürfte bei @Marcellinus eher ein Kopfschütteln auslösen), weil man das Induktionsproblem imo reduzieren kann auf die Frage nach der Begründbarkeit der Annahme von grundlegenden Invarianzen in der Natur.

 

Kopfschütteln ist noch milde ausgedrückt. 😄 Ich halte die Positionen von @iskander für ausgeprägte Verrücktheiten. Wir könnten ja zur Abwechslung mal wieder darüber diskutieren, wie wir begründen, daß der Stuhl, auf den wir uns setzen, überhaupt existiert. 😉

Geschrieben

Uiii jaaa. Lasst uns einen Stuhlkreis bilden und "Reise nach Jerusalem" spielen!  

Geschrieben (bearbeitet)
vor 4 Stunden schrieb Marcellinus:

Kopfschütteln ist noch milde ausgedrückt. 😄 Ich halte die Positionen von @iskander für ausgeprägte Verrücktheiten. Wir könnten ja zur Abwechslung mal wieder darüber diskutieren, wie wir begründen, daß der Stuhl, auf den wir uns setzen, überhaupt existiert. 😉

  

Eine ernst gemeinte Frage: Warum versuchst Du meine Position ins Lächerliche zu ziehen, anstatt einfach sachlich auf meine Beiträge einzugehen?

Und warum unterstellst Du mir immer wieder irgendwelche "Verrücktheiten", die ich nicht nur niemals vertreten, sondern von denen ich mich schon oft distanziert habe? (Ich habe mich deshalb schon oft von ihnen distanziert, weil Du sie mir immer wieder von Neuem unterstellst, obwohl es dafür absolut keine Grundlage gibt und ich mich schon oft und erfolglos gegen solche Unterstellungen verwehrt habe).

 

Um das nur kurz zu sagen: Dass es Stühle gibt, bezweifle ich nicht. Ich finde es aber eine durchaus relevante Frage, warum genau wir das wissen; wie Vernunft und Sinneserfahrung hier zusammenspielen. Nach Deiner eigenen Erkenntnistheorie, laut der wir nur das empirisch Prüfbare wissen können, können wir jedenfalls definitiv nicht wissen, ob es Stühle gibt. Leute, die Positionen vertreten, welche der Deinen in der hier relevanten Hinsicht ähneln (wie etwa Ernst Mach) räumen genau das übrigens natürlich auch ein; es ist ja auch überhaupt nicht zu bezweifeln.

Insofern ist es also gerade Deine Position, die in die Absurdität und zum Solipsismus führt. Dies habe ich bereits in der Vergangenheit dargelegt, und Du hast es damals gerade so gehalten wie jetzt: Da Du gegen meine Beweisführung in der Sache absolut nichts einwenden konntest, hast Du versucht, meine tatsächlichen Auffassungen zu entstellen, zu karikieren und auf diese Weise der Lächerlichkeit preiszugeben. 

 

Damit erneut zurück zur Sache: Wie wäre es, wenn Du einfach mal eine sachliche Antwort auf wenigstens eine von unzähligen Fragen geben würdest, die ich Dir wiederholt gestellt habe, ohne dass je etwas gekommen wäre (siehe etwa hier und hier)? Wie wäre es, wenn Du wenigstens diese eine Frage beantworten würdest: Wieso hat das, was Du sagst, nichts mit Philosophie zu tun hat, sondern ist einfach nur empirische Sozialforschung?

 

Du tätigst unzählige Aussagen, die nach allen Definitionen in die Philosophie gehören. Ich beschränke mich auf wenige Beispiele:

 

- Erkennen sei immer nur möglich, wo es empirische Prüfung gebe. (Diese These läuft darauf hinaus, dass es keinerlei verstehbare Zusammenhänge gibt, und dass die ganze Welt nur allein "facta bruta" beinhaltet, welche wir nicht begreifen, sondern nur konstatierend zur Kenntnis nehmen können.)

 

- Die Wissenschaft funktioniere durch eine bestimmtes Wechselspiel von Theorie und Empirie. (Das stimmt zwar - aber Deine Ablehnung eines begründungsmäßigen Anfangs führt natürlich in einen unendlichen Regress und hebt jedes Wissen auf, auch alle Arten der Widerlegung. Auf diese Problematik bist Du - wie auf so vieles - bisher übrigens noch nicht eingegangen.) 

 

- In der Wissenschaft sei Logik bestenfalls hilfreich, aber nicht essentiell. ("Theoretisch-empirische Wissenschaften gewinnen ihr Wissen nicht durch sprachliche Logeleien, sondern durch einen wechselseitigen Prozeß von Tatsachenbeobachtungen und Theoriebildung" - und für diesen Prozess sind logische Operationen ("Logeleien") offenbar entbehrlich.)

 

- Die Philosophie könne zwar etwas kritisieren und widerlegen, nichts aber positiv beweisen. 

 

- Die beobachtbare Welt könne man in Schichten untergliedern, die aufeinander aufbauen, wobei das Phänomen der "Emergenz" hier entscheidend sei.

 

 

Diese und viele andere Aussagen von Dir referieren nicht spezifisch auf soziale Ereignisse, Prozesse, Bedingungen oder Gesichtspunkte; und nach allen Definitionen der Welt gehören sie inhaltlich zur Philosophie und keineswegs in die Soziologie oder gar in die empirisch arbeitende Sozialforschung - siehe etwa auch hier

 

Mir ist auch niemand bekannt, der dies in irgendeiner Weise bezweifeln würde, außer wohl Norbert Elias. Dort allerdings, wo Elias Fragestellungen behandelt, die normalerweise als "philosophisch" gelten, argumentiert er eben gerade nicht soziologisch und weist auch nicht auf empirisch-sozialwissenschaftliche Forschungen hin, die seine Thesen belegen könnten. Und die Vertreter der Sociology of Scientific Konowledge scheinen sich ohnehin völlig einig zu sein, dass entsprechende Aussagen nicht in die Soziologie, sondern in die Philosophie gehören. Deine eigene Position stellt also eine absolute Minderheitenmeinung dar; ja, es kann sein, dass Du seit Elias' Tod der einzige lebende Mensch weltweit bist, der sie vertritt. 

 

Nun hältst Du der Philosophie ja gerne vor, dass vieles oder das meiste in ihr umstritten sei. Zumindest Deine Position ist allerdings nicht umstritten, sondern sie wird universal abgelehnt; nicht allein von Philosophen, sondern auch von Soziologen. Die Tatsache, dass eine bestimmte Position umstritten ist oder sogar allgemein abgelehnt wird, bedeutet für mich anders als für Dich aber noch nicht, dass sie falsch, beliebig und unbegründbar sein müsste. Es mag ja sein, dass ein einzelner Mensch gegen den Rest der Welt recht hat und sogar gute Gründe dafür anführen kann, dass er recht hat.

 

Nur hätte ich einen solchen Grund von Dir eben einmal gerne gehört. Deshalb bitte ich Dich erneut - und inzwischen gewiss zum 100. mal - mir einfach wenigstens ein Beispiel dafür zu geben, wie man Deine entsprechenden Aussagen mit den Mitteln der empirischen Sozialforschung prüfen und (vorläufig) belegen kann. Ist das wirklich zu viel verlangt?

 

Wenn Du auf diese Frage, die für die Vertretbarkeit Deiner Position doch absolut zentral ist, eine Antwort hast: Warum wirst Du unsachlich und polemisch, anstatt diese Antwort einfach zu artikulieren? Und falls Du keine Antwort haben solltest, warum räumst Du das dann nicht einfach ein?

 

Wirst Du mir diesmal eine Antwort in der Sache geben? Oder wirst du erneut versuchen, meine Haltung durch Verfremdung ins Lächerliche zu ziehen?

 

bearbeitet von iskander
Geschrieben
vor 13 Stunden schrieb KevinF:

Ich weiß nicht, ich denke der Unterschied ist:

Du siehst eine Lösung für das Induktions-Trilemma, während ich zu dem vorläufigen Ergebnis komme, dass es keine gibt (bzw. nicht innerhalb des Begründungsdenkens) und daher hier eine Grenze des Begründungsdenkens selbst sehe.

 

Würdest Du denn sagen, dass wir wissen, dass der nächste Rabe, den wir sehen, vermutlich schwarz sein wird? 

Geschrieben
1 hour ago, iskander said:

 

Würdest Du denn sagen, dass wir wissen, dass der nächste Rabe, den wir sehen, vermutlich schwarz sein wird? 

 

Sicher.

 

@Marcellinus schrieb übrigens sinngemäß, dass es auf Fragen wie die nach einer Lösung für das Induktionsproblem entweder keine Antworten gibt oder sich die Antworten von Philosoph zu Philosoph unterscheiden, so dass sie praktisch zur Glaubenssache werden.

Was ist daran falsch?

Geschrieben
vor 1 Stunde schrieb KevinF:
vor 3 Stunden schrieb iskander:

Würdest Du denn sagen, dass wir wissen, dass der nächste Rabe, den wir sehen, vermutlich schwarz sein wird? 

Sicher.

 

 

Genauso gut, hätten sich unsere Vorfahren fragen können, ob der nächste Säbelzahntiger, der um die Ecke kommt, ein Vegetarier ist, oder versuchen, würde sie zu fressen. Mit anderen Worten: wenn unsere Vorfahren Philosophen gewesen wären, wären sie sicher ausgestorben. 😉

 

vor 1 Stunde schrieb KevinF:

@Marcellinus schrieb übrigens sinngemäß, dass es auf Fragen wie die nach einer Lösung für das Induktionsproblem entweder keine Antworten gibt oder sich die Antworten von Philosoph zu Philosoph unterscheiden, so dass sie praktisch zur Glaubenssache werden.

Was ist daran falsch?

 

 

Wer bei Fragen nach philosophischen Antworten sucht, landet über kurz oder lang bei der Ontologie, gemeinhin auch Metaphysik genannt, und das ist eine Glaubensfrage.

Geschrieben
vor 4 Stunden schrieb iskander:
vor 7 Stunden schrieb Marcellinus:

Kopfschütteln ist noch milde ausgedrückt. 😄 Ich halte die Positionen von @iskander für ausgeprägte Verrücktheiten. Wir könnten ja zur Abwechslung mal wieder darüber diskutieren, wie wir begründen, daß der Stuhl, auf den wir uns setzen, überhaupt existiert. 😉

  

Eine ernst gemeinte Frage: Warum versuchst Du meine Position ins Lächerliche zu ziehen, anstatt einfach sachlich auf meine Beiträge einzugehen?

 

Wer Witze erzählt, darf sich nicht beschweren, wenn jemand lacht! 

Cosifantutti
Geschrieben
Am 20.6.2025 um 18:26 schrieb Marcellinus:

Entscheidender aber scheint mir zu sein, daß die Suche nach einem absoluten Anfang vielleicht noch spannend war, als man sich die Welt wenige tausend Jahre alt dachte, und die Zahl der Menschengenerationen noch albzählbar schien. Heute gehen wir von einem Alter des Universums von mindestens 13 Mrd. Jahren aus, und das ist noch immer nicht der "Anfang". Da sinkt die Bedeutung mit dem Quadrat der zeitlichen und räumlichen Entfernung. Die Religionen mögen immer noch die gleichen Formeln aufsagen, aber den allermeisten Menschen sagt es erkennbar nichts mehr. Alles hat halt seine Zeit. 

Deine Überlegungen hier finde ich sehr seltsam und keineswegs überzeugend. Warum sollte die Frage: "Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts ?" nach wie vor für heutige Menschen interessant und spannend sein. Auch die Frage nach einem möglichen "Anfang" unseres Universums, die verschiedenen Theorien der Entstehung etc.... Das ist doch vollkommen unabhängig davon, wie "alt" das Universum tatsächlich ist. Im Gegenteil: dass das Alter des Universum zur Zeit mit über 13 Milliarden Jahre geschätzt wird finde ich vollkommen faszinierend. 

 

Vielleicht sollte man doch grundsätzlich anmerken, dass sehr viele "religiös musikalische" Menschen sich ebenso für naturwissenschaftliche Fragen interessieren. Menschen nicht bloß "eindimensional" unterwegs sind.... Spannend finde ich, die Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften in den Kontext des eigenen persönlichen Glaubens und der eigenen Spiritualität zu integrieren...... Du denkst zu viel von einer "entweder-oder-Haltung" her.......

Cosifantutti
Geschrieben
Am 21.6.2025 um 13:44 schrieb Marcellinus:

 

Das ist eine interessante Frage, und wie vermutlich alle interessanten Fragen. In diesem Zusammenhang ist auch sie mir schon einmal gestellt worden!

 

„Einige Atheisten lehnen "Gott" als Konzept prinzipiell ab, andere sagen, dass sie prinzipiell einen "überzeugenden" Beweis für einen Gott akzeptieren könnten. Mich interessiert folgendes:

Welche Form des Nachweises/Beweises würde dich (als Atheisten) von der Existenz eines Gottes/ höheren Wesens überzeugen können? Warum hältst du dein Kriterium für sinnvoll? Insbesondere, warum meinst du, dass dein Kriterium nicht übermäßig hohe Hürden für einen Nachweis aufstellt?

Hintergrund: Wenn man einen zu schwachen Beweis akzeptiert, dann könnte man an einen Gott glauben, der nicht existiert. Wenn man einen zu starken Beweis fordert, könnte man einen real existierenden Gott ablehnen. Wie schafft man es, ein Kriterium zu finden, dass weder in die eine noch in die andere Richtung läuft?

Ich weiß, dass man hierauf viele lustige Antworten geben kann, wäre aber trotzdem an ernsthaften Antworten interessiert.“

 

Laut meinen Unterlagen war das vor über 15 Jahren, und meine damalige Antwort lautete:

 

Menschen haben seit Jahrtausenden unterschiedliche Götter verehrt. Und zu ihrer jeweiligen Zeit glaubten die Menschen fest an sie. Ihre Götter heilten Kranke, wirkten Wunder und sie erklärten ihren Gläubigen die Welt. Kurz, sie taten alles, was Götter so zu tun pflegen.

Heute gelten die alten Götter als Götzen und die Menschen verehren die Götter, die wir heute kennen. Und wieder werden Kranke geheilt, Wunder gewirkt und Ungläubige gestraft. Die Fähigkeit von uns Menschen, wahre Götter zu erkennen, scheint nicht sehr ausgeprägt zu sein.

Hinzu kommt, daß wir heute sehr viel mehr über die Welt wissen, in der wir leben. Und das alles führt uns zu der Vermutung, daß es nicht sehr viel Sinn macht, hinter dieser Welt allmächtige lenkende Götter zu vermuten, schon gar nicht die, die uns die heute exitierenden Religionen anbieten, Götter mit der Moral eines verzogenen Kindes, die schmollen, wenn die Sterblichen ihnen nicht schmeicheln.

Es spricht also vieles dafür, daß es sich mit den heute verehrten Götter genauso verhält wie mit denen vergangener Zeiten. 

Man kann die Geschichte der Menschen verstehen als den immer wiederkehrenden Versuch herauszufinden, ob es nicht doch Götter geben könnte. Und bis zum heutigen Tag kann dieser Versuch als gescheitert angesehen werden. Denn ein solcher Beweis müßte ja nicht nur hier und jetzt einen glaubwürdigen (ein schönes Wort) Gott präsentieren, sondern auch erklären, was ihn solange aufgehalten hat.

Und was wäre "glaubwürdig"? Übernatürliches? Wie jemand einmal so schön gesagt hat: "Was der eine für ein Wunder hält, ist für den anderen Technik. Ubernatürlich ist ein leeres Wort." Die Inka haben die Spanier auf ihren Pferden für Götter gehalten. Hatten sie Recht?

Wenn Götter etwas grundsätzlich anderes sind als Menschen, dann kann es keinen Beweis geben, den wir verstehen könnten.

 

 

 

 

 

Ein wichtiger Aspekt wird bei dir in deinen Überlegungen vollkommen unterschlagen:

 

Du redest immer nur von "Göttern", als wäre dies das einzige religiöse Konzept eines möglichen Gottesglaubens, aber der Glaube an den einen "GOTT" ist doch nochmals etwas grundsätzlich anderes als der Glaube an viele "Götter".....

 

zwei wichtige Entwicklungen haben in diesem Sinne die europäische Geistesgeschichte geprägt:

 

1. im Griechenland der Antike die "Religionskritik" an mythischen Erzählungen von "Göttern" ( = Polytheismus ), die Herausbildung der Vorstellungen von nur einem Gott ( = Monotheismus ) und die Ausarbeitung einer philosophischen  "Metaphysik", vor allem durch Aristoteles. Das ist ein vollkommener Neuansatz und sozusagen eine ganz andere "Reflexionsstufe" als die der ein mythischen Erzählungen von einem "Götterhimmel".......

 

2. im antiken - "biblischen" Israel ( = "Judentum" ) die allmähliche Herausbildung des Glaubens an "einen" Gott ( = "JHWH" ).....

 

Im Buch Exodus lesen wir im 3. Kapitel:

"Da sagte Mose zu Gott:

Gut, ich werde also zu den Israeliten kommen und ihnen sagen:

Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt. da werden sie mich fragen:

Wie heißt er ?

Was soll ich ihnen darauf sagen ?

Da antwortete Gott dem Mose: "....."

 

Was hier an dieser Stelle als "Antwort" Gottes erfolgt ist gerade kein besonderer "Name" wie "EL", "Baal"...."Re"....etc... sondern sozusagen geradezu die konsequente Verweigerung eines konkreten "Namens".... "Ich werde dasein, als der ich dasein werde, "Ich-bin-da"...., "ich werde mich als Daseiender erweisen...."

 

Es ist kein "Name", sondern ein Satz, ein "Geschehen"...eine vollkommen andere "Gottesvorstellung" von diesem einen Gott Israels "JHWH"......

 

Hier kommt noch ein entscheidendes Element hinzu: Die philosophische Metaphysik ist  eine denkerischer, reflexiver Diskurs "über" eine bestimmte Thematik.

 

Der Glaube des antiken biblischen Volkes Israel  an "seinen" Gott JHWH spiegelt keine reine neutrale; vermeintlich "objektive" Betrachterperspektive wider, sondern eine ganz persönliche, engagierte, subjektive Perspektive von "Beteiligten" wider; es ist zentral ein Beziehungsgeschehen....Dies wird meiner Wahrnehmung vollkommen unterschlagen und hier gelangt schließlich jede Form von Religionskritik, bei aller grundsätzlichen Berechtigung ( Feuerbach; Marx, Nietzsche.... ) an ihre absolute Grenze.

 

Deshalb finde ich auch die Bemerkung von Habermas so spannend ( und auch wichtig..... ), dass der bleibende Kern der religiösen Substanz und die bleibende Bedeutung von Religion auch heute im "nachmetapysischen Zeitalter"  gerade in ihrer liturgischen Praxis liegt, im Gottesdienst, im kultischen Vollzug und Ritual.

 

Gerade in der Liturgie, im Gottesdienst, wird diesem Beziehungsgeschehen zwischen Mensch und Gott ausdrücklich Sprache, Inhalt, Gestalt und Form verliehen.....  ( Habermas: "Der bleibende Stachel im Fleisch der Moderne....." 

Geschrieben
20 hours ago, Marcellinus said:

 

Wer Witze erzählt, darf sich nicht beschweren, wenn jemand lacht! 

 

Also ich verstehe sowohl Deine Geringschätzung der von @iskander vorgestellten Philosophie (wobei sich diese ja genau genommen nur auf deren Geltungsanspruch bezieht, wenn ich es richtig verstehe), als auch die Frustration von iskander, weil Du aus seiner Sicht auf seine Grundfragen natürlich  überhaupt nicht eingehst.

 

Aber vermutlich sind wir hier im falschen Thread (vielleicht auch im falschen Forum) um das im Detail zu erörtern.

Geschrieben (bearbeitet)
vor 39 Minuten schrieb KevinF:

 

Also ich verstehe sowohl Deine Geringschätzung der von @iskander vorgestellten Philosophie (wobei sich diese ja genau genommen nur auf deren Geltungsanspruch bezieht, wenn ich es richtig verstehe), als auch die Frustration von iskander, weil Du aus seiner Sicht auf seine Grundfragen natürlich  überhaupt nicht eingehst.

 

Du verstehst mich genau richtig. @iskander mag denken und glauben, was er will; nur soll er nicht so tun, als müsse ihm jeder darin folgen. 

 

Es ist übrigens nicht richtig, dass ich auf seine Grundfragen noch nicht eingegangen sei. Ich habe eine ganze Reihe von Posts an ihn hier in meinen Unterlagen. Da haben wir kaum etwas ausgelassen.

 

Ich bestreite halt nur seine Grundannahmen, daß wissenschaftliche Erkenntnis über empirische Belege hinaus eine Art philosophischer Begründung bräuchte, etwas, was man den Descartes‘schen Irrtum nennen könnte.

 

Descartes selbst ist übrigens bei dem berühmt, berüchtigten „Ich denke, also bin ich“ nicht stehen geblieben. Er hielt sein eigenes Ich keineswegs für die letzte Instanz, wie ihm manchmal unterstellt wird, sondern hoffte nur, Gott würde seine Wahrnehmung nicht grob in die Irre führen. Womit wir selbst bei diesem Vorzeigephilosophen wieder beim Glauben wären! 

 

vor 39 Minuten schrieb KevinF:

Aber vermutlich sind wir hier im falschen Thread (vielleicht auch im falschen Forum) um das im Detail zu erörtern.

 

Ich denke, beides! 😄

bearbeitet von Marcellinus
Geschrieben
vor 21 Stunden schrieb KevinF:
vor 23 Stunden schrieb iskander:

Würdest Du denn sagen, dass wir wissen, dass der nächste Rabe, den wir sehen, vermutlich schwarz sein wird? 

Sicher.

 

Dann stellt sich aber die folgende Frage: Wenn es keinerlei vernünftigen Grund gibt, die Aussage, dass der nächste Rabe vermutlich schwarz sein wird, für wahr zu halten, was macht diese Aussage dann zu Wissen? Und was unterscheidet sie von anderen völlig unbegründeten Aussagen wie etwa der, dass der nächste Rabe, der uns begegnet, vermutlich pink sein wird?

 

(Oder anders gefragt: Ist es nicht doch so, dass man in der bisherigen Erfahrung durchaus einen Grund dafür sieht, die eine Aussage für vermutlich wahr zu halten, die andere Aussage aber nicht?)

 

vor 21 Stunden schrieb KevinF:

@Marcellinus schrieb übrigens sinngemäß, dass es auf Fragen wie die nach einer Lösung für das Induktionsproblem entweder keine Antworten gibt oder sich die Antworten von Philosoph zu Philosoph unterscheiden, so dass sie praktisch zur Glaubenssache werden.

Was ist daran falsch?

 

Es ist falsch, weil es ein Fehlschluss ist (daraus, dass nicht alle etwas erkennen können, folgt nicht, dass niemand es erkennen kann), und weil diese Position zum Selbstwiderspruch führt:

 

Bezeichnen wir das Prinzip, dass es nur dort Erkenntnisse geben kann, wo alle einer Meinung sind, als P. Das Prinzip P besagt also, dass eine These, die umstritten ist, nicht als wahr oder als falsch erkennbar ist, sondern unentscheidbar bleibt. Nun ist das Prinzip P aber ja selbst eine umstrittene Auffassung. Es gibt Leute, die P ablehnen, und vermutlich sind es nicht wenige. Wenn P wahr ist, folgt daher aus P selbst, dass P unentscheidbar ist. Sobald man also behauptet, dass P erkennbar wahr sei, folgt, dass P nicht erkennbar wahr (sondern unentscheidbar) ist, und so gelangt man direkt in einen Selbstwiderspruch. 

 

Darüber hinaus ist das Prinzip P auch sehr unplausibel: Oft kommt es vor, dass die meisten Philosophen eine These T entweder für (wahrscheinlich) wahr oder aber für (wahrscheinlich) falsch halten, und dass nur wenige meinen, man könne nichts Begründetes dazu sagen.

Nehmen wir beispielsweise an, dass 60% der Leute, die sich als Philosophen oder auch als interessierte Laien mit der These T befasst haben, diese für wahr halten, und 30% sie für falsch erachten; und dass nur 10% der Leuten meinen, man könne nichts dazu sagen, ob T wahr oder falsch sei. Dann sind sich immerhin 90% der Leute darin einig, dass T entscheidbar sei, und nur 10% vertreten die Auffassung, dass T unentscheidbar sei.

Wenn man nun gemäß dem Prinzip P aus der Umstrittenheit von T auf die Unentscheidbarkeit von T schließt, muss man folgern, dass 90% der Leute sich irren: Sowohl die 60%, die T für entscheidbar wahr halten wie auch die 30%, die T für entscheidbar falsch halten, sind im Unrecht. Nur 10% haben recht, nämlich die, die meinen, dass die Frage nach der Wahrheit von T unentscheidbar sei. Wenn nun aber schon gelten soll, dass fehlende allgemeine Zustimmung ein guter Grund für die Annahme ist, dass etwas nicht als wahr erkennbar sei, ist es merkwürdig, dass ausgerechnet diejenige Behauptung wahr sein soll, die mit großem Abstand die geringste Zustimmung erfährt.

Aber mehr noch: Da die Behauptung, dass T unentscheidbar ist, ja selbst umstritten ist (90% lehnen sie ab), würde aus dem Prinzip P folgen, dass unentscheidbar ist, ob T entscheidbar oder unentscheidbar ist. Man müsste also einerseits behaupten, dass T unentscheidbar ist, andererseits aber, dass man gar nicht wissen kann, ob T unentscheidbar ist oder nicht. Damit haben wir erneut einen Widerspruch vor uns.

 

Und ein Letztes: Es gibt doch unzählige Fälle im Alltag und jenseits der Philosophie, in denen wir einerseits überzeugt sind, dass wir sehr wahrscheinlich recht haben, in denen andererseits unsere Meinung jedoch umstritten ist. Zumindest in einem Teil diese Fälle bleiben wir bei der Überzeugung, dass wir sehr wahrscheinlich recht haben, auch wenn manche Leute uns nicht zustimmen. 

 

Das ist aber gar nicht meine Kritik an @Marcellinus. Meine Kritik ist eine andere: 

 

- Marcellinus nimmt zu zahlreichen spezifisch philosophischen Fragen Stellung; etwa dazu, wo die Möglichkeiten und Grenzen der Erkenntnis liegen; was der grundsätzliche Zusammenhang zwischen Erkenntnis und Empirie ist; was die empirischen Wissenschaften leisten können und was nicht; was die Philosophie leisten kann (wenig) und was nicht; welche Rolle die Logik (unter anderem) in den Wissenschaften spielt bzw. nicht spielt; wie man den Aufbau der Welt mit dem Emergenz-Begriff erklären kann usw. Das wären nur Beispiele.

 

- Marcellinus scheint zu glauben, dass seine entsprechenden Auffassungen vernünftig und richtig sind; jedenfalls trägt er seine Aussagen im Brustton der Überzeugung vor, ganz so, als handele es sich dabei um unbestreitbare Tatsachen. Nirgendwo gibt es einen Hinweis darauf, dass er seine entsprechenden Ausführungen für eine reine "Glaubenssache" halten würde - oder gar für "Phantastereien". 

 

Das kritisiere ich nicht, und das war auch nur die Vorbemerkung. Sind wir uns aber soweit einig? 

 

Meine eigentliche Kritik - oder genauer gesagt: ein Teil meiner eigentlichen Kritik - besteht darin, dass Marcellinus einerseits zwar Antworten zu zahlreichen philosophischen Fragen gibt, und zwar wie gesagt in einem Duktus, der ein hohes Maß an Gewissheit verrät, andererseits aber die Philosophie rundherum ablehnt (um es nett auszudrücken). Wenn man ihn auf diesen Widerspruch hinweist, sagt er, dass er gar keine Philosophie betreiben würde, sondern dass seine Antworten im Sinne einer empirischen Wissenschaft - nämlich der Wissenssoziologie - zu verstehen seien. 

 

Nun halte ich diese Antwort für beweisbar falsch: Die entsprechenden Aussagen von Marcellinus beziehen sich überhaupt nicht auf soziale Phänomene (oder jedenfalls ganz sicher nicht auf soziale Phänomene qua soziale Phänomene). Sie liegen somit außerhalb dessen, was mit den Methoden der empirischen Sozialforschung überhaupt zugänglich ist - ganz so, wie Aussagen über die Grammatik des Lateinischen prinzipiell jenseits dessen liegen, was mit den spezifischen Methoden der empirisch arbeitenden Botanik untersuchbar ist. 

Es gibt auch weit und breit niemanden, der das abstreiten würde. Auch die Sociology of Scientific Knowledge beantwortet nicht klassische erkenntnistheoretische Fragestellungen (wie etwa "Was ist eine wissenschaftliche Begründung?"), sondern sie ersetzt solche durch spezifisch soziologische Fragen (wie etwa: "Welche sozialen Faktoren erklären, dass eine bestimmte soziale Gruppe etwas für eine wissenschaftliche Begründung hält?").

 

Aber vielleicht irre ich mich ja grundlegend, und alle Philosophen und Soziologen weit und breit dazu. Deshalb habe ich Marcellinus schon oft gebeten, einfach einmal darzulegen, wie man seine vielen Aussagen, die gemeinhin als philosophisch gelten, ganz ohne Philosophie und mit den Mitteln der empirischen Sozialforschung begründen kann. Zumindest mal an einem Beispiel. Ich habe bis dato keine Antwort bekommen.

 

Das wären also zwei meiner Kritikpunkte (neben vielen anderen):

 

- Allem Anschein nach lehnt Marcellinus die Philosophie zwar völlig ab, vertritt aber selbst im Brustton der Überzeugung seine eigene Philosophie. Dabei äußert er sich zu klassischen Fragestellung aus den Gebieten der Philosophie der Logik, der Metaphilosophie, der Erkenntnistheorie, der Wissenschaftstheorie, der Ontologie, der Philosophie des Geistes und der Metaethik. 

 

- Er entgegnet, dass seine Thesen nicht auf einem philosophischen Zugang, sondern allein auf der (empirisch arbeitenden) Wissenschaft beruhen, nämlich auf der (empirisch arbeitenden) Soziologie beruhen würde. Auch auf zahlreiche höfliche Bitten ist er nicht bereit, diese Behauptung auch nur an einem einzigen Beispielfall darzulegen oder auch nur zu erklären, wie man die fraglichen Thesen zumindest prinzipiell empirisch-sozialwissenschaftlich untersuchen oder belegen könnte. 

 

Ist jetzt klar geworden, wo meine Kritik ansetzt?

 

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