Jump to content

Pensées et Regards sur....


Recommended Posts

Geschrieben
Am 1.7.2025 um 00:19 schrieb iskander:

@Frey

 

Nur kurz die Anmerkung, dass die Abduktion der Sache nach sogar auf Aristoteles zurückzugehen scheint, auch wenn sie sehr mit dem Namen von Pierce verknüpft ist.

 

Das stimmt sicher. Ein Beispiel für die Unverzichtbarkeit der Abduktion in einem zudem ziemlich unproblematischen Fall: Wenn wir einen Stromkreis mit einem Stück Gold kurzschließen und dann die Lampe leuchtet, schließen wir daraus, dass Gold Strom leitet. Das ist ein Schluss nach dem Schema "Wenn A der Fall ist, dann ist auch B der Fall; B ist tatsächlich der Fall; also ist auch A der Fall (denn dass A der Fall ist, ist hier die einzig vernünftige Erklärung dafür, dass B tatsächlich der Fall ist)".

(A = Gold leitet Strom; B = Die Lampe leuchtet.)

Deduktiv ist dieser Schluss ungültig; es ist ein abduktiver Schluss. Aber wir kämen ohne solch fundamentale Schlüsse nicht zurecht und könnten ohne sie erst recht keine Wissenschaft betreiben.


Das ist korrekt. Ergänzend dazu lässt sich sagen: Die Abduktion ist Fluch und Segen zugleich. Einerseits ermöglicht sie, was ich als „intuitive Forschung“ bezeichnen würde – sie bildet häufig den Ausgangspunkt wissenschaftlicher Erkenntnis und eröffnet neue Denkwege. Andererseits ist sie auch die Mutter aller Verschwörungstheorien. Detektive und Juristen bedienen sich abduktiver Schlüsse, um Indizienketten zu konstruieren – mitunter mit fatalen Folgen: Zahlreiche Menschen verdankten solchen Schlussfolgerungen ihre Inhaftierung oder sogar die Todesstrafe, ohne dass ein zwingender Beweis vorlag. In ihrer extremsten Form fanden abduktive Schlüsse etwa in den Hexenverfolgungen Anwendung, bei denen schon die Haarfarbe als vermeintlicher Beleg ausreichte, „weil es ja offensichtlich sei“.


Die Abduktion ist aber tatsächlich der einzige Schlussmodus, der neue Ideen oder Theorien hervorbringen kann – doch bleibt sie immer unsicher und hypothetisch. Gerade diese Ambivalenz macht sie sowohl zur Triebkraft wissenschaftlichen Fortschritts als auch zur potenziellen Quelle folgenschwerer Irrtümer.

Cosifantutti
Geschrieben (bearbeitet)

ORDINATIO SACERDOTALIS...... und die Folgen......, eine Spurensuche ( 8 ) 

 

Eine sehr interessante theologische Wortmeldung von einem bekannten "Ratzinger-Schüler" zur Thematik um die Frauenordination:

 

Theologe Beinert fordert Gleichberechtigung bei Weihe - katholisch.de

 

Daraus ( "Originalton" Beinert )

"Wenn sich herausstellt, dass nach Jesu Willen Frauen und Männer gleichgestellt, gleichberechtigt und von gleicher Erlöstheit sind,

dann kann man auch die Frauenordination nicht mehr behindern." 

 

Der emeritierte Regensburger Dogmatiker erläuterte, "genau genommen, wären sonst Frauen nicht erlöst worden". Denn Erlösung meine christusförmig zu werden, also auch in persona Christi handeln zu können. "Darin besteht nach kirchenamtlichen Aussagen das Wesen der Weihe", sagte Beinert. Der Theologe betonte, da die Kirche "aus dem nachösterlichen Zusammenschluss der Jesus-Leute" entstanden sei, gebe die Botschaft Jesu die Form vor, die seine Gemeinschaft haben müsse. Jede Reform müsse also auf Jesus Christus ausgerichtet sein.

bearbeitet von Cosifantutti
Geschrieben
Am 3.7.2025 um 17:33 schrieb KevinF:

Insgesamt stehe ich der Philosophie nun allerdings kritischer gegenüber, als je zuvor.

 

Ist es aber denn etwas grundsätzlich anderes als Philosophie, wenn man das Induktions-Problem durchdenkt und zum Schluss gelangt, dass wir sozusagen unmittelbar "sehen" können, dass unser Vertrauen in grundlegende Naturgesetze, die seit jeher gelten, gerechtfertigt ist? Wie ich schon sagte, gibt es auch innerhalb der Philosophie vergleichbare Ansätze.

 

Dein Vorgehen scheint mir mitunter wie folgt auszusehen:  Du denkst über eine philosophische Frage nach und gibst eine philosophische Antwort. (Als "philosophisch" bezeichne ich sie nicht nur deshalb, weil entsprechende Gedanken auch von manchen Philosophen vertreten wurden, sondern auch, weil sie m.E. der Sache nach in die Philosophie gehören.)

Und dann stellst Du Deine eigene Antwort sozusagen "der Philosophie" gegenüber, welche Du kritisch betrachtest. 

 

Aus meiner Sicht wäre es aus den dargelegten Gründen angemessener, wenn Du Deine eigene Lösung anderen philosophischen Lösungen und nicht "der" Philosophie entgegensetzen würdest; und wenn Du nicht "die" Philosophie kritisieren würdest, sondern philosophische Perspektiven, die Deiner eigenen Position widersprechen und aus Deiner Sicht wenig Sinn ergeben. 

 

In der Sache selbst würde ich (nochmal) folgende Punkt machen:

 

- Es scheint intuitiv doch ziemlich plausibel zu sein, dass wir mit einer höheren Sicherheit darauf vertrauen können, dass die Naturgesetze morgen noch gelten werden, als dass sie "in alle Ewigkeit" gelten werden. Falls das so ist: Sollte das dann nicht irgendwie bei der Lösung des Induktions-Problems berücksichtigt werden?

 

- Bei induktiven Schlüssen geht es ja nicht immer um Naturgesetze. Meine Überzeugung etwa, dass der nächste Rabe, den ich sehen werde, sehr wahrscheinlich schwarz sein wird, beruht ja nicht auf einer "Invarianz" oder einem Naturgesetz im engeren Sinne. Dennoch sind offenbar auch solche induktiven Schlüsse gerechtfertigt. 

 

Entsprechend würde ich meinen - und ich respektiere es natürlich, wenn Du es anders siehst - dass Deine Antwort zum Induktionsproblem nicht unbedingt alle Fragen beantwortet, die eine Antwort verdienen würden. 

Geschrieben (bearbeitet)
On 7/8/2025 at 8:02 PM, iskander said:

Ist es aber denn etwas grundsätzlich anderes als Philosophie, wenn man das Induktions-Problem durchdenkt und zum Schluss gelangt, dass wir sozusagen unmittelbar "sehen" können, dass unser Vertrauen in grundlegende Naturgesetze, die seit jeher gelten, gerechtfertigt ist?

 

Ich würde vermuten, diese Formulierung postuliert eine Art von erkenntnistheoretischer Letztgültigkeit, die ich ablehne.

 

 

On 7/8/2025 at 8:02 PM, iskander said:

- Es scheint intuitiv doch ziemlich plausibel zu sein, dass wir mit einer höheren Sicherheit darauf vertrauen können, dass die Naturgesetze morgen noch gelten werden, als dass sie "in alle Ewigkeit" gelten werden. Falls das so ist: Sollte das dann nicht irgendwie bei der Lösung des Induktions-Problems berücksichtigt werden?

 

Ist berücksichtigt in meiner Antwort.

 

On 7/8/2025 at 8:02 PM, iskander said:

Bei induktiven Schlüssen geht es ja nicht immer um Naturgesetze. Meine Überzeugung etwa, dass der nächste Rabe, den ich sehen werde, sehr wahrscheinlich schwarz sein wird, beruht ja nicht auf einer "Invarianz" oder einem Naturgesetz im engeren Sinne. Dennoch sind offenbar auch solche induktiven Schlüsse gerechtfertigt. 

 

Die Erwartungswerte bezüglich Raben basieren auf unserem entsprechenden empirischen Hintergrundwissen. Mit Philosophie hat das an dieser Stelle nichts mehr zu tun. 
 
Das Induktionsproblem im Kern stellt hingegen das Fundament unseres empirischen Wissens selbst in Frage. 
Darauf habe ich bereits geantwortet.

 

 

On 7/8/2025 at 8:02 PM, iskander said:

Dein Vorgehen scheint mir mitunter wie folgt auszusehen:  Du denkst über eine philosophische Frage nach und gibst eine philosophische Antwort. (Als "philosophisch" bezeichne ich sie nicht nur deshalb, weil entsprechende Gedanken auch von manchen Philosophen vertreten wurden, sondern auch, weil sie m.E. der Sache nach in die Philosophie gehören.)

Und dann stellst Du Deine eigene Antwort sozusagen "der Philosophie" gegenüber, welche Du kritisch betrachtest. 

 

Aus meiner Sicht wäre es aus den dargelegten Gründen angemessener, wenn Du Deine eigene Lösung anderen philosophischen Lösungen und nicht "der" Philosophie entgegensetzen würdest; und wenn Du nicht "die" Philosophie kritisieren würdest, sondern philosophische Perspektiven, die Deiner eigenen Position widersprechen und aus Deiner Sicht wenig Sinn ergeben. 

 

Der Unterschied ist, dass meine Antworten minimal sind und auf unser Alltagsdenken sowie auf das naturwissenschaftliche Weltbild verweisen. 
 
Wie gesagt, Minimalphilosophie. 
  
Ich möchte auch noch einmal betonen, dass es hier nur um einen relativ engen Bereich der theoretischen Philosophie geht (Zeugs wie die Debatten um Solipsismus/Konstruktivismus/Realismus; Induktionsproblem; Qualiaproblem; "freier Wille") 
 
Es gibt auch ganz andere Arten von Philosophie, über die wir hier nicht sprechen.

bearbeitet von KevinF
Geschrieben

Ich war jetzt zu faul, threadübergreifend zu zitieren, aber wenn Du die Diskussion fortsetzen möchtest, mach doch bitte einen eigenen Thread auf @iskander oder, besser, komm einfach ins andere Forum.

 

In diesem Thread ist das alles off topic.

Cosifantutti
Geschrieben
Am 8.7.2025 um 16:43 schrieb Cosifantutti:

ORDINATIO SACERDOTALIS...... und die Folgen......, eine Spurensuche ( 8 ) 

 

Eine sehr interessante theologische Wortmeldung von einem bekannten "Ratzinger-Schüler" zur Thematik um die Frauenordination:

 

Theologe Beinert fordert Gleichberechtigung bei Weihe - katholisch.de

 

Daraus ( "Originalton" Beinert )

"Wenn sich herausstellt, dass nach Jesu Willen Frauen und Männer gleichgestellt, gleichberechtigt und von gleicher Erlöstheit sind,

dann kann man auch die Frauenordination nicht mehr behindern." 

 

Der emeritierte Regensburger Dogmatiker erläuterte, "genau genommen, wären sonst Frauen nicht erlöst worden". Denn Erlösung meine christusförmig zu werden, also auch in persona Christi handeln zu können. "Darin besteht nach kirchenamtlichen Aussagen das Wesen der Weihe", sagte Beinert. Der Theologe betonte, da die Kirche "aus dem nachösterlichen Zusammenschluss der Jesus-Leute" entstanden sei, gebe die Botschaft Jesu die Form vor, die seine Gemeinschaft haben müsse. Jede Reform müsse also auf Jesus Christus ausgerichtet sein.

hierzu eine weitere aktuelle Stimme aus der Weltkirche......

 

Apostolischer Administrator: Dann erwarte ich neuen Wiener Erzbischof - katholisch.de

 

Der Apostolische Administrator der Erzdiözese Wien, Josef Grünwidl, rechnet mit einer baldigen Nachfolge von Kardinal Christoph Schönborn. Er könne sich vorstellen, "dass es im Advent einen neuen Erzbischof von Wien gibt. Und ich wünsche mir das auch", sagte er im Interview mit den "Niederösterreichischen Nachrichten" (NÖN). Bis dahin bleibe er im Amt – doch "sonst würde meine Zeit als Administrator über ein Jahr dauern und das war bisher nie der Fall", so Grünwidl.

 

Deutlich positionierte sich Grünwidl zu aktuellen Reformdebatten, besonders zur Rolle der Frauen in der Kirche. "Wenn man sich das Leben in den Pfarren ansieht, merkt man, dass es ohne Frauen nicht gehen würde. Ich meine, dass es an der Zeit ist, Frauen stärker in Entscheidungsgremien einzubinden", betonte er. Deshalb habe er kürzlich drei Frauen in das Diözesanleitungsteam berufen.

Zur Frage einer möglichen Weihe von Frauen sagte Grünwidl: "Es ist jedenfalls ein aktuelles Thema. Und ich merke auch im Gespräch, vor allem mit jungen Menschen, dass das Verständnis fehlt, warum Frauen aufgrund ihres Geschlechts von vorne herein vom Priesteramt ausgeschlossen sind." Diese Frage dürfe die Kirche nicht mehr lange aufschieben. Nötig sei eine gründliche theologische Auseinandersetzung, am Ende müsse ein Konzil entscheiden.

 

Interessanter Aspekt hierzu: Während eine Gruppe in der Kirche die Auffassung vertritt, dass die Frage der Ordination von Frauen "ein für alle mal" und "definitiv" geklärt ist und für manche die Entscheidung von JPII in OS gar das besondere Siegel der "Unfehlbarkeit" bekommen hat, ist für die andere Gruppe die Frage nach wie vor vollkommen "offen".... 

 

Zudem macht der derzeitige Administrator der Erzdiözese Wien darauf aufmerksam, dass gerade von der jungen Generation her ein ganz neuer Problem- und Entscheidungsdruck in dieser Frage für die Kirche besteht......

Geschrieben (bearbeitet)

Heute vor nunmehr schon 25 Jahren, am 6. August im Jahr 2000,  wurde "Doninus Jesus" von Kardinal Ratzinger veröffentlicht. Dieses Schreiben hat damals für erheblichen "ökumenischen" Wirbel gesorgt..... in katholisch.de findet sich ein interessanter Artikel über die heutige Einschätzung dieses Schreibens von Johanna Rahner

bearbeitet von Cosifantutti
Geschrieben (bearbeitet)

Heute, am 6. August, feiert die Kirche das FEST DER VERKLÄRUNG CHRISTI.... auf dem Berg Tabor. 

 

Ich erinnere mich noch sehr gut: Für Frère Roger Schütz von Taizé war dieses Fest immer ein ganz besonderer Tag... und er wurde auch entsprechend in der Communauté gedacht / bedacht. Und auch schon für die Jünger Jesu und die ersten Christengeneunschaften muss die "Verklärung Christi" etwas ganz besonderes gewesen sein, die sich lohnt, erinnert und weitererzählt zu werden. Entsprechend finden wir diese "Jesuserinnerung" bei allen drei Synoptikern.... 

 

Es ist erstaunlich, dass wir in den Evangelien immer wieder an verschiedenen Stellen bereits Spuren des Glaubensbekenntnisses an Jesus als den "Sohn Gottes" finden, wie es dann in Nicäa in einer nicht erzählerischen Sprache aufgeschrieben wurde  ( "gleichwesentlich / gleichen Wesens mit dem Vater" )

 

Zum heutigen "Fest der Verklärung" ganz interessante, intertextuelle biblische Verweise:

Psalm 2 "Mein Sohn bist du. Heute habe ich dich gezeugt."

Daniel 7: die Vision vom Menschensohn

2 Petrus 1, 16ff: "Wir sind nicht klug ausgedachten Geschichten gefolgt,.... sondern wir waren Augenzeugen..."

bearbeitet von Cosifantutti
Geschrieben (bearbeitet)

Irgendwie doch sehr überraschend:

 

In der neuesten Ausgabe des SPIEGEL vom 5. 9. 25 erscheint ein immerhin ein sehr ausführlicher Artikel ( drei Textseiten !!!! ) über die Heiligsprechung des italienischen Teenagers Carlo Acutis unter dem Titel „Gottes Influencer“. 

 

Der Artikel ist sehr fair, sachlich, informativ….. 

 

Es ist doch immer wieder sehr interessant zu beobachten, dass „religiöse“ Themen Eingang finden in so „säkulare“ Medien wie dem SPIEGEL und die Thematik auch noch sachlich , fair und ausgewogen behandelt wird.

 

Wir sind offensichtlich wirklich inzwischen im „postsäkularen“ Zeitalter angekommen, in der „Post“-Moderne, wo Religion ( wieder ) ein selbstverständlicher Teil der äußerst vielfältigen Wirklichkeit des Daseins ist 

 

bearbeitet von Cosifantutti
Geschrieben

Die Quellen des Lebens…….

 

Auch wenn man sich sehr intensiv mit den Schriften befasst, sie regelmäßig liest ( zB: Te Deum - Stundengebet im Alltag… ), ja sozusagen aus den Schriften und von den Schriften her lebt, muss man sich immer wieder neu die Art / Gattung der Texte bewusst machen. Die Briefe des Apostels Paulus sind ( Gelegenheits- ) Briefe, die Evangelien bilden eine ganz eigene literarische Gattung von Verkündigungserzählungen, von authentischen Glaubenszeugnissen im Gewande der Erzählung. Heute sagt man: Die Evangelien dokumentieren „Jesus-Erinnerungen“ der Gemeinschaft der an Jesus als den Messias Gottes / Sohn Gottes Glaubenden zur Zeit ca. 50 -  100 nach Christus. Diese „Jesus-Erinnerung“ verdichtet sich zudem immer neu in der Feier der Eucharistie.

 

Von Zeit zu Zeit kehre ich gerne zum Markus-Evangelium zurück. Das knappste, kürzeste Evangelium unter den „kanonischen“ Evangelien….. Überaus bemerkenswert find ich, dass in den ersten Kapiteln des Markus-Evangeliums überhaupt nichts von Jesu „Predigt“ / Verkündigung seiner Botschaft vom Reich Gottes erzählt wird….. Jesu „Verkündigung“ wird zu Anfang der Beschreibung seines öffentlichen Wirkens in Galiläa zusammenfassend so wiedergegeben: 

 

Jesus „verkündete das Evangelium Gottes und sprach: 

Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe.

Kehrt um und glaubt an das Evangelium.“

( Mk 1,15 ) 

 

Im Folgenden erfahren wir - die Zuhörer oder Leser -, dass die Menschen „betroffen“ sind von seiner Lehre, denn er lehrte, wie einer, der ( göttliche ) Vollmacht hat.“ Dann berichtet Markus von Austreibung der von Dämonen, die sehr genau wissen, wer er ist. Von Heilungen von Besessenen, Kranken und Aussätzigen, vom Mahl mit Zöllnern, von der Heilung eines Mannes am Sabbath. Im Markus-Evangelium erscheint Jesus zuallererst als „Heiler“ - „Heiland“, „Arzt“….. die Menschen erfahren direkt, am eigenen Leib / Körper die frohe Botschaft des Evangeliums. Heilung von Dämonen, Krankheit, Aussatz: darin besteht im Kern des „Evangelium“ Jesu….

Geschrieben

„Was ist los, was geschieht ?“

 

“Irgendwas geht seinen Gang“

 

( Samuel Beckett: Beckett ) 

Geschrieben (bearbeitet)
Am 22.9.2025 um 15:16 schrieb Cosifantutti:

Auch wenn man sich sehr intensiv mit den Schriften befasst, sie regelmäßig liest ( zB: Te Deum - Stundengebet im Alltag… ), ja sozusagen aus den Schriften und von den Schriften her lebt, muss man sich immer wieder neu die Art / Gattung der Texte bewusst machen. Die Briefe des Apostels Paulus sind ( Gelegenheits- ) Briefe, die Evangelien bilden eine ganz eigene literarische Gattung von Verkündigungserzählungen, von authentischen Glaubenszeugnissen im Gewande der Erzählung.

 

Wessen authentisches Glaubenszeugnis im Gewande einer Erzählung ist ein Evangelium?

 

Am 22.9.2025 um 15:16 schrieb Cosifantutti:

Heute sagt man: Die Evangelien dokumentieren „Jesus-Erinnerungen“ der Gemeinschaft der an Jesus als den Messias Gottes / Sohn Gottes Glaubenden zur Zeit ca. 50 -  100 nach Christus. Diese „Jesus-Erinnerung“ verdichtet sich zudem immer neu in der Feier der Eucharistie.

 

"Ich aber sage dir", dass es "Jesus-Erinnerungen nicht von einer "Gemeinschaft", sondern von vier räumlich und zeitlich unterscheidbaren "Gemeinschaften" sind. Vielleicht sollte man besser von Gemeinden reden, und dabei auch bedenken, dass unterschiedliche Gemeinden unterschiedliche Gemeindegründer hatten. Paulus gründete ein paar Gemeinden, aber es gab schon vor Paulus Gemeinden, z.B. diejenige in Damskus, in der der blinde Saulus gepflegt wurde.

 

Natürlich wurden in den unterschiedlichen Gemeinden auch unterschiedliche Theologien vertreten, was man ja auch an den vier unterschiedlichen Evangelien erkennt. Das Christentum war anfänglich noch nicht so katholisch zentralisiert, wie ein paar Jahrhunderte später. Zur Zeit der Abfassung der Evangelien gab es noch keine Bischöfe, und erst recht keinen Ersten unter Gleichen, der eine übergeordnete Autorität darstellte. 

 

Am 22.9.2025 um 15:16 schrieb Cosifantutti:

Von Zeit zu Zeit kehre ich gerne zum Markus-Evangelium zurück. Das knappste, kürzeste Evangelium unter den „kanonischen“ Evangelien….. Überaus bemerkenswert find ich, dass in den ersten Kapiteln des Markus-Evangeliums überhaupt nichts von Jesu „Predigt“ / Verkündigung seiner Botschaft vom Reich Gottes erzählt wird

 

Gut beobachtet. Dauernd steht da, dass Jesus lehrte, aber nicht was er lehrte. Ich fand es früher richtig gemein von "Markus", dass er die Inhalte der Lehre dauernd unterschlägt. Das hat mich immer fuchsig gemacht: "Ja, aber WAS lehrte er denn? Sag es doch endlich, um Gottes Willen, und spann mich nicht so auf die Folter!"

 

Am 22.9.2025 um 15:16 schrieb Cosifantutti:

Jesu „Verkündigung“ wird zu Anfang der Beschreibung seines öffentlichen Wirkens in Galiläa zusammenfassend so wiedergegeben: 

 

Jesus „verkündete das Evangelium Gottes und sprach: 

Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe.

Kehrt um und glaubt an das Evangelium.“

( Mk 1,15 )

 

Im Folgenden erfahren wir - die Zuhörer oder Leser -, dass die Menschen „betroffen“ sind von seiner Lehre, denn er lehrte, wie einer, der ( göttliche ) Vollmacht hat.“

 

"Ach Menno, Markus!. Spuck es endlich aus. Was lehrte Jesus denn nun? Ich möchte doch auch so betroffen sein, von dem was Jesus in Vollmacht lehrt." Aber da kommt nix. Drei Kapitel lang geht das so. Man erfährt, was Jesus alles macht, aber kein Sterbenswörtchen von dem was er lehrt

 

Am 22.9.2025 um 15:16 schrieb Cosifantutti:

Dann berichtet Markus von Austreibung der von Dämonen, die sehr genau wissen, wer er ist. Von Heilungen von Besessenen, Kranken und Aussätzigen, vom Mahl mit Zöllnern, von der Heilung eines Mannes am Sabbath. Im Markus-Evangelium erscheint Jesus zuallererst als „Heiler“ - „Heiland“, „Arzt“…..

 

Genau. Es ist zum aus der Haut fahren. Man möchte vor Neugier platzen. 

 

Am 22.9.2025 um 15:16 schrieb Cosifantutti:

die Menschen erfahren direkt, am eigenen Leib / Körper die frohe Botschaft des Evangeliums. Heilung von Dämonen, Krankheit, Aussatz: darin besteht im Kern des „Evangelium“ Jesu….

 

Genau! Dann legen wir doch an diesem Punkt des Evangeliums einen kurzen Zwischenstopp ein, und machen genau das, was du zu Anfang vorgeschlagen hast, und fragen uns, bevor wir gespannt weiterlesen ...

 

Am 22.9.2025 um 15:16 schrieb Cosifantutti:

Auch wenn man sich sehr intensiv mit den Schriften befasst, sie regelmäßig liest ( zB: Te Deum - Stundengebet im Alltag… ), ja sozusagen aus den Schriften und von den Schriften her lebt, muss man sich immer wieder neu die Art / Gattung der Texte bewusst machen.

 

... welche Textgattung das ist, die uns vor Neugier fast platzen lässt. Also, wie nennt man diese andere Textgattung, die so dringend nach einer Erlösung verlangt?

bearbeitet von Weihrauch
Geschrieben
vor 23 Minuten schrieb Weihrauch:

 

Gut beobachtet. Dauernd steht da, dass Jesus lehrte, aber nicht was er lehrte. Ich fand es früher richtig gemein von "Markus", dass er die Inhalte der Lehre dauernd unterschlägt. Das hat mich immer fuchsig gemacht: "Ja, aber WAS lehrte er denn? Sag es doch endlich, um Gottes Willen, und spann mich nicht so auf die Folter!"

Japp - Genau das!

 

Jesu Ethik, findet sich wohl in in Lukas 3, 1-20, Lukas 6, Matthäus 5-7 und obwohl es kein Q-Stoff zu sein scheint aber inhaltlich passt es perfekt rein Matthäus 25, 31-45. Sonst gibt es hier und da mal rudimentäre Hinweise. Seine Apokalyptik ist da breiter beschrieben, aber auch da ist Markus sehr zurückhaltend.

Geschrieben
vor einer Stunde schrieb Flo77:

Jesu Ethik, findet sich wohl in in Lukas 3, 1-20, Lukas 6, Matthäus 5-7 und obwohl es kein Q-Stoff zu sein scheint aber inhaltlich passt es perfekt rein Matthäus 25, 31-45. Sonst gibt es hier und da mal rudimentäre Hinweise. Seine Apokalyptik ist da breiter beschrieben, aber auch da ist Markus sehr zurückhaltend.

 

Schön und gut, aber so kann Markus, wer immer das gewesen sein mag, nicht argumentieren. Es gab zu seiner Zeit kein Lehramt, in dem Markus, Matthäus, Lukas, Johannes, Paulus u.a zusammen beschlossen hätten: Wir schreiben jetzt ein paar Briefe und 4 Evangelien, einer kümmert sich um diesen Teil der Botschaft, der andere um jenen, der dritte vermittelt dieses und der vierte jenes, manche machen es auf jene Weise und andere auf andere Weise, und das Ganze packen wir dann zwischen zwei Buchdeckel und nennen es Evangelium um damit zu evangelisieren.

 

Man kann es doch nicht gut heißen, dass sich diverse Versuche einer Evangelienharmonie nicht durchgesetzt haben, und im gleichen Atemzug doch wieder so etwas wie eine Evangelienharmonie in seinem Kopf und in den Köpfen der anderen zu produzieren, und das dann christliche "Lehre" zu nennen. Darum habe ich doch einleitend danach gefragt, "Wessen authentisches Glaubenszeugnis im Gewande einer Erzählung ist ein Evangelium?", und darauf hingewiesen, dass jedes Evangelium das Produkt einer Gemeinde ist, und nicht das Produkt der Gemeinschaft.

 

Frei nach Kant bleibt mir (wenn ich mich aus hermeneutischen Gründen mal, in ein damaliges Gemeindemitglied der Markusgemeinde versetze) nichts anderes übrig, als (den Mut zu haben), Markus ohne Anleitung Dritter (Mt, Lk, Joh usw.) zu verstehen. Also: was ist das authentische Glaubenszeugnis im Gewande der Erzählung des Markusevangeliums? Was ist die Botschaft des Markus? Was will er vermitteln, und warum sagt er es so, wie er es sagt? Warum spannt er uns so auf die Folter bezüglich der Lehre Jesu? Was ist das für eine andere Textgattung, derer er sich da befleißigt, und die so sehr nach einer Erlösung der Neugierde bzw. nach einer Auflösung der somit aufgebauten Spannung schreit? Wann und wie wird diese Auflösung im Markusevangelium präsentiert? Wie verläuft die Spannungskurve, worin besteht ihr Höhepunkt? Welche Dramaturgie hat er im Sinn? Was ist der Plot? Was ist seine Pointe? An wen oder was glaubt Markus? Was ist sein Glaubenszeugnis?

 

Was, außer der Lehre Jesu, kommt denn anscheinend noch unerträglich viel zu kurz in seinem Evangelium vor? Die Frage danach, was in einem Text fehlt (aber nicht fehlen dürfte), ist meiner Erfahrung nach, sehr aufschlussreich. Heute sagt man: Das Markusevangelium ist eine „Passionsgeschichte mit ausführlicher Einleitung. Ich (Markus) aber sage euch: in meinem "Evangelium" kommt das Wesentlichste christlichen Glaubens ganz und gar nicht "zu kurz" - möchte ich meinen, wenn ich mir das 4 Kapitel näher anschaue. 

 

Am 22.9.2025 um 15:16 schrieb Cosifantutti:

Im Markus-Evangelium erscheint Jesus zuallererst als „Heiler“ - „Heiland“, „Arzt“….. die Menschen erfahren direkt, am eigenen Leib / Körper die frohe Botschaft des Evangeliums. Heilung von Dämonen, Krankheit, Aussatz: darin besteht im Kern des „Evangelium“ Jesu….

 

Das ist ja ganz nah dran, finde ich - aber so verstanden hätten wir Menschen heute doch nichts davon. In der Markusgemeinde, für die er das Evangelium schrieb, gab es Dämonen, Krankheit, Aussatz. Jesus war gekreuzigt worden. Die frohe Botschaft ist kaum, dass zur Zeit Jesu in Galiläa das gesündeste Volk lebte, weil es das beste "Gesundheitssystem" bzw. den besten Arzt und Exorzisten aller Zeiten hatte.

 

So funktioniert das offensichtlich nicht. Da steckt mehr dahinter. Nochmal: Was ist (sind) das für eine andere Textgattung(en), die die wesentlichen Dinge (so lange) verschweigt (verschweigen), um sie "schlussendlich" besser zur Geltung zu bringen? Was fehlt die meiste Zeit, oder auch gänzlich in der markinischen Erzählung? Welche Rolle spielt der Kairos (der günstige Moment s. Mk 1,15; 10,30; 11,13; 12,2; 13,33) im Verhältnis zum Chronos, der Chronologie der Erzählung? Wann manifestiert sich der Kairos, wodurch, und vor allem - in wem, und was passiert dabei?


Fragen über Fragen, und ehrlich gesagt, so ganz bringe ich das verstandesmäßig selbst nicht auf die Reihe. Das soll aber womöglich auch so sein, jedenfalls identifiziere ich mich im Markusevangelium noch am ehesten mit den begriffsstutzigen Jüngern Jesu, die den Wald vor lauter Bäumen nicht erkennen. Stückwerk eben, aber ich ahne, dass der günstige Moment (Kairos) darum günstig ist, weil er von bedingungsloser Liebe durchdrungen ist, bzw. sein wird (1 Kor 13 und so ...).

Geschrieben
vor 3 Stunden schrieb Weihrauch:

Fragen über Fragen, und ehrlich gesagt, so ganz bringe ich das verstandesmäßig selbst nicht auf die Reihe. Das soll aber womöglich auch so sein, jedenfalls identifiziere ich mich im Markusevangelium noch am ehesten mit den begriffsstutzigen Jüngern Jesu, die den Wald vor lauter Bäumen nicht erkennen. Stückwerk eben, aber ich ahne, dass der günstige Moment (Kairos) darum günstig ist, weil er von bedingungsloser Liebe durchdrungen ist, bzw. sein wird (1 Kor 13 und so ...).

Deswegen findet Ehrman dieses Evangelium genial. Es ist ein Buch voller Andeutungen, in dem niemand wirklich begreift, wer Jesus eigentlich war. Die einzige klare Aussage, die vorhanden ist "Lösegeld für die Sünden der Welt", ansonsten bleibt die Figur des königlichen Messias ein Geheimnis, dem sich der Leser nähern kann, daß ihm aber nicht vorgekaut wird. Jedenfalls nicht vom Autor.

Geschrieben (bearbeitet)
vor 7 Stunden schrieb Flo77:

Deswegen findet Ehrman dieses Evangelium genial. Es ist ein Buch voller Andeutungen, in dem niemand wirklich begreift, wer Jesus eigentlich war.

 

Na ja, ich weiß nicht so recht, denn eigentlich fällt Markus mit der Tür ins Haus, wie bei der Sorte Krimi, in der dem Leser von Beginn an klar ist, wer der Mörder ist - aber dem Kommissar das erst im Verlauf klar wird. Es geht also zunächst um den Erkenntnisweg des Kommissars, und dann darum, den Täter zu überführen, was nichts anderes bedeutet, als auch alle anderen davon zu Überzeugen, dass dieser die Tat begangen hat, und kein anderer.

 

Zitat

Mk 1,1
Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, Gottes Sohn.

 

vor 7 Stunden schrieb Flo77:

ansonsten bleibt die Figur des königlichen Messias ein Geheimnis

 

Nee, ganz und gar nicht, Christus und Messias ist doch dasselbe, ein Gesalbter. Um im Bild eines Kriminalromans zu bleiben: Damals gab es viele Verdächtige, also viele Messiasse. Es geht also darum den richtigen zu identifizieren, seine Spuren zu sichern und zu verfolgen, sein Motiv aufzudecken usw. um ihn zu überführen. Das ist Überzeugungsarbeit, der Kommissar muss erst sich selbst und dann andere überzeugen. Im Markusevangelium werden schließlich viele Zeugen vorgestellt und befragt. Warum sind manche Zeugenaussagen glaubwürdig, und andere nicht, welche lassen sich belegen, welche nicht? Das angebliche Messiasgeheimnis ist Nonsens, weil es schon im ersten Satz gelüftet ist: Jesus ist der Messias, Gottes Sohn, wobei "Gottes Sohn" so viel ich weiß, an dieser Stelle eine spätere Ergänzung ist. 

 

vor 7 Stunden schrieb Flo77:

Die einzige klare Aussage, die vorhanden ist "Lösegeld für die Sünden der Welt",

 

Es ist vorteilhaft, aus der Schrift genau zu zitieren, um die eigenen Gedankengänge immer wieder zu überprüfen.

 

Zitat

Mk 10,45
Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.

 

Dabei geht es vom Kontext her um den Willen zur Macht, von einigen wenigen "Aposteln". "Bei euch aber soll es nicht so sein". Damit wäre das Motiv "Wille zur Macht" des Messias schon mal vom Tisch. Weil ich diese Frage schon erwähnte: Was fehlt? Die Taufe spielt dabei eine wichtige Rolle. Johannes der Täufer sagt zu Anfang, dass "Jesus mit dem Heiligen Geist taufen wird". Im Mk-Ev tauft Jesus aber keinen einzigen Menschen.

 

Zitat

Mk 10,39
Sie antworteten: Wir können es. Da sagte Jesus zu ihnen: Ihr werdet den Kelch trinken, den ich trinke, und die Taufe empfangen, mit der ich getauft werde.

 

Das ist einer der vielen Punkte, an dem die Erzählung über sich selbst hinausweist, ihren Rahmen einer Erzählung sprengt, weil nicht erzählt wird, was erzählt werden müsste. Es passiert also nicht in der Erzählung sondern woanders. Wo? Merkwürdig ist auch, dass Jesus zu Anfang ja schon getauft worden ist. Hier spricht Jesus davon, dass er getauft werden wird. Gleiches gilt natürlich auch für die Jünger.

 

Das sind alles solche Dinge, die dem Leser von Markus aufgegeben werden, die man sich selbst anhand seines Textes (ohne die Hilfe anderer Mt, Lk, Joh usw.) erarbeiten soll. Das setzt aber voraus, dass die Antworten auf solche Fragen auch in seinem Text enthalten sind. So stellt Markus den Leser immer wieder vor die Tafel, so wie der Kommissar immer wieder vor seiner Tafel mit den an diesem Fall Beteiligten steht, Verbindungen zwischen ihnen zieht, alles vor Augen hat, aber noch nicht erkennt.

 

Zitat

Mk 4,12
denn sehen sollen sie, sehen, aber nicht erkennen; hören sollen sie, hören, aber nicht verstehen, ...

...

Mk 4,22
Denn es gibt nichts Verborgenes, das nicht bekannt werden soll, und nichts Geheimes, das nicht an den Tag kommen soll.

 

Es geht um den Erkenntnisprozess. Das ist meiner Meinung nach das Geniale am Mk-Ev. Was ist das für eine andere Textgattung?

bearbeitet von Weihrauch
Geschrieben

Die Quellen des Lebens……..

 

Worin besteht genauer das „Evangelium“, die „frohe Botschaft“, die Jesus den Menschen verkündet hat ?

( „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium.“ Markus 1, 15 ) 

 

Der Evangelist Markus verweigert uns in seinen ersten Kapiteln ( offensichtlich ? scheinbar ? ) eine klare Antwort. 

Wir lesen nur: „Und die Menschen waren sehr betroffen von seiner Lehre, denn er lehrte sie, wie einer, der göttliche Vollmacht hat, nicht wie die Schriftgelehrten.“ ( Markus 1, 22 )

 

Markus erzählt uns in seinen ersten Kapiteln, dass Jesus in der Gegend um den See Genesareth seine „Froh-Botschaft“, sein „Evangelium“ verkündete: „Und er zog durch ganz Galiläa, predigte in den Synagogen und trieb die Dämonen aus.“ ( Markus 1, 39 ) 

 

Was wir aber in den ersten Kapiteln erfahren, ist das, was Jesus tut.: Er heilt Menschen von ihren verschiedenen Krankheiten und treibt Dämonen aus. ( Markus 1, 32f. ). Darin besteht offensichtlich das Evangelium Gottes, die frohe Botschaft. Menschen erfahren „Heilung“, kein rein abstraktes „Heil“…sondern erfahren bis in die eigene Körperlichkeit hinein, wie sich die Nähe Gottes, durch Jesus „verkörpert“, konkret heilsam an der jeweiligen Person direkt auch „leiblich“ auswirkt. 

 

Markus beschreibt in seinem ersten Kapitel, wie in der Synagoge von Kafarnaum ein Mann saß, der von einem unreinem Geist besessen war. Als Jesus sich dem Mann nähert, fangen die unreinen Geister sofort an Jesus laut anzuschreien: „Was haben wir mit dir zu tun, Jesus von Nazareth ? Bist du gekommen, um uns ins Verderben zu stürzen ? Ich weiß, wer du bist: Du bist der Heilige Gottes.“ ( Markus 1, 23f. ) 

 

Nachdem Jesus den Mann von seinem unreinen Geist geheilt hat, heißt es bei Markus: „Da erschraken alle und einer fragte den anderen: Was hat das zu bedeuten ? Hier wird mit Vollmacht eine ganz neue Lehre verkündet. Sogar die unreinen Geister gehorchen seinem Befehl.“ ( Markus 1, 27 ) 

 

Die „neue Lehre“, die hier mit „Vollmacht“ verkündet wird, besteht hier in diesem Kapitel in der Austreibung der unreinen, bösen Geister, der „Dämonen“ und der Heilung von „Besessenen“. Summarisch schreibt Markus an einer Stelle: „Am Abend, als die Sonne untergegangen war, brachte man alle Kranken und Besessenen zu Jesus. Die ganze Stadt war vor der Haustür versammelt und er heilte viele, die an allen möglichen Krankheiten litten, und trieb viele Dämonen aus.“ ( Markus 32ff. ).

 

Später wird der Evangelist Lukas diese Krankenheilungen und Dämonenaustreibungen so eindrucksvoll zusammenfassen: „Wenn ich aber die Dämonen durch den Finger Gottes austreibe, dann ist doch das Reich Gottes schon zu euch gekommen.“ ( Lukas 11,20 ) 

 

Jesus, der Arzt, der Heiler, der „Heiland“…. ( „Komm, du Heiland aller Welt….)  so sagt auch Jesus, seine Krankenheilungen erklärend: „Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken.“ ( Markus 2,17 ) 

 

Neben diesen Erzählungen von Krankenheilungen und Austreibungen von Dämonen und bösen Geistern, von der Heilung von Besessenen erfahren wir im Markus-Evangelium aber doch noch weitere Aspekte über das „Evangelium Gottes“.

 

Im zweiten Kapitel wird von einem Gelähmten berichtet, der zu Jesus gebracht wird….. in diesem kleinen Abschnitt ( Markus 2, 1 - 12 ) wird ein ganz neuer Aspekt in die Erzählung eingeführt: „Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben.“ Hier ist also plötzlich nicht mehr nur von Krankenheilungen und Dämonenaustreibung die Rede, sondern explizit von Sündenvergebung. Direkt daran schließt sich auch dann die Auseinandersetzung mit einigen Schriftgelehrten an: „Wie kann dieser Mensch so reden ? Er lästert Gott. Wer kann Sünden vergeben außer dem einen Gott ? 

 

Thematisch klingen hier bereits zwei „Themenkreise“ bei Markus an: Einmal die „Sündenvergebung“ als Zeichen für das Kommen des Reiches Gottes und als konkretes „Evangelium“ für die Menschen. Dann eben: Die Auseinandersetzung mit den „Schriftgelehrten“. 

 

Weitere „Diskussionsthemen“ zwischen Jesus und den Schriftgelehrten werden bei Markus im Folgenden erzählt: 

 

Das Mahl mit den Zöllnern und Sündern. ( Markus 2, 13 - 17 ) 

„Wie kann er zusammen mit Zöllnern und Sündern essen ?“

 

Die Frage nach dem „korrekten“ Fasten:

( Markus 2, 18 - 22 )

“Warum fasten deine Jünger nicht, während die Jünger des Johannes und die Jünger der Pharisäer fasten ?“

 

Die „Sabbat-Frage“

( Markus 2, 23 - 27. 3, 1 - 6 )

 

Bereits im 3. Kapitel bekommt die Auseinandersetzung ( Jesus - Schriftgelehrte ) eine ganz eigene dynamische Dramatik:

„Als er ein andermal in eine Synagoge ging, saß dort ein Mann, dessen Hand verdorrt war. Und sie gaben Acht, ob Jesus ihn am Sabbat heilen werde; sie suchten nämlich einen Grund zur Anklage gegen ihn.“….

 

Jesus fragte die Anwesenden:

„Was ist am Sabbat erlaubt ? Gutes zu tun oder Böses, ein Leben retten oder es zu vernichten ?

Sie aber schwiegen….. 

Und er sah sie der Reihe nach an, voll Zorn und Trauer über ihr verstocktes Herz…..“

 

Man muss sich diese Szene „bildlich“, sozusagen: „kinohaft“ vorstellen: „Der Reihe nach….. voll Zorn…..und Trauer….“

 

Am Ende dieses Abschnittes, nachdem Jesus den Mann geheilt hat, heißt es bei Markus:

“Da gingen die Pharisäer hinaus und fassten zusammen mit den Angehörigen des Herodes den Beschluss, Jesus umzubringen.“

( Markus 3, 6 )

Geschrieben
vor einer Stunde schrieb Cosifantutti:

Der Evangelist Markus verweigert uns in seinen ersten Kapiteln ( offensichtlich ? scheinbar ? ) eine klare Antwort. 

Wir lesen nur: „Und die Menschen waren sehr betroffen von seiner Lehre, denn er lehrte sie, wie einer, der göttliche Vollmacht hat, nicht wie die Schriftgelehrten.“ ( Markus 1, 22 )

Ich muss da an etwas denken, was ich mal bei David Steindl-Rast gehört habe. Ich hielt das anfangs für eine seltsame Auslegung, aber dadurch dass hier im Thread jetzt mehrmals betont wurde, dass bei Markus nirgends so richtig steht, was Jesus eigentlich gelehrt hat, scheint es mir plausibler. Ich versuche Steindl-Rasts These in meinen Worten zu erklären:

 

Dafür ist zunächst wichtig, was Bruder David in Bezug auf Autorität grundsätzlich feststellt. Er sagt, Autorität ist eine verlässliche Grundlage für Wissen und Handeln. Ganz banal, wenn Menschen irgendwo unsicher sind, gehen sie zu jemandem, dem sie zutrauen, da mehr zu wissen oder zu können und fragen um Rat. Auf diese Art (weil sich das meist auch rumspricht) bekommt jemand auf einem bestimmten Gebiet Autorität zugesprochen. Dummerweise wollen die meisten Menschen eine einmal erhaltene Autorität (und die damit verbundene Macht) dauerhaft erhalten. Das bedeutet, man verhindert (manchmal vielleicht unbewusst), dass andere genausoviel Erfahrung und Wissen sammeln können. Man hält die Menschen, die um Rat fragen, unmündig und wird zu einer autoritären Autorität. 

 

David Steindl-Rast sieht nun in den Schriftgelehrten auch solche autoritären Autoritäten. Jesus ist anders er ermächtigt die Menschen, auf die Stimme Gottes im eigenen Herzen zu hören. Deshalb lehrt er auch vorwiegend in Gleichnissen, die eigentlich immer darauf hinauslaufen, dass die Menschen das was das Gleichnis sagen will im Grunde eh schon wissen. So mit einem augenzwinkernden "Ihr wisst das doch eigentlich schon. Ihr müsst nur noch danach handeln." (Übrigens ist das laut Steindl-Rast auch der Grund, warum Jesus hingerichtet wurde. Weil die Autoritäten der damaligen Zeit Sorge hatten, dass die Menschen ihnen nicht mehr gehorchen, wenn sie auf Jesus - und damit die Stimme ihres Herzens, die Stimme Gottes - hören.) Auch die Fußwaschung bei Johannes zeigt ganz deutlich, dass es Jesus darum ging, anders zu sein, nicht zu herrschen, sondern zu dienen und damit die Menschen zu ermächtigen. 

 

Ich weiß jetzt nicht, ob ich das gut dargestellt habe, was David Steindl-Rast dazu sagt. In dem Vortrag auf dieser Seite ganz unten kann man das nachhören. Ab Min. 19:00 geht es um das grundlegende Verständnis von Autorität und ab Min. 43:30 um die Art wie Jesus gelehrt hat. 

 

Mir scheint es plausibel, dass Markus gar nichts über den Inhalt der Lehre Jesu schreibt, wenn diese sich vielleicht inhaltlich gar nicht groß von den Schriftgelehrten unterscheidet. Nur die Art wie er lehrt unterscheidet sich von den Schriftgelehrten. Das klingt da durchaus an: denn er lehrte sie, wie einer, der göttliche Vollmacht hat, nicht wie die Schriftgelehrten.“ ( Markus 1, 22 )

 

vor 3 Stunden schrieb Cosifantutti:

Die „neue Lehre“, die hier mit „Vollmacht“ verkündet wird, besteht hier in diesem Kapitel in der Austreibung der unreinen, bösen Geister, der „Dämonen“ und der Heilung von „Besessenen“. Summarisch schreibt Markus an einer Stelle: „Am Abend, als die Sonne untergegangen war, brachte man alle Kranken und Besessenen zu Jesus. Die ganze Stadt war vor der Haustür versammelt und er heilte viele, die an allen möglichen Krankheiten litten, und trieb viele Dämonen aus.“ ( Markus 32ff. ).

Vielleicht sind diese Dämonen und Krankheiten das Niederdrückende und "Irremachende", das von der Obrigkeit oft geradezu eingepflanzt wird in das Herz der Menschen, um über sie bestimmen zu können. 

 

vor 3 Stunden schrieb Cosifantutti:

Das Mahl mit den Zöllnern und Sündern. ( Markus 2, 13 - 17 ) 

„Wie kann er zusammen mit Zöllnern und Sündern essen ?“

Weil er sie ermächtigen will, statt sie klein zu halten.

 

vor 3 Stunden schrieb Cosifantutti:

Die Frage nach dem „korrekten“ Fasten:

( Markus 2, 18 - 22 )

“Warum fasten deine Jünger nicht, während die Jünger des Johannes und die Jünger der Pharisäer fasten ?“

Weil diese die Stimme Gottes auch im eigenen Herzen hören können, statt nur in den Geboten.

 

vor 3 Stunden schrieb Cosifantutti:

Jesus fragte die Anwesenden:

„Was ist am Sabbat erlaubt ? Gutes zu tun oder Böses, ein Leben retten oder es zu vernichten ?

Sie aber schwiegen….. 

Und er sah sie der Reihe nach an, voll Zorn und Trauer über ihr verstocktes Herz…..“

Bei diesen konnte er die Dämonen wohl nicht austreiben...

 

vor 3 Stunden schrieb Cosifantutti:

Am Ende dieses Abschnittes, nachdem Jesus den Mann geheilt hat, heißt es bei Markus:

“Da gingen die Pharisäer hinaus und fassten zusammen mit den Angehörigen des Herodes den Beschluss, Jesus umzubringen.“

( Markus 3, 6 )

Genau. Das passt sehr genau. Jesus wiegelte das Volk auf. Seine Anhänger hörten nicht mehr auf die autoritären Autoritäten. Die Angst vor dem Machtverlust trieb also die Mächtigen dazu, ihn unschädlich zu machen.

Geschrieben (bearbeitet)
vor 53 Minuten schrieb Aleachim:

Genau. Das passt sehr genau. Jesus wiegelte das Volk auf. Seine Anhänger hörten nicht mehr auf die autoritären Autoritäten. Die Angst vor dem Machtverlust trieb also die Mächtigen dazu, ihn unschädlich zu machen

Justin Sledge (nur als Beispiel, die These kenne ich von etlichen Forschern) hat in seinem Jesus-Video allerdings darauf hingewiesen, daß der Sanhedrin handfeste Gründe hatte, Jesus noch vor Pessach aus dem Weg zu räumen und "Macht" ist da nur ein Teilaspekt.

 

Vielmehr sahen die Sadduzäer sich mit einer nur zu bekannten Situation konfrontiert:

  • Einer mit Pilgern(!) überfüllten Stadt.
  • Einem beliebten Rabbi mit Messias-Anspruch (und dieser Anspruch reichte um die römischen Behörden auf den Plan zu rufen, denen die theologischen Feinheiten mal gleich völlig egal waren), der anscheinend schon mal im Tempel "randaliert" hat.
  • Einem römischen Statthalter, dem ein Menschenleben völlig gleichgültig war.

Was passiert wäre, wenn dieser Rabbi in der aufgeheizten Stimmung der Pilgerfahrt die Menge mobilisiert und einen Aufstand ausgelöst hätte, kann sich jeder ausmalen.

 

Der jüdische Krieg, der Bar-Kochba-Aufstand - es ist nicht so, als wäre das Volk Israel während dieser Zeit nicht ohnehin auf sehr schmaler Klinge spaziert.

 

Ich glaube nicht, daß es die Theologie war oder seine Lehrmethode, die ihn ans Kreuz gebracht hat, sondern am Ende sein Wunsch das Gottesreich erzwingen zu wollen (was in der Sprache der Kirche umschrieben wird mit "er musste nach Jerusalem gehen um die Schrift zu erfüllen"). Es wird den Sadduzäern sicher auch recht gewesen sein, jemanden aus dem Weg zu schaffen, der das ökonomische Herz Judas im Visier hatte, aber die über allem schwebende Gefahr war Pontius Pilatus. Auch, wenn die Kirchengeschichte nach Kräften versucht hat, ihn reinzuwaschen.

bearbeitet von Flo77
Geschrieben

Ein wichtiges Thema kommt im Markusevangelium zu kurz bzw. fehlt fast vollständig, und das ist Jesu Auferstehung. Das ist einer dieser Momente, in denen man zurecht denken sollte: Das kann nicht sein, weil es nicht sein darf. So zu denken, wird uns Christen gerne zum Vorwurf gemacht, und da ist ja auch was dran, wenn man nur das Negative dabei in Betracht zieht. Diese Medaille hat aber zwei Seiten, eben auch eine die Positiv ist. Auf der Positiven Seite stehen drei Worte: Glaube, Hoffnung, Liebe, und da ist auch was dran. Es kann sein, weil es sein darf. Die Hoffnung stirbt nicht zuletzt, nämlich immer dann nicht, wenn die Zeit erfüllt ist.

 

Tatsächlich ist es auch nicht so, dass im Markusevangelium Jesu Auferstehung zu kurz käme, oder fast völlig fehlen würde. Der Schlüssel zu Jesu Auferstehung im Markusevangelium ist, sich wirklich in die Handlung der Erzählung hineinziehen zu lassen. Es gibt ein paar Stellen darin, an den uns Markus geradezu dazu auffordert, erst behutsam, dann fordernd, uns schließlich bekniet, bis er uns an dem Punkt hat, an dem sein darf, was nicht sein kann: das ist der kurze Markusschluss.

 

Bastian fühlte nicht, dass ihm Tränen über das Gesicht liefen. Fast besinnungslos schrie er plötzlich:

"Mondenkind, ich komme!"

Im selben Augenblick geschahen mehrere Dinge zugleich.

 

Nun, das ist aus einer anderen Erzählung, aber dieser literarische Kniff ist derselbe wie im Markusevangelium. Wir können das Markusevangelium unendlich oft wieder und wieder von vorne bis hinten lesen, und es bleibt eine unendliche Geschichte ohne befriedigendes Ende - bis wir begreifen ... und bereit sind, eins mit ihr werden. Darum geht es. Denn wie Bastian Balthasar Bux werden auch wir sehnlich erwartet.

 

Es geht nicht nur darum, dass Petrus sagt: "Du bist der Christus!". Das auch. Es geht nicht nur darum, dass der Hauptmann sagt: "Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn." Das auch. Es geht vor allem um uns. Markus lässt Jesus aus dem Text heraus auch zu uns sprechen: "Amen, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht so annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen." Michael Ende bringt uns über die Figur des Bastian dazu die Unendliche Geschichte wie ein Kind zu lesen, sie durch die Augen eines Kindes zu erleben.

 

Der Fuchs sagt zum kleinen Prinzen: "Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar." In dieser Erzählung versucht der Erzähler dem kleinen Prinzen ein Schaf zu zeichnen, aber der kleine Prinz ist mit keinem dieser Schafe zufrieden. Letztlich zeichnet der Erzähler eine Kiste und erklärt: „Das Schaf, das du willst, steckt da drin.“ Damit ist der kleine Prinz zufrieden - und der Leser auch, denn nun sieht er das Schaf wie der kleine Prinz mit dem Herzen, statt mit den Augen. So ähnlich wie Antoine de Saint-Exupéry macht es auch Markus mit uns: "Die Lehre die ihr sucht, steckt da drin." Nur, wo ist die Kiste?

 

Er versteckt die Lehre, die er, Markus über Jesus vermitteln will, damit wir die markinische Lehre über Jesus mit anderen Augen sehen. Markus lehrt uns nicht nur wie Jesus war. Das auch. Vor allem lehrt er uns, wie Christus der Auferstandene im Reich Gottes ist. Und er lehrt uns das, auf die gleiche Art und Weise wie Jesus lehrte - in Gleichnissen, denn das hat Markus von Jesus gelernt. Er lehrt uns so die pädagogische Methode Jesu in Gleichnissen zu lehren, weil man nicht mit den Augen sondern nur mit dem Herzen gut sieht. Nur, wie bringt man jemanden dazu, mit dem Herzen zu sehen? The medium is the message.

 

Mit den Augen sieht man, wenn überhaupt, nur die Kiste, mit dem Herzen das Schaf darin. Auch das ist ein Gleichnis - ein Gleichnis in einem Gleichnis, denn alle Figuren im Kleinen Prinzen oder in der Unendlichen Geschichte sind Gleichnisse in der Erzählung, die selbst ein Gleichnis ist. In all diesen Erzählungen stecken andere, kleinere Erzählungen, so wie in der Matrjoschka Puppe, immer kleinere Matrjoschka Puppen ineinander stecken, so haben wir es auch hier mit einem Gleichnis zu tun in dem viele Gleichnisse stecken. 

 

Mit all dem Hinterkopf wird vielleicht einiges im Markusevangelium verständlicher - oder auch nicht:

  

Zitat

 

Mk 4,10-13
Und als er allein war, fragten ihn die, die mit den Zwölfen um ihn waren, nach dem Sinn der Gleichnisse. Und er sagte zu ihnen: Euch ist das Geheimnis des Reiches Gottes gegeben. Denen aber, die draussen sind, wird alles in Gleichnissen zuteil,

   damit sie sehend sehen und nicht erkennen,
   und hörend hören und nicht verstehen,
   damit sie nicht umkehren und ihnen vergeben werde.
  
Und er sagt zu ihnen: Dieses Gleichnis versteht ihr nicht? Wie wollt ihr dann die Gleichnisse überhaupt verstehen?

 

 
Nun ist die Versuchung groß, es sich im eigenen Glauben bequem zu machen, sich selbst schon längst drinnen zu wähnen, und zu meinen, nicht mehr zu denen zu gehören, die noch draussen sind. Schließlich steht man fest in einer 2000 Jahre alten Tradition, die dazu beauftragt ist, alle Völker zu Jüngern zu machen. Aber so läuft das hier nicht.

 

So sieht man weder die Kiste noch das Schaf - so zieht man sich aus der Erzählung heraus, statt mit ihr eins zu werden, denn diese Jünger sind noch gar nicht drinnen, sondern noch lange draussen, denn sie verstehen noch lange nicht, sind noch lange nicht umgekehrt und ihnen wurde auch noch nicht vergeben. Ihre Ausbildung hat gerade erst angefangen, sie sind noch keine "apostolischen" Lehrer. Sie sind noch nicht mal reif für ihr Praktikum, in dem sie jeweils zu zweit ihre ersten Gehversuche machen dürfen, wenn Jesus sie später aussenden wird. Sie verstehen nicht mal dieses Gleichnis - und es wird ihnen auch nicht von Jesus erklärt.

 

Denn die nun folgende Deutung in unseren Bibeln wurde schon lange als ein späterer Einschub vermutet, und als das Thomasevangelium gefunden wurde, fand sich darin (Spruch 9) auch nur das Gleichnis vom Sämann ohne Deutung.

 

Also auch hier ist von einer Lehre Jesu, wie wir sie erwarten würden kaum die Rede. Friss oder stirb. Zudem fehlen die Gleichnisse, denn außer diesem Einen vom Sämann, gab es bis jetzt noch kein anderes Gleichnis. Inwiefern ist ihnen dann das Geheimnis des Reiches Gottes gegeben? Da soll der Leser wohl selbst draufkommen, indem er sich tiefer und tiefer in die Erzählung hineinziehen lässt, bis er selbst drinnen, und nicht mehr draußen ist. Es geht Markus um den eigenen Erkenntnisprozess des Lesers - darum fehlt ursprünglich auch die Deutung des Gleichnisses, wie bei den anderen Gleichnissen, die auch ohne Deutung daherkommen werden. 

 

Ohne die Deutung ginge es also direkt so weiter:     

 

Zitat

Mk 4,21-25
Er sagte zu ihnen: Zündet man etwa eine Leuchte an und stellt sie unter den Scheffel oder unter das Bett? Stellt man sie nicht auf den Leuchter? Denn es gibt nichts Verborgenes, das nicht bekannt werden soll, und nichts Geheimes, das nicht an den Tag kommen soll. 
Wenn einer Ohren hat zum Hören, so höre er! Weiter sagte er: Seht zu, was ihr hört! Nach dem Maß, mit dem ihr messt und zuteilt, wird euch zugeteilt werden, ja, es wird euch noch mehr gegeben. Denn wer hat, dem wird gegeben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat.

 

Markus bzw, Jesus lässt seine Jünger am ausgestreckten Arm verhungern. Markus schmunzelt hier vermutlich beim Schreiben und denkt sich dabei: Seid ihr schon mit an Board, liebe Leser? Wirklich? Na dann, macht was draus - oder auch nicht.   

 

Geschrieben
Zitat

Und als er allein war, fragten ihn die, die mit den Zwölfen um ihn waren, nach dem Sinn der Gleichnisse.

 

Ein seltsamer Satz. Wer sind denn die, die mit den Zwölfen um ihn waren, als Jesus allein war? Warum fragen diese Jesus nach dem Sinn der Gleichnisse, und nicht die Zwölf? Nicht zu den Zwölfen sondern zu denen die mit den Zwölfen um ihn waren spricht Jesus, weil diese nach dem Sinn der Gleichnisse gefragt haben:

 

Zitat

Und er sagte zu ihnen: Euch ist das Geheimnis des Reiches Gottes gegeben.

 

Was unterscheidet diese von den Zwölfen? Dass diese das Geheimnis vom Reich Gottes haben? Was ist mit den Zwölfen, ist ihnen das Geheimnis des Reiches Gottes nicht gegeben? Diese, die mit den Zwölfen um Jesus waren, fragen nach dem Sinn der Gleichnisse. Warum fragen die Zwölf nicht danach? Die Zwölf haben nur das eine Gleichnis vom Sämann an diesem Punkt der Handlung. Also: Zu wem lässt Markus Jesus da sprechen, als Jesus allein war? Und überhaupt: wieso ist Jesus allein?

 

Zitat

 

Denen aber, die draussen sind, wird alles in Gleichnissen zuteil,

   damit sie sehend sehen und nicht erkennen,
   und hörend hören und nicht verstehen,
   damit sie nicht umkehren und ihnen vergeben werde.   

 

 

Wer ist hier mit denen gemeint, die draußen sind? Wo ist draußen? Wer ist da draußen, draußen von was?

 

Zitat

Und er sagt zu ihnen: Dieses Gleichnis versteht ihr nicht? Wie wollt ihr dann die Gleichnisse überhaupt verstehen?

 

Wer versteht das Gleichnis vom Sämann nicht? Welche anderen Gleichnisse als dieses eine vom Sämann denn?

 

Fragen über Fragen wirft diese Rahmenhandlung des Gleichnisses vom Sämann auf ... Ich denk ich steh' im Wald ...  oder draußen, und seh' den Wald vor lauter Bäumen nicht?

Geschrieben
On 9/29/2025 at 5:23 PM, Weihrauch said:

Gut beobachtet. Dauernd steht da, dass Jesus lehrte, aber nicht was er lehrte. Ich fand es früher richtig gemein von "Markus", dass er die Inhalte der Lehre dauernd unterschlägt. Das hat mich immer fuchsig gemacht: "Ja, aber WAS lehrte er denn? Sag es doch endlich, um Gottes Willen, und spann mich nicht so auf die Folter!"

 

Nun, die Botschaft von Jesus war die Botschaft vom Reich Gottes, nicht wahr?

 

Ich verstehe die Christologie (also die der späteren Kirche, die von Chalkedon) so, dass Jesus quasi das personifizierte Reich Gottes (unter den Bedingungen einer von Gott entfremdeten Welt), ja Gott selbst, ist.

 

Ist es da ein Rätsel, dass die Geschichte des Boten selbst zur Botschaft wird und die Botschaft des Boten im engeren Sinne überstrahlt?

 

Setzt natürlich voraus, dass man den Text ein wenig im Lichte der Tradition liest.

 

Allerdings, wenn man das nicht tut, welche Bedeutung sollten diese Texte dann heute überhaupt für uns haben?

 

(Und ich füge die Bemerkung an, dass ich nicht an die Existenz Gottes glaube.)

Join the conversation

You can post now and register later. If you have an account, sign in now to post with your account.

Gast
Auf dieses Thema antworten...

×   Du hast formatierten Text eingefügt.   Formatierung jetzt entfernen

  Only 75 emoji are allowed.

×   Dein Link wurde automatisch eingebettet.   Einbetten rückgängig machen und als Link darstellen

×   Dein vorheriger Inhalt wurde wiederhergestellt.   Clear editor

×   You cannot paste images directly. Upload or insert images from URL.

×
×
  • Neu erstellen...