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Pensées et Regards sur....


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Geschrieben (bearbeitet)
vor 17 Stunden schrieb KevinF:
Am 29.9.2025 um 17:23 schrieb Weihrauch:

Gut beobachtet. Dauernd steht da, dass Jesus lehrte, aber nicht was er lehrte. Ich fand es früher richtig gemein von "Markus", dass er die Inhalte der Lehre dauernd unterschlägt. Das hat mich immer fuchsig gemacht: "Ja, aber WAS lehrte er denn? Sag es doch endlich, um Gottes Willen, und spann mich nicht so auf die Folter!"

 

Nun, die Botschaft von Jesus war die Botschaft vom Reich Gottes, nicht wahr?

 

Das wäre nur dann so, falls uns Jesus seine Lehre schriftlich hinterlassen hätte. Hat er aber nicht. Was wir hier vor uns haben, ist das, was "Markus" über Jesus zu sagen hat, und zwar aus einer ganz bestimmten Perspektive, einer ganz bestimmten, wenn auch nicht eindeutig bestimmbaren christlichen Gemeinschaft. Sagte ich schon. Für die anderen Evangelien gilt das Gleiche. Spätere Evangelien mögen auf frühere in gewisser Weise reagieren, was frühere auf spätere aber nicht können. Wie dem auch sei, kann der erste Schritt nur der sein, die Botschaft jedes Evangeliums für sich zu würdigen, d.h. es losgelöst von den anderen zu verstehen. Man geht dabei jeweils nicht von dem Jesusbild aus, das sich in vielen Jahren des Christseins im eigenen Kopf gebildet hat, sondern nur vom Text des Evangeliums, das man gerade verstehen möchte. Das Leben des Markus zählt hier mehr als das Leben Jesu, weil es darum geht den Text nach Markus über Jesus zu verstehen, und nicht Jesus - vorerst, im ersten Schritt. 

 

Inwiefern die zentrale Botschaft des Markus tatsächlich die vom Reich Gottes ist, oder nicht, wird sich beim Lesen und verstehen herausstellen müssen. Vor allem spielt die Begründung des Markus dabei eine entscheidende Rolle. Wie alle Schriften des NT ist auch das Markusevangelium eine nachösterliche Schrift. Wäre das Markusevangelium eine vorösterliche Schrift, wäre die Botschaft über das Reich Gottes nur prophetisch zu begründen. Wird es aber mit der Auferstehung Jesu begründet, wäre Jesus sozusagen Augenzeuge des Reiches Gottes, und seine Botschaft ein Erfahrungsbericht aus erster Hand. Darum darf es nicht sein, dass die Auferstehung Jesu im Markusevangelium nicht der wesentliche Teil der Botschaft des Markus sein kann.

 

Eben darum wurden dem kurzen Markusschluss verschiedene längere Schlüsse angefügt, weil manche es zurecht unerträglich fanden, dass Jesu Auferstehung in diesem Evangelium zu kurz kam. Ich behaupte nun, dass die Auferstehung auch in diesem Evangelium einen breiten Raum einnimmt, und lediglich nicht verstanden worden ist, wie Markus der Auferstehung Jesu in seinem Evangelium den gebührenden Platz verschafft hat. Das will ich dadurch begründen, indem ich anhand des Textes zeige, wie Markus das gemacht hat. Ich versuche mit meinen bescheidenen Mitteln immer nochmal genauer und genauer, auch mit Hilfe anderer, in den Text hineinzuschauen, besonders an solch schwer verständlichen Stellen wie dieser:

 

Zitat

 

Und er sagte zu ihnen: Euch ist das Geheimnis des Reiches Gottes gegeben. Denen aber, die draussen sind, wird alles in Gleichnissen zuteil,

   damit sie sehend sehen und nicht erkennen,
   und hörend hören und nicht verstehen,
   damit sie nicht umkehren und ihnen vergeben werde.

 

  

Es ist, wie so oft auch eine Frage der Übersetzung:

 

Zitat

 

Quelle: Die markinische Deutung des Gleichnisses vom Sämann Markus 4 10-12 von Peter Lampe

 

Für Markus verkörpert der μηποτε-Satz Jesu Überlegung und zweifelnde Frage, ob seine Hörer umkehren werden. — Ausführend und erklärend müßte man v. 11b. 12 so wiedergeben: »Mit der Überlegung und Frage, ob sie etwa umkehren und Vergebung erlangen, wird jenen draußen das alles in Bildworten zuteil, (nämlich) daß sie sehend sehen und nicht erkennen, . . .« — Läßt man die äußere Unabhängigkeit stehen, so ergibt sich: »Jenen draußen wird das alles in Bildworten zuteil, daß sie sehend sehen und nicht erkennen, hörend hören und nicht verstehen, — vielleicht19! werden sie umkehren und Vergebung erlangen.«

 

 

In dieser Studie werden die Verse Mk 4,10-12 sprachlich akribisch unter die Lupe genommen. Und ja, ich verstehe kein Wort davon. Ein Kaliber wie @Domingo kann das nachvollziehen, ich nicht. Ich bin auch mit der daraus folgenden Interpretation nicht in allen Punkten einverstanden, zum Beispiel damit nicht, wen Lampe mit denen "die draußen sind" identifiziert. Aber es kann insofern Wasser auf meine Mühle sein, wenn ich richtig liege, dass mit denen "die draußen sind" die Leser gemeint sind, bei denen "vielleicht" das markinische Gleichnis vom Auferstandenen im Reich Gottes, auf fruchtbaren Ackerboden fällt, d.h. gesehen und verstanden wird - oder auch nicht. Leider nicht, weil die Paradoxie des kurzen Markusschlusses nicht verstanden worden ist.

 

Zitat

Mk 16,8
Da verließen sie das Grab und flohen; denn Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt. Und sie sagten niemandem etwas davon; denn sie fürchteten sich.

 

Was soll das? Das kann nicht sein, denn wenn dem so wäre, stünde es nicht hier. Es steht aber hier. Warum? Weil Markus es hingeschrieben hat. Woher will er von diesen Ereignissen am Grab denn wissen, wenn sie es doch niemandem erzählt haben? Na, ganz einfach, weil er der Autor ist, und schreiben kann, was er will. Es ist seine Erzählung. Nicht seine Figuren bestimmen die Handlung sondern der Autor. The medium is the message. Die Literatur ist die Botschaft, und in der Literatur kann man Dinge tun, welche in der Realität nicht möglich sind. In Texten darf das sein, was nicht sein kann. Hier bekniet uns Markus förmlich, ihn als Autor wahrzunehmen und uns als Leser, die ebenso Teil von dem sind, was wir das Medium Literatur nennen. Es saß nie ein Engel in einem leeren Grab, der irgendwelchen Frauen irgendetwas sagte. Hier ist ein Autor, der seinen Lesen in einer Bildrede etwas sagt:

 

Zitat

Mk 16,6-7
Er aber sagte zu ihnen: Erschreckt nicht! Ihr sucht Jesus von Nazaret, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden; er ist nicht hier. Seht, da ist die Stelle, wohin man ihn gelegt hat. Nun aber geht und sagt seinen Jüngern und dem Petrus: Er geht euch voraus nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er es euch gesagt hat.

 

Diejenigen bei denen das Gleichnis, das ist das Evangelium nach Markus, auf fruchtbaren Ackerboden gefallen ist, werden in seiner Literatur zurück nach Galiläa gehen, dorthin wo nicht mehr der Jesus von Nazaret, der Gekreuzigte der "Unendlichen Geschichte" ist, sondern wohin der Auferstandene vorausgegangen ist. Dort werden sie erwartet. Dort werden sie ihn sehen. "Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar." Was wir als Leser tun können, ist, uns zu bekehren, indem wir wie Balthasar Bastian Bux mit der Erzählung eins werden, und sagen: "Christus, ich komme!", und umkehren zu Mk 1,16 und den langen Schluss des Evangeliums aus der Feder des Markus lesen. Nicht an seiner Lehre erkennen wir dort, im galiläischen Teil des Evangeliums, den Auferstandenen, sondern an seinen Taten. "Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!" Das Evangelium ist: Jesus ist auferstanden. Das ist, was Markus und seine Gemeinde im Wesentlichen glauben, und was Markus uns vermitteln will. 

 

Erst wenn man diesen literarischen Dreh verstanden hat, wirklich an Board ist, ist das alles nicht mehr rätselhaft, sondern ergibt einen Sinn: 

 

Zitat

Mk 4,21-25
Er sagte zu ihnen: Zündet man etwa eine Leuchte an und stellt sie unter den Scheffel oder unter das Bett? Stellt man sie nicht auf den Leuchter? Denn es gibt nichts Verborgenes, das nicht bekannt werden soll, und nichts Geheimes, das nicht an den Tag kommen soll. 
Wenn einer Ohren hat zum Hören, so höre er! Weiter sagte er: Seht zu, was ihr hört! Nach dem Maß, mit dem ihr messt und zuteilt, wird euch zugeteilt werden, ja, es wird euch noch mehr gegeben. Denn wer hat, dem wird gegeben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat.

 

Das bezieht Markus, meiner Meinung nach, auf das Markusevangelium selbst, als Hinweis wie es zu verstehen sei. In der Kirchengeschichte und der Theologie ist seine Rechnung anscheinend nicht so aufgegangen, wie in der Gemeinde des Markus. Irgendwie scheint mir, dieses Verständnis in Vergessenheit geraten zu sein. Vielleicht hat diese Gemeinde nicht lange bestanden und nur dieser Text hat sie überlebt, aber seine ursprünglichen Ausleger nicht, und er fiel später in anderen Gemeinden nicht auf so fruchtbaren Boden, wie Markus gehofft hatte. All die unterschiedlichen Evangelien standen auch in Konkurrenz zu einander bevor die Kanonisierung vollzogen waren, und Späteren war diese literarische Deutung womöglich ein Dorn im Auge und wurde unterdrückt. Ich weiß es nicht. Vielleicht liege ich auch falsch mit meiner Interpretation. Ich finde sie plausibel, andere nicht. Das ist normal. Es ist nur eine Meinung unter vielen anderen, nicht mehr. 

bearbeitet von Weihrauch
Geschrieben (bearbeitet)
On 10/8/2025 at 4:26 PM, Weihrauch said:

Das wäre nur dann so, falls uns Jesus seine Lehre schriftlich hinterlassen hätte. Hat er aber nicht. Was wir hier vor uns haben, ist das, was "Markus" über Jesus zu sagen hat, und zwar aus einer ganz bestimmten Perspektive, einer ganz bestimmten, wenn auch nicht eindeutig bestimmbaren christlichen Gemeinschaft. Sagte ich schon. Für die anderen Evangelien gilt das Gleiche. Spätere Evangelien mögen auf frühere in gewisser Weise reagieren, was frühere auf spätere aber nicht können. Wie dem auch sei, kann der erste Schritt nur der sein, die Botschaft jedes Evangeliums für sich zu würdigen, d.h. es losgelöst von den anderen zu verstehen. Man geht dabei jeweils nicht von dem Jesusbild aus, das sich in vielen Jahren des Christseins im eigenen Kopf gebildet hat, sondern nur vom Text des Evangeliums, das man gerade verstehen möchte. Das Leben des Markus zählt hier mehr als das Leben Jesu, weil es darum geht den Text nach Markus über Jesus zu verstehen, und nicht Jesus - vorerst, im ersten Schritt. 

 

Ja, ich spreche in diesem Kontext immer vom literarischen Jesus. 
In diesem Fall konkret von Markus 1, 15. Du hast es ja selbst zitiert, hier noch einmal in der Luther-2017-Übersetzung: 
 
"Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!"

 

On 10/8/2025 at 4:26 PM, Weihrauch said:

Wäre das Markusevangelium eine vorösterliche Schrift, wäre die Botschaft über das Reich Gottes nur prophetisch zu begründen.

 

Und eben weil ich die nachösterliche Brille trage, verstehe ich "Reich Gottes" im Sinne der späteren Kirche in der Spannung zwischen "schon angebrochen" und "noch nicht vollständig verwirklicht" stehend.

 

Ansätze dazu finden sich ja auch bereits im NT. 
 
(wobei für mich "Gott" eine poetische Beschreibung für ein Geschehen ist, das sich auch rein säkular/naturalistisch beschreiben lässt + Wunsch- und Angstvorstellungen. 
Aber das sind Details...)

 

On 10/8/2025 at 4:26 PM, Weihrauch said:

Wäre das Markusevangelium eine vorösterliche Schrift, wäre die Botschaft über das Reich Gottes nur prophetisch zu begründen. Wird es aber mit der Auferstehung Jesu begründet, wäre Jesus sozusagen Augenzeuge des Reiches Gottes, und seine Botschaft ein Erfahrungsbericht aus erster Hand. Darum darf es nicht sein, dass die Auferstehung Jesu im Markusevangelium nicht der wesentliche Teil der Botschaft des Markus sein kann.

 

Ich würde Jesus nicht als Augenzeuge sehen, sondern, erneut, im Sinne der späteren Kirche sagen, dass Gott selbst sich in Christus offenbart hat.

 

 

On 10/8/2025 at 4:26 PM, Weihrauch said:

Vielleicht liege ich auch falsch mit meiner Interpretation. Ich finde sie plausibel, andere nicht. Das ist normal. Es ist nur eine Meinung unter vielen anderen, nicht mehr. 

 

Kommt auch darauf an, wie "richtig" und "falsch" hier definiert sind. 
 
Verstehe ich Dich richtig, dass es Dir rein um die Intention des Verfassers geht?

 

 

bearbeitet von KevinF
Geschrieben
vor 4 Stunden schrieb KevinF:
Am 8.10.2025 um 16:26 schrieb Weihrauch:

Das wäre nur dann so, falls uns Jesus seine Lehre schriftlich hinterlassen hätte. Hat er aber nicht. Was wir hier vor uns haben, ist das, was "Markus" über Jesus zu sagen hat, und zwar aus einer ganz bestimmten Perspektive, einer ganz bestimmten, wenn auch nicht eindeutig bestimmbaren christlichen Gemeinschaft. Sagte ich schon. Für die anderen Evangelien gilt das Gleiche. Spätere Evangelien mögen auf frühere in gewisser Weise reagieren, was frühere auf spätere aber nicht können. Wie dem auch sei, kann der erste Schritt nur der sein, die Botschaft jedes Evangeliums für sich zu würdigen, d.h. es losgelöst von den anderen zu verstehen. Man geht dabei jeweils nicht von dem Jesusbild aus, das sich in vielen Jahren des Christseins im eigenen Kopf gebildet hat, sondern nur vom Text des Evangeliums, das man gerade verstehen möchte. Das Leben des Markus zählt hier mehr als das Leben Jesu, weil es darum geht den Text nach Markus über Jesus zu verstehen, und nicht Jesus - vorerst, im ersten Schritt. 

 

Ja, ich spreche in diesem Kontext immer vom literarischen Jesus.

In diesem Fall konkret von Markus ...

 

Gut, dass du es gleich konkret machst, denn literarisch (= mündlich oder schriftlich fixiertes sprachliches Zeugnis) sind alle Jesusse bzw. ist jedes Jesus-Modell - auch ein kerygmatisches und selbst ein historisches Jesus-Modell. Wir beziehen uns hier also nur auf den markinischen Jesus.

 

vor 4 Stunden schrieb KevinF:

In diesem Fall konkret von Markus 1, 15. Du hast es ja selbst zitiert, hier noch einmal in der Luther-2017-Übersetzung: 
 
"Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!"

  

Ich zitiere lieber aus der Zürcher 2007 :

Zitat

Mk 1,15
Erfüllt ist die Zeit, und nahe gekommen ist das Reich Gottes. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!

 

Mk 4,12
   damit sie sehend sehen und nicht erkennen,
     und hörend hören und nicht verstehen,
   damit sie nicht umkehren und ihnen vergeben werde. 

 

Weil sowohl das gr. metanoia als auch das hebr. shuwb im AT-Zitat Mk 4,12 mit "umkehren" den meisten Sinn erschließt, wenn man in Mk 4,12 (mit Lampe) "vielleicht werden sie umkehren" statt "damit sie nicht umkehren" übersetzt. Das wäre die markinische, nicht die später eingefügte Deutung des Gleichnisses vom Sämann. In dem Sinne, dass diese literarische Saat des Markus nicht auf den Weg, nicht auf felsigen Boden oder zwischen die Dornen, sondern bei den Lesern vielleicht auf guten Boden fällt, und sie umkehren zum galiläischen Teil des MkEv, wie es der Engel im leeren Grab sagt, um dort nicht mehr Jesus den Nazarener sondern den Auferstandenen zu sehen.

 

Zitat

Mk 4,21-25
Und er sagte zu ihnen: Kommt denn das Licht, damit man es unter den Scheffel oder unter das Bett stellt? Nein, damit man es auf den Leuchter stellt! 
Denn es gibt nichts Verborgenes, das nicht offenbar werden, und nichts Geheimes, das nicht an den Tag kommen soll. 
Wer Ohren hat zu hören, der höre! 
Und er sagte zu ihnen: Seht zu, was ihr hört! Mit dem Mass, mit dem ihr messt, wird euch zugemessen werden, und es wird euch noch dazugegeben werden. 
Denn wer hat, dem wird gegeben werden; und wer nicht hat, dem wird auch das genommen werden, was er hat.

 
Dann spricht Markus hier nicht mehr in Rätseln, sondern dann ist der auferstandene Christus das Licht, dass nicht unter den Scheffel oder das Bett sondern auf den Leuchter gestellt wird. Dann ist der Auferstandene das Verborgene im MkEv, das bekannt werden soll, das Geheime, das an den Tag kommen soll (durch den kurzen Markusschluss). Wer Ohren hat zu hören, der höre! Den Auferstandenen soll man dazu sehen, wenn man das MkEv hört. Der Auferstandene ist dann das Maß, an dem man das MkEv messen und mit dem man den Auferstandenen zuteilen soll. Vom Auferstandenen wird einem zugeteilt werden, ja es wird einem noch mehr gegeben werden (das Reich Gottes). Denn wer den Auferstandenen im MkEv hat, dem wird gegeben (das Reich Gottes, und vergeben); wer ihn aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat (der Jesus von Nazaret, der Gekreuzigte, das "historische" Jesus-Modell: "Den gab es gar nicht, der ist doch bloß eine unbelegte mythologische Figur" wie im anderen Parallel- Thread History for Atheists).

 

Das und das Gleichnis vom Sämann + die markinische Deutung Jes 6,9f + der Paradoxie des kurzen Markusschlusses in Kombination ist Zeiger auf die Kiste: "Das Schaf, das du willst, ist da drin." Und es gibt noch ein paar andere Stellen im MkEv, die man in diese Richtung deuten kann, wenn man das literarische Konzept des Markus für sein Evangelium mal kapiert hat.

 

vor 7 Stunden schrieb KevinF:

Und eben weil ich die nachösterliche Brille trage, verstehe ich "Reich Gottes" im Sinne der späteren Kirche in der Spannung zwischen "schon angebrochen" und "noch nicht vollständig verwirklicht" stehend.

 

Ansätze dazu finden sich ja auch bereits im NT. 

 

Die nachösterliche Brille ist eine metaphysische Brille. Der Auferstandene im MkEv ist eine metaphysische Figur. Mit Metaphysik willst du nichts zu tun haben, wenn ich dich richtig verstanden habe. Sie erklärt nicht die Welt. Und diese Diskussion, was im Sinne der späteren Kirche und der Spannung zwischen "schon angebrochen" und "noch nicht vollständig verwirklicht" ist, und welche Ansätze sich auch im NT finden, ist hier im ersten Schritt noch verfrüht. Ich will hier eben nicht von der Kirche oder dem NT auf das Markusevangelium schließen, sondern das literarische Konzept dieses einen Evangeliums und dessen Botschaft ergründen. Welche Impulse das MkEv in das spätere das Christentum eingetragen hat, und das auch ...

 

vor 7 Stunden schrieb KevinF:

(wobei für mich "Gott" eine poetische Beschreibung für ein Geschehen ist, das sich auch rein säkular/naturalistisch beschreiben lässt + Wunsch- und Angstvorstellungen. 
Aber das sind Details...)

 

... können wir gerne im zweiten, dritten, vierten Schritt diskutieren.

 

vor 8 Stunden schrieb KevinF:
Am 8.10.2025 um 16:26 schrieb Weihrauch:

Vielleicht liege ich auch falsch mit meiner Interpretation. Ich finde sie plausibel, andere nicht. Das ist normal. Es ist nur eine Meinung unter vielen anderen, nicht mehr. 

 

Kommt auch darauf an, wie "richtig" und "falsch" hier definiert sind. 
 
Verstehe ich Dich richtig, dass es Dir rein um die Intention des Verfassers geht?

 

Ja. 

 

vor 8 Stunden schrieb KevinF:
Am 8.10.2025 um 16:26 schrieb Weihrauch:

Wäre das Markusevangelium eine vorösterliche Schrift, wäre die Botschaft über das Reich Gottes nur prophetisch zu begründen. Wird es aber mit der Auferstehung Jesu begründet, wäre Jesus sozusagen Augenzeuge des Reiches Gottes, und seine Botschaft ein Erfahrungsbericht aus erster Hand. Darum darf es nicht sein, dass die Auferstehung Jesu im Markusevangelium nicht der wesentliche Teil der Botschaft des Markus sein kann.

 

Ich würde Jesus nicht als Augenzeuge sehen, sondern, erneut, im Sinne der späteren Kirche sagen, dass Gott selbst sich in Christus offenbart hat.

 

Mit "wäre Jesus sozusagen Augenzeuge des Reiches Gottes, und seine Botschaft ein Erfahrungsbericht aus erster Hand." habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Was ich eigentlich sagen wollte war, dass ich als Leser, der den Auferstandenen im galiläischen Teil "mit dem Herzen" sieht, sozusagen zum Augenzeugen des Reiches Gottes werde, und den Auferstandenen dort wirken sehe. Wenn ich eins geworden bin mit der Erzählung, "Christus, ich komme zu dir nach Galiläa" gesagt habe, wie Bastian, dann wird das Gelesene für mich zu meinem eigenen Erfahrungsbericht, dann bin ich nicht mehr draußen, als Leser außerhalb dieses Evangeliums, sondern einer von denen, die im Evangelium mit den Zwölfen um Jesus sind, im Reich Gottes. Dann ist die Kiste mit dem Schaf, zu einer Beziehungs-Kiste mit dem Auferstandenen geworden, und die Zeit hat sich dann (literarisch) erfüllt, wenn ich an das Evangelium glaube, was ich eben in dem Moment tue, wenn ich sage: "Christus, ich komme!" Das ist dann mein Gebet, ein Ernstfall meines Glaubens. Eine existentiale Lesart. Da will der Markus mich hinhaben, falls ich richtig liege.  

Geschrieben (bearbeitet)
23 hours ago, Weihrauch said:

Mit "wäre Jesus sozusagen Augenzeuge des Reiches Gottes, und seine Botschaft ein Erfahrungsbericht aus erster Hand." habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Was ich eigentlich sagen wollte war, dass ich als Leser, der den Auferstandenen im galiläischen Teil "mit dem Herzen" sieht, sozusagen zum Augenzeugen des Reiches Gottes werde, und den Auferstandenen dort wirken sehe. Wenn ich eins geworden bin mit der Erzählung, "Christus, ich komme zu dir nach Galiläa" gesagt habe, wie Bastian, dann wird das Gelesene für mich zu meinem eigenen Erfahrungsbericht, dann bin ich nicht mehr draußen, als Leser außerhalb dieses Evangeliums, sondern einer von denen, die im Evangelium mit den Zwölfen um Jesus sind, im Reich Gottes. Dann ist die Kiste mit dem Schaf, zu einer Beziehungs-Kiste mit dem Auferstandenen geworden, und die Zeit hat sich dann (literarisch) erfüllt, wenn ich an das Evangelium glaube, was ich eben in dem Moment tue, wenn ich sage: "Christus, ich komme!" Das ist dann mein Gebet, ein Ernstfall meines Glaubens. Eine existentiale Lesart. Da will der Markus mich hinhaben, falls ich richtig liege.  

 

Das sehe vielleicht sogar ähnlich. 
Dazu passt auch, was @Flo77 geschrieben hat:

 

On 9/30/2025 at 5:34 AM, Flo77 said:

Deswegen findet Ehrman dieses Evangelium genial. Es ist ein Buch voller Andeutungen, in dem niemand wirklich begreift, wer Jesus eigentlich war

 

 

Imo lädt das Markusevangelium geradezu dazu ein, das eigene konfessionell geprägte Verständnis in den Text hineinzulegen. 
 
Wobei dieses Verständnis wiederum durch die Schrift beeinflusst ist (hermeneutischer Zirkel). 
 
Grundsätzlich würde ich sagen, dass es bei der Bibel ankommt auf die richtige Mischung zwischen Exegese und (bewusster, explizit gemachter) Eisegese.
 
Dich hingegen interessiert nur die Exegese?

 

 

23 hours ago, Weihrauch said:

Die nachösterliche Brille ist eine metaphysische Brille. Der Auferstandene im MkEv ist eine metaphysische Figur. Mit Metaphysik willst du nichts zu tun haben, wenn ich dich richtig verstanden habe. Sie erklärt nicht die Welt.

 

Ich muss nicht an Zauberei glauben um über Harry Potter zu schreiben. 

 

Und ich muss nicht an die Existenz Gottes glauben um über den kerygmatischen Jesus zu schreiben. 
 
(Was nicht heißen soll, dass beide Figuren dieselbe Bedeutung für mich haben.) 
 
Wie gesagt, ich nehme die Metaphysik und übersetze sie in "Lyrische Beschreibung von auch rein säkular beschreibbaren Erfahrungen + Wunsch- und Angstvorstellungen".

 

bearbeitet von KevinF
Geschrieben
10 hours ago, KevinF said:

Wie gesagt, ich nehme die Metaphysik und übersetze sie in "Lyrische Beschreibung von auch rein säkular beschreibbaren Erfahrungen + Wunsch- und Angstvorstellungen".


Angeblich soll ausgerechnet Habermas sich aktuell kritisch über so einen so strikt diesseitig-immanenten Religionsbegriff geäußert haben. Was, würdest Du sagen, bleibt dann von den drei theologischen Tugenden Glaube, Liebe, Hoffnung noch übrig?

Geschrieben
vor 26 Minuten schrieb Shubashi:


Angeblich soll ausgerechnet Habermas sich aktuell kritisch über so einen so strikt diesseitig-immanenten Religionsbegriff geäußert haben. Was, würdest Du sagen, bleibt dann von den drei theologischen Tugenden Glaube, Liebe, Hoffnung noch übrig?

 

Hi, hin, Habermas ... nein, ich sag jetzt nix! 😄

Geschrieben
vor 3 Stunden schrieb KevinF:
Am 11.10.2025 um 07:33 schrieb Weihrauch:

Mit "wäre Jesus sozusagen Augenzeuge des Reiches Gottes, und seine Botschaft ein Erfahrungsbericht aus erster Hand." habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Was ich eigentlich sagen wollte war, dass ich als Leser, der den Auferstandenen im galiläischen Teil "mit dem Herzen" sieht, sozusagen zum Augenzeugen des Reiches Gottes werde, und den Auferstandenen dort wirken sehe. Wenn ich eins geworden bin mit der Erzählung, "Christus, ich komme zu dir nach Galiläa" gesagt habe, wie Bastian, dann wird das Gelesene für mich zu meinem eigenen Erfahrungsbericht, dann bin ich nicht mehr draußen, als Leser außerhalb dieses Evangeliums, sondern einer von denen, die im Evangelium mit den Zwölfen um Jesus sind, im Reich Gottes. Dann ist die Kiste mit dem Schaf, zu einer Beziehungs-Kiste mit dem Auferstandenen geworden, und die Zeit hat sich dann (literarisch) erfüllt, wenn ich an das Evangelium glaube, was ich eben in dem Moment tue, wenn ich sage: "Christus, ich komme!" Das ist dann mein Gebet, ein Ernstfall meines Glaubens. Eine existentiale Lesart. Da will der Markus mich hinhaben, falls ich richtig liege.  

 

Das sehe vielleicht sogar ähnlich. 
Dazu passt auch, was @Flo77 geschrieben hat:

 

Am 30.9.2025 um 05:34 schrieb Flo77:

Deswegen findet Ehrman dieses Evangelium genial. Es ist ein Buch voller Andeutungen, in dem niemand wirklich begreift, wer Jesus eigentlich war

 

In diesem Video mit Bart Ehrman über das Markusevangelium hebt er die literarische Brillianz dieses Evangeliums hervor, aber die literarische Pointe des kurzen Markusschlusses hat auch er nicht kapiert, die ist, innerhalb der Literatur nach Galiläa zurückzugehen und dort den Auferstandenen mit eigenen Augen zu sehen. Er ist so nah dran, und sieht es trotzdem nicht. "Sehen sollen sie, aber nicht erkennen, hören aber nicht verstehen ..." Er hat recht, dass die Blindenheilung in Betsaida nicht instantan sondern Schrittweise erfolgt, aber Ehrman selbst versteht dieses Gleichnis nicht, er gibt es auch falsch wieder:
 

Zitat

 

Mk 8,22-26 Münchener Neues Testament

Und sie kommen nach Bethsaida. Und sie bringen ihm einen Blinden, und sie bitten ihn, daß er ihn berühre. Und ergreifend die Hand des Blinden, hinausbrachte er ihn außerhalb des Dorfes, und spuckend in seine Augen, auflegend ihm die Hände, befragte er ihn: Siehst du etwas? Und aufschauend sagte er: Ich sehe die Menschen: Wie Bäume sehe ich Umhergehende. Dann wieder auflegte er die Hände auf seine Augen, und er sah klar und wurde wiederhergestellt, und anschaute er alles genau. Und er schickte ihn in sein Haus, sagend: Aber nicht geh ins Dorf hinein!

 

 

Jesus schaut den Blinden, der die Menschen wie Bäume umhergehen sieht, nachdem Jesus ihm die Augen mit Spucke zugekleistert hat, nicht intensiv an (wie Ehrman behauptet) was ihm die Sehkraft vollständig wiederherstellt, sondern Jesus hält ihm nun die Augen mit beiden Händen zu, so dass er gar nichts mehr mit den Augen sehen kann - womit wir wieder beim kleinen Prinzen sind - "Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar." Das Wesentliche für den ehemals Blinden ist seine Heilung durch Jesus. Die Ursache für seine Blindheit war sein Dorf, darum soll er nicht ins Dorf hineingehen, damit er nicht wieder erblindet. Wieso eigentlich ausgerechnet Betsaida (G bethsaida von hebr. »Haus des Fischfangs«)) Wieso kommen mir jetzt die Menschenfischer in den Sinn? Gab es da in der Gegend noch andere? Autsch. Ha, Ha, Ha ... Ich schmeiß mich weg. Ich liebe den trockenen Humor des Markus.

Egal.

 

Ehrmann geht also in sein Dorf zurück, in dem das "Messiasgeheimnis" zum Allgemeingut gehört, wo seit Wilhelm Wrede jeder Blinde mit 'nem Krückstock das Messiasgeheimnis deutlich vor Augen hat. Existential verstanden sollte er vielleicht mit seiner Beziehungs-Kiste "nach Hause" gehen, und sich an seinem Schaf erfreuen, dankbar mit Jesus aka Christus im Herzen leben. Aber Bart sieht die Kiste nicht. Ehrmann sieht mit seinen Augen im MkEv sehr vieles richtig, doch das Wesentliche ist seinen Augen unsichtbar. Er schafft den Sprung in dieses Evangelium nicht, bleibt als unbeteiligter Leser draußen, außen vor. Er sieht und lehrt, dass Markus unter dem Messias etwas ganz anderes versteht, als all die anderen, für die ein Gekreuzigter kein Messias sein kann, und dass das die Jünger im Markusevangelium nie kapieren. Aber der markinische Messias hat keine Bedeutung für ihn selbst, weder in seinem Dorf, noch privat zu Hause.

 

Irgendwann in dem Video, kommt nach einem langen Werbeblock für Ehrmans käufliche Produkte der Frageblock "der immer Spaß macht". Jingle: "Jetzt ist es Zeit für Fragen von Zuhörern, wo Bart echte Fragen von falsch zitierenden Jesus-Fans beantwortet!" So, so.

 

Erste Frage: Warum lässt Markus die Frauen zum leeren Grab gehen, und sie so zu den ersten werden, die entdecken, dass Jesus auferstanden ist, was nicht zu erwarten ist, wo doch Frauen damals als Zeugen keinen Wert hatten? Ist deshalb, das leere Grab wahrscheinlich historisch? Bart antwortet, dass er dem nicht zustimmt. Der Punkt ist, dass im ganzen MkEv die Jünger nicht kapieren. Das Zeugnis der Frauen ist kein Zeugnis, weil sie es niemandem erzählen. Im Kapitel 14 sagt Jesus selbst zu den Jüngern, dass er sie in Galiläa treffen wird. Die Geschichte basiert nicht auf den Frauen sondern auf einem imaginierten Treffen der Jünger in Galiläa. (Und das steht wo im Markusevangelium?) Wie auch immer, er denkt nicht, dass die Geschichte vom leeren Grab historisch ist. 

 

Ehrman ist so nah dran! Dass die Jünger den Auferstandenen in Galiläa wirklich getroffen haben, kann er als Wissenschaftler natürlich nicht sagen - also haben sie ihn dort imaginiert. Nochmal: Wo steht das im Markusevangelium? Demnach kann aber auch nicht historisch sein, dass Jesus im 14 Kapitel gesagt hat, dass er die Jünger in Galiläa treffen wird. Warum dort und nicht in Jerusalem oder irgendwo anders? Weil das Kapitel 14 eben das ist: das Kapitel 14 der brillanten Literatur des Markus. Wenn Jesus die Jünger in Galiläa wirklich trifft, müssen die Jünger dieses Treffen nicht imaginieren, und wenn sie es imaginieren, können sie es überall imaginieren und nicht nur in Galiläa, z.B. in Jerusalem, oder in Emmaus, oder einem anderen Dorf - oder zu Hause.

 

Mann o Mann. Die Jünger kennen doch das Markusevangelium nicht. Für die hat Markus es nicht geschrieben, und darum kennen sie auch das 14. Kapitel nicht. Die hätten ihm den Kopf abgerissen, wenn sie es in die Finger bekommen hätten, so dämlich wie sie bei ihm wegkommen. Natürlich will Markus, dass man den Auferstandenen in Galiläa imaginiert, aber so, und nicht anders, wie er ihn in Galiläa beschreibt. Doch der entscheidende Punkt dabei ist, dass man selbst drauf kommt, sagt: "Mondenkind Christus ich komme!". und darum zurückblättert, und selbst den Auferstandenen in Galiläa imaginiert.

 

"Wissen, das man sich selbständig aneignet, wird im innersten Bereich unseres Denkens gespeichert und bleibt am längsten im Gedächtnis. Es gibt kein kostbareres Juwel als eines, das man selbst gefunden hat." Das steht auf dem Schuber der "Neuen induktiven Studienbibel", in der dann der gleiche Fehler gemacht wird, den ich hier mache. Denn dadurch dass ich das vorkaue, beraube ich jeden der das liest, genau um diese Erfahrung, selbst darauf gekommen zu sein. Das ist blöd. Sorry.   

 

Du sagst: 

 

vor 4 Stunden schrieb KevinF:

Ich muss nicht an Zauberei glauben um über Harry Potter zu schreiben. 

 

Und ich muss nicht an die Existenz Gottes glauben um über den kerygmatischen Jesus zu schreiben. 

 

Stimmt. Musst du nicht. Muss Ehrman auch nicht. Tut er auch nicht. Seine Existenz ist durch das Dorf bestimmt, in dem er nun lebt. Der Kinder-Glaube seines Zuhauses gehört nicht mehr zu seiner Existenz als Professor an der Universität. Er ist zu einem dieser Jünger geworden, die die Kinder von Jesus fernhalten. "Lasst die Kinder zu mir kommen". Ehrmann sieht die Zweiteilung des MkEv glasklar, 8 von 16 Kapiteln spielen in Galiläa, aber er findet nicht mehr zurück nach Galiläa.

 

Zitat

Mk 4,12 Münchener Neues Testament 

damit Sehende sehen und nicht schauen und Hörende hören und nicht verstehen, damit sie nicht etwa umkehren und ihnen erlassen werde.

 

Ehrman sieht den Engel aber er schaut ihn nicht, er hört den Engel aber er versteht ihn nicht. Der Engel ist kein Teil seiner Existenz, darum kehrt er nicht um, geht selbst nicht nach Galiläa zurück, um mit dem Herzen schauend den Auferstanden im Reich Gottes wandelnd zu sehen, weder im Markusevangelium, noch in seinem Leben. Muss er auch nicht. Ich erwarte das auch nicht von ihm. Es ist halt schade, dass er seinem Kinderglauben jeglichen Wert abgesprochen hat, und so lehrt, dass das Markusevangelium sein Ziel verfehlt.
 

Was aber ist mit Markus? Hat er an die Existenz Gottes geglaubt, als er über den kerygmatischen Jesus schrieb?

 

Zitat

Existentiale Interpretation ist in der Theologie ein Verfahren, die oft nicht mehr verstandene „mythische Redeweise“ der neutestamentlichen Verkündigung nach ihrer Aussage zu den spirituellen Existenzfragen des Menschen zu interpretieren.

 

Eine existentiale Interpretation ist das eine, das andere wäre ein existentiales Schreiben. Falls Markus existential geschrieben hat, ich ihn aber, wie Ehrman nicht existential interpretiere, habe ich dann seinen Text verstanden, oder nicht? Das Meiste, was über Zauberei geschrieben wurde, wurde natürlich von Leuten geschrieben, die an Zauberei glaubten. Ich sehe keinen Grund zu der Annahme, dass Markus nicht an die Existenz Gottes glaubte. Kann jemand, der sich mythischer Redeweise bedient, jemand der Mythen erfindet, wie eben Markus, der den Mythos vom leeren Grab verfasst, das von ihm Geschriebene selbst für bare Münze nehmen, und daran glauben, dass es dieses leere Grab tatsächlich je gegeben hat? Kann ich als Leser des Markusevangeliums existential verstehen, und nicht an die Existenz Gottes glauben? Ich denke Ehrman sollte dazu in der Lage sein, auch wenn er kein gläubiger Mensch ist. Mit der Existenz oder Nichtexistenz Gottes hat das nichts zu tun. Existential ist etwas anderes als existentiell oder existent. 

 

vor 11 Stunden schrieb KevinF:

Wie gesagt, ich nehme die Metaphysik und übersetze sie in "Lyrische Beschreibung von auch rein säkular beschreibbaren Erfahrungen + Wunsch- und Angstvorstellungen".

 

So allgemein formuliert klingt das erstmal plausibel. Warum du Wunsch- und Angstvorstellungen hinzuaddierst verstehe ich nicht. Das könnte den Eindruck erwecken, dass die nicht säkular beschreibbar seien. Vielleicht kannst du das mal konkret machen, damit ich das endlich mal verstehe. Am besten am Markusevangelium, wenn wir schon dabei sind. 

 

Unser Ausgangspunkt war:

 

Am 22.9.2025 um 15:16 schrieb Cosifantutti:

Auch wenn man sich sehr intensiv mit den Schriften befasst, sie regelmäßig liest ( zB: Te Deum - Stundengebet im Alltag… ), ja sozusagen aus den Schriften und von den Schriften her lebt, muss man sich immer wieder neu die Art / Gattung der Texte bewusst machen. Die Briefe des Apostels Paulus sind ( Gelegenheits- ) Briefe, die Evangelien bilden eine ganz eigene literarische Gattung von Verkündigungserzählungen, von authentischen Glaubenszeugnissen im Gewande der Erzählung.

 

Darum frage ich nochmal: Was ist das Markusevangelium für eine andere Textgattung? Nicht das ich das wüsste. Wirklich nicht. Darum frage ich ja. Vermutlich gibt es dafür keinen Fachbegriff, weil es so speziell und einzigartig ist. Macht es einen Unterschied bezüglich der Textgattung, dass die späteren Evangelien das leere Grab des Markus für bare Münze genommen haben? Vielleicht liege ich auch da falsch. Kann ja sein. Dann korrigiert mich bitte.  

 

 

Geschrieben
vor 3 Minuten schrieb Weihrauch:

Denn dadurch dass ich das vorkaue, beraube ich jeden der das liest, genau um diese Erfahrung, selbst darauf gekommen zu sein. Das ist blöd. Sorry.   

Keine Sorge, ich kann weder Ehrman was im Bezug auf dieses Evangelium etwas abgewinnen, noch Deinem Elaborat.

Geschrieben (bearbeitet)
vor einer Stunde schrieb Weihrauch:

Was kannst du dem Markusevangelium abgewinnen?

Nichts. Bzw. sehr wenig. Ich bin ihm durchaus dankbar, daß Markus noch nicht die Idee mit dem göttlichen Wesen in menschlicher Inkarnation gekommen ist und uns wenigstens ein paar Informationen über die Familie Jesu überliefert hat. Auch sein Kreuzwort ("Eli Eli...") ist mir in seiner Authentizität das nächste.

 

Mit Markus' Fokus auf die Figur des Auferstandenen und das Sühneopfer kann ich allerdings wenig bis gar nichts anfangen. Für mich ist das, was Jesus gelehrt hat, wichtiger als die Wunder und Exorzismen. Und die Auferstehung selbst ist für mich auch nicht mehr wirklich ein Thema, das für mich eine zentrale Bedeutung hätte. Für mich hätte er mit Kap 16,2 aufhören können.

bearbeitet von Flo77
Geschrieben (bearbeitet)
11 hours ago, Flo77 said:

Mit Markus' Fokus auf die Figur des Auferstandenen und das Sühneopfer kann ich allerdings wenig bis gar nichts anfangen. Für mich ist das, was Jesus gelehrt hat, wichtiger als die Wunder und Exorzismen. Und die Auferstehung selbst ist für mich auch nicht mehr wirklich ein Thema, das für mich eine zentrale Bedeutung hätte. Für mich hätte er mit Kap 16,2 aufhören können.


Das kann ich teils nachvollziehen, andererseits lese ich ein Evangelium evtl. auch weniger „theologisch“ - Jesu Wunder sind für mich einfach Geschichten über seinen Umgang mit Menschen. Und wie es idealerweise im Reich Gottes zuginge.

Berufsbedingt gehe ich oft mit kranken Menschen um - und mein Ideal wäre tatsächlich Sünden vergeben und sie einfach gesund umherwandeln zu lassen. Oder sie von Schuld und ihren Dämonen zu befreien. Nur kann ich das eben nicht, obwohl es doch so viel besser wäre. Wenn ich aktuell manche Nachrichten sehe, würde ich gerne die Welt retten oder den Zorn Gottes über die Übeltäter ausschütten - und auch da bin ich wieder ohnmächtig. 
Karfreitag ist für mich eine so verbreitete menschliche Realität, dass es die Auferstehung einfach geben muss. Es ist Gottes Protest gegen die Welt, wie sie häufig einfach ist - und ich stimme ihm da aus tiefstem Herzen zu. Mich interessiert weniger die ganze Theologie daran oder die Auffassung, dass ich mich dazu bekennen muss, damit ich eines „Sühneopfers“ teilhaftig werden kann. 
Es geht dabei mich eher um eine religiöse Erfahrung von Hoffnung, die tatsächlich erfahrbar ist - dass wir tatsächlich von unseren 
Ängsten, unseren „Karfreitagen“ befreit werden können, und als Teil von etwas sehr viel Größerem zum Reich Gottes gehören. Um mein kleines „Ich“ mache ich mir da weniger Sorgen - das theologisch zu umhätscheln, scheint mir eher ein egoistisches Missverständnis des Evangeliums und von Auferstehung und Opfer.

bearbeitet von Shubashi
Geschrieben
vor 2 Stunden schrieb Shubashi:

Berufsbedingt gehe ich oft mit kranken Menschen um - und mein Ideal wäre tatsächlich Sünden vergeben und sie einfach gesund umherwandeln zu lassen. Oder sie von Schuld und ihren Dämonen zu befreien. Nur kann ich das eben nicht, obwohl es doch so viel besser wäre.

Ich bete das Vaterunser in einer der älteren Formen:

 

"und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir unseren Schuldnern vergeben HABEN."

 

Jeder Mensch kann vergeben, das ist für mich Teil unserer Gottesebenbildlichkeit und nur wer selbst vergibt, kann meiner Meinung nach überhaupt selbst erhaltene Vergebung annehmen. Es gibt das Wort Jesu, nach dem uns mit dem Maß zugemessen wird, mit dem wir anderen zugemessen haben - eigentlich eine veritable Drohung, Ich bin ja eher der Strohfeuertyp (wenn ich mich über jemanden aufrege ist das kurz und in aller Regel habe ich es 5 Minuten später schon wieder vergessen oder in die virtuelle Rundablage gepfeffert). Die Versöhnung/Vergebnung mit dem Nächsten ist ein zentraler Bestandteil Jesuanischen Heils. 

 

vor 2 Stunden schrieb Shubashi:

Karfreitag ist für mich eine so verbreitete menschliche Realität, dass es die Auferstehung einfach geben muss. Es ist Gottes Protest gegen die Welt, wie sie häufig einfach ist - und ich stimme ihm da aus tiefstem Herzen zu.

Diesem Gedanken vermag ich nicht wirklich folgen zu können, da ich die Welt als von Gott geschaffen verstehe und ein Protest gegen seine eigene Schöpfung für mich wenig Sinn ergibt.

 

Geschrieben (bearbeitet)
On 10/12/2025 at 6:10 PM, Shubashi said:

Angeblich soll ausgerechnet Habermas sich aktuell kritisch über so einen so strikt diesseitig-immanenten Religionsbegriff geäußert haben. Was, würdest Du sagen, bleibt dann von den drei theologischen Tugenden Glaube, Liebe, Hoffnung noch übrig?

 

 

Strenggenommen ist mein Ansatz nicht inkompatibel mit dem Glauben an eine religiöse Metaphysik, sondern dieser Glaube ist hierbei lediglich optional. 
 
Aber ja, ich persönlich kann an eine solche Metaphysik nicht glauben.
 
Habermas fragt laut @Cosifantutti ob es Sinngehalte im Religiösen gibt, deren Übersetzung ins Säkulare noch aussteht. 
 
Für meine konfessionell geprägte Religiösität kann ich antworten: 
 
Nein, ich habe alles übersetzt. 
 
Wie kann ich das behaupten? 
 
Nun, ich komme aus dem Protestantismus. 
 
Dreh- und Angelpunkt ist hier die Rechtfertigungslehre. 
 
Kann man diese ins Säkulare übersetzen, dann hat man alles übersetzt oder hat zumindest den Schlüssel, um alles zu übersetzen. 
 
Die Übersetzung ist simpel: Akzeptiere, dass Du (trotz allem) akzeptiert bist (gemäß den westlichen Werten) und tue das Gute um des Guten willen. 
 
Das ist für mich von der religiösen Grundhaltung und vom religiösen Erleben her dann so, ALS OB der rechtfertigende Gott (den ich mir am ehesten paNENtheistisch vorstellen würde) real wäre, so ALS OB der auferstandene Christus real wäre. 
 
Die Rechtfertigungslehre wäre so verstanden gleichermaßen eine lyrische Beschreibung von innerweltlichen Erfahrungen sowie Ausdruck von Wunsch- und Angstvorstellungen.
 
Damit hat man Zugang zur gesamten christlichen Spiritualität mit Ausnahme des Fürwahrhaltens einer religiösen Metaphysik. 
 
Was bleibt ohne ein solches Fürwahrhalten übrig von Glaube, Liebe, Hoffnung, fragst Du? 
 
Nun, an der Liebe ändert sich nichts außer dem Wegfall des Glaubens an die Existenz einer übernatürlichen Agape. 
 
Beim Glauben fällt eben das Fürwahrhalten einer religiösen Metaphysik weg, Glaube im Sinne eines "ultimate concern" (Tillich) ist hingegen nicht betroffen. 
Glaube als Annahme dessen, dass man angenommen ist (sinngemäß ebenfalls Tillich, auch wenn dies bei ihm noch eine metaphysische Komponente hat), ist ebenfalls nicht betroffen. 
 
Hoffnung als der aus meiner Sicht unhaltbare Glaube,  dass am Ende alles gut wird, fällt weg. 
 
Was von der Hoffnung bleibt, ist das Wissen, dass man, ähnlich wie Hiob, das Gute nicht verfluchen sollte("Verfluch Deinen Gott und stirb" (aus dem Gedächtnis zitiert)), auch wenn es einem gräßlich geht. 
 
Was von der Hoffnung bleibt, ist, metaphorisch gesprochen, die Erfahrung des Gottes in der Gottverlassenheit.

bearbeitet von KevinF
Geschrieben
On 10/12/2025 at 8:44 PM, Weihrauch said:

 

In diesem Video mit Bart Ehrman über das Markusevangelium hebt er die literarische Brillianz dieses Evangeliums hervor, aber die literarische Pointe des kurzen Markusschlusses hat auch er nicht kapiert, die ist, innerhalb der Literatur nach Galiläa zurückzugehen und dort den Auferstandenen mit eigenen Augen zu sehen. 

 

Danke für den Link zum Video.

 

Dass Ehrman aus Deiner Sicht, so interpretiere ich das mal, das Messiasgeheimnis nicht versteht, liegt daran, dass Markus es nur andeutungsweise auflöst.

 

Sicher, die Pointe ist wohl, dass man Christus nur von Kreuz und Auferstehung her verstehen kann, aber was bedeutet das?

Was bedeutet es, dass er der Sohn Gottes ist, der Messias, der sein Leben als "Lösegeld für viele" (Markus 10,45) geben soll?

 

Die Antwort hängt von der eigenen Konfession, von der eigenen religiösen Grundhaltung ab.

 

 

On 10/12/2025 at 8:44 PM, Weihrauch said:

So allgemein formuliert klingt das erstmal plausibel. Warum du Wunsch- und Angstvorstellungen hinzuaddierst verstehe ich nicht. Das könnte den Eindruck erwecken, dass die nicht säkular beschreibbar seien. Vielleicht kannst du das mal konkret machen, damit ich das endlich mal verstehe. Am besten am Markusevangelium, wenn wir schon dabei sind. 

 

Sind Deine Fragen durch meinen Beitrag oben beantwortet?

Ich bin nicht explizit auf das Messiasgeheimnis von Markus eingegangen, aber es sollte trotzdem klar sein, wie ich es auflöse?

Geschrieben
On 10/12/2025 at 8:44 PM, Weihrauch said:

Darum frage ich nochmal: Was ist das Markusevangelium für eine andere Textgattung? Nicht das ich das wüsste. Wirklich nicht. Darum frage ich ja. Vermutlich gibt es dafür keinen Fachbegriff, weil es so speziell und einzigartig ist. Macht es einen Unterschied bezüglich der Textgattung, dass die späteren Evangelien das leere Grab des Markus für bare Münze genommen haben? Vielleicht liege ich auch da falsch. Kann ja sein. Dann korrigiert mich bitte.  

 

Bin nicht sicher, ob ich die Frage verstehe.

 

Ich würde einfach sagen:

 

Das Markusevangelium ist das kürzeste der drei synoptischen Evangelien, das mit dem Messiasgeheimnis und dem vermutlich nicht originalen Ende.

 

Wo ist das Problem 😉 ?

Geschrieben
vor 14 Minuten schrieb KevinF:

Dass Ehrman aus Deiner Sicht, so interpretiere ich das mal, das Messiasgeheimnis nicht versteht, liegt daran, dass Markus es nur andeutungsweise auflöst.

 

Im ersten Satz des MkEv steht doch schon, dass Jesus der Christus ist. 

Zitat

Mk 1,1 EU 2017

Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, Gottes Sohn.[A]

A) (1,1) Gottes Sohn: nicht in einigen alten Textzeugen.

 

Wo ist das Geheimnis - für den Leser, wenn der allwissende Erzähler ihn persönlich anspricht und ihm als allererstes sagt, dass Jesus der Christus (Messias) ist? Für den Leser ist es schon mal kein Geheimnis. Es wird von Markus nicht bloß angedeutet, der Leser bekommt es ins Gesicht geknallt. Nimmt man die Fußnote ernst, ist die Auflösung des Geheimnisses auch nicht, dass Jesus Gottes Sohn ist. Söhne Gottes gab es damals viele, aber Mesiasse waren sie deshalb nicht. Der Centurio löst das angebliche Messiasgeheimnis auch nicht auf. Besonders der nicht, der ist eine ganz spezielle Nummer. Schon deshalb nicht, weil das dem Leser schon im 11 Vers mitgeteilt wurde. 

Zitat

Mk 1,11
Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.

 

Vielleicht sollten wir über den Unterschied von Geheimnis und Rätsel sprechen. Ein Rätsel kann man auflösen, bei einem Geheimnis ist das etwas anders, da spielt eine gewisse Vertraulichkeit eine Rolle, es wird einem etwas mitgeteilt, was anderen nicht mitgeteilt wird. Wenn alle es wissen, ist es kein Geheimnis mehr. In Apg 10,37-43 wird das deutlich. Der Auferstandene ist nur bestimmten Leuten erschienen und nicht so, dass alle "den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf den Wolken kommen sehen" konnten.

 

Der Witz, und es ist wirklich ein Witz bei Markus, dass die Frauen am leeren Grab das ihnen vom Engel anvertraute Geheimnis zu gut bewahren. Eigentlich sollen sie es den Jüngern und dem Petrus weitersagen - aber sie sagten niemandem etwas davon, und da haben wir wieder diesen trockenen Humor von Markus, denn sie nehmen das Geheimnis, dass Jesus auferstanden ist, welches ihnen im leeren Grab mitgeteilt wurde mit in ihr Grab. Man kann ein Geheimnis auf zweierlei Weise killen, entweder dadurch, dass jeder es weiß oder dadurch dass niemand davon weiß. Da die Jünger und Petrus es nie erfahren, gibt es auch für sie kein Messiasgeheimnis im Markusevangelium - nur die Frauen haben dieses Geheimnis, sonst niemand. . 

 

Die logische Konsequenz des ewigen Schweigens der Frauen ist: Keiner weiß, dass Jesus auferstanden ist. Nun ist das aber der zentrale Punkt im Glauben des Markus, das was Jesus zum Christus macht. Diese Botschaft will Markus mit seinem Evangelium vermitteln. Dazu braucht er die Frauen nicht, denn die Leser wissen es aus einer anderen Quelle, nämlich von Markus, dem allwissenden Erzähler. Während ich diese Zeilen schreibe, kitzelt es in meinem Bauch, wegen der fast unerträglichen Spannung, die sich da aufbaut. Das geht doch so nicht, und, und, was, da fehlt doch noch was?!. Was ist das für ein Scheiß Ende? Wer A sagt muss auch B sagen. So ging es nicht nur mir, sondern auch denen, die die verschiedenen Markusschlüsse angehängt haben. Was fehlt ist der Sinn. Warum, wieso, wozu ist Jesus denn auferstanden? Und da gab es dann unterschiedlich lange Erklärungen, und eine davon wurde schließlich kanonisiert - und ich finde schon den ersten Satz so blöd, das mir die Lust am weiterlesen vergeht: 

 

Zitat

Mk 16,10
Sie ging und berichtete es denen, die mit ihm zusammengewesen waren und die nun klagten und weinten.

 

Wenn es bei Markus ein Geheimnis gibt, dann nicht dass Jesus der Messias ist, das weiß man von Anfang an, sondern wozu er auferstanden ist. Das ist aber im Christentum so anders, als das, was von einem Messias im Judentum erwartet wurde, dass es eigentlich nichts mehr mit einem Messias zu tun hat. In deutschen Bibelübersetzungen schwankt die Häufigkeit des Wortes Messias im NT zwischen 2x und 108x, und das hängt von der Theologie der Glaubensgemeinschaft und deren Herausgeber ab, aber auch da kann es schwanken EU 80 54x EU 2016 2x. Im griechischen NT kommt Μεσσίας an zwei Stellen vor: Joh 1,41 und Joh 4,25 - das konnte Markus aber nicht wissen, was Johannes eines Tages schreiben wird.

 

Wenn überhaupt gibt es bei Markus ein Christusgeheimnis. Nun könnte man sagen: aber Christus und Messias bedeuten dasselbe, nämlich der Gesalbte nur in verschiedenen Sprachen. Stimmt. Nur wird Jesus bei Markus nicht in diesem Sinne gesalbt, wie einer, der zum Messias gesalbt wird. Die Salbung durch die Frau die ihn mit der teuren Salbe salbt, macht ihn nicht zu einem Messias, dann hätte Jesus sich den Tod und die Auferstehung sparen können. Dieses angebliche Messiasgeheimnis des William Wrede kaufe ich nicht. Markus hat sein Ding gemacht, und nicht das Ding das Wrede ihm aufgeschwatzt hat. Ich wollte den Markustext verstehen, nicht das Messiasgeheimnis enträtseln. 

 

Die Spannung die mich so im Bauch kitzelt, entsteht dadurch, dass in der Erzählung niemand checkt, wer Jesus ist - absolut niemand. Auch Petrus nicht, als er sagt: "Du bist der Christus", eben weil er damit meint, dass Christus die Erwartungen erfüllen würde, die er und die Menschen mit einem Messias verbinden - außerdem gab es damals unterschiedliche Erwartungen über das Wirken des Messias.  

Zitat

Mk 8,29-30
Da fragte er sie: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Simon Petrus antwortete ihm: Du bist der Christus! 
Doch er gebot ihnen, niemandem etwas über ihn zu sagen.


Darum verbot er ihnen darüber zu sprechen, nicht um es geheim zu halten, sondern weil er keiner der vielen Vorstellungen eines Messias entspricht, und es ganz anders kommen wird. Darum wird Jesus auch stocksauer auf Petrus, als dieser ihn zurechtweist, dass das aber nicht einem Messias entspräche, was Jesus gerade angekündigt hat:

Zitat

Mk 8,31-33
Dann begann er, sie darüber zu belehren: Der Menschensohn muss vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohepriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er muss getötet werden und nach drei Tagen auferstehen. Und er redete mit Freimut darüber.

Da nahm ihn Petrus beiseite und begann, ihn zurechtzuweisen. Jesus aber wandte sich um, sah seine Jünger an und wies Petrus mit den Worten zurecht: Tritt hinter mich, du Satan! Denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.

 

Der Begriff Messiasgeheimnis tut eben so, als ginge es darum, was die Menschen damals von dem Messias wollen, dem Jesus aber in keiner Weise gerecht werden will. Gott hat was anderes mit Jesus vor, als beispielsweise die römische Herrschaft über das Land Israel kriegerisch zu beenden, und wieder das davidische Königtum zu installieren. Jesus will gar nichts geheimhalten, sondern redet mit Freimut darüber, was kommen wird. Petrus will das nicht kapieren, weil es ihm nicht in den Kram passt. Wenn es nach Markus geht, kapiert Petrus das nie, dass Jesus auferstanden ist, weil die Frauen es ihm nicht erzählen.

 

So tragisch das ist, so lustig ist es auch, weil es so absurd ist. Darum kitzelt es schon wieder in meinem Bauch. Das Markusevangelium schickt einen auf eine Achterbahn der Gefühle. Mal ist es ernst und tiefgründig und im nächsten Moment urkomisch. Er ist zum Weinen und zum Lachen gleichzeitig, dieser trockene, absurde, schwarze Humor des Markus hat was von Monty Python finde ich, an manchen Stellen ist das was er macht Nonsens an manchen Satire. Dass das niemand checkt, verstehe ich nicht. Mal sehen, vielleicht kann ich das am Beispiel des Centurio aufzeigen. 

 

vor 13 Stunden schrieb KevinF:

Sicher, die Pointe ist wohl, dass man Christus nur von Kreuz und Auferstehung her verstehen kann, aber was bedeutet das?

 

Das bedeutet, dass im MkEv die Auferstehung nicht fehlen darf. Es scheint aber zu fehlen, weil die Frauen dieses Geheimnis mit in ihr Grab nehmen, und deshalb ist deine Frage so drängend, weil es auf den ersten Blick so aussieht, als würde Markus sie nicht beantwortet haben.

vor 13 Stunden schrieb KevinF:

Was bedeutet es, dass er der Sohn Gottes ist, der Messias, der sein Leben als "Lösegeld für viele" (Markus 10,45) geben soll?


Die Jünger und Petrus haben das nicht kapiert, die Frauen am Grab auch nicht, die Pharisäer und Schriftgelehrten haben das nicht kapiert, Pilatus hat das nicht kapiert, der Centurio hat es nicht kapiert, der am allerwenigsten, niemand im Markusevangelium kapiert es, du und ich und jeder würde es gerne kapieren.

 

vor 13 Stunden schrieb KevinF:

Die Antwort hängt von der eigenen Konfession, von der eigenen religiösen Grundhaltung ab.


Genau. Es hängt von der Konfession, von der Grundhaltung von demjenigen ab, der das Markusevangelium geschrieben hat. Darum sollte man Markus und niemandem sonst diese Frage stellen. Das ist, was ich die ganze Zeit hier mache. Die Antwort die Markus mir gegeben hat, finde ich gewinnbringend, @Flo77 nicht, und was du und die anderen davon halten weiß ich so wenig, wie ich weiß, was Markus davon halten würde, und ich werde das auch nie erfahren. Jeder muss mit dem, was Markus geschrieben hat alleine klar kommen. Das ist die Pointe von Markus, weil er es absichtlich niemanden in seinem Evangelium kapieren lässt, wirft er am Schluss dem Leser den Ball zu: Jetzt bist DU dran, Du musst es verstehen, sonst versteht es niemand. Mit dieser Wendung hat keiner gerechnet. Wie jetzt? Ich??? 

 

Zitat

Mk 16,8
Da verließen sie das Grab und flohen; denn Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt. Und sie sagten niemandem etwas davon; denn sie fürchteten sich.

 

Es jetzt wie die Frauen zu machen, gilt nicht. Vor Schreck und Entsetzen zu fliehen ist keine Option, denn deine drängende Frage wird dir nachlaufen - und sie wird dich immer wieder einholen. Jetzt wird sich herausstellen ob das Gelesene bei dir auf den Weg, auf steinigen Boden, unter die Dornen, oder auf fruchtbaren Ackerboden fällt, ob die Saat aufgeht, oder nicht. Du bist dran. Du musst Farbe bekennen. Wer bist Du? Wo stehst Du? Wohin gehst Du? Was ist Dein Weg? Steigst Du ein in die Erzählung, oder klappst du das Buch zu?

Geschrieben (bearbeitet)
Am 12.10.2025 um 22:19 schrieb Flo77:

Für mich ist das, was Jesus gelehrt hat, wichtiger als die Wunder und Exorzismen.

 

Da bleibt allerdings "Nichts. Bzw. sehr wenig" im Markusevangelium das man in seinem Leben umsetzen kann. Nicht mal die goldene Regel, findet sich hier. Um eine Ethik daraus zu basteln, ist das MkEv nicht geeignet. 
 

Am 12.10.2025 um 22:19 schrieb Flo77:

... uns wenigstens ein paar Informationen über die Familie Jesu überliefert hat.

 

Seine Angehörigen, Mutter Maria, Vier Brüder Jakobus, Joses, Judas und Simon, ein paar namenlose Schwestern und alle sagen, er sei von Sinnen. Sein Vater, in anderen Evangelien Josef, wird totgeschwiegen, wenn man davon absieht, dass er wenigstens eine Vaterstadt hat, aber auch die wird irre an ihm. Was kannst du diesen Informationen abgewinnen?

 

Am 12.10.2025 um 22:19 schrieb Flo77:

Auch sein Kreuzwort ("Eli Eli...") ist mir in seiner Authentizität das nächste.

 

Das wundert mich jetzt. Wieso hältst du dieses Kreuzeswort für authentischer als die in den anderen Evangelien, wo du doch immer so betonst, dass du noch nie an der Gegenwart Gottes gezweifelt hast.

 

So wie Markus diese Szene zeichnet, erweckt sie alles andere als den Anschein authentisch zu sein. Das liegt vor allem an der Figur des Centurio. Ich finde, dass die Aussage des Centurio völlig überbewertet wird. Das kommt daher, dass man ihn als einen Außenstehenden interpretiert, und ihm darum eine gewisse Objektivität einräumt. "Da kann man mal sehen: Selbst ein Heide erkennt, dass Jesus der Sohn Gottes ist!" Weil man selbst Christ und kein Jude ist, hört man das gern, schließlich ist er einer von uns.

 

No way! Er ist keiner von uns. Er wird da auch nicht zum Christen. Er ist der von Pilatus beauftragte Henker und macht mit seinen Leuten seinen Job. Er ist alles andere als ein Außenstehender mit einer objektiven Perspektive. Er ist der Feind. Er weiß genau, was seine Aufgabe ist. Der Zweck dieser Kreuzigung ist, besonders wenn einer der da oben hängt, der König der Juden sein soll, den Anwesenden und dem Gekreuzigten diese Flausen gründlich auszutreiben und das Gegenteil unmissverständlich klar zu machen. Der Centurio hat absolut keinen Grund, nicht mal die geringste Chance zu dieser Aussage zu kommen: "Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn." Für ihn ist das genau so eine Kreuzigung wie alle anderen. Authentisch wäre die Szene, wenn er sich am Schluss denkt: Oh ihr Götter! Das ging aber fix diesmal. Delinquent tot, Auftrag ausgeführt. Nix wie weg hier, Meldung machen und dann ab in den Feierabend. 

 

Wie sollte der Centurio zu dieser Aussage kommen können? Er versteht Jesu letzte Worte nicht, nicht mal der christliche Leser versteht sie, erst als Markus sie dem Leser übersetzt, versteht er, was Jesus gesagt hat. Selbst wenn der Centurio sie verstünde, könnte er ihren Sinn nicht verstehen, weil er die alttestamentlichen Psalmen nicht kennt, und erst recht nicht diesen langen Psalm 22 auswendig kann. Kann ich auch nicht, muss ich nachlesen. Aber selbst wenn er Jesu letzte Worte verstünde, sie ihm jemand der Umstehenden übersetzt hätte, würden sie dem Centurio nur bestätigen, dass er seinen Job gut gemacht hat. Der Typ da oben ist fertig, hat es kapiert und schwört seinem Gott ab.

 

Aber so wird es von Markus nicht beschrieben. Der Centurio hört also von Jesus nur unverständliches Gebrabbel, dann einen Schrei und das letzte Aushauchen. Was also soll für den Centurio so besonders an diesem Sterben sein, dass er auf den wahnwitzigen Gedanken kommen könnte, dass dieser der Sohn, eines ihm noch dazu fremden Gottes war? Nichts, absolut nichts. Das ist völlig absurd. Der Centurio kapiert, wie alle anderen im MkEv gar nichts, weil er nichts kapieren kann. Wie sollte er von einem elendig verreckten angeblichen König der Juden auf den Sohn eines anderen Gottes kommen? Da kann man auch nicht mit dem blinden Huhn kommen, das auch mal ein Korn findet. Nicht mal das. Das ist so absurd, dass es schon wieder lustig ist. Die Szene könnte aus dem Leben des Brian sein. Irgendeiner plärrt Nonsens in die Runde und ein anderer schreit empört: Wer hat das gesagt? Wer hat das gesagt?

 

Das ist genau der trockene Humor, wie an anderen Stellen auch. Geht in die gleiche Richtung wie das absurd anachronistische: "Damit erklärte er alle Speisen für rein". Na klar, und anschließend sitzen diese ganzen Juden zusammen, und schlemmen mit Jesus Schweinelendchen an gerupften Ähren. Markus haut da immer wieder völlig absurden Nonsens raus. "Kommen wir nun zu etwas völlig anderem." So ist das auch mit dem Centurio, um seine Leute aus ihrem frommen Dornröschenschlaf herauszureißen. Das sind Bremsklötze die Markus in seinem Evangelium positioniert, weil er weiß, dass der Mensch gerne hört, was er hören will. Da werden vermutlich schon ein paar extrem schräge mündliche "Überlieferungen über Jesu" im Umlauf gewesen sein, über die er sich lustig macht, sie der Lächerlichkeit preisgibt. Lachen ist gesund. Der war ja nicht dumm. Und ja, vielleicht höre ich da das im Markusevangelium heraus, was ich hören will. Feuer frei!

 

Jetzt hab ich das auch noch elaboriert, dass dieser trockene Humor, der nur zwischen dem Autor und dem Leser funktioniert, den die Figuren in der Erzählung gar nicht mitbekommen können, die Funktion hat, den Leser persönlich anzusprechen, dem Leser klar zu machen, dass er noch draußen ist, noch nicht Teil der Erzählung geworden ist, noch nicht interaktiv beteiligt ist. Diese Wahnwitzigkeit steigert diese Spannung von dem "schon angebrochen" aber "noch nicht" des Lesers, damit er sich kurz-schluss-endlich auf die Socken in das andere, eschatologische Galiläa machen kann, und mit dem Herzen erkennt wer der Auferstandene ist. Das mit der Naherwartung war doch schon längst durch, als Markus sein Evangelium schrieb.

 

Nicht seinen Protagonisten, sondern den Lesern, ist das Geheimnis des Reiches Gottes gegeben, in der guten Hoffnung, dass es nicht auf den Weg, auf steinigen Boden oder unter die Dornen gerät.

 

Markus ist der Sämann.

 

Bam Bam Bam Bam Bam Bam Bam Bam Bam Bam Bam Bam Bam Baam Baam Bam Bam Bam Bam Bam Bam Bam Bam Bam Bam Bam Bam Bam Baam Baam Mr. Sämään, bring me a dream Bam Bam Bam Bam Make him the cutest that I've ever seen Bam Bam Bam Bam Give him two lips like roses and clover Bam Bam Bam Bam Then tell him that his lonesome nights are over ... Bam Bam Bam Bam So, please turn on your magic beam Kling Kling Kling Kling Mr. Sämään, bring us Please, please, please Mr. Sämäääääään bring us a Dream

 

Das darf man alles nicht so verbissen eng sehen. Ist's doch eine frohe Botschaft.

bearbeitet von Weihrauch
Geschrieben
vor einer Stunde schrieb Weihrauch:

Da bleibt allerdings "Nichts. Bzw. sehr wenig" im Markusevangelium das man in seinem Leben umsetzen kann. Nicht mal die goldene Regel, findet sich hier. Um eine Ethik daraus zu basteln, ist das MkEv nicht geeignet. 

Eben.

 

vor einer Stunde schrieb Weihrauch:

Seine Angehörigen, Mutter Maria, Vier Brüder Jakobus, Joses, Judas und Simon, ein paar namenlose Schwestern und alle sagen, er sei von Sinnen. Sein Vater, in anderen Evangelien Josef, wird totgeschwiegen, wenn man davon absieht, dass er wenigstens eine Vaterstadt hat, aber auch die wird irre an ihm. Was kannst du diesen Informationen abgewinnen?

Er hatte eine Familie. Er war nicht allein. Er kam nicht aus dem Nichts. Und was das "irre werden" angeht, das ist das Leben.

 

vor einer Stunde schrieb Weihrauch:

Das wundert mich jetzt. Wieso hältst du dieses Kreuzeswort für authentischer als die in den anderen Evangelien, wo du doch immer so betonst, dass du noch nie an der Gegenwart Gottes gezweifelt hast.

Es gibt viel Spekulatius darüber, ob Jesus wusste, daß er bei seinem Gang nach Jerusalem sterben würde, ob es eine Ahnung war oder ob er nicht damit gerechnet hat.

 

Ich neige der Lesart zu, daß Jesus so in der Idee der Ankunft Gottes/des Menschensohnes gefangen war, daß er noch bei der Verhandlung vor dem Sanhedrin (und vielleicht auch noch bei Pilatus) davon überzeugt war, daß Gott selbst eingreifen wird und das Gottesreich noch an jenem Pessach seinen Gründungstag erleben würde. Jeder Schritt in Richtung Golgatha, die Frage worauf der Himmel wartet. Jeder Tropfen Blut, Schweiß und Tränen der diese Gewissheit langsam aber stetig in Frage stellt. Bis schließlich - als aus menschlicher Sicht bereits alles zu spät ist - die Erkenntnis kommt: Gott wird nicht eingreifen, denn man kann den Himmel nicht erzwingen. Vor dem Hintergrund der damit verbundenen Verzweiflung, erscheint mir das "Eli, Eli,..." am realistischsten, wenngleich ich mir für ihn wünsche, daß er mit dem "Vater in deine Hände ..." gestorben ist.

Geschrieben (bearbeitet)
vor 2 Stunden schrieb Flo77:
vor 3 Stunden schrieb Weihrauch:

Da bleibt allerdings "Nichts. Bzw. sehr wenig" im Markusevangelium das man in seinem Leben umsetzen kann. Nicht mal die goldene Regel, findet sich hier. Um eine Ethik daraus zu basteln, ist das MkEv nicht geeignet. 

Eben.

 

Ja eben. Die Frage war ja auch mal, warum Markus im galiläischen Teil ständig sagt, dass Jesus lehrte, aber nicht was er lehrte. Meine Antwort darauf ist vielleicht falsch, aber es ist wenigstens eine logische Antwort: weil der galiläische Teil bei Markus eine Doppelfunktion erfüllt. Beim ersten Lesen sieht man Jesus von Nazareth den Menschen, beim zweiten Lesen den Auferstandenen im Reich Gottes, wo niemand mehr einer Lehre bedarf. Deshalb würden konkrete Lehren dort beim zweiten Lesen stören. Muss man nicht so sehen, kann man aber.

 

vor 2 Stunden schrieb Flo77:
vor 3 Stunden schrieb Weihrauch:

Seine Angehörigen, Mutter Maria, Vier Brüder Jakobus, Joses, Judas und Simon, ein paar namenlose Schwestern und alle sagen, er sei von Sinnen. Sein Vater, in anderen Evangelien Josef, wird totgeschwiegen, wenn man davon absieht, dass er wenigstens eine Vaterstadt hat, aber auch die wird irre an ihm. Was kannst du diesen Informationen abgewinnen?

Er hatte eine Familie. Er war nicht allein. Er kam nicht aus dem Nichts. Und was das "irre werden" angeht, das ist das Leben.

 

Das ist doch der Normalfall. Was soll da gewinnbringend sein? Gewinnbringend könnte höchstens sein, dass sein namenloser Vater mit keinem Wort von Markus erwähnt wird, und das hat den Grund, dass er die Gottessohnschaft Jesu betonen will. Bei Markus ist Jesus nicht von Gott in einer Jungfrau gezeugt. Wir haben zwar die Namen seiner Brüder, aber das können jüngere und ältere Brüder sein. Vielleicht ist Jesus der erstgeborene, vielleicht auch nicht. Jesus ist auch nicht der von seinem Vater adoptierte Son of a bitch. Jesus ist nicht mal der Sohn des Zimmermanns sondern anfangs der Sohn der Maria später nicht mal das, da ist Maria nur noch die Mutter seiner Brüder. 

 

Zitat

Mk 15,40
Auch einige Frauen sahen von Weitem zu, darunter Maria aus Magdala, Maria, die Mutter von Jakobus dem Kleinen und Joses, sowie Salome; 

 

Mk 15,47
Maria aus Magdala aber und Maria, die Mutter des Joses, beobachteten, wohin er gelegt wurde.


Warum? Darum:

 

Zitat

Mk 3,32-35
Es saßen viele Leute um ihn herum und man sagte zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und suchen dich. Er erwiderte: Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder? Und er blickte auf die Menschen, die im Kreis um ihn herumsaßen, und sagte: Das hier sind meine Mutter und meine Brüder. Wer den Willen Gottes tut, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.

 

Und warum glänzt hier der Vater durch Abwesenheit? Weil Gott auch der Vater Jesu ist und der macht eh was er will. Es ist halt kein Tatsachenbericht, sondern theologische Literatur. Das gibt es nochmal, und zwar so subtil, dass man es kaum merkt:

 

Zitat

Mk 10,29-30
Jesus antwortete: Amen, ich sage euch: Jeder, der um meinetwillen und um des Evangeliums willen Haus oder Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder oder Äcker verlassen hat, wird das Hundertfache dafür empfangen. Jetzt in dieser Zeit wird er Häuser und Brüder, Schwestern und Mütter, Kinder und Äcker erhalten, wenn auch unter Verfolgungen, und in der kommenden Welt das ewige Leben.

 
Wo ist der Vater abgeblieben? Ich liebe es so sehr!

 

Aber Markus übertreibt es damit auch nicht, bleibt elegant im Stil, damit Jesus den Vater nicht für sich vereinnahmt, sondern mit den Lesern teilt. Im MkEv spricht Jesus nur an 4 Stellen von Gott als Vater, davon einmal als "euer Vater im Himmel" einmal als "Vater des Menschensohnes", einmal "nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater" und nur ein einziges mal spricht Jesus Gott direkt als Vater an "Abba, Vater, alles ist dir möglich. Nimm diesen Kelch von mir!" Das war's.

 

Gefühlt mochte ich meinen, dass das viel öfter der Fall sei, weil ich irgendwie so eine Jesus-Mischmasch-Evangelienharmonie aller vier Evangelien im Kopf hatte. So ging es mir, bis ich mal im MkEv nachgezählt habe. Sohn Gottes 3x, Gottes Sohn 2x. Und zwei mal sagt Gott, dass dieser sein Sohn ist. Menschensohn dagegen kommt 14x mal vor. Erstaunlicherweise springen die meisten Theologen dabei vornehmlich auf das Buch Daniel an, in dem Menschensohn 1x vorkommt, nicht aber auf das Buch Ezechiel, in dem Menschensohn 93x vorkommt, sonst noch 1x im Buch Hiob und 1x in den Psalmen. 

 

vor 2 Stunden schrieb Flo77:
vor 3 Stunden schrieb Weihrauch:

Das wundert mich jetzt. Wieso hältst du dieses Kreuzeswort für authentischer als die in den anderen Evangelien, wo du doch immer so betonst, dass du noch nie an der Gegenwart Gottes gezweifelt hast.

Es gibt viel Spekulatius darüber, ob Jesus wusste, daß er bei seinem Gang nach Jerusalem sterben würde, ob es eine Ahnung war oder ob er nicht damit gerechnet hat.

 

Markus spekuliert nicht darüber:

 

Zitat

 

Mk 8,31
Dann begann er, sie darüber zu belehren: Der Menschensohn muss vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohepriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er muss getötet werden und nach drei Tagen auferstehen. 

 

Mk 9,31
denn er belehrte seine Jünger und sagte zu ihnen: Der Menschensohn wird in die Hände von Menschen ausgeliefert und sie werden ihn töten; doch drei Tage nach seinem Tod wird er auferstehen. 

 

Mk 10,33-34
Er sagte: Siehe, wir gehen nach Jerusalem hinauf; und der Menschensohn wird den Hohepriestern und den Schriftgelehrten ausgeliefert; sie werden ihn zum Tod verurteilen und den Heiden ausliefern; sie werden ihn verspotten, anspucken, geißeln und töten. Und nach drei Tagen wird er auferstehen. 

 


Einfach mal bei Markus bleiben. Gut, ich habe gerade die anderen Evangelien ins Spiel gebracht. Mein Fehler.  

 

vor 2 Stunden schrieb Flo77:

Ich neige der Lesart zu, daß Jesus so in der Idee der Ankunft Gottes/des Menschensohnes gefangen war, daß er noch bei der Verhandlung vor dem Sanhedrin (und vielleicht auch noch bei Pilatus) davon überzeugt war, daß Gott selbst eingreifen wird und das Gottesreich noch an jenem Pessach seinen Gründungstag erleben würde. Jeder Schritt in Richtung Golgatha, die Frage worauf der Himmel wartet. Jeder Tropfen Blut, Schweiß und Tränen der diese Gewissheit langsam aber stetig in Frage stellt. Bis schließlich - als aus menschlicher Sicht bereits alles zu spät ist - die Erkenntnis kommt: Gott wird nicht eingreifen, denn man kann den Himmel nicht erzwingen. Vor dem Hintergrund der damit verbundenen Verzweiflung, erscheint mir das "Eli, Eli,..." am realistischsten, wenngleich ich mir für ihn wünsche, daß er mit dem "Vater in deine Hände ..." gestorben ist.

 

Verstehe, das kann ich gut nachvollziehen. Du belässt es anscheinend bei den Worten, so wie es dasteht ...

 

Zitat

Mk 15,34
Und in der neunten Stunde schrie Jesus mit lauter Stimme: Eloï, Eloï, lema sabachtani?, das heißt übersetzt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

 

und bringst es nicht mit Psalm 22 in Verbindung? Ich lese das so, das Markus mir den Psalm ins Gedächtnis rufen will. In diesem Psalm gibt es eine strukturelle Ähnlichkeit, um nicht zu sagen Verwandtschaft mit dem MkEv, und das ist diese Zweiteilung Galiläa/Jerusalem im MkEv und wie sag ich das jetzt Verlassenheit/Verkündigung und in beiden ist die Reihenfolge auf den Kopf gestellt. Bei Markus steht die Auferstehung und das Reich Gottes vor der Passion (nur in meiner durchgeknallten Interpretation natürlich), im Psalm die Verlassenheit vor der Verkündigung, welche die Geborgenheit verkündigt. Der Psalm ist wie ein zur Hälfte gefülltes Glas Wasser: halbvoll bzw. halbleer. 

 

BTW: Der letzte Satz erinnert mich an ein anderes Kreuzeswort:

 

Zitat

Ps 22,32
Seine Heilstat verkündet man einem Volk, das noch geboren wird: *
Ja, er hat es getan.

 

Es ist vollbracht. 

 

bearbeitet von Weihrauch
Geschrieben (bearbeitet)
8 hours ago, Weihrauch said:

Genau. Es hängt von der Konfession, von der Grundhaltung von demjenigen ab, der das Markusevangelium geschrieben hat. Darum sollte man Markus und niemandem sonst diese Frage stellen. Das ist, was ich die ganze Zeit hier mache. Die Antwort die Markus mir gegeben hat, finde ich gewinnbringend, @Flo77 nicht, und was du und die anderen davon halten weiß ich so wenig, wie ich weiß, was Markus davon halten würde,

 

Ja, sorry. 
Ich lese es nochmal und schreibe etwas dazu, wenn ich dazu komme. 
Könnte aber etwas dauern und wird vermutlich auch kein besonders langer oder beeindruckender Text werden 😉

 

 

8 hours ago, Weihrauch said:

Es jetzt wie die Frauen zu machen, gilt nicht. Vor Schreck und Entsetzen zu fliehen ist keine Option, denn deine drängende Frage wird dir nachlaufen - und sie wird dich immer wieder einholen. Jetzt wird sich herausstellen ob das Gelesene bei dir auf den Weg, auf steinigen Boden, unter die Dornen, oder auf fruchtbaren Ackerboden fällt, ob die Saat aufgeht, oder nicht. Du bist dran. Du musst Farbe bekennen. Wer bist Du? Wo stehst Du? Wohin gehst Du? Was ist Dein Weg? Steigst Du ein in die Erzählung, oder klappst du das Buch zu?

 

 

Das Messiasgeheimnis zieht sich ja durch die gesamte Geschichte des Christentums und gilt bis heute. 
 
Bultmann in "Neues Testament und Mythologie": 
 
"Man kann nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben. Und wer meint, es für seine Person tun zu können, muß sich klar machen, daß er, wenn er das für die Haltung christlichen Glaubens erklärt, damit die christliche Verkündigung in der Gegenwart unverständlich und unmöglich macht." 
 
Und, über den Menschen in der Moderne: 
 
"Eben deshalb kann er auch die Lehre von der stellvertretenden Genugtuung durch den Tod Christi nicht verstehen. Wie kann meine Schuld durch den Tod eines Schuldlosen (wenn man von einem solchen überhaupt reden darf) gesühnt werden? Welche primitiven Begriffe von Schuld und Gerechtigkeit liegen solcher Vorstellung zugrunde? Welch primitiver Gottesbegriff? Soll die Anschauung vom sündentilgenden Tode Christi aus der Opfervorstellung verstanden werden: welch primitive Mythologie, daß ein Mensch gewordenes Gotteswesen durch sein Blut die Sünden der Menschen sühnt! Oder aus der Rechtsanschauung, so daß also in dem Rechtshandel zwischen Gott und Mensch durch den Tod Christi den Forderungen Gottes Genugtuung geleistet wäre: dann könnte die Sünde ja nur juristisch als äußerliche Gebotsübertretung verstanden sein, und die ethischen Maßstäbe wären ausgeschaltet! Und zudem: war Christus, der den Tod litt, Gottes Sohn, das präexistente Gottwesen, was bedeutet dann für ihn die Übernahme des Sterbens? Wer weiß, daß er nach drei Tagen auferstehen wird, für den will offenbar das Sterben nicht viel besagen! " 
 
 
Als moderne Menschen verstehen wir also trotz nachösterlicher Brille unter Umständen erst einmal ähnlich wenig wie die Zeitgenossen Jesu im Markusevangelium. 
 
Objektiv betrachtet gibt es hier ja auch nichts zu verstehen: 
Man verzichte auf Metaphysik und ist die Probleme los. 
 
Die Frage ist lediglich, ob man einen Zugang findet, durch den man etwas mit dieser Geschichte und der religiösen Tradition in der sie steht anfangen kann. 
 
Wie mein Zugang aussieht, habe ich oben in Kurzfassung beschrieben. 
 
Ich bin sozusagen Atheist und Christ gleichzeitig 🙂

 

bearbeitet von KevinF

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