Flo77 Geschrieben 24. November Melden Geschrieben 24. November vor 18 Minuten schrieb rorro: Bei der Bergpredigt/Feldrede spricht Jesus zu allen, die ihm zuhören wollen (also alle Jünger). Die Aussendungsrede richtet sich konkret an die Apostel, die Aufforderung des Verschenkens der Besitztümer an einen Einzelnen. Was willst Du damit andeuten? Daß die Vollkommenheit - die für Jesus an die Besitzlosigkeit gekoppelt ist - nur für wenige reserviert ist? Nebenbei wird die Aufforderung an den reichen Jüngling im folgenden nochmal deutlich an die Jünger erklärt: Die Nachfolge im strengen Sinne verlangt alles hinter sich zu lassen: Besitz, Beziehungen, Familie. Ich sehe da zunächst keinen Unterschied zur Gewaltlosigkeitsforderung. Auch der evangelische Rat der Armut ist nach der Schrift nicht relativierbar. Hast Du vielleicht ein Logion Jesu hättest, das sich wirklich konkret auf den Selbstverteidigungsfall bezieht, mit dem man die Universalität der Gewaltlosigkeit genauso verabsolutiert bekommt wie das Armutsgebot? Zitieren
Werner001 Geschrieben 24. November Melden Geschrieben 24. November (bearbeitet) vor 1 Stunde schrieb Flo77: Nebenbei: was steht z.B. in der Bergpredigt im Griechischen für "Feind"? εχθρός Das ist, wenn ich es richtig sehe, eher der persönliche Feind. Im militärische Umfeld wäre es wohl πολέμιος Werner bearbeitet 24. November von Werner001 Zitieren
Flo77 Geschrieben 24. November Melden Geschrieben 24. November (bearbeitet) vor 26 Minuten schrieb Werner001: εχθρός Das ist, wenn ich es richtig sehe, eher der persönliche Feind. Im militärische Umfeld wäre es wohl πολέμιος Danke Dir. Ich hatte im Zusammenhang auch eher an den "bösen Nachbarn" gedacht und weniger an die Besatzer.🫣 bearbeitet 24. November von Flo77 Zitieren
rorro Geschrieben 24. November Melden Geschrieben 24. November (bearbeitet) vor 1 Stunde schrieb Flo77: Was willst Du damit andeuten? Daß die Vollkommenheit - die für Jesus an die Besitzlosigkeit gekoppelt ist - nur für wenige reserviert ist? Die Vollkommenheit ist für diese Person an die Besitzlosigkeit gekoppelt. Jesus sagt nicht: "wenn ihr vollkommen sein wollt", sondern "wenn Du" - er redet zu einer konkreten Person, anders eben als bei der Bergpredigt/Feldrede. Die Vollkommenheit kann für unterschiedliche Personen unterschiedliche Facetten haben - das Gemeinsame wird in der Bergpredigt genannt (ich spare mir ab jetzt /Feldrede), das partikulare geschieht in der einzelnen Ansprache. Nicht umsonst kennt die Kirche viele Berufungen und diese sind in sich auch unterschiedlich. vor 1 Stunde schrieb Flo77: Nebenbei wird die Aufforderung an den reichen Jüngling im folgenden nochmal deutlich an die Jünger erklärt: Die Nachfolge im strengen Sinne verlangt alles hinter sich zu lassen: Besitz, Beziehungen, Familie. Ich sehe da zunächst keinen Unterschied zur Gewaltlosigkeitsforderung. Auch der evangelische Rat der Armut ist nach der Schrift nicht relativierbar. Er hat aber andere Adressaten! Jesus sagt nirgendwo allen Jüngern: "seid arm", aber sehr wohl allen Jüngern "Liebt Eure Feinde!" Übrigens war das gerade jemandem wie dem Hl. Franz von Assisi klar, der wohl die Armut wie kein zweiter lebte (für ihn personifiziert als Herrin Armut). Er regte sich enorm auf, wenn Brüder die Armut verließen - er regt sich überhaupt nicht auf, wenn Brüder den Orden verließen, denn er wußte, daß er zum Heil nicht nötig war, die Armut auch nicht. Die Armut war nicht an alle gerichtet, aber Franz wußte, sie war an ihn gerichtet - und wer so leben wollte wie er, an den dann auch. Doch niemand, wirklich niemand, mußte so leben wie er. vor 1 Stunde schrieb Flo77: Hast Du vielleicht ein Logion Jesu hättest, das sich wirklich konkret auf den Selbstverteidigungsfall bezieht, mit dem man die Universalität der Gewaltlosigkeit genauso verabsolutiert bekommt wie das Armutsgebot? Da man sich nur ggü. einem Feind selbst verteidigen muß, hat Jesus schon das Wichtigste dazu gesagt. bearbeitet 24. November von rorro Zitieren
duesi Geschrieben 25. November Melden Geschrieben 25. November (bearbeitet) vor 9 Stunden schrieb Flo77: Naja - spätestens mit Urban II. schließt sich die Diskrepanz auf höchster Ebene. Allerdings denke ich, man kann von einem Common Sense ausgehen, den die Kirche spätestens seit dem Karl dem Großen teilte und der zur Gewalt (vorallem gegen Nichtchristen, aber auch gegen Missetäter in den eigenen Reihen) ein weitaus robusteres Verhältnis pflegte. Kirche und Staat sind über mehrere Jahrhunderte kaum trennbar. Den Text auszulegen ist das eine, die Schwerpunktsetzung im Handeln eine andere. Man könnte es als große Geste des Ambrosius lesen, als er Kaiser Theodosius nach dem Massaker von Thessaloniki zur Kirchenbuße zwang - ich sehe (gerade in der Art und Weise wie sich Ambrosius hier überhaupt erst in die Position gebracht hat, den entsprechenden Druck ausüben zu können) eher ein Machtspiel. Inwiefern Macht und Gewalt zusammenspielen ist natürlich eine eigene Frage. Ich kann mir z.B. kaum vorstellen, daß Köln, Trier, Bonn, Xanten, Dorestad, etc. sich kampflos den Wikingern ergeben hätten. Erst Recht nicht, nachdem Karl der Große gerade erst die Sachsen niedergemetzelt hatte. Hätten Alfred der Große und Ludwig III., Karl III., Bischof Wala von Metz, Erzbischof Bertold von Trier und all die anderen Heerführer der christlichen fränkischen und englischen Stämme die Wikinger einfach machen lassen sollen? Was hätte man tun sollen? Drei Dinge: Erstens schwer militärisch bewachte Schutzräume installieren, in denen Menschen, die innerlich noch nicht heil geworden sind, Zuflucht finden können und Zeit zum Heilwerden haben durch die Kraft der guten Botschaft. Zweitens Menschen, die innerlich heil sind, als Botschafter aussenden mit militärischem Schutz, aber dem Angebot, bei Wohlwollen die Waffen niederzulegen und der Bereitschaft und inneren Stärke, als Märtyrer für den Frieden ihr Leben zu lassen. Drittens: Bedürfnisanalyse. Erforschung der wahren Bedürfnisse der Wikinger (sie greifen nicht Aus Jux und Dollerei an) und Versuch, ihnen bei der Stillung ihrer Bedürfnisse zu helfen. bearbeitet 25. November von duesi Zitieren
duesi Geschrieben 25. November Melden Geschrieben 25. November Lukas 14:33 LUTheute [33] So kann auch keiner von euch, der sich nicht von allem trennt, was er hat, mein Jünger sein. https://bible.com/bible/3100/luk.14.33.LUTheute Wenn Jesus wirklich ein beständiges Leben in materieller Armut propagiert hätte, hätte er seinen Jüngern nicht folgende Antwort auf die Frage gegeben, welche Belohnung sie für das Verlassen von Familie und Eigentum erwarten können: In dieser Zeit Brüder und Schwestern und und Häuser und Äcker unter Verfolgung und in der zukünftigen Welt das ewige Leben. Jesus erwartet von uns das Verlassen von Besitz und Eigentum. Doch das Ziel ist nicht, uns in beständige Armut reinzuführen, sondern unser anfälliges Herz von seinem geizigen Sicherheitsbedürfnis freizumachen. Ich habe das selbst erlebt, nachdem ich all mein Eigentum weggegeben hatte, dass der gute Gott mir so viele neuen Türen aufgemacht hat. Auch meine Ehefrau hat im Studium in den USA einmal ihr ganzes Geld gespendet, so dass sie kein Geld mehr für die Lebenshaltungskosten ihres Studienjahres hatte. Am nächsten Tag hat ein reicher Mann ihr das ganze Studienjahr gesponsert und sie hatte nachher mehr als vorher. Zitieren
Shubashi Geschrieben Donnerstag um 07:04 Melden Geschrieben Donnerstag um 07:04 Auch wenn es hier inzwischen ein sinnloses Thema geworden ist: meine Frau hilft unserer afghanischen Nachbarin seit einiger Zeit bei ihrem Führerschein, und gewinnt dadurch wertvolle Eindrücke über ihre Kultur und deren Hintergründe. Kurz zusammengefasst: bloßer Traditionalismus ohne echte Kritikfähigkeit verhindert Fortschritt und macht vermutliche jede Religion anfällig für die Barbarei und den Missbrauch. Unser großer Vorteil im Christentum ist, dass letztlich die scharfe konfessionelle Auseinandersetzungen einerseits im Konzept der Toleranz mündeten, und dass andererseits Tradition sich fortan vor der kritischen Vernunft rechtfertigen musste. Bloße Frömmigkeit ohne diese Elemente eröffnen in der Religion ein großes Missbrauchspotential, und denke, dass es tatsächlich in der Verantwortung von Gläubigen liegt, dies zu erkennen und zu adressieren. Und dass es darüber hinaus tatsächlich auch eine Aufgabe für eine aufgeklärte Gesellschaft, diesen Prozess von religiösen Gemeinschaft einzufordern. Das muss und sollte nicht in aggressiv-selbstgerechter Weise passieren, nur: es nicht zu tun, ist letztlich ein Weg, der religiösen Barbarei Vorschub zu leisten. 1 Zitieren
duesi Geschrieben Donnerstag um 08:11 Melden Geschrieben Donnerstag um 08:11 vor einer Stunde schrieb Shubashi: Auch wenn es hier inzwischen ein sinnloses Thema geworden ist: meine Frau hilft unserer afghanischen Nachbarin seit einiger Zeit bei ihrem Führerschein, und gewinnt dadurch wertvolle Eindrücke über ihre Kultur und deren Hintergründe. Kurz zusammengefasst: bloßer Traditionalismus ohne echte Kritikfähigkeit verhindert Fortschritt und macht vermutliche jede Religion anfällig für die Barbarei und den Missbrauch. Unser großer Vorteil im Christentum ist, dass letztlich die scharfe konfessionelle Auseinandersetzungen einerseits im Konzept der Toleranz mündeten, und dass andererseits Tradition sich fortan vor der kritischen Vernunft rechtfertigen musste. Bloße Frömmigkeit ohne diese Elemente eröffnen in der Religion ein großes Missbrauchspotential, und denke, dass es tatsächlich in der Verantwortung von Gläubigen liegt, dies zu erkennen und zu adressieren. Und dass es darüber hinaus tatsächlich auch eine Aufgabe für eine aufgeklärte Gesellschaft, diesen Prozess von religiösen Gemeinschaft einzufordern. Das muss und sollte nicht in aggressiv-selbstgerechter Weise passieren, nur: es nicht zu tun, ist letztlich ein Weg, der religiösen Barbarei Vorschub zu leisten. Danke für diesen wunderbaren Beitrag. Ergänzend würde ich noch sagen, dass auch die Texte selber so sperrig sind, dass sie sich bei genauem Hinsehen in kein tribalistisches Religionskorsett zwängen lassen, was auch innerlich immer wieder Reformen ermöglicht hat (man denke an Franz von Assisi). In die afghanische Kultur habe ich durch Freunde auch einen gewissen Einblick. Da gibt es sowohl Elemente von Schamkultur, die unkritisch tribalistisch unterwegs ist als auch Menschengruppen, die hinter die Fassade sehen. Ich habe einen Geographieprofessor kennen gelernt, der nach Afghanistan zurück ist, um seinem Land an der Kabul University zu dienen und der hatte wirklich sehr progressive Ansichten über seine eigene Religion. Zitieren
SteRo Geschrieben Donnerstag um 08:13 Melden Geschrieben Donnerstag um 08:13 Tochter von Hamas-Mitgründer bekehrt sich zum Christentum Zitieren
Wunibald Geschrieben Donnerstag um 09:54 Melden Geschrieben Donnerstag um 09:54 Am 24.11.2025 um 21:54 schrieb Werner001: εχθρός Das ist, wenn ich es richtig sehe, eher der persönliche Feind. Das große GD Montarari bestätigt dich. Das hassenswert bezieht sich auf Personen und Sachen, das andere auf den Krieg. Zitieren
rorro Geschrieben Donnerstag um 10:40 Melden Geschrieben Donnerstag um 10:40 vor 1 Stunde schrieb SteRo: Tochter von Hamas-Mitgründer bekehrt sich zum Christentum Das Internet ist der größte Gegner des Mainstream-Islam, deswegen mache ich mir auch wenig Sorgen (diesen Gegner wird der Islam nicht mehr los). So gibt es bspw. das „islamische Dilemma“, welches von christlichen Apologeten wie David Wood ausführlich behandelt wird und von dem kaum ein Muslime etwas weiß (das religiöse Wissen unter Muslimen ist erschreckend gering). Der Qur‘an spricht, wenn er vom Evangelium spricht (arabisch „injeel“, sprich „indschiil“), nur in den höchsten Tönen, lobt es ohne es zu kritisieren, fordert Christen auf sich daran zu halten, und zwar an das ganze. Daß das Evangelium korrumpiert sei, steht so nicht im Qur‘an, sondern ist eine spätere Behauptung (ohne daß jemand das unkorrumpierte je gesehen hätte). Wenn wir also das Evangelium befolgen sollen, dann irrt der Islam, weil im Qur‘an Aussagen stehen, die dem Evangelium widersprechen. Wenn wir ein korruptes Evangelium haben, dann irrt der Islam, weil der Qur‘an sagt, daß wir unserem Evangelium folgen sollen und es gibt keinen Nachweis eines anderen. Das ist das islamische Dilemma. Eine bekannte Lösung dafür gibt es nicht… Zitieren
Shubashi Geschrieben Donnerstag um 11:41 Melden Geschrieben Donnerstag um 11:41 40 minutes ago, rorro said: Das Internet ist der größte Gegner des Mainstream-Islam, deswegen mache ich mir auch wenig Sorgen (diesen Gegner wird der Islam nicht mehr los). Ich würde das Problem lieber konkret im Leben der Menschen sehen, im Internet sind anscheinend eher die radikaleren Vertreter des Islam unterwegs. Die Erzählungen, die mir zu Ohren kommen, sind z.B. eher von einem extrem repressiven Frauenbild geprägt, das sie auch nicht fundamental infrage. Frauen haben sich in dieser Welt zurückzuhalten, Männern nicht zu widersprechen, selbst wenn sie ganz offensichtlich im Irrtum sind. Das überträgt sich auch auf die Kinder: es nervt, also wird es (notfalls auch gewaltsam) gemaßregelt. Dinge, die wir hier nicht mehr tolerieren - aber dass die Tochter tendenziell gegenüber dem Sohn zurückgesetzt wird, setzt die Ungleichbehandlung auch hierzulande fort. Ehrlich gesagt, bin ich sehr froh, dass unser westliches Christentum durchaus immer kritischer mit der Ungleichbehandlung der Geschlechter umgeht. Wie wäre eine Gesellschaft, in der die katholische Kirche noch so einen großen Einfluß wie früher hätte, die Stellung der Frau aber theologisch so unhinterfragt wie in den traditionellen Lehraussagen? Würde es nicht eine ständige Zurücksetzung der Frauen immer weiter ideologisch unterfüttern? Und warum sollten die Frauen sich das widerspruchslos gefallen lassen? Zitieren
rorro Geschrieben Donnerstag um 11:48 Melden Geschrieben Donnerstag um 11:48 (bearbeitet) vor 7 Minuten schrieb Shubashi: Ich würde das Problem lieber konkret im Leben der Menschen sehen, im Internet sind anscheinend eher die radikaleren Vertreter des Islam unterwegs. Um die geht es mir nicht. Es gibt eben im Netz mittlerweile genug Kenner des Islam, die keine Muslime sind und auf die Inkohärenzen in den islam.(!) Glaubensquellen hinweisen (Qur'an und Hadithen). Sobald Muslime anfangen, sich mal intensiver mit den eigenen Glaubensquellen auseinanderzusetzen, fangen oftmals die Zweifel an. Nur ein Beispiel: es wird vom Mainstream-Islam behauptet, der Qur'an sei so wortwörtlich an Muhammad offenbart worden. Wer weiß schon, daß es der dritte "rechtgeleitete Qalif" Uthm'an war, der alle bisherigen Varianten(!!) des Qur'an vernichten ließt und eine Standardvariante etablierte - übrigens indem er einen Vers aufnahm, der von zwei Menschen als "ja, kenne ich von Muhammad so" bezeugt wurde. Kein Witz. So entstand das Buch, das heute als Qur'an bekannt ist. bearbeitet Donnerstag um 11:49 von rorro Zitieren
Werner001 Geschrieben Donnerstag um 12:26 Melden Geschrieben Donnerstag um 12:26 vor einer Stunde schrieb rorro: Das ist das islamische Dilemma. Eine bekannte Lösung dafür gibt es nicht… Ich denke, das ist völlig gleichgültig. Das Mormonentum wächst auch beständig, trotz der haarsträubenden Gründungsgeschichte, und auch dem Christentum schadet es nicht, dass es keine Antwort auf grundlegende Fragen wie die Theodizee zu geben weiß. Die meisten Leuten glauben, was sie glauben, nicht weil das irgendwie völlig schlüssig und logisch ist, sondern weil sie es glauben wollen. Was nicht dazu passt, wird einfach ausgeblendet. Das klingt jetzt wesentlich negativer als ich es meine: für jeden Glauben ist immer auch eine Portion Selbstbetrug nötig Werner Zitieren
duesi Geschrieben Donnerstag um 12:48 Melden Geschrieben Donnerstag um 12:48 vor 15 Minuten schrieb Werner001: Ich denke, das ist völlig gleichgültig. Das Mormonentum wächst auch beständig, trotz der haarsträubenden Gründungsgeschichte, und auch dem Christentum schadet es nicht, dass es keine Antwort auf grundlegende Fragen wie die Theodizee zu geben weiß. Die meisten Leuten glauben, was sie glauben, nicht weil das irgendwie völlig schlüssig und logisch ist, sondern weil sie es glauben wollen. Was nicht dazu passt, wird einfach ausgeblendet. Das klingt jetzt wesentlich negativer als ich es meine: für jeden Glauben ist immer auch eine Portion Selbstbetrug nötig Werner Die Theodizeefrage hat mit kindlich beginnenden Mustern zu tun. Das Kind sagt: Mama hat mir Schokolade verboten. Also ist Mama böse. Niemand hat dem Kind beigebracht, dass Schokoladenverbot eine ethische Katastrophe wäre. Wir Erwachsene machen dasselbe in groß. Ein Gott, der so etwas auf der Erde toleriert und dabei allmächtig ist, müsse böse sein. Dabei verlieren wir aus dem Blick, dass die biblischen Erzählungen und katholischen Glaubensbekenntnisse von einer gewissen Selbstverantwortung des Menschen ausgehen. Gott könnte zwar eingreifen, mutet den Menschen jedoch zu, selbst Verantwortung für die Probleme auf der Erde zu übernehmen. Und zwar abgestuft vom Schokoladenverbot bis zu schlimmsten Formen von Unterdrückung, Folter und Kriegsverbrechen. Dafür braucht es keinen Selbstbetrug, um an so etwas zu glauben. Zitieren
SteRo Geschrieben Donnerstag um 12:53 Melden Geschrieben Donnerstag um 12:53 (bearbeitet) vor 26 Minuten schrieb Werner001: Die meisten Leuten glauben, was sie glauben, nicht weil das irgendwie völlig schlüssig und logisch ist, sondern weil sie es glauben wollen. Hoffentlich ist das so, denn das ist das Wesen der Glaubensgewissheit, dass sie verschieden ist von wissenschaftlicher Gewissheit. vor 26 Minuten schrieb Werner001: Was nicht dazu passt, wird einfach ausgeblendet. Wissenschaftliches Denken ("völlig schlüssig und logisch") passt sicher nicht zum wahren Glauben und kann deshalb ruhig ausgeblendet werden. vor 26 Minuten schrieb Werner001: Das klingt jetzt wesentlich negativer als ich es meine: für jeden Glauben ist immer auch eine Portion Selbstbetrug nötig Selbstbetrug wäre es, den Glauben wegen glaubensfremder Einwände von Ungläubigen in Zweifel zu ziehen. bearbeitet Donnerstag um 12:53 von SteRo Zitieren
Werner001 Geschrieben Donnerstag um 12:55 Melden Geschrieben Donnerstag um 12:55 Q. E. D. Werner Zitieren
rorro Geschrieben Donnerstag um 12:56 Melden Geschrieben Donnerstag um 12:56 (bearbeitet) vor 30 Minuten schrieb Werner001: Ich denke, das ist völlig gleichgültig. Nicht für viele Muslime. Viele wachsen nämlich in dem Glauben auf, der Qur'an lehre die Korrumpiertheit des Evangeliums (für die Christen) und der Torah (für die Juden). Beides ist nachweislich falsch. Und wenn etwas aus den eigenen Glaubensquellen heraus nachweislich falsch ist, was einem jahrelang erzählt wurde, werden manche hellhörig. bearbeitet Donnerstag um 12:57 von rorro Zitieren
duesi Geschrieben Donnerstag um 12:59 Melden Geschrieben Donnerstag um 12:59 Was den Islam angeht, so war der ursprüngliche Islam viel näher am Christentum dran als spätere Varianten, die erst mit dem osmanischen Reich entstanden sind. Der Quran selbst hat nichts direkt widerchristliches an sich. Er besteht aus einer Reihe poetischer Versdichtungen, die erst durch die Hadithen Auslegungen dogmatische Lehrbedeutung entfalten kann. Erst im Zusammenstoß nach Ende der Berberzeit, als das osmanische Reich in seine Blüte kam und ein immer stärkerer Intellektueller Austausch zwischen Christen und Muslimen entstand, kam die Idee in der Abgrenzung zum damals zeitgenössischen Christentum auf, Jesus sei nicht wirklich gekreuzigt worden, sondern nur zum Schein und in Wirklichkeit hätte Judas Iskariot dieses Leid tragen müssen. Zitieren
duesi Geschrieben Donnerstag um 13:02 Melden Geschrieben Donnerstag um 13:02 In die Zeit des osmanischen Reiches zurück lässt sich auch die Idee verfolgen, die Bibel sei korrumpiert worden, um den Widerspruch zwischen dem quuranischen Auftrag, die Schriften der Christen zu lesen mit der Lehre, der Glaube an die Gottheit Jesu sei Shirk (Vielgötterei) zu überbrücken. Zitieren
Flo77 Geschrieben Donnerstag um 13:06 Melden Geschrieben Donnerstag um 13:06 vor 5 Minuten schrieb Shubashi: Ich würde das Problem lieber konkret im Leben der Menschen sehen, im Internet sind anscheinend eher die radikaleren Vertreter des Islam unterwegs. Die Erzählungen, die mir zu Ohren kommen, sind z.B. eher von einem extrem repressiven Frauenbild geprägt, das sie auch nicht fundamental infrage. Frauen haben sich in dieser Welt zurückzuhalten, Männern nicht zu widersprechen, selbst wenn sie ganz offensichtlich im Irrtum sind. Das überträgt sich auch auf die Kinder: es nervt, also wird es (notfalls auch gewaltsam) gemaßregelt. Dinge, die wir hier nicht mehr tolerieren - aber dass die Tochter tendenziell gegenüber dem Sohn zurückgesetzt wird, setzt die Ungleichbehandlung auch hierzulande fort. Ich hatte Rorro so verstanden, daß das Internet besonders geeignet ist, insbesondere "Mainstream"-Muslime von der Religion abzubringen. Mehr Information + mehr Wissen + mehr Kontaktpunkte zu einer Welt außerhalb, führen eher zu einer Abwendung. Haben wir ja im Christentum genauso (hätte ich meine Reise durch die Bibliotheken der Welt noch physisch antreten müssen). vor 5 Minuten schrieb Shubashi: Ehrlich gesagt, bin ich sehr froh, dass unser westliches Christentum durchaus immer kritischer mit der Ungleichbehandlung der Geschlechter umgeht. Wie wäre eine Gesellschaft, in der die katholische Kirche noch so einen großen Einfluß wie früher hätte, die Stellung der Frau aber theologisch so unhinterfragt wie in den traditionellen Lehraussagen? Würde es nicht eine ständige Zurücksetzung der Frauen immer weiter ideologisch unterfüttern? Und warum sollten die Frauen sich das widerspruchslos gefallen lassen? Wobei die Rolle der Frau bei uns keine theologische Begründung hat. Der Ausschluss der Frauen vom Weiheamt, bietet an sich keine Begründung, warum Frauen kein politisches Mandat oder sonst eine leitende Funktion haben sollten. vor 27 Minuten schrieb Werner001: Das Mormonentum wächst auch beständig Tut es das wirklich? Die Mormonen missionieren viel das ist richtig, aber auf der anderen Seite scheint es eine ziemliche starke Austrittsbewegung gerade unter den jüngeren Generationen zu geben. Bei den Mormonen auszutreten in dem Sinne, daß man auch intern nicht mehr als Mitglied gezählt wird, scheint auch nicht so einfach zu sein, die Eigenangaben sind wohl eher mit Vorsicht zu genießen. Dazu kommt allerdings noch eine Besonderheit, nämlich die "Opferwahl". Bei Alyssa Grenfell gibt es dazu einige Videos. Nach ihren Erfahrungen, ist eine sehr vulneralbe Gruppe vorallem einsame Menschen, die durch die Missionare etwas menschliche Zuwendung erfahren und sich deshalb Taufen lassen (nur um dann feststellen zu müssen, daß diese Zuwendung nur mit dem Anwerbeprozess zu tun hatte und nichts mit einer besonderen Menschenfreundlichkeit innerhalb der Gemeinschaft). Sowohl bei den Mormonen als auch den Zeugen Jehovas dürfte es allerdings auch einen Pool der inneren Emigranten geben, die sich nach außen nicht lossagen um den Kontakt zu ihren Familien (die verpflichtet wären, Apostaten zu "meiden" im strengen Sinne) nicht abbrechen zu müssen. Zitieren
SteRo Geschrieben Donnerstag um 13:07 Melden Geschrieben Donnerstag um 13:07 vor 33 Minuten schrieb Werner001: ... auch dem Christentum schadet es nicht, dass es keine Antwort auf grundlegende Fragen wie die Theodizee zu geben weiß. Zumindest schadet die Behauptung des Theodizee-Problems keinem Christen mit wahrem Glauben. Das macht wohl auch die Resistenz des Christentums dagegen aus. Dass daneben die Theodizee jeglicher Grundlage entbehrt, damit kann sich der wahre Glaube gar nicht befassen, sondern nur die Theologie. Die Theologie aber ist keine notwendige Bedingung für den wahren Glauben und für den rechten schon gar nicht. Zitieren
Flo77 Geschrieben Donnerstag um 13:20 Melden Geschrieben Donnerstag um 13:20 vor 8 Minuten schrieb duesi: und in Wirklichkeit hätte Judas Iskariot dieses Leid tragen müssen. Nicht Simon von Cyrene? vor 5 Minuten schrieb duesi: In die Zeit des osmanischen Reiches zurück lässt sich auch die Idee verfolgen, die Bibel sei korrumpiert worden, um den Widerspruch zwischen dem quuranischen Auftrag, die Schriften der Christen zu lesen mit der Lehre, der Glaube an die Gottheit Jesu sei Shirk (Vielgötterei) zu überbrücken. Interessanterweise wäre ein nicht-korrumpiertes Evangelium ja sogar denkbar, wenn man die Einführung der Apotheose Jesu als Bruchstelle verstehen würde. Das die Göttlichkeit Jesu eine originär jesuanische Idee war, darf bezweifelt werden und so ist das Konzept eines Evangeliums in dem Jesus nur Prophet und nicht Gott ist, nicht völlig unwahrscheinlich (zumal es christliche Gruppen gab, die von den Trinitariern genau deswegen als Häretiker verteufelt wurden). Q (oder wie auch immer man die Logienquelle nennen will) wäre zum Beispiel so ein möglicher Text. Ob nun Q mit dem Koran besser einvereinbar wäre, als das heutige NT ist eine andere Frage. Nur löst das nicht das islamische Dilemma. Zum Zeitpunkt der Entstehung des Korans waren diese nicht-trinitarischen Christen bereits weitgehend ausgemerzt, der Kanon war definiert und Q als eigener Text wohl schon verloren. Es soll zwar im 5. Jahrhundert z.B. noch Ebioniten gegeben haben, aber daß diese Gruppen die Referenzgruppe für den koranischen Hinweis zu den Juden und Christen zu gehen, gewesein sein sollen, erscheint mir dann doch - nun ja - unwahrscheinlich. Zitieren
rorro Geschrieben Donnerstag um 14:01 Melden Geschrieben Donnerstag um 14:01 vor 58 Minuten schrieb duesi: Was den Islam angeht, so war der ursprüngliche Islam viel näher am Christentum dran als spätere Varianten, die erst mit dem osmanischen Reich entstanden sind. Der Quran selbst hat nichts direkt widerchristliches an sich. Er besteht aus einer Reihe poetischer Versdichtungen, die erst durch die Hadithen Auslegungen dogmatische Lehrbedeutung entfalten kann. Erst im Zusammenstoß nach Ende der Berberzeit, als das osmanische Reich in seine Blüte kam und ein immer stärkerer Intellektueller Austausch zwischen Christen und Muslimen entstand, kam die Idee in der Abgrenzung zum damals zeitgenössischen Christentum auf, Jesus sei nicht wirklich gekreuzigt worden, sondern nur zum Schein und in Wirklichkeit hätte Judas Iskariot dieses Leid tragen müssen. Das halte ich für eine vollkommen verquere Darstellung der Historie. Die Osmanen sind recht spät bedeutend geworden. Die ersten 6-8 Jahrhunderte war die Ausdehnung des islamischen Reiches eine rein arabische Sache. Dabei ging der Islam mit Christen nie zimperlich um (übrigens auch nicht in Andalusien). Zitieren
duesi Geschrieben Donnerstag um 17:15 Melden Geschrieben Donnerstag um 17:15 vor 3 Stunden schrieb rorro: Das halte ich für eine vollkommen verquere Darstellung der Historie. Die Osmanen sind recht spät bedeutend geworden. Die ersten 6-8 Jahrhunderte war die Ausdehnung des islamischen Reiches eine rein arabische Sache. Dabei ging der Islam mit Christen nie zimperlich um (übrigens auch nicht in Andalusien). Ja, der Islam ging mit Christen, die für die christliche Staatsreligion waren, nicht zimperlich um. Das Beispiel Äthiopien zeigt jedoch, dass dort eine Beziehung mit wechselseitigem Respekt zwischen Muslimen und Christen schon sehr früh möglich war. Es wird erzählt, dass die Tatsache, dass der äthiopische König den aufkeimenden Islam gewähren ließ, erst zu den toleranten Suren im Koran beigetragen hat. Und die arabischen Muslime haben sich - wie oben erläutert - noch gar nicht den Kopf um irgendwelche möglichen Verfälschungen der christlichen oder jüdischen Schriften gemacht. Diese Ideen kamen erst später auf. Interessant ist, dass der Shirk-Vorwurf gegen die Christen nicht die Trinität angreift, zumindest ursprünglich nicht. Es heißt im Quran "ihr habt dem wahren Gott Jesus und Maria als Götter beigesellt". Es handelt sich vermutlich um eine Polemik gegen eine christliche Sekte, die Jesus und Maria als eigenständige Gottheiten verklärt hat. Zitieren
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