Jump to content

Recommended Posts

Geschrieben
vor 2 Stunden schrieb Shubashi:

Pew beschreibt diese 15%, die sie/sich nicht den großen Religionen oder Glaubensystemen zuordnen können, als „religiously unaffiliated“.

 

Mir gefällt diese Bezeichnung ganz gut.

Aber neben dieser Bezeichnung finde ich die Beschreibung für ebenso brauchbar und sogar präziser, als den Fachterminus.

"die sie/sich nicht den großen Religionen oder Glaubensystemen zuordnen können".

Dies sagt nämlich über die Religiösität nicht mehr aus, als dass sich diese Form der Religiösität nicht so einfach in Systeme einordnen lässt.

 

Hinzufügen müsste man zu diesen Leuten auch Menschen, die sich religiös zwar in so ein System einordnen,

für die aber das System keine tiefergehende Bedeutung hat. Oder die sogar innerhalb ihres Glaubenssystems gegen das System rebellieren,

weil es für sie nicht wirklich passt bzw. ihrer Religiösität krass widerspricht.

Das soll übrigens in den besten Systemen vorkommen. Systeme passen nie so ganz zu den Individuen in ihnen.

 

Ein weiteres Problem bleibt: Nämlich das Definitionsproblem.

Wenn ICH jemanden als religiös wahrnehme, dann heißt das noch lange nicht, dass er sich selbst so sieht.

Er hat einfach eine andere Definition von "religiös".

Und es gibt keinen neutralen Richter, der zwischen uns beiden entscheiden könnte, wer von uns nun recht hat.

 

Es gibt auch Leute, die mit höchst religiösem Eifer darauf Wert legen, unreligiös zu sein. Aber sowas von!

Aus meiner Perspektive sage ich: "Er/sie ist trotz oder sogar wegen seines Eifers religiös."

Der andere wird sich gegen diese Vereinnahmung wehren.

 

Oder: Ich erinnere mich gerade an jemandem, der behauptet hat, dass die Christen (bis hin zum Papst) ja gar nicht wirklich religiös glauben,

sondern dies nur vorgeben.

Die Angesprochenen könnten sich gegen diese Vereinnahmung vehement wehren.

Marcellinus
Geschrieben
vor 5 Stunden schrieb Shubashi:
vor 12 Stunden schrieb Marcellinus:

Angesichts der Tatsache, daß das niemand in der westlichen Welt vorhat und noch viel weniger tut, hat allein die Erwähnung was Hysterisches. Mehr muß man über solche "Untersuchungen" nicht wissen. 


Mit einer solchen Bewertung klingst Du allerdings recht „antitheologisch“ - Du unterstellst allen, die zu einem Dir nicht genehmen Ergebnis kommen, voreingenommen zu sein.

Nur wirkt die Haltung dann genau so - voreingenommen.

 

Nur, wenn man nicht liest, was ich geschrieben habe. Alle anderen dürften bemerkt haben, daß ich mich ausschließlich auf die Verfasser dieser "Studie" bezogen habe. 

 

vor 5 Stunden schrieb Shubashi:

Das trägt der Tatsache, dass global über 80% der Bevölkerung weiterhin in religiösen Kategorien denken, allerdings kaum Rechnung.

Wenn ich zudem diese globalen Übersicht einbeziehe, sinkt der Anteil nichtreligiöser Haltungen sogar, und wird weiter sinken.

Jedenfalls wird es keine fundamentalen Verschiebungen geben - außer dass westlich-europäische Haltungen vermutlich in der Welt von Morgen weniger Gewicht haben werden.

 

Dann ist doch alles gut, oder?

Marcellinus
Geschrieben
vor 4 Stunden schrieb Mecky:
vor 15 Stunden schrieb Marcellinus:

Menschen haben Arme und Beine. Damit haben sie die Fähigkeit, Autos zu bauen und zu fahren. Die Fähigkeit, Auto zu fahren, ist damit allerdings keineswegs angeboren.

 

Das Beispiel mit dem Autofahren ist mir ein wenig zu speziell. Autofahren lernt man erst relativ spät im Leben.

Dennoch: Selbstverständlich gibt es eine angeborene anthropologische Grundlage und eine angeborene Fähigkeit zum Autofahren.

 

Nein, es gibt keine angeborene Fähigkeit zum Autofahren, sondern Menschen können Fähigkeiten entwickeln, mit denen man auch Autofahren kann. 

 

vor 4 Stunden schrieb Mecky:

Ich nehme lieber erst einmal das Beispiel "Sprache".

Die körperlichen Voraussetzungen sind beim Menschen angeboren. Noch mehr: es gibt von Geburt an einen Drang zum Sprechen - geradezu auffallend. Innerhalb von drei Jahren erlernt ein Mensch normalerweise eine Muttersprache. Ohne die Voraussetzungen und triebhaften Grundlagen wäre dies nicht möglich. 

WELCHE Sprache nun jemand erlernt, ist eine Frage der Erziehung und Prägung. Das ändert nichts daran, dass er aber trotzdem diese Veranlagung und den Drang danach und die Fähigkeit dazu hat. Auch die Tatsache, dass es Menschen gibt, die nicht sprechen Lernen, ändern dies nicht. Es handelt sich bei ihnen um eine Einschränkung - meist um eine leiderzeugende. 

 

Das Beispiel ist daneben, denn während jeder Mensch (von schweren Behinderungen abgesehen) Sprechen lernt und auch lernen muß, damit menschliche Gesellschaften funktionieren, ist nicht-religiös-sein weder eine Behinderung noch sind Religionen notwendige Voraussetzung, damit menschliche Gesellschaften funktionieren. Und dabei habe ich die Frage, was denn Religion sei, noch gar nicht berührt, denn bisher gibt es (aus guten Gründen, wie ich meine) keine verbindliche Definition.

 

vor 4 Stunden schrieb Mecky:

Auto fahren ist spezieller, weil es da einige Zwischenschritte braucht und man erst einmal technische Voraussetzungen braucht. Zum Beispiel war es im Jahre 1520 schwierig zu lernen, wie man einen Mercedes fährt und dabei die Vorfahrtsregeln der Straßenverkehrsordnung beachtet.

Trotzdem war die Fähigkeit, das Autofahren zu erlernen auch schon 800 v.Chr. vorhanden - sie konnte damals nur noch nicht ausgeformt werden,

mangels Autos und Straßenverkehrsordnung.

 

Woher willst du das wissen? Vielleicht hat es zwischendrin eine Mutation gegeben. Manche fahren schließlich heute noch so, als wenn sie es eigentlich besser lassen sollten. 😉

 

 

 

Marcellinus
Geschrieben
vor 42 Minuten schrieb Mecky:

Ein weiteres Problem bleibt: Nämlich das Definitionsproblem.

Wenn ICH jemanden als religiös wahrnehme, dann heißt das noch lange nicht, dass er sich selbst so sieht.

Er hat einfach eine andere Definition von "religiös".

Und es gibt keinen neutralen Richter, der zwischen uns beiden entscheiden könnte, wer von uns nun recht hat.

 

Ja, das leidige Definitionsproblem! 😄 

 

 

Jede Antwort auf die Frage, was Religion ist, ist auch abhängig davon, ob man einer Religion anhängt, und wenn ja, welcher, weshalb es meines Wissens keine allgemein akzeptierte Definition gibt. Hinzu kommt, daß sich jeder Begriff von etwas, das sich historisch entwickelt hat, einer absoluten Definition entzieht.

 

Wenn man die Religionen, die es gegeben hat oder noch gibt, als soziale Systeme versteht und aus großer historischer Distanz betrachtet, wie das zB der Historiker Harari tut, dann kann man allgemein sagen, daß Religionen aus zwei Aspekten bestehen: 1. aus dem Glauben an eine übermenschliche (aber nicht notwendig übernatürliche Ordnung), die nicht auf menschliche Vereinbarungen zurückgeht, und 2. Normen und Wertvorstellungen, die aus diese Ordnung bindend folgen.

 

Nach dieser notwendig sehr allgemeinen Definition sind nicht nur polytheistische und monotheistische Kulte Religionen (was wenig überraschend erscheint), sondern auch der Buddhismus, da auch er von einer übermenschlichen Ordnung ausgeht, wenn in ihr auch Götter keine herausgehobene Rolle spielen und zB auch der Kommunismus, der davon ausgeht, daß die Geschichte von einer übermenschlichen Ordnung unumstößlicher Naturgesetze gelenkt wird. Harari nennt auch zwei Beispiele für Nicht-Religionen: die Relativitätstheorie und Fußball, weil aus der ersteren keine Normen und Werte folgen und die zweite zwar über fanatische Anhänger verfügt, ihre Regeln aber eindeutig auf menschlichen Vereinbarungen beruhen.

 

Insgesamt aber ist für mich klar, daß so verstandene Religionen erst entstehen können, wenn die menschlichen Gesellschaften über das frühmenschliche Stadium hinausgekommen sind, ihre Gruppen also mehr als 20 - 30 Individuen umfassen. So kleine Gruppen ordnen sich nämlich von selbst, und brauchen daher weder eine als übermenschlich angenommene Ordnung, noch ein formales System von Normen und Werten (von so etwas wie Ethik als dem kaum 2.500 Jahre alten Versuch, Moral rational zu rechtfertigen, gar nicht zu reden).

 

Wenn man davon ausgeht, daß die Menschheit mindestens 300.000 Jahre alt ist (im Moment findet man jedes Jahr immer ältere Fossilien, so daß das eher eine konservative Annahme ist), Religionen als soziale Systeme vielleicht 10 - oder 20.000 Jahre alt sind, so dürfte die Idee einer „natürlichen Religion“, im Sinne eines angeborenen Bedürfnisses kaum zu halten sein.

 

Aber es gibt noch eine andere Tradition, die unter Religiosität nicht ein soziales System, sondern das Bedürfnis nach Erklärungen dafür versteht, „was Leben ist, woher es kommt und wohin wir nach dem Tod gehen“ (Van der Bellen, österr. Bundespräsident, 30.04.19). Nur gibt es auf diese Fragen sowohl religiöse als auch nichtreligiöse Antworten, die vor allem davon abhängen, ob man in einem religiösen System aufgewachsen ist oder nicht. Womit wir wieder bei der obigen Definition wären.

 

Ähnliches gilt für kultische Handlungen, die man nicht mit ritualisiertem Verhalten verwechseln sollte. Kultische Handlungen setzen einen Kult voraus, meistens eine gegenwärtigen, dessen Erscheinungsformen seine Anhänger dann nur allzugern in möglichst ferner Vergangenheit wiederzukennen glauben.

 

Es bleibt als Tatsachenbeobachtung, daß Religionen entstanden sind in gesellschaftlichen Zusammenhängen, die nicht mehr auf rein persönlichen Beziehungen beruhten, Großgruppen, die sich zB um Symbole wie Stonehenge sammelten, und später vor allem mit der Seßhaftwerdung und dem Aufkommen von Priesterkönigen.

 

Religionen sind also eindeutig Teil unserer kulturellen Entwicklung, nicht etwas, was uns angeboren wäre, und nur darum ging es.

 

Wenn du nun schreibst, dir ginge es gar nicht darum, das Religion angeboren sei, sondern nur darum, daß sie auf angeborenen Fähigkeiten beruhe, so ist das zum einen ein Verschiebung der Fragestellung, und zum anderen eine Binse: Alles, aber auch wirklich alles, was Menschen tun oder veranstalten, braucht die angeborenen Fähigkeiten dazu. Wir können schlicht nichts tun, wozu wir nicht die Fähigkeit besitzen. 

 

Auf unsere Thema angewendet bedeutet das, daß Menschen nicht nur die Fähigkeit besitzen, Religionen zu entwickeln, sondern auch die Fähigkeit, ohne Religionen auszukommen. Und nun? 😄

  • Like 1
  • Thanks 1
Geschrieben (bearbeitet)
vor 18 Stunden schrieb iskander:

@Merkur

 

Das Problem ist erneut, dass Du systematisch und durchgängig alle meine Argumente ignorierst. Oder genauer: Du akzeptierst meine Argumente zwar wohl, ziehst aber nicht die Schlussfolgerungen, die sich logisch aus ihnen ergeben.

 

 

Du ignorierst folgende Argumente: ...

 

 Ich ignoriere sie nicht, ich meine nur, dass sie nicht zu den von dir anscheinend als zwingend angesehenen Schlüssen führen. Die von dir zitierten Beispiele bezogen sich auf Einzelfälle. Zu der Frage, wie ernst diese Moral genommen wird, sind vermutlich kaum Untersuchungen möglich, die die Gesamtheit der Gläubigen umfassen oder zumindest einen repräsentativen Querschnitt. 

 

In den wohlhabenden westlichen Ländern mit liberaler Gesellschaft wird die Sexualmoral nach meinem Kenntnistand im wesentlichen ignoriert  In konservativen, repressiven Gesellschaften mag das anders sein, aber diese Gesellschaften sind vermutlich nicht wegen der Lehre so konservativ, d.h. es ist fraglich, ob eine Änderung der Lehre die Situation dort ändern würde.

 

Ich bin, nicht zuletzt aufgrund deiner Beiträge, zu dem Ergebnis gelangt, dass die Lehre unsinnig ist. Auch bezüglich der Situation in den Entwicklungsländern stimme ich dir zu. Richtig ist auch, dass jeder Einzelfall ein Fall zu viel ist. Auch das Ausfragen in Beichtstühlen sollte unterbunden werden (sofern es heute noch vorkommt).


 

Zitat

 

Das verstehe ich nicht. Auf der einen Seite konzedierst Du, dass diese Moral noch immer "viel Leid" verursacht, und dass meine Argumentation korrekt ist. Du räumst zudem ein, dass in die kath. Lehre gerade für Entwicklungsländer schwerwiegende negative Folgen hat. Gleichzeitig sagst Du aber aber, dass es da um "Anekdoten" gehe, und dass Du noch niemanden mit einer entsprechenden Einstellung getroffen habest, und dass meine Argumentation keine praktische Bedeutung habe usw. - was ja offenbar darauf hinausläuft, dass dass es da höchstens ein kleines Problem gibt.

 

Das passt aber nicht zusammen. Entweder meine Argumentation ist korrekt und die entsprechende Lehre verursacht viel Leid, vor allem international betrachtet, oder das Leid besteht in anekdotischen Einzelfällen und es gibt kaum jemand, der betroffen ist, weil die Leute ja selbst nachdenken und Du niemanden kennst, der auf die Kirche hört, und weil in der Praxis die Lehre keine Bedeutung hat. Beides zusammen geht schlecht.

 

In den liberalen westlichen Gesellschaften ist diese Lehre dermaßen irrelevant geworden, dass sie nicht mehr für einen Aufreger taugt. Diese Tendenz scheint sich sogar noch zu verstärken, d.h. in diesem Ländern löst sich das Problem von selbst. In Ländern, in denen das anders ist, sollte natürlich gehandelt werden, da stimme ich dir wieder zu. Da es sich um punktuelle Probleme handelt, wären allerdings auch punktuelle Lösungen erforderlich.

 

Auf das weitere kann ich derzeit nicht eingehen, ich habe noch einen Zivilberuf. 🙂

bearbeitet von Merkur
Geschrieben
vor 12 Stunden schrieb Mecky:

Ist zum Beispiel ein Satz wie: "Ich bin stolz darauf, ein Deutscher zu sein!" oder "Fußball ist mein Leben!" oder "Ich liebe diese Welt trotz ihrer Gefahren und Leiden!" wirklich nicht-religiös? Wird hier nicht eine höhere Ordnung vorausgesetzt, der man sich lustvoll anvertraut?

 

In diesem Punkt würde ich allerdings auch meinen, dass eine Definition, die solche Phänomene als "religiös" einordnet, zu weit geht zu weit geht, weil sie den charakteristischen Unterschied zwischen Phänomenen, die wir normalerweise mit Religion und Verbindung bringen und säkularen Erscheinungen verwässert. Man kann allerdings natürlich die Frage stellen, ob es für solche und religiöse Phänomene eine gemeinsame Basis gibt (etwas den Wunsch der Identifikation mit etwas "Überindividuellem").

 

Aus religiöser Sicht mag man das sogar so interpretieren, dass wir es bei fraglichen Phänomenen um den Ausfluss einer primär religiösen Anlage zu tun haben. Ob sich das allerdings soziologisch erhärten oder auch überhaupt untersuchen lässt oder eher so etwas wie eine weltanschauliche Interpretation wäre?

Geschrieben (bearbeitet)
vor 3 Stunden schrieb Merkur:

Zu der Frage, wie ernst diese Moral genommen wird, sind vermutlich kaum Untersuchungen möglich, die die Gesamtheit der Gläubigen umfassen oder zumindest einen repräsentativen Querschnitt. 

 

Nach dieser aktuellen Umfrage (2024) sind beispielsweise 15% der katholischen US-Amerikaner und fast 30% der Mexikaner dagegen, dass die Kirche ihre Lehre zur Verhütung ändert. In Brasilien sind es gut 25%, und die Daten für andere lateinamerikanische Länder sehen ähnlich aus (oft so um die 20%). 

https://www.pewresearch.org/religion/2024/09/26/many-catholics-in-the-us-and-latin-america-want-the-church-to-allow-birth-control-and-to-let-women-become-priests/

 

Wenn man jetzt mal unterstellt, dass die meisten Antwortenden keine Heuchler sind, die wollen, dass die Kirche eine Lehre beibehält, die sie in ihrem eignen Leben ohne jedes schlechte Gewissen ignorieren, dann wird man davon ausgehen müssen, dass insgesamt doch viele Leute von der kath. Moral betroffen sind, allein schon in Amerika. Und Verhütung ist ja nur ein Thema, und zwar eines, wo im Verhältnis besonders wenige Leute der Kirche folgen. Wer schon hier eine strenge Einstellung hat, wird bei anderen Geboten erfahrungsgemäß sogar noch strenger sein (jedenfalls im statistischen Schnitt). Und dass die Anzahl der Anhänger dieser Moral nicht zu unterschätzen ist, wird auch nahegelegt, wenn man sich diesbezüglich ein wenig das Internet ansieht. Es geht hier also durchaus nicht um seltene Einzelfälle.

 

Ich hatte als weiteres Beispiel schon auf Polen hingewiesen, und man wird unzweifelhaft genügend weitere Beispiele finden.

 

vor 3 Stunden schrieb Merkur:

In konservativen, repressiven Gesellschaften mag das anders sein, aber diese Gesellschaften sind vermutlich nicht wegen der Lehre so konservativ, d.h. es ist fraglich, ob eine Änderung der Lehre die Situation dort ändern würde.

 

Das erscheint zumindest für Länder, in denen die Kirche einen starken Einfluss hat und als bedeutende Autorität wahrgenommen wird, als sehr unplausibel. Als beispielsweise Irland sehr stark katholisch geprägt war, war die Gesellschaft dort auch erheblich durch die kath. Sexualmoral stark geprägt, mit vielen Folgen. Die kausale Verbindung erscheint als offenkundig.

 

Zur weiteren Ilustration zwei Zitate. Das erste hatte ich schon neulich in einem anderen Thread angeführt:

 

"Yolanda Naz [...] raced to earn enough money to feed her eight children. [...] "My husband and I skip lunch if there is no money," Naz said as she dished rice and shrimp sauce into eight plastic bowls in the 10-by-12-foot room where the family eats and sleeps. [...]

This was not the life Naz wanted. She and her husband, who sells coconut drinks from a pushcart, agreed early in their marriage to stop at three children. Though a devout Catholic, she took birth control pills in defiance of priests' instructions at Sunday Mass. But after her third child was born, the mayor of Manila — with the blessing of Roman Catholic bishops — halted the distribution of contraceptives at public clinics to promote "a culture of life." The order put birth control pills and other contraceptives out of reach for millions of poor Filipinos, who could not afford to buy them at private pharmacies.

"For us, the banning of the pills was ugly," Naz said. "We were the ones who suffered." At 36, she had more children than teeth, common for poor women after repeated pregnancies and breast-feeding. Undernourished and living in close quarters, her children were often sick. Measles was sweeping through the shantytown, afflicting two of Naz's sons and her 3-year-old daughter, Jasmine, who hung like a rag doll from her mother's arms. "I pray to God. I pray really, really hard," she said. "Should God decide to take my kids, just don't let them suffer.""

https://www.latimes.com/world/population/la-fg-population-matters5-20120729-html-htmlstory.html

 

Nun zum Kontrast:

 

"Since the 1980s, Iran has experienced the largest and fastest drop in fertility ever recorded — from about seven births per woman to fewer than two today.

'It confounded all conventional wisdom that it could happen in one of the world's few Islamic republics,' said Jalal Abbasi-Shavazi, a demographer at the University of Tehran.

It happened largely because of the Islamic government.

In the late 1980s, Ayatollah Ruhollah Khomeini, Iran's supreme leader, issued fatwas making birth control widely available and acceptable to conservative Muslims. [...]

Under the new decrees, contraceptives could be obtained free at government clinics, including thousands of new rural health centers. Health workers promoted contraception as a way to leave more time between births and help reduce maternal and child mortality. Couples intending to marry were required to receive counseling in family planning.

The birthrate plunged, helping to usher in social changes, particularly in the role of women.

With smaller families, parents could invest more in their children's education, and the idea caught on even in rural areas."

https://www.latimes.com/world/population/la-fg-population-iran-20120729-html-htmlstory.html

 

vor 3 Stunden schrieb Merkur:

In Ländern, in denen das anders ist, sollte natürlich gehandelt werden, da stimme ich dir wieder zu. Da es sich um punktuelle Probleme handelt, wären allerdings auch punktuelle Lösungen erforderlich.

 

Das Problem, soweit die Kirche es (mit)verursacht und (mit) zur Lösung beitragen kann, hat vor allem mit ihrer offiziellen Lehre zu tun. Diese ist für die ganze Welt gleich. Wenn diese sich ändern würde, wäre das schon ein großer Gewinn. Und dann könnte die Kirche im zweiten Schritt auch regional vielleicht noch etwas Sinnvolles tun.

bearbeitet von iskander
Geschrieben (bearbeitet)

Aktuell:

 

"BDKJ-Bundespräses tritt zurück und verzichtet aufs Priesteramt [...] Er fühle sich als Priester in der Kirche nicht mehr am richtigen Platz – das schreibt der Jugendseelsorger und Geistliche Leiter des Jugendverbands BDKJ, Stefan Ottersbach, an Weggefährten."

https://katholisch.de/artikel/61322-bdkj-bundespraeses-tritt-zurueck-und-verzichtet-aufs-priesteramt

 

Wenn sich nichts tut, wird dieser Trend sich vermutlich verstärken. Wobei ich die Sache nicht simpler hinstellen möchte, als sie ist. Denn natürlich gibt es zum Beispiel bereits in den USA, geschweige denn in Afrika und anderswo genügend Priester, die konservativ sind, und die vielleicht gehen werden, "wenn sich etwas tut".

 

Aber auch da gibt es neben Unterschieden teils Überschneidungen. Während in Afrika jede positive Bewertung der Homosexualität abgelehnt wird, haben dort bereits Kirchenspaltungen mit Hunderttausenden Abtrünnigen wegen des Zölibats gegeben. Der Zölibat scheint dort zudem häufig recht offen ignoriert zu werden, was ohne stillschweigende bischöfliche Duldung wohl kaum möglich wäre. Hier kommen Afrikaner, Südamerikaner und Europäer vermutlich ganz gut zusammen.

 

Die kath. Kirche hat den Kairos, der eine sanfte und langsame Einleitung von Reformen möglich gewesen wäre, ungenutzt vorüberziehen lassen, nämlich die Zeit im Anschluss an das 2. Vatikanum. Und jetzt kann sie weder stehenbleiben noch sich bewegen, ohne dass es vermutlich krachen wird.

bearbeitet von iskander
Geschrieben

Man kann sich ja selbst entscheiden. Glaubt man an Gott, Jesus Christus und den Heiligen Geist oder an das Dampfgeplauder von irgendwelchen Personen, die aus nicht selten fadenscheinigen Gründen auf Posten kamen, auf denen sie die Macht erhielten, irgendwelche Regeln zu verfassen, an die sie sich gerne selbst mal nicht hielten? Gott, Jesus Christus und der Heilige Geist sind älter als die Dampfplauderer.

Geschrieben
vor 12 Stunden schrieb iskander:

Das erscheint zumindest für Länder, in denen die Kirche einen starken Einfluss hat und als bedeutende Autorität wahrgenommen wird, als sehr unplausibel. Als beispielsweise Irland sehr stark katholisch geprägt war, war die Gesellschaft dort auch erheblich durch die kath. Sexualmoral stark geprägt, mit vielen Folgen. Die kausale Verbindung erscheint als offenkundig.

Gerade Irland ist doch ein Beispiel dafür, dass die früheren Mißstände auch ohne offizielle Änderung der Lehre verschwinden. Das Ansehen der Kirche ist dort insbesondere seit dem Mißbrauchsskandal im freien Fall. Sie hat dort auch Probleme Priesternachwuchs zu finden.

 

Zitat

Das Problem, soweit die Kirche es (mit)verursacht und (mit) zur Lösung beitragen kann, hat vor allem mit ihrer offiziellen Lehre zu tun. Diese ist für die ganze Welt gleich. Wenn diese sich ändern würde, wäre das schon ein großer Gewinn. Und dann könnte die Kirche im zweiten Schritt auch regional vielleicht noch etwas Sinnvolles tun.

Das halte ich für zu kurz gedacht. Durch Änderungen der Lehre lassen Gesellschaften sich nicht verändern. Diese Gestaltungsmacht hat die Kirche nicht. Wie du selbst sagst sind z.B. 30% der Mexikaner dagegen, dass die Lehre zur Verhütung geändert wird. Soll denen einfach eine Lehränderung aufgenötigt werden?

Geschrieben
Am 1.5.2025 um 21:33 schrieb Weihrauch:

Es geht gar nicht um die Themen, Reformen oder was auch immer. Diese Haltung der Kirche den Menschen gegenüber erdulden die Menschen nicht mehr, weil es an allen Ecken und Enden immer offensichtlicher wird, wie unangemessen diese elitäre, hierarchische Haltung ist, bei der es vorwiegend um den Machterhalt geht. Die Kirche kocht auch nur mit Wasser. Sich und anderen diese Tatsache einzugestehen, mit den Menschen zusammen an Gott zu glauben, an Gott zu zweifeln, Schwäche zu zeigen - wie Jesus am Kreuz. Zu fragen statt auf alles und jedes eine Antwort parat zu haben, eine Kirche im Dialog zu werden, die nicht immer schon vorher weiß, was bei einem Dialog herauszukommen hat. Das wär' mal was, was die Menschen anerkennen und wertschätzen könnten.

 

...

 

Zitat

Mk 10,42-45
Da rief Jesus sie zu sich und sagte: Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und ihre Großen ihre Macht gegen sie gebrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.

 

Zu dieser Thematik, gibt es jetzt einen lesenswerten Artikel auf feinschwarz.net:

 

"Das Paradox einer schwachen Beziehung als pastorale Orientierung"

 

Zitat

 

2. Schwache Beziehung

 

Im nächsten Schritt geht es nun um die Bestimmung des Schwachen in der Beziehung. Eine phänomenologische Perspektive soll zunächst die Notwendigkeit der Debatte verdeutlichen und wird gefolgt von einer Entdeckung des Schwachen und mündet in eine Qualifizierung desselben.

 

2.1. Praktische Dekonstruktionen

Eine Beziehung mit schwachen Möglichkeiten dekonstruiert manche kirchliche und pastorale Logik, die ich anhand von zwei Beispielen kurz anreißen möchte, um die Notwendigkeit der Debatte zum Thema einer schwachen Beziehung zu verdeutlichen. In der Würzburger Synode wurde das „personale Angebot“ als Grundhaltung kirchlicher Jugendarbeit formuliert. Es wurde als ein Angebot der Kommunikation ausgewiesen, das offen ist zum Gespräch und zu echter Teilnahme an den Problemen des jungen Menschen.[6] Was sich nach einem Angebot anhört, das sich vom Anderen her entwirft, wurde in der kirchlichen Jugendarbeit leider auch genutzt, um Machtmissbrauch und sexuellen Missbrauch zu verüben. Die systemische Machtstruktur von Kirche wurde als bedingte Vorgegebenheit unterschätzt und die Machtstruktur von Beziehungen zu wenig kritisch reflektiert.

 

Ein zweiter problematischer Bereich findet sich im kirchlichen Handeln sozial-diakonischen Helfens. Henning Luther deckte ein defizitorientiertes Handeln beim gutgemeinten Helfen auf, das den/die Andere:n über sein Defizit definiert und dieses Defizit vom eigenen Ich her bestimmt. Diese Logik nährt sich aus der Vorstellung eines starken und heroischen Helfers, der über den/die Andere:n verfügt und die schwache Möglichkeit als starke übergriffig wahrnimmt.[7] Dieser kurze exemplarische Exkurs verdeutlicht, dass pastorale Machtkonstellationen im kirchlichen Handeln oftmals nicht bewusst sind und eine neue bewusste Haltung brauchen. Daher ist zu fragen, inwiefern der Ansatz einer schwachen Beziehung als Paradox eine hilfreiche Figur pastoralen Handelns sein kann.

 

 

Geschrieben
vor 12 Stunden schrieb Merkur:

Gerade Irland ist doch ein Beispiel dafür, dass die früheren Mißstände auch ohne offizielle Änderung der Lehre verschwinden. Das Ansehen der Kirche ist dort insbesondere seit dem Mißbrauchsskandal im freien Fall. Sie hat dort auch Probleme Priesternachwuchs zu finden.

 

Ja, aber dann liegt das doch einfach daran, dass die Autorität der Kirche nachlässt. Das ändert doch überhaupt nichts daran, dass dort, wo die Kirche Autorität hat, sie die Gläubigen auch beeinflusst! Deine Argumentation läuft darauf hinaus zu sagen:

 

Die Kirche hat heute weniger Autorität als früher, also richtet sie mit ihrer Sexuallehre weniger Schaden an als früher, also soll sie ruhig weiter bei ihrer Lehre belieben und weiterhin Schaden anrichten, denn der Schaden ist ja kleiner als früher.

 

vor 12 Stunden schrieb Merkur:

Das halte ich für zu kurz gedacht. Durch Änderungen der Lehre lassen Gesellschaften sich nicht verändern. Diese Gestaltungsmacht hat die Kirche nicht. Wie du selbst sagst sind z.B. 30% der Mexikaner dagegen, dass die Lehre zur Verhütung geändert wird.

 

Siehst Du denn wirklich nicht, dass die 30% der Mexikaner höchstwahrscheinlich wegen der Lehre der Kirche gegen Verhütung sind? Kein Mensch weit und breit hat etwas gegen Verhütung, es sei denn aus religiösen Gründen! Dass gilt selbst für konservativ denkende Leute.

 

Und wenn die kirchliche Lehre die Überzeugungen der Leute prägt, wieso sollte dann eine Änderung der Lehre keinen Einfluss auf ihre Überzeugungen haben? 

Wenn die Leute allein deshalb von der Verwerflichkeit der Verhütung überzeugt sind, weil die Kirche das lehrt, dann werden sie höchstwahrscheinlich auch ihre Überzeugung ändern, sobald die Lehre sich ändert - denn die Überzeugung beruht ja allein auf der Lehre der Kirche!

 

Zitat

Soll denen einfach eine Lehränderung aufgenötigt werden?

 

Entschuldige, aber was ist denn das für eine merkwürdige Frage? 

 

Wenn Du mit "aufnötigen" meinst, dass die Kirche den Leuten einfach etwas vorgibt oder befiehlt, ohne sie zu fragen, dann ist die ganze kirchliche Lehre ein einziges riesiges "Aufnötigen". Und dann ist eine Änderung der Lehre nicht eher ein "Aufnötigen" als ein "Beibehalten" derselben.  

 

Wenn man unter "Aufnötigen" hingegen versteht, dass die Freiheit der Leute eingeschränkt wird, dann wäre eine Erlaubnis der Verhütung keine Einengung, sondern eine Befreiung, denn die Leute wären freier als davor. Es ginge ja schließlich nur um eine Erlaubnis, nicht um ein Gebot zu verhüten. Die Leute behielten alle Freiheiten, die sie zuvor hatten, und würden neue hinzukriegen.

 

Geschrieben
vor 13 Stunden schrieb iskander:

Die Kirche hat heute weniger Autorität als früher, also richtet sie mit ihrer Sexuallehre weniger Schaden an als früher, also soll sie ruhig weiter bei ihrer Lehre belieben und weiterhin Schaden anrichten, denn der Schaden ist ja kleiner als früher.

Ich halte diese Lehre - anscheinend im Gegensatz zu dir - nicht für grundsätzlich und ausnahmslos schädlich, sondern nur ihre Auswüchse. Dass diese Lehre in Teilen unsinnig ist bedeutet nicht, dass sie jedem schadet, der an sie glaubt.

 

Zitat

Siehst Du denn wirklich nicht, dass die 30% der Mexikaner höchstwahrscheinlich wegen der Lehre der Kirche gegen Verhütung sind? Kein Mensch weit und breit hat etwas gegen Verhütung, es sei denn aus religiösen Gründen! Dass gilt selbst für konservativ denkende Leute.

Dann kannst du sicherlich auch erklären, warum diese Lehre in Mexiko so gut ankommt, in Deutschland und anderen westlichen Ländern aber nicht. Sind die Menschen dort einfach nur gehorsamer, obwohl sie von dieser Lehre inhaltlich nichts halten?

 

Zitat

Und wenn die kirchliche Lehre die Überzeugungen der Leute prägt, wieso sollte dann eine Änderung der Lehre keinen Einfluss auf ihre Überzeugungen haben? 

Weil die Menschen nicht durch die Kirche ferngesteuert werden. Eine unbedachte oder überstürzte Änderung der Lehre hätte vor allem eine Einbuße an Glaubwürdigkeit (verbunden mit inneren Streitigkeiten und Abspaltungen) zur Folge.

 

Könntest du vielleicht kurz einmal ausführen, wodurch du diese Lehre - die du ja anscheinend rundheraus ablehnst - ersetzen willst?

 

 

 

 

 

Geschrieben
vor 1 Stunde schrieb Merkur:

Ich halte diese Lehre - anscheinend im Gegensatz zu dir - nicht für grundsätzlich und ausnahmslos schädlich, sondern nur ihre Auswüchse. Dass diese Lehre in Teilen unsinnig ist bedeutet nicht, dass sie jedem schadet, der an sie glaubt.

 

Ich halte auch nicht die "gesamte" kath. Sexuallehre für unvernünftig, sondern nur einen Teil. Dem Verbot der Vergewaltigung stimme ich beispielsweise zu. Und manch anderem auch, vor allem wenn es als Ideal genommen und nicht als eine für jeden Einzelfall verbindliche Regel ausgelegt wird. Auch ich finde es "grundsätzlich" gut, wenn Ehepaare zusammenbleiben, vor allem wenn sie Kinder haben.

 

vor 1 Stunde schrieb Merkur:

Dann kannst du sicherlich auch erklären, warum diese Lehre in Mexiko so gut ankommt, in Deutschland und anderen westlichen Ländern aber nicht. Sind die Menschen dort einfach nur gehorsamer, obwohl sie von dieser Lehre inhaltlich nichts halten?

 

Natürlich! Oder vielleicht besser formuliert: Sie halten dort etwas von der kath. Sexuallehre, weil es die kath. Lehre ist. Kämen die entsprechenden Gebote nicht von der Kirche, dann würden die Leute auch nichts von ihnen halten. Wenn das für Dich nicht offenkundig ist, empfehle ich Dir beispielsweise das Buch "Turning Point" von Robert McClory, wo Du auch Zeugnisse engagierter Katholiken findest.

 

Warum allerdings manche Regionen der Erde eher konservativ-religiöse sind als andere, ist eine soziologische Frage, die unsere Diskussion aber nicht direkt betrifft. Es genügt hier die simple Feststellung, dass konservativ-religiöse Leute eher der Lehre ihrer Glaubensgemeinschaft folgen als andere.

 

vor 1 Stunde schrieb Merkur:

Weil die Menschen nicht durch die Kirche ferngesteuert werden

 

Ferngesteuert nicht, aber natürlich werden sie beeinflusst - und zwar umso mehr, je mehr sie das Lehramt als Autorität akzeptieren. Folgende direkte Frage an Dich: In dem weiter oben zitieren Artikel der Washington Post wird gesagt, dass die Billigung der Verhütung durch Ayatollah Khomeini dazu geführt hat, dass Verhütung auch für konservative (schiitische) Muslime akzeptabel wurde. Warum sollte Deiner Meinung nach eine päpstliche Billigung der Verhütung nicht ebenso dazu führen, dass sie für viele konservative Katholiken akzeptabel wird? Zumal für die meisten konservativen Katholiken doch das päpstliche Verbot der einzige Grund der Ablehnung ist?

 

Zitat

Eine unbedachte oder überstürzte Änderung der Lehre hätte vor allem eine Einbuße an Glaubwürdigkeit (verbunden mit inneren Streitigkeiten und Abspaltungen) zur Folge.

 

Nun, erstens ist diese Lehre unzweifelhaft schädlich, und zweitens verspielt die Kirche gerade mit dieser Lehre viel Glaubwürdigkeit.

 

vor 1 Stunde schrieb Merkur:

Könntest du vielleicht kurz einmal ausführen, wodurch du diese Lehre - die du ja anscheinend rundheraus ablehnst - ersetzen willst?

 

Im Prinzip eine achtsame Konsens-Ethik, wie sie auch innerhalb der säkularen Gesellschaft weithin anerkannt, ähnlich wie sie beispielsweise von Schockenhoff ("Die Kunst zu lieben") entwickelt wird. 

 

Wer sich daran stört, dass eine solche Moral im Hinblick auf konkrete Gebote und Verbote weithin einer säkularen Ethik entspricht, sollte bedenken, dass eine solch weitgehende Entsprechung  für fast alle anderen Gebiete der kath. Morallehre eine Selbstverständlichkeit ist, ohne dass dies jemanden verdrießen würde. Der Unterschied liegt gewöhnlich nicht auf der Ebene konkreter Normen, sondern im "Überbau".

 

Ganz ehrlich gesagt verstehe ich zudem nicht wirklich, was Deine Position ist. Hier schienst Du die offizielle kath. Lehre zu verteidigen und beispielsweise eine Aufhebung des Verbots der Verhütung für unnötig zu halten und jede "überstürzte" Änderung abzulehnen . Andernorts hingegen schreibst Du, bezogen auf die Verhütung:

 

"In diesem Punkt gab es leider viele unglückliche Umstände, hierzu gehören die ungeschickte Entscheidung Pauls VI und danach fast drei verlorene Jahrzehnte unter JP II. Soweit ersichtlich waren BXVI und Franziskus bereits weniger von diesem Kurs überzeugt. Ich bin gespannt, ob der nächste Papst hier zu einer Lösung gelangt." 

Geschrieben
vor 1 Stunde schrieb iskander:

Natürlich! Oder vielleicht besser formuliert: Sie halten dort etwas von der kath. Sexuallehre, weil es die kath. Lehre ist. Kämen die entsprechenden Gebote nicht von der Kirche, dann würden die Leute auch nichts von ihnen halten.

Das trifft so allgemein nicht zu. Bei der Verhütung ist möglicherweise eine Änderung möglich, das Thema Abtreibung ist hingegen sehr emotional besetzt und bei jedem Versuch, die Situation Homosexueller zu verbessern, stellen sich vor allem die afrikanischen Bischöfe quer.  Der Handlungspielraum der Lehramts ist begrenzt.

Zitat

Im Prinzip eine achtsame Konsens-Ethik, wie sie auch innerhalb der säkularen Gesellschaft weithin anerkannt, ähnlich wie sie beispielsweise von Schockenhoff ("Die Kunst zu lieben") entwickelt wird. 

Die würde in konservativen Gegenden als zu luschig und profillos empfunden werden. Sie entspricht vielleicht der Mentalität deutscher Kirchentagsbesucher, aber nicht der Gesamtkirche. Man sollte das Ressentiment armer ländlicher Gebiete gegen das Urban-Hedonistische auch nicht unterschätzen.

Zitat

Ganz ehrlich gesagt verstehe ich zudem nicht wirklich, was Deine Position ist

Ich habe keine Patentlösung. Mir ist einerseits klar, dass die derzeitige Situation unhaltbar ist, andererseits überzeugt mich die Agenda der Reformer auch nicht. 

 

 

 

Geschrieben (bearbeitet)
Am 4.5.2025 um 16:43 schrieb Merkur:

Das trifft so allgemein nicht zu. Bei der Verhütung ist möglicherweise eine Änderung möglich, das Thema Abtreibung ist hingegen sehr emotional besetzt und bei jedem Versuch, die Situation Homosexueller zu verbessern, stellen sich vor allem die afrikanischen Bischöfe quer. 

 

Wir sprachen ja auch erst mal über Verhütung. Da ist eine Ablehnung fast immer religiös bedingt - lässt sich aber auch überwinden, wie das Beispiel mit Khomeini zeigt.

 

Bei der Homosexualität hat es auch mit kulturellen Dingen zu tun. Allerdings hätte die Kirche auch da schon seit geraumer Zeit Schritte gehen können, dann wäre die Kirche da heute auch anderswo.

 

Zitat

Die würde in konservativen Gegenden als zu luschig und profillos empfunden werden. Sie entspricht vielleicht der Mentalität deutscher Kirchentagsbesucher, aber nicht der Gesamtkirche. Man sollte das Ressentiment armer ländlicher Gebiete gegen das Urban-Hedonistische auch nicht unterschätzen.

 

Das kann man so allgemein nicht sagen. Es gab auch schon früher in manchen ländlichen Gegenden eine "luschige" Moral - man denke an das Fensterln in Bayern. Auch während des Mittelalters war man auf dem Land weithin nicht prüde. Und wenn die Kirche nicht anders kann, dann könnte sie, statt zu sagen, "dies oder das ist keine Sünde", manche Dinge erst einmal dem Gewissen der Gläubigen anheimstellen, zu einem eigenen Urteil zu gelangen.

 

Die Tatsache, dass aber selbst in Südamerika die große Mehrheit der Leute für eine Aufhebung des Verbots der Verhütung ist, zeigt aber, dass die (wesentlich kirchlich bedingte) Moral am Erodieren ist. Das ist kein spezifisch deutsches Phänomen. Wenn es keinen vernünftigen Grund (mehr) gibt, sich selbst zu kasteien, dann wollen die meisten Leute das auch nicht. Statt sich nun gegen diese - aus meiner Sicht absolut sinnvolle - Entwicklung zu stellen, könnte die Kirche sie auch fördern.

 

Die Tatsache jedenfalls, dass die Kirche Ajatollah Khomeini hinterherhinkt, ist für sie nicht schmeichelhaft. Das Beispiel Khomeini zeigt zudem, dass die Ausflucht, dass die Leute eine bestimmte Moral wollen, und dass man als religiöse Führung daran nichts ändern könne, nicht wirklich überzeugt.

 

Vielleicht sollte man die Sache ohnehin weniger opportunistisch betrachten und mehr auf die Sache selbst sehen: Ist eine bestimmte moralische Maxime vernünftig begründbar oder nicht? Schützt sie den Menschen und tut sie ihm gut, oder macht sie ihm unnötig das Leben schwer?

 

bearbeitet von iskander
Geschrieben
vor 6 Minuten schrieb iskander:

Ist eine bestimmte moralische Maxime vernünftig begründbar oder nicht? Schützt sie den Menschen und tut sie ihm gut, oder macht sie ihm unnötig das Leben schwer?

 

Die Macht ist von einem Papst auf den anderen übertragbar - die Liebe nicht.

Geschrieben (bearbeitet)

@Merkur

 

Dies noch:

 

Die Kirche selbst gibt zu, dass große Teile ihrer Sexualmoral von vielen Katholiken weltweit nicht akzeptiert werden (siehe hier)

 

 

Eine unabhängige Untersuchung zeigt, dass es bei den meisten Themen hier offenbar um die Mehrheit geht, teilweise sogar um die große Mehrheit. (Die einzige Ausnahme wäre das Verbot der Heirat Homosexueller; da stimmen die meisten mit der Kirche überein; siehe hier.)

 

Die dass die Kirche eigentlich gerne zu einer anderen Sexualmoral bereit wäre, aber das nicht kann, weil die Leute unbedingt auf einer extrem rigiden Sexualmoral bestehen (an der sie dann massenhaft scheitern), stellt die Wahrheit - zumindest in de allermeisten Punkten - geradezu auf den Kopf.

 

bearbeitet von iskander
Geschrieben
Am 7.5.2025 um 14:35 schrieb iskander:

@Merkur

 

Dies noch:

 

Die Kirche selbst gibt zu, dass große Teile ihrer Sexualmoral von vielen Katholiken weltweit nicht akzeptiert werden (siehe hier)

 

 

Eine unabhängige Untersuchung zeigt, dass es bei den meisten Themen hier offenbar um die Mehrheit geht, teilweise sogar um die große Mehrheit. (Die einzige Ausnahme wäre das Verbot der Heirat Homosexueller; da stimmen die meisten mit der Kirche überein; siehe hier.)

 

Die dass die Kirche eigentlich gerne zu einer anderen Sexualmoral bereit wäre, aber das nicht kann, weil die Leute unbedingt auf einer extrem rigiden Sexualmoral bestehen (an der sie dann massenhaft scheitern), stellt die Wahrheit - zumindest in de allermeisten Punkten - geradezu auf den Kopf.

 

 

Welche Moralvorstellung, die auf eine Änderung der Lebenswirklichkeit hinwirkt, wird denn schon weltweit akzeptiert?

Geschrieben
vor 2 Minuten schrieb Frey:

 

Welche Moralvorstellung, die auf eine Änderung der Lebenswirklichkeit hinwirkt, wird denn schon weltweit akzeptiert?

Da es weltweit völlig völlig unterschiedliche Moralvorstellungen gibt, wird das schwierig.

Die Moral ist ein Kind des Zeitgeistes, nicht des Heiligen Geistes.

 

Werner

Geschrieben

Interessant ist das Kurzprogramm des neuen Hl. Vaters Leo XIV, der vor den Kardinälen eine, wie ich finde, bemerkenswerte Ansprache bei einem Treffen heute gehalten hat.

 

Hier ist der Text der Ansprache in deutscher Sprache.

 

Seine Namenswahl stellt er in den Zusammenhang zu Papst Leo XIII, und bezieht sich auf den gesellschaftlichen Wandel im Zeitalter der Industrialisierung und der kath. Soziallehre:


"Gerade weil ich mich berufen fühle, diesen Weg weiterzugehen, habe ich mir überlegt, den Namen Leo XIV. anzunehmen. Es gibt verschiedene Gründe, aber in erster Linie, weil Papst Leo XIII. mit der berühmten Enzyklika Rerum novarum die soziale Frage im Zusammenhang mit der ersten großen industriellen Revolution angesprochen hat. Und heute bietet die Kirche allen den Schatz ihrer Soziallehre an, um auf eine weitere industrielle Revolution und auf die Entwicklungen der künstlichen Intelligenz zu antworten, die neue Herausforderungen im Hinblick auf die Verteidigung der Menschenwürde, der Gerechtigkeit und der Arbeit mit sich bringen."

 

Auch der Papst interessiert sich für KI - das finde ich sehr modern und topaktuell. Ich bin sehr auf seine weiteren Äußerungen gespannt. Er scheint intellektuell gut aufgestellt zu sein, erinnert insofern etwas an Papst Benedikt XVI.

Geschrieben
vor 3 Stunden schrieb Werner001:

Da es weltweit völlig völlig unterschiedliche Moralvorstellungen gibt, wird das schwierig.

Die Moral ist ein Kind des Zeitgeistes, nicht des Heiligen Geistes.

 

Werner


Der Zeitgeist erklärt kurzerhand das, was man tut, zur Moral.

Geschrieben (bearbeitet)
vor 4 Stunden schrieb Frey:

 

Welche Moralvorstellung, die auf eine Änderung der Lebenswirklichkeit hinwirkt, wird denn schon weltweit akzeptiert?

  

vor 24 Minuten schrieb Frey:


Der Zeitgeist erklärt kurzerhand das, was man tut, zur Moral.

 

ich habe Dir in einem anderen Thread geantwortet, siehe hier.

 

bearbeitet von iskander
Geschrieben
Am 2.5.2025 um 12:20 schrieb Marcellinus:

Nein, es gibt keine angeborene Fähigkeit zum Autofahren,

 

aber immerhin die angeborene Sehnsucht nach Mobilität.

Join the conversation

You can post now and register later. If you have an account, sign in now to post with your account.

Gast
Auf dieses Thema antworten...

×   Du hast formatierten Text eingefügt.   Formatierung jetzt entfernen

  Only 75 emoji are allowed.

×   Dein Link wurde automatisch eingebettet.   Einbetten rückgängig machen und als Link darstellen

×   Dein vorheriger Inhalt wurde wiederhergestellt.   Clear editor

×   You cannot paste images directly. Upload or insert images from URL.

×
×
  • Neu erstellen...