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Geschrieben (bearbeitet)
Am 17.5.2025 um 11:46 schrieb SteRo:

Pohle entwickelt in seinem Lehrbuch zur dogmatischen Theologie die folgende Definition:

"Die wirkliche Gnade ist ein übernatürlicher Beistand aus den Verdiensten Christi zu heilskräftiger Tätigkeit."

Da erscheint mir, für den das Erscheinen Jesu Christi nur ein barmherziges 'add-on', aber eigentlich unnötig ist (siehe Wozu Jesus Christus?), dann sofort die Frage "Warum 'aus den Verdiensten Christ' und warum nicht einfach 'Gottes'?"

Zur Unterscheidung schreibt Pohle, die Gnade Gottes würde nur einen negativ unwürdigen Empfänger, die Gnade Christi aber einen positiv unwürdigen (weil sündigen) Empfänger voraussetzen. Die Gnade Gottes würde die Seele in eine übernatürliche Seins- und Wirkungssphäre erheben, die Gnade Christi würde zusätzlich die von der Sünde geschlagenen Wunden (v.a. die Konkupiszenz) heilen. Die Gnade Gottes sei ein Geschenk der Trinität ohne Rücksicht auf Verdienste des Gottmenschen, die Gnade Christi dagegen stütze sich ganz und gar auf das unendliche Verdienst der blutigen Erlösung am Kreuze.

 

Was hier eingangs geschrieben wurde bezieht sich auf die Gnade aus Sicht des unwürdigen (weil sündigen) Empfängers, also aus meiner Sicht. Aus der Sicht des Gnadenspenders Jesus Christus jedoch, der (auch) wahrer Mensch ist, stellt sich die Frage: braucht dieser eigentlich die Gnade seines Vaters, weil er doch (auch) wahrer Gott ist?

 

Und ja, tatsächlich, Jesus Christus als wahrer Mensch braucht ebenso die Rechtfertigungsgnade (heiligmachende Gnade), eben weil er wahrer Mensch ist.

 

Siehe Thomas S. Th. III, q7, a1:

Thomas gegen die Einsprüche:

ad 1: In Christo, der da wahrer Gott in Person und in der göttlichen Natur ist, bleibt der Unterschied der Naturen. Also mußte seine Seele an Gott teilnehmen auf Grund der Gnade.
ad 3: Die Menschheit Christi ist allerdings ein Werkzeug; aber kein totes, das in nichts selbstthätig ist, sondern ein beseeltes, das so als Werkzeug dient, daß es auch selber handelnd eintritt und danach, um vollendetes Handeln zu haben, eines Gnadenzustandes bedarf.

Thomas im Hauptteil:

Ich antworte, es sei notwendig, in Christo einen Gnadenzustand anzunehmen aus drei Gründen: 1. Wegen der Verbindung dieser Seele mit dem „Worte.“ Je näher nämlich ein empfangendes Vermögen der einfließenden Ursache steht, desto mehr nimmt es teil an dieser Ursache. Der Einfluß der Gnade aber ist von Gott, nach Ps. 83.: „Gnade und Herrlichkeit wird Gott geben.“ Also mußte jene Seele am meisten den Einfluß der Gnade in sich aufnehmen. — 2. Wegen des Adels dieser Seele, deren Thätigsein am allernächsten durch Erkennen und Lieben Gott erreichen mußte; wozu die Erhebung der Natur durch die Gnade erforderlich ist. — 3. Wegen der Beziehung Christi zum Menschengeschlechte. Denn da Christus „der Mittler ist zwischen Gott und den Menschen“ (1. Tim. 2.), mußte seine Gnade in andere überfließen, nach Joh. 1, 16.

 

Der Rechtfertigungs-Gnadenstand des Menschen Jesus Christus war also der gleiche wie der Rechtfertigungs-Gnadenstand jedes anderen Heiligen. Und beide, sowohl der Mensch Jesus Christus als auch jeder andere Heilige können/konnten auf Basis ihres Rechtfertigungs-Gnadenstandes Verdienste erwerben.

 

bearbeitet von SteRo
Geschrieben
vor 6 Stunden schrieb SteRo:

Der Rechtfertigungs-Gnadenstand des Menschen Jesus Christus war also der gleiche wie der Rechtfertigungs-Gnadenstand jedes anderen Heiligen. Und beide, sowohl der Mensch Jesus Christus als auch jeder andere Heilige können/konnten auf Basis ihres Rechtfertigungs-Gnadenstandes Verdienste erwerben.

Ab der Eingießung der Rechtfertigungsgnade geht es also nicht mehr um gnädig barmherziges Geschenk/Entgegenkommen Gottes, sondern um einen Rechtsanspruch (=Verdienst), der aufgrund heilskräftiger Taten in diesem Gnadenzustand erworben wird - ein Rechtsanspruch auf ewiges Leben in Seligkeit, beruhend auf der Gerechtigkeit Gottes, der zu seinen Zusagen steht, jedoch unter der Voraussetzung des heiligen Durchhaltens bis zum Todeszeitpunkt (weil eine Todsünde wieder alles zunichte machen würde).

 

Hinsichtlich dieser Verdienste ist jedoch zwischen Jesus Christus und allen anderern Heiligen ein wesentlicher Unterschied zu machen:

 

Siehe Thomas S. Th. I-II, q114, a6:

unser gutes Werk [Anm.: im Zustand der Rechtfertigungsgnade] habe den Charakter des Verdienstes: 1. kraft des Anstoßes zur Bewegung von seiten Gottes; und danach ist es vollauf wert des ewigen Lebens; ... Daraus erhellt, wie mit gleichwertigem Verdienste, ex condigno, niemand für den anderen die erste Gnade verdienen kann, außer Christus allein. Denn ein jeder von uns wird von Gott vermittelst der Gnade in Bewegung gesetzt, daß er selber zum ewigen Leben gelange; weiter erstreckt sich, soweit die Gleichwertigkeit in Betracht kommt, dieser Anstoß nicht. Nur die Seele Christi ist von der Gottheit durch die Gnade in Thätigkeit gesetzt worden; nicht nur auf daß sie selber zur ewigen Herrlichkeit gelange, sondern auch dafür daß sie andere dahin führe, insoweit Christus das Haupt der Kirche ist und der Urheber des menschlichen Heiles ...

 

Jesus Christus' Verdienste (als Mensch) gereichen ihm also nicht nur selbst zum ewigen Leben (als Mensch mit Seele und Leib), sondern er verdient auch allen Menschen die Gnade Gottes. Das ist allerdings nur dann ein unmittelbarer Grund zur Freude, wenn man an die Erbsünde und die stellvertretende Genugtuung glaubt, denn dann wird man durch Jesu Verdienst unmittelbar von der ewigen Erbsündenstrafe begnadigt. Die Rechtfertigungsgnade aber bekommt man durch Jesu Verdienste nicht geschenkt, weil die obengenannten Vorbedingungen (Heilsakte) nach wie vor zu erbringen sind - es sei denn man glaubt an den Erhalt der Taufgnade bei der Neugeborenentaufe (welche man erhalten hat), welche nach dogmatischer Lehre des Lehramtes die Rechtfertigungsgnade bedingungslos (ohne eigene Mitwirkung) zuteilt. Das nützt einem aber auch nichts, wenn man nur eine einzige Todsünde vor dem Ende seines Lebens begeht - es sei denn man glaubt an die Wirksamkeit des Bußsakramentes (Beichte) und erfüllt auch alle Bedingungen dafür (welche identisch sind mit den Vorbedingungen der Rechtsfertigungsgnade), wodurch einem die Rechtfertigungsgnade bei Abschluss des Bußsakramentes wieder verliehen wird. Die Gefahr dabei ist, dass man in einen Kreislauf von Beichte-Rechtfertigung-Todsünde-Beichte-Rechtfertigung-Todsünde ... etc. gerät und just zum falschen Zeitpunkt stirbt (d.h. nicht unmittelbar nach Erhalt der Rechtfertigungsgnade).

 

Also, ich wollte nur nochmal unterstreichen, dass ich - wie bereits mehrmals geschrieben - die Erbsündentheorie und die Theorie der stellvertretenden Genugtuung aus privat-theologischen Gründen derzeit nicht teilen kann (vielleicht kommt's ja noch?!). Und auch mit der Sakramentenlehre habe ich so meine Probleme. Das schließt aber nicht aus, dass das katholische Lehramt trotzdem recht haben kann und es nur an meiner Sündhaftigkeit liegt, dass ich häretische Gedanken habe und sich mir bestimmte Dinge einfach "querlegen" und ich sie nicht "schlucken" kann. Das schreibe ich nur als Warnung, weil ich niemanden auf den falschen Weg leiten will: Orientiert euch also besser am KKK, wenn ihr auf einem sicheren Weg unterwegs sein wollt.

 

Wie dem auch sei. Fakt ist: ohne Erbsündentheorie und ohne Theorie der stellvertretenden Genugtuung hat Jesus Christus also die Gnade verdient, die mir zuteil wird. Das bedeutet aber auch, dass der einzige Unterschied zwischen "ohne Jesus Christus" und "mit Jesus Christus" für mich ist: was Gott mir vorher unverdienterweise geschenkt hat, hat Jesus Christus für mich verdient. Das aber kann für mich gar keinen Unterschied machen, denn der entscheidende Punkt ist und bleibt: egal warum ich die Gnade angeboten bekomme, ich muss sie annehmen (können/wollen) und aus freiem Willen mit ihr mitwirken. Aber das müssen auch die, die an Erbsündentheorie und die Theorie der stellvertretenden Genugtuung glauben, denn die haben nur den Bonus des Nachlasses der Erbsündenschuld und -strafe, müssen aber hinsichtlich der Vorbereitung auf die Rechtfertigungsgnade (außer bei der Neugeborenentaufe) ebenfalls jede angebotenen Gnade annehmen (können/wollen) und aus freiem Willen mit ihr mitwirken.

 

Wenn mir also nichts ganz außergewöhnliches Theologisches bzgl. der Verdienste Jesu Christi und der damit von ihm für uns verdienten Gnaden mehr einfällt, dann müsste ich auch im Kontext dieses Gnadenthreads beim theologischen Ergebnis des Threads Wozu Jesus Christus? bleiben:

Am 10.2.2025 um 08:34 schrieb SteRo:

Diese Frage kann theologisch objektiv nur beantwortet werden auf der Grundlage des Erbsünden-Sühnungs-Narrativs: Mehrwert ist dann die Tilgung der Erbsünde durch das Sühneopfer Jesu Christi.

Verzichtet man jedoch auf dieses Narrativ, dann kann die Frage nur subjektiv beantwortet werden hinsichtlich des persönlichen Glaubens an Jesus Christus: Welchen Mehrwert schreibt man selbst der Erzählung der Erscheinung von Jesus Christus und seines Leidensweges bis zum Tode zu? D.h. die Frage kann dann gar nicht beantwortet werden [hinsichtlich des Christentums], weil es dann gar nicht mehr um das Christentum, d.h. die Gemeinschaft, die einen bestimmten religiösen Glauben teilt, geht, sondern es geht um den ganz individuellen persönlichen Glauben an Jesus Christus und damit auch darum, ob man in Jesus Christus lediglich einen Menschen oder einen Gottmenschen sieht.

 

Geschrieben (bearbeitet)

Es kommt mir sehr zupass, dass mich meine Gedanken zur Vereinigung der Fragestellung zweier Threads führen. Aus der Fragestellung aus Wozu Jesus Christus? :

Am 15.1.2025 um 08:30 schrieb SteRo:

Welchen Mehrwert könnte ein theistisches Christentum gegenüber einem bloßen Theismus haben?

 

wird die Fragestellung: Hat die Gnade, die auf dem Verdienst Jesus Christi beruht, eine theologisch heilswirksame Besonderheit im Vergleich zur Gnade Gottes? Und wenn ja, worin liegt diese Besonderheit?

 

Bereits mit der Feststellung einer heilswirksamen Besonderheit der Gnade, die auf dem Verdienst Jesus Christi beruht, wäre ein "Mehrwert" des "theistisches Christentums gegenüber einem bloßen Theismus" benannt und die Frage nicht nur (persönlich, individuell) subjektivistisch sondern objektiv theologisch beantwortet - und dies unter Verzicht auf das Narrativ von Erbsünde und stellvertretender Genugtuung.

"objektiv theologisch" setzt aber natürlich voraus, dass, was hier "mir fällt ein" bezeichnet wird

vor 18 Stunden schrieb SteRo:

Wenn mir also nichts ganz außergewöhnliches Theologisches bzgl. der Verdienste Jesu Christi und der damit von ihm für uns verdienten Gnaden mehr einfällt, dann...

meinen üblichen "Einfällen" bei der Erforschung der traditionellen Glaubenslehre und Theologie entspricht, dass es meinem Geiste also von außen her einfällt, d.h. mit Hilfe der traditionellen Glaubenlehre und Theologie, also überhaupt nicht "frei ausgedacht".

 

Nun sind die Verdienste Jesus Christi ja die Verdienste eines Menschen, genauer genommen: Verdienste eines Menschen für Menschen und noch genauer genommen: Verdienste eines vollkommen gerechten/heiligen Menschen für unvollkommene sündige Menschen. Wenn er uns Gnade verdient, dann gibt er ja eigentlich ein Teil seiner vollkommenen Verdienste an uns weiter.

Das Konzil von Florenz schreibt:

Und die Seelen derer, die ... sogleich in den Himmel aufgenommen [werden] ... schauen den dreifaltigen und einen Gott selbst in Klarheit, so wie er ist, aufgrund der Verschiedenheit der Verdienste jedoch der eine vollkommener als der andere

 

Die Verdienste (ehemals gefallener) Gerechter sind also verschieden und diese Verschiedenheit wirkt sich auf die (Un-)Vollkommenheit des Lohns aus, mit dem die Verdienste von Gott belohnt werden.

Die Verdienste des vollkommenen Menschen Jesus Christis aber sind vollkommen, teuer erworben durch sein Leid und seinen Tod (für Gott und die Menschen), die höchsten Verdienste also, die eine Menschenatur erwerben kann, und dementsprechend wird sich auch ein vollkommener Lohn Gottes darin widerspiegeln.

Den vollkommenen Lohn aber, den wir in Form der von Jesus Christus verdienten Gnade erhalten können (wenn die weiteren Bedingungen auf unserer Seite stimmen), den hätten wir selbst niemals, d.h. unter keinen Umständen, verdienen können!

Ich denke, das kann man schon als eine heilsrelevante Besonderheit der Gnade, die auf dem Verdienst Jesus Christi beruht, bezeichnen.

 

Diese "Vollkommenheit" der Gnade, die eigentlich eine Extra-Qualität der Gnade ist (denn es gibt ja keine "unvollkommene" Gnade!), die auf dem Verdienst des vollkommenen Menschen für die unvollkommenen Menschen beruht, gründet darauf, dass es Verdienst der Menschennatur ist und deshalb die entsprechende Gnadenwirkung, die eine Erleuchtungsgnade ist, optimal heilswirksames [u.a. Selbst-]Erkennen der Menschennatur bewirkt. Gott musste Fleisch und Seele annehmen, um in der Seele eines Menschen eine solche Gnadenwirkung zu entfalten und das Leid und die Selbstopferung des Menschensohnes waren unabdingbar, wie das von der Gnade bewirkte Erkennen zeigen wird.

bearbeitet von SteRo

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