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Ist religiöser Glaube eine „Rechthabemaschine“?


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Geschrieben

Angesichts der immer wieder aufflammenden Diskussionen um „Wahrheit“ in der Religion, und darum, was in einem religiösen Kontext sinnvoll diskutiert werden kann, stelle ich mir folgende Frage:

Warum meinen wir überhaupt, dass Religion sozusagen universale Erklärungen liefern könnte? Oder zu jedem Thema der Welt etwas sagen könnte? Ich versuche als Christ zwar auch, für alle möglichen Aspekte meines Lebens eine zu meinen religiösen passende Antwort zu geben, nur sind diese Antworten nicht „richtiger“ als die aller anderen Leute.

Kann es nicht sein, dass wir unseren ganz normalen Meinungen, die nun mal naturgemäß so begrenzt gültig sind, wie die aller anderen Menschen, per Religion einen unsinnigen Gültigkeits- oder gar „Rechthabeanspruch“ überstülpen? Und das wir so leichter übersehen, dass uns unser Glaube genauswenig befähigt, gültigere Aussagen über Politik, Gesellschaft oder Wirtschaft zu treffen, wie uns auch nicht befähigt ein Motorrad zu reparieren oder lecker zu kochen? Uns also in mancher Hinsicht zu einer unangemessenen Hybris eher motiviert?

Geschrieben (bearbeitet)
vor 16 Minuten schrieb Shubashi:

Warum meinen wir überhaupt, dass Religion sozusagen universale Erklärungen liefern könnte? Oder zu jedem Thema der Welt etwas sagen könnte?

 

Ich kenne keine Religion, die behauptet (oder deren Vertreter behaupten), zu jedem Thema der Welt etwas sagen zu können.

 

Wer war der bessere Solist auf dem Tenorsaxophon, Stan Getz oder Sonny Rollins? Dazu kenne ich keine christliche oder andersreligiöse Stellungnahme...

 

"Universal" könne manche Antworten sein, weil die religiöse Überzeugung in Folge eine bestimmte Anthropologie hervorbingt. So hat die geglaubte Gottesebenbildlichkeit in Judentum und Christentum eine andere Folge als im Islam, wo es diese eben nicht gibt.

 

vor 16 Minuten schrieb Shubashi:

Ich versuche als Christ zwar auch, für alle möglichen Aspekte meines Lebens eine zu meinen religiösen passende Antwort zu geben, nur sind diese Antworten nicht „richtiger“ als die aller anderen Leute.

 

Das glaubst Du selbst nicht. Ich bin ziemlich sicher, daß Du Polygamie für objektiv falsch hälst, ebenso die Todesstrafe bei Religionswechsel.

 

vor 16 Minuten schrieb Shubashi:

Kann es nicht sein, dass wir unseren ganz normalen Meinungen, die nun mal naturgemäß so begrenzt gültig sind, wie die aller anderen Menschen, per Religion einen unsinnigen Gültigkeits- oder gar „Rechthabeanspruch“ überstülpen? Und das wir so leichter übersehen, dass uns unser Glaube genauswenig befähigt, gültigere Aussagen über Politik, Gesellschaft oder Wirtschaft zu treffen, wie uns auch nicht befähigt ein Motorrad zu reparieren oder lecker zu kochen? Uns also in mancher Hinsicht zu einer unangemessenen Hybris eher motiviert?

 

Eine Hybris ist möglich, aber ebenso eine faktisch geheuchelte Behauptung der Gleichwertigkeit der Überzeugungen (siehe oben).

bearbeitet von rorro
Geschrieben
vor 13 Minuten schrieb Shubashi:

Warum meinen wir überhaupt, dass Religion sozusagen universale Erklärungen liefern könnte? Oder zu jedem Thema der Welt etwas sagen könnte? Ich versuche als Christ zwar auch, für alle möglichen Aspekte meines Lebens eine zu meinen religiösen passende Antwort zu geben, nur sind diese Antworten nicht „richtiger“ als die aller anderen Leute.

Es ist ein mehrschneidiges Schwert - zum einen schafft Religion Identität. Indem sie den Wertekanon und die gemeinsame Bildersprache einer Gemeinschaft tradiert wirkt sie inklusiv für die, die den Kanon und die Bildersprache teilen, bzw. exklusiv ggü. jenen, die das nicht tun. Darum sind die Grenzen zwischen Kultur und Religion ja auch so fließend (und darum haben wir in fast allen Ländern in denen - vom Kern her unterschiedliche - Religionen zusammenleben sollen Probleme).

 

Der Anspruch "die richtige Religion" zu haben, hängt mMn sehr mit dieser Identitätsfrage zusammen. 

Geschrieben
vor 1 Stunde schrieb rorro:

Das glaubst Du selbst nicht. Ich bin ziemlich sicher, daß Du Polygamie für objektiv falsch hälst, ebenso die Todesstrafe bei Religionswechsel.

 

Polygamie und Todesstrafe bei Religionswechsel sind jedenfalls durch die Heilige Schrift bezeugter Wille Gottes.

Geschrieben
vor 16 Minuten schrieb Weihrauch:

Polygamie und Todesstrafe bei Religionswechsel sind jedenfalls durch die Heilige Schrift bezeugter Wille Gottes.

Polygamie wurde göttlicherseits toleriert - ich wüsste nicht, daß es eine Weisung oder explizite Erlaubnis gab mehrere Frauen zu ehelichen. 

 

Und Todesstrafe bei Religionswechsel? Üblicherweise behält zumindest unser Gott sich vor solcherley Freveltat selbst zu strafen. Ich erinnere mich nicht, daß es in Deut. oder Lev. eine Vorschrift gäbe, daß die irdische Leitung da tätig werden müsste.

Geschrieben
vor 2 Stunden schrieb rorro:
vor 2 Stunden schrieb Shubashi:

Ich versuche als Christ zwar auch, für alle möglichen Aspekte meines Lebens eine zu meinen religiösen passende Antwort zu geben, nur sind diese Antworten nicht „richtiger“ als die aller anderen Leute.

 

Das glaubst Du selbst nicht. Ich bin ziemlich sicher, daß Du Polygamie für objektiv falsch hälst, ebenso die Todesstrafe bei Religionswechsel.


Dazu braucht man keine Religion.

Geschrieben
vor 8 Minuten schrieb Flo77:

Polygamie wurde göttlicherseits toleriert - ich wüsste nicht, daß es eine Weisung oder explizite Erlaubnis gab mehrere Frauen zu ehelichen.

 

Dass Polygamie zur Schöpfung gehört, lässt sich nicht bestreiten. Israel, das Volk Gottes spielt im Heilsplan Gottes eine wichtige Rolle. Gott hat es so gefügt, dass Israel aus 12 Stämmen besteht und nicht aus 6. Sonst wäre die Heilsgeschichte anders verlaufen, und Gottes Offenbarung hätte dann auch ganz anders ausgesehen. Gott kennt die ganze von ihm geplante Heilsgeschichte vom ersten bis zum letzen Tag. Wenn Paulus von Gott gewollt ist, dann hat Gott auch die Polygamie gewollt. Anderenfalls müssten wir ohne Paulus auskommen. 

 

vor 33 Minuten schrieb Flo77:

Und Todesstrafe bei Religionswechsel? Üblicherweise behält zumindest unser Gott sich vor solcherley Freveltat selbst zu strafen. Ich erinnere mich nicht, daß es in Deut. oder Lev. eine Vorschrift gäbe, daß die irdische Leitung da tätig werden müsste.

 

Wenn das rauskommt, weil jemand aus seinem Volk versucht, jemanden zu einer Veranstaltung einer anderen Religion mitzunehmen, soll derjenige gesteinigt werden, selbst wenn es die eigene Mutter ist, oder jemand den man liebt, wie sich selbst.

 

Ich widerspreche deshalb, um Rechthaberei zu provozieren und anschaulich zu machen. Das ist ja das Threadthema.

Geschrieben (bearbeitet)
vor 4 Stunden schrieb Shubashi:

Angesichts der immer wieder aufflammenden Diskussionen um „Wahrheit“ in der Religion, und darum, was in einem religiösen Kontext sinnvoll diskutiert werden kann, stelle ich mir folgende Frage:

Warum meinen wir überhaupt, dass Religion sozusagen universale Erklärungen liefern könnte? Oder zu jedem Thema der Welt etwas sagen könnte? Ich versuche als Christ zwar auch, für alle möglichen Aspekte meines Lebens eine zu meinen religiösen passende Antwort zu geben, nur sind diese Antworten nicht „richtiger“ als die aller anderen Leute.

Kann es nicht sein, dass wir unseren ganz normalen Meinungen, die nun mal naturgemäß so begrenzt gültig sind, wie die aller anderen Menschen, per Religion einen unsinnigen Gültigkeits- oder gar „Rechthabeanspruch“ überstülpen? Und das wir so leichter übersehen, dass uns unser Glaube genauswenig befähigt, gültigere Aussagen über Politik, Gesellschaft oder Wirtschaft zu treffen, wie uns auch nicht befähigt ein Motorrad zu reparieren oder lecker zu kochen? Uns also in mancher Hinsicht zu einer unangemessenen Hybris eher motiviert?

 

Da Gott die Wahrheit ist, ist seine Offenbarung wahr. Und im Kontext dieser seiner wahren Offenbarungsreligion gibt es tatsächlich nichts zu diskutieren.

 

Was nun das irdische Leben angeht in der irdischen Welt, gibt es darin viele Irrungen und Wirrungen von Menschen und dementsprechend unwahre Erklärungen.

Was Gott dazu offenbart ist hingeordnet entweder zum natürlichen Zweck oder zum übernatürlichen Zweck der Schöpfung.

Die Zwecke, die sich die gefallene Menschheit ausdenkt, weil sie (diese Zwecke) den sündhaften Neigungen entgegenkommen, sind es, worüber die Menschen in Streit und Rechthaberei geraten.

 

bearbeitet von SteRo
Geschrieben
vor 2 Minuten schrieb SteRo:

Da Gott die Wahrheit ist, ist seine Offenbarung wahr.

 

Und woher weiß man das? Aus der Offenbarung! Der magische Zirkel! 😄

Geschrieben
vor 13 Minuten schrieb Marcellinus:

 

Und woher weiß man das? Aus der Offenbarung! Der magische Zirkel! 😄

 

Wird dir eigentlich nie langweilig mit deinem ewigen Gestichel zum gleichen Thema?

Gott := Wahrheit

Offenbarung := Erkennen der Wahrheit

=> Du kannst die Wahrheit erkennen, da die Wahrheit existiert.

Wo gibt es da einen Zirkelschluss?

Geschrieben
vor 4 Stunden schrieb Flo77:

Es ist ein mehrschneidiges Schwert - zum einen schafft Religion Identität. Indem sie den Wertekanon und die gemeinsame Bildersprache einer Gemeinschaft tradiert wirkt sie inklusiv für die, die den Kanon und die Bildersprache teilen, bzw. exklusiv ggü. jenen, die das nicht tun. Darum sind die Grenzen zwischen Kultur und Religion ja auch so fließend (und darum haben wir in fast allen Ländern in denen - vom Kern her unterschiedliche - Religionen zusammenleben sollen Probleme).

Darüber wäre ich mir nicht mehr so sicher. Die Gedankenwelt fundamentalistischer Christen ist mir fremder als diejenige westlicher Mainstream-Nichtreligiöser.  Die gemeinsame Identität ergibt sich nicht aus einer Religion, sondern aus dem Willen zur Gemeinschaft, egal aus welchem Anlaß.  

Geschrieben
vor 54 Minuten schrieb Marcellinus:

 

Und woher weiß man das? Aus der Offenbarung! Der magische Zirkel! 😄

 

Das ist das Missverständnis, das sich Nicht-Gläubigen ergibt, wenn sie sprachliche Ausdrücke des rechten Glaubens lesen. Meine Worte lesen sich wie ein Argument, sind aber nicht als solches gedacht. Das Missverständnis resultiert oft dem Glauben von Nicht-Gläubigen, dass der rechte Glaube per Logik erwerbbar (oder doch wenigstens überprüfbar) sein müsste. Ist er aber nicht, weil er ein Gnadengeschenk ist.

"Da Gott die Wahrheit ist, ist seine Offenbarung wahr." Man könnte auch schreiben "Gott und seine Offenbarung sind nicht zwei unterschiedliche Arten von Glauben." 

oder auch:

KKK 156
Der Beweggrund, zu glauben, liegt nicht darin, daß die geoffenbarten
Wahrheiten im Licht unserer natürlichen Vernunft wahr und einleuchtend
erscheinen. Wir glauben „wegen der Autorität des offenbarenden Gottes selbst, 1063
der weder sich täuschen noch täuschen kann“ (1. Vatikanisches K., Dogm. 2465
Konst. „Dei Filius“, K. 3: DS 3008).

 

Geschrieben
vor 57 Minuten schrieb SteRo:

 

Das ist das Missverständnis, das sich Nicht-Gläubigen ergibt, wenn sie sprachliche Ausdrücke des rechten Glaubens lesen. Meine Worte lesen sich wie ein Argument, sind aber nicht als solches gedacht. Das Missverständnis resultiert oft dem Glauben von Nicht-Gläubigen, dass der rechte Glaube per Logik erwerbbar (oder doch wenigstens überprüfbar) sein müsste. Ist er aber nicht, weil er ein Gnadengeschenk ist.

"Da Gott die Wahrheit ist, ist seine Offenbarung wahr." Man könnte auch schreiben "Gott und seine Offenbarung sind nicht zwei unterschiedliche Arten von Glauben." 

oder auch:

KKK 156
Der Beweggrund, zu glauben, liegt nicht darin, daß die geoffenbarten
Wahrheiten im Licht unserer natürlichen Vernunft wahr und einleuchtend
erscheinen. Wir glauben „wegen der Autorität des offenbarenden Gottes selbst, 1063
der weder sich täuschen noch täuschen kann“ (1. Vatikanisches K., Dogm. 2465
Konst. „Dei Filius“, K. 3: DS 3008).

 

 

Das stimmt so nicht ganz. Glaube widerspricht nicht der Logik (Vernunft). Der KKK sagt zwar, dass die Logik nicht der alleinige Grund des Glaubens ist, der Einschub "daß die geoffenbarten Wahrheiten im Licht unserer natürlichen Vernunft wahr und einleuchtend erscheinen" verdeutlicht aber, dass Glaube und Vernunft in Einklang stehen.

 

Das wird in den nächsten Sätzen ja auch noch einmal deutlich gemacht:

„Damit nichtsdestoweniger der Gehorsam unseres Glaubens mit der Vernunft übereinstimmend sei, wollte Gott, daß mit den inneren Hilfen des Heiligen Geistes äußere Beweise seiner Offenbarung verbunden werden" (ebd.: DS 3009). So sind die Wunder Christi und der Heiligen [Vgl. Mk 16,20; Hebr 2,4.], die Weissagungen, die Ausbreitung und Heiligkeit der Kirche, ihre Fruchtbarkeit und ihr Fortbestehen „ganz sichere und dem Erkenntnisvermögen aller angepaßte Zeichen der göttlichen Offenbarung" (DS 3009), Beweggründe der Glaubwürdigkeit [Vgl. DS 3013.], die zeigen, daß „die Zustimmung zum Glauben keineswegs eine blinde Regung des Herzens ist" (DS 3010).

 

Der rechte Glaube muss also der Logik/Vernunft entsprechen.

Geschrieben (bearbeitet)
vor 32 Minuten schrieb Katholikos:

 

Das stimmt so nicht ganz. Glaube widerspricht nicht der Logik (Vernunft). Der KKK sagt zwar, dass die Logik nicht der alleinige Grund des Glaubens ist, der Einschub "daß die geoffenbarten Wahrheiten im Licht unserer natürlichen Vernunft wahr und einleuchtend erscheinen" verdeutlicht aber, dass Glaube und Vernunft in Einklang stehen.

 

Das wird in den nächsten Sätzen ja auch noch einmal deutlich gemacht:

„Damit nichtsdestoweniger der Gehorsam unseres Glaubens mit der Vernunft übereinstimmend sei, wollte Gott, daß mit den inneren Hilfen des Heiligen Geistes äußere Beweise seiner Offenbarung verbunden werden" (ebd.: DS 3009). So sind die Wunder Christi und der Heiligen [Vgl. Mk 16,20; Hebr 2,4.], die Weissagungen, die Ausbreitung und Heiligkeit der Kirche, ihre Fruchtbarkeit und ihr Fortbestehen „ganz sichere und dem Erkenntnisvermögen aller angepaßte Zeichen der göttlichen Offenbarung" (DS 3009), Beweggründe der Glaubwürdigkeit [Vgl. DS 3013.], die zeigen, daß „die Zustimmung zum Glauben keineswegs eine blinde Regung des Herzens ist" (DS 3010).

 

Der rechte Glaube muss also der Logik/Vernunft entsprechen.

 

Nun, darauf will ich nicht im Detail eingehen, sondern lediglich den letzten Satz aufgreifen und ihn dahingehend modifizieren, dass ich stattdessen empfehle zu schreiben "Der rechte Glaube kann der Logik/Vernunft entsprechen.", weil das "muss" mir mit Seligkeitsaussagen Jesu Christi nicht vereinbar erscheint.

 

Edit: einen Widerspruch habe ich jedoch niemals behauptet, denn mir ist es zB durchaus möglich wissenschaftliche Fragestellungen mittels Logik zu bearbeiten ohne dass darunter mein geschenkter rechter Glaube leiden würde.

Auch erscheint es mir durchaus vernünftig in Heilsfragen dem rechten Glauben zu folgen: "der Gehorsam [meines] Glaubens" ist also  "mit der Vernunft übereinstimmend".

 

bearbeitet von SteRo
Geschrieben
vor 2 Stunden schrieb Katholikos:
vor 3 Stunden schrieb Marcellinus:

Und woher weiß man das? Aus der Offenbarung! Der magische Zirkel! 😄

 

Wird dir eigentlich nie langweilig mit deinem ewigen Gestichel zum gleichen Thema?

 

Ja, es ist langweilig, aber ihr habt ja nur noch ein Thema. Zum Glück habe ich noch andere Hobbys. 😉

Geschrieben
vor 27 Minuten schrieb SteRo:

 

 

Auch erscheint es mir durchaus vernünftig in Heilsfragen dem rechten Glauben zu folgen: "der Gehorsam [meines] Glaubens" ist also  "mit der Vernunft übereinstimmend".

 

 

Richtig. Vielleicht wäre es noch besser zu formulieren: "Der rechte Glaube wird der Logik/Vernunft entsprechen." Logik/Vernunft ist keine Voraussetzung für den rechten Glauben (das denke ich entspricht auch den Seligkeitsaussagen). Aber wer rechtgläubig ist, handelt automatisch (unbewusst) vernünftig.

Geschrieben
vor 2 Stunden schrieb Merkur:

Darüber wäre ich mir nicht mehr so sicher. Die Gedankenwelt fundamentalistischer Christen ist mir fremder als diejenige westlicher Mainstream-Nichtreligiöser.  Die gemeinsame Identität ergibt sich nicht aus einer Religion, sondern aus dem Willen zur Gemeinschaft, egal aus welchem Anlaß.  

Das hängt aber vorallem damit zusammen, daß der christliche Fundamentalismus im Prinzip eine andere Religion ist, als unser "normales" Christentum.

 

Und nein, ich habe mit dem sprichwörtlichen gut-integrierten Gemüsehändler auch keine gemeinsame Identität, so gut wir uns vielleicht auch verstehen mögen. Was elementar daran liegen wird, daß er meine Identität überhaupt nicht annehmen will, sondern seine Identität als "Türke und Muslim in Deutschland" neben meine "alt-rheinisch katholisch Deutschsein" stellt. Das finde ich auch nicht wirklich ungewöhnlich. Nur solange bei der Hochzeit seiner Tochter nicht die Flagge NRWs über dem Brautpaar geschwenkt wird, sondern die türkische ist klar, daß das keine gemeinsame Identität ist. Das zu ignorieren halte ich für grob unehrlich.

Geschrieben (bearbeitet)
vor 7 Stunden schrieb Merkur:

Die Gedankenwelt fundamentalistischer Christen

 

Kannst Du was dazu sagen? Ich kenne die kaum. Und meinst Du damit den amerik. Typus des "fundamentalist" oder was anderes?

bearbeitet von rorro
Geschrieben (bearbeitet)
10 hours ago, rorro said:

 

Kannst Du was dazu sagen? Ich kenne die kaum. Und meinst Du damit den amerik. Typus des "fundamentalist" oder was anderes?


Einfach mal eine Erzählung aus dem weiteren Familienkreis: der Freund meiner Schwägerin ist in einer erzkatholischen Familie aufgewachsen; dass seine Mutter mit einem prügelnden Säufer verheiratet war, galt deren Eltern als eher wenig problematisch, denn der war ja katholisch. Der Sohn erlebte den tödlichen Sturz dieses Vaters dann lt eigener Aussage als ein erstes Zeichen göttlichen Erbarmens. Seine Mutter verliebte sich dann in einen kleinen nichtkatholischen Händler, aber diese Beziehung wurde der Tochter leider „ausgeprügelt“ (wörtlich? figurativ? Habe nicht nachgefragt), also kam eine erneute Heirat aus religiösen Gründen nicht infrage. Dieser Händler, den der Sohn dann erstmal mied, brachte ihm ihn dennoch im Laufe der Zeit zu schulischem Erfolg, weil er ihm den intrinsischen Wert von Bildung vermittelte - es stellte sich nämlich heraus, dass er ein promovierter Philosoph war, der aus rein ökonomischen Gründen ein kleines Geschäft betrieb.

 

Das ist nicht die einzige Geschichte aus meinem katholischen engeren oder weiterem Umfeld, dass von katholischer Rechthaberei kündet. Dumme und brutale Menschen, die sich aus vermeintlicher „Rechtgläubigkeit“ in das Leben ihrer Kinder oder überhaupt ihres Umfeldes einmischen, gibt es vermutlich in jeder Religion, aber ist es nicht erst die missverstandene Religion, die sie zu so einer fundamentalistischen Anmaßung bringt? Meine Skepsis gegenüber dem Islam stammt übrigens genau aus dieser Quelle - eine Religion, die den Wert des Menschen nicht über ein bloßes konfessionelles Bekenntnis stellt, hatten wir selber mal.

bearbeitet von Shubashi
Geschrieben (bearbeitet)

Ist das "fundamentalistisch" oder nicht bloß einfach nur geheuchelt? Gibt es da Unterschiede (amerik. christl. Fundamentalismus hat ja theolog. Grundsätze, die sehe ich hier nicht). Vielleicht haben wir auch eine unterschiedl. Vorstellung von dem, was einen fundamentalistischen Gläubigen ausmacht. Massive Verstöße gegen das eigene klare Regelsystem (ich weiß, im Islam gibt es das so nicht, im Katholizismus durchaus) gehören in meinen Augen sicher nicht dazu.

 

Freunde meiner Eltern sind auch nur verheiratet, weil beide formal katholisch sind (eigentlich wollte sie jemand anderen). 

bearbeitet von rorro
Geschrieben

Ich nehme dazu einfach mal eine Definition von diesem Portal:

Quote

Fundamentalismus 

Fundamentalismus bezeichnet das kompromisslose Beharren auf festen politischen oder religiösen Grundsätzen als unumstößliche Wahrheit.

Religiöser Fundamentalismus basiert zumeist auf einer buchstäblichen Interpretation heiliger Schriften (z. B. Bibel, Koran) die unmittelbar als Gottes Wort verstanden werden. Die religösen Schriften gelten damit als Irrtumslos und Widerspruchsfrei - und werden dadurch gegen jegliche Kritik immunisiert und als absolute Lösung für alle (politischen, wirtschaftlichen und sozialen) Lebensfragen betrachtet. …


Ich halte das für eine pragmatische und zutreffende Definition, da eine Verwendung im engen Sinne für den wörtlich-bibelbasierten Protestantismus in den USA mir heute für zu unüblich scheint. Der entscheidende Punkt ist dabei die widerspruchslose Unterwerfung unter letztlich eine uniforme Quelle der Autorität, ohne eigenen Gewissensvorbehalt.

Der Zweifel ist in meinen Augen eine zutiefst menschliche und gesellschaftlich notwendige Eigenschaft, die uns vor autoritär-totalitären Verhaltensweisen schützen kann.

Geschrieben
On 7/17/2025 at 10:00 AM, Shubashi said:

Angesichts der immer wieder aufflammenden Diskussionen um „Wahrheit“ in der Religion, und darum, was in einem religiösen Kontext sinnvoll diskutiert werden kann, stelle ich mir folgende Frage:

Warum meinen wir überhaupt, dass Religion sozusagen universale Erklärungen liefern könnte?

Das ist die Sichtweise von Architekten. Für den Modellbau sind Wahrheiten sehr praktisch, weil ohne Wahrheit gibt es nur die Diskussion und damit kein Modell.

 

On 7/17/2025 at 10:00 AM, Shubashi said:

Ich versuche als Christ zwar auch, für alle möglichen Aspekte meines Lebens eine zu meinen religiösen passende Antwort zu geben, nur sind diese Antworten nicht „richtiger“ als die aller anderen Leute.

Das ist die Sichtweise von Anwendern - machen, vertrauen und Fehlermeldungen nach Möglichkeit wegklicken.

 

On 7/17/2025 at 10:00 AM, Shubashi said:

Kann es nicht sein, dass wir unseren ganz normalen Meinungen, die nun mal naturgemäß so begrenzt gültig sind, wie die aller anderen Menschen, per Religion einen unsinnigen Gültigkeits- oder gar „Rechthabeanspruch“ überstülpen?

Vorsicht - reparieren, aufräumen und aufpassen führen dich auf den Weg des Hausmeisters. Ein einsamer Weg voller Missverständnisse.

 

On 7/17/2025 at 10:00 AM, Shubashi said:

Und das wir so leichter übersehen, dass uns unser Glaube genauswenig befähigt, gültigere Aussagen über Politik, Gesellschaft oder Wirtschaft zu treffen, wie uns auch nicht befähigt ein Motorrad zu reparieren oder lecker zu kochen? Uns also in mancher Hinsicht zu einer unangemessenen Hybris eher motiviert?

Isso - aber Fürbitten für Arbeitsplätze oder Einsichtigkeit unter Besserwissern können ja nicht schaden.

Geschrieben (bearbeitet)

@Shubashi Wenn Du diese Definition nimmst, dann paßt aber Dein Beispiel nicht. 

bearbeitet von rorro
Geschrieben (bearbeitet)
vor 13 Stunden schrieb rorro:

 

Kannst Du was dazu sagen? Ich kenne die kaum. Und meinst Du damit den amerik. Typus des "fundamentalist" oder was anderes?

Ich finde leider kaum eine passende Bezeichnung dafür. Auch Begriffe wie konservativ oder extrem konservativ sind mißverständlich. Ich meine die Fundamantalisten als Charaktertyp, nicht als Vertreter einer theologischen Position. Sie zeichnen sich nach meiner Wahrnehmung aus durch eine Überbetonung ideologischer Aussagen bei gleichzeitig weitgehender Abwesenheit eigener, selbstentwickelter Strukturen (das, was im Barock als Seelenschatz bezeichnet wurde. Du würdest es wahrscheinlich als selbstgebastelte Religion bezeichnen). Fundamentalismus ist nach meiner Erfahrung nicht vom Inhalt der vertretenen Ideologie abhängig, Vertreter bibeltreuer evangelikaler Positionen z.B. müssen somit nicht zwingend fundamentalistisch sein. 

bearbeitet von Merkur
Geschrieben (bearbeitet)
vor 22 Stunden schrieb SteRo:

 

Da Gott die Wahrheit ist, ist seine Offenbarung wahr. Und im Kontext dieser seiner wahren Offenbarungsreligion gibt es tatsächlich nichts zu diskutieren.

 

Was nun das irdische Leben angeht in der irdischen Welt, gibt es darin viele Irrungen und Wirrungen von Menschen und dementsprechend unwahre Erklärungen.

Was Gott dazu offenbart ist hingeordnet entweder zum natürlichen Zweck oder zum übernatürlichen Zweck der Schöpfung.

Die Zwecke, die sich die gefallene Menschheit ausdenkt, weil sie (diese Zwecke) den sündhaften Neigungen entgegenkommen, sind es, worüber die Menschen in Streit und Rechthaberei geraten.

 

 

Rechthaberei ist also ausgeschlossen. Ein unerschütterlicher Widerstand gegen alle atheistischen und/oder materialistischen Sichtweisen, insbesondere auf sittlich-moralischem Gebiet, ist dem rechten Glauben dennoch eigen. Aber da es darüber nichts zu diskutieren gibt und der Rechtgläubige allenfalls falsche Ansichten zurückweist, kann es nicht zu Rechthaberei kommen.

 

vor 3 Stunden schrieb Shubashi:

Ich nehme dazu einfach mal eine Definition von diesem Portal:

Interessant was da alles geschrieben steht. Prinzipiell halte ich den so definierten Fundamentalismus ("Fundamentalismus bezeichnet das kompromisslose Beharren auf festen ... religiösen Grundsätzen als unumstößliche Wahrheit.") für eine gute Sache. Denn wenn man sich sicher ist (weil man Gott vertraut), ist man sich sicher, und Zweifel ist ein Hindernis auf dem Weg zum Heil.

Da steht:

Da heilige Schriften in der Regel Verbote und Gebote enthalten und für den Fundamentalisten die "göttlichen Gesetze" wichtiger sind, als die von Menschen erlassenen Gesetze, ist der Fundamentalismus eine Bedrohung für die Demokratie und Freiheit.

Das halte ich für falsch. Zwar ist der Wille Gottes wichtiger als die von Menschen erlassenen Gesetze, aber daraus folgt keineswegs notwendigerweise eine Gefahr für die weltliche Ordnung, die der Mensch sich geschaffen hat. Warum? Weil Vieles der menschlich gesetzlichen Ordnung der Naturgesetzlichkeit Gottes folgt und dort wo das menschliche Gesetz die Sünde zulässt oder fördert idR dennoch der freie Wille des Menschen entscheiden kann.

 

Ich denke, ein Missverständnis besteht oft darin, dass geglaubt wird, dass eine religiös-fundamentalistische Lebenseinstellung notwendgerweise zu Übergriffigkeiten auf die Mitmenschen und deren Lebensgestaltung führt. Aber wenn der rechte Glaube derartige Übergriffigkeiten verbietet, dann kann der Fundamentalismus nach außen hin vollkommen "tolerant" erscheinen. Als Ungläubiger sollte man sich nur davor hüten einen Rechtgläubigen auf sittlich-moralischem Gebiet belehren zu wollen.

 

bearbeitet von SteRo

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