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Gerhard Ingold
Geschrieben
vor 3 Stunden schrieb Werner001:

Dann muss man aber die kirchliche „Ausschmückung“ der 10 Gebote in die Tonne treten, denn was da im Katechismus alles z. B. ins 6. Gebot hineinfantasiert wird, hat mit diesrm „Leben in Freiheit“ ja nichts mehr zu tun.

 

Werner

 

Die Zehn Gebote waren für die Bundegenossen geschrieben. Gegenüber Nichtbundesgenossen hatten sie keine Bedeutung. Das zeigt 5.Mose 20,10ff deutlich: Nichtbundesgenossen durften angegriffen und versklavt werden. Weigerten sie sich, sich kampflos versklaven zu lassen, durften sie enteignet, bestohlen und ermordet werden. Damit hat für Nichtbundesgenossen die Nächstenliebe aus 3.Mose 19,18 keine Bedeutung.

 

Gerhard Ingold
Geschrieben
vor 17 Stunden schrieb Flo77:

Der Autor nimmt die Texte allerdings in Ihrer heutigen kanonischen Form.

 

Die "Moses-Rolle" - eine frühere und kürzere Version des Buches Deuteronomium - beschreibt den Bund und das Gesetz Gottes etwas anders:

 

Ich bin JHWH, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten, aus dem Haus der Knechtschaft, befreit hat. Du sollst keine anderen Götter haben. Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen von dem, was oben im Himmel oder unten auf der Erde oder im Wasser unter der Erde ist. Du sollst dich nicht vor ihnen niederwerfen und ihnen nicht dienen. Ich bin JHWH, deinGott.

In sechs Tagen habe ich Himmel und Erde und alles, was darin ist,geschaffen, und am siebten Tag habe ich mich ausgeruht; so sollt auch ihr euch ausruhen, ihr und euer Vieh und alles, was ihr habt. Ich bin JHWH, euer Gott.

Ehre deinen Vater und deine Mutter (damit du lange lebst). Ich bin JHWH, dein Gott.

Du sollst die Seele deines Bruders nicht töten. Ich bin JHWH, dein Gott.

Du sollst nicht die Ehe brechen, mit deines Nächsten Frau. Ich bin JHWH, dein Gott.

Du sollst nicht das Eigentum deines Bruders stehlen. Ich bin JHWH, dein Gott.

Du sollst nicht falsch bei meinem Namen schwören, denn ich werde die Schuld der Väter an den Kindern bis in die dritte und vierte Generation derer heimsuchen, die meinen Namen missbrauchen. Ich bin JHWH, dein Gott.

Du sollst kein falsches Zeugnis gegen deinen Bruder ablegen. Ich bin JHWH, dein Gott.

Du sollst nicht begehren die Frau deines Bruders, seines Knechtes oderseiner Magd, noch irgendetwas, was ihm gehört. Ich bin JHWH, dein Gott.

Du sollst deinen Bruder nicht in deinem Herzen hassen. Ich bin JHWH, dein Gott.

 

Besonderes Augenmerk bitte auf das 10. Gebot im Hinblick auf die Auslegung in der Bergpredigt.

 

Ob es ältere, andere Rollen des Deuteronomiums gibt, ändert nichts an der Tatsache, dass die Zehn Gebote nur für die Bundesgenossen eine Bedeutung hatten. War jemand nicht beschnitten, gehörten sie gestern wie heute nicht zu den Bundesgenossen.

 

Vers 14 ist der Schlüssel zum Verständnis, des Bundesschlusses zwischen dem 99-jähriigen Abraham und seinen Stimmen, die nur Abraham hörte:

 

"Ein Unbeschnittener aber, der nicht beschnitten wird an seiner Vorhaut, soll ausgerottet werden aus seinem Volk; meinen Bund hat er gebrochen."

(1.Mose 17,14).

 

Alle, die mit beschnittenen Bundesgenossen zusammenleben wollten, hatten sich als Fremdlinge beschneiden zu lassen.

 

Heute findet diese Anweisung aus 1.Mose 17 keine Anwendung mehr. Der Grund: Man hat im Judentum erkannt, dass diese Anweisung nur eine kontextuelle Bedeutung hat. Die kontextuelle Auslegung der Texte erklärt jedoch indirekt, beim Bundesschluss, war nie ein Gott anwesend gewesen. Wäre ein Gott anwesend gewesen, müsste die Anweisung für alle Zeiten seine Gültigkeit haben.

Aber der Auslegung der Zehn Gebote muss man also mit-bedenken, wie es anderen angeblich göttlichen Anweisungen ergangen ist.
 

Geschrieben
vor 4 Minuten schrieb Aleachim:

Nur letzteres passt mit meinem Gottesbild zusammen. Verstehe ich dich richtig, dass für dich der erste Satz: "Gott hat mich befreit, darum erwartet er von mir..." stimmig ist?

Nun würde ich zum einen sagen "Gott wird mich befreien", da ich nicht mit Israel aus Ägypten ausgezogen bin und Befreiung bisher nicht erlebt habe. Jedenfalls nicht durch Gott und nicht in einer Form, die dem Exodus entsprechen würde. Insofern ist es für mich eher die Hoffnung darauf, daß... Es ist ein bisschen Pascalsche Wette, aber eine, die meinem Leben Ordnung und Aber das ist vielleicht eine andere Baustelle. 

 

Allerdings finde ich die Idee eines "Ausgleichs" zwischen Gott und dem Menschen (er tut und durch die Erfahrung seines Tuns, drängt es mich etwas zu tun) aber nicht grundsätzlich verkehrt. Da bin ich definitiv durch alte "do-ut-des"-Vorstellungen bzw. klassischer Katholischer Tun-und-Ergehen-Praxis geprägt.

 

Und wie Gouvernante schon sagte: im Grunde ist das Halten des Dekalogs (also des originalen, nicht des katechetischen) nur der Ausdruck der inneren Haltung zu Gott. Wenn ich meinen Frieden in Gott finde, werde ich keinem menschengemachten Abgott dienen. Zum Beispiel.

 

In realiter wird allerdings bei den meisten Menschen diese Haltung nicht zwingend genug sein, weshalb das "du sollst" durchaus (selbst-)erzieherische Wirkungen haben könnte.

 

Geschrieben
vor 1 Stunde schrieb Flo77:
vor 3 Stunden schrieb Aleachim:

Nur letzteres passt mit meinem Gottesbild zusammen. Verstehe ich dich richtig, dass für dich der erste Satz: "Gott hat mich befreit, darum erwartet er von mir..." stimmig ist?

Nun würde ich zum einen sagen "Gott wird mich befreien", da ich nicht mit Israel aus Ägypten ausgezogen bin und Befreiung bisher nicht erlebt habe. Jedenfalls nicht durch Gott und nicht in einer Form, die dem Exodus entsprechen würde. Insofern ist es für mich eher die Hoffnung darauf, daß... Es ist ein bisschen Pascalsche Wette, aber eine, die meinem Leben Ordnung und Aber das ist vielleicht eine andere Baustelle.

Danke Flo für deine Antwort. Das macht mich nachdenklich. Wenn der Anfang "Ich bin der HERR, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus." für uns eigentlich gar nicht gilt, weil wir nicht mit Israel aus Ägypten ausgezogen sind (wie du schreibst), dann verlieren doch die Gebote und das "du wirst" auch ihren Sinn für uns. Dann gelten sie nicht für uns. Oder sie werden eben zu einem Befehl im Sinne von "Du sollst". 

 

Ich hab da jetzt theologisch zu wenig Ahnung, deshalb eine Frage in die Runde an die, die da mehr wissen. Wie sieht das die christliche Theologie? Hat Gott auch uns Christen "aus dem Sklavenhaus Ägypten herausgeführt"? (Und wenn ja, was heißt das eigentlich?) Oder hoffen wir, wie Flo, darauf, dass er es tun wird? 

 

Mir scheint es essentiell wichtig, dass man aufgrund des bereits erfahrenen befreienden Handeln Gottes diesen inneren Antrieb spürt, so leben zu wollen.

 

vor 1 Stunde schrieb Flo77:

Allerdings finde ich die Idee eines "Ausgleichs" zwischen Gott und dem Menschen (er tut und durch die Erfahrung seines Tuns, drängt es mich etwas zu tun) aber nicht grundsätzlich verkehrt. Da bin ich definitiv durch alte "do-ut-des"-Vorstellungen bzw. klassischer Katholischer Tun-und-Ergehen-Praxis geprägt.

Genau damit hab ich große Probleme. Ein Tun-Ergehen-Zusammenhang im Sinne von "Wer sich zu lange ungeschützt in der Sonne aufhält, bekommt einen Sonnenbrand." (Sorry für das banale Beispiel), ist okay. Das ist logisch und sinnvoll für mich. Das bildet einfach ab, dass diese Welt strukturiert ist und damit (bis zu einem gewissen Grad) berechenbar, vorhersehbar. Nur das ermöglicht und rechtfertigt überhaupt unser Vertrauen. Aber das "do ut des", bedeutet "Ich gebe, damit du gibst." richtig? Da sträubt sich alles in mir. Ich möchte weder zu den mir nahestehenden Menschen, noch zu Gott eine solche Beziehung. Ich bin auch froh, dass meine Kinder (bisher) sowas kaum probieren. Dieses Handeln "Ich räume die Spülmaschine aus, wenn ich nachher eine halbe Stunde länger fernsehen darf!" Würde mich traurig machen...

 

vor 2 Stunden schrieb Flo77:

Und wie Gouvernante schon sagte: im Grunde ist das Halten des Dekalogs (also des originalen, nicht des katechetischen) nur der Ausdruck der inneren Haltung zu Gott. Wenn ich meinen Frieden in Gott finde, werde ich keinem menschengemachten Abgott dienen. Zum Beispiel.

Meinst du es jetzt so rum, wie du es schreibst, oder im Grunde doch wieder andersrum? Also eher ein "Ich werde keinem menschengemachten Abgott dienen, um in Gott meinen Frieden zu finden."? Also eine zwingende innere Konsequenz: Weil ich in Gott meinen Frieden gefunden habe, brauche ich keine Abgötter mehr? Oder die Hoffnung, Frieden zu finden, wenn man die Gebote befolgt?

 

Ach so, noch zur Erklärung, damit ich nicht missverstanden werde. Selbstverständlich ist die Befreiung durch Gott, nicht etwas, das man einfach nur einmal ganz intensiv erlebt haben muss und dann geht alles von selber. Ich denke, diese "Befreiung aus der Sklaverei" ist etwas, das wir immer und immer wieder ganz individuell, aber manchmal vermutlich auch kollektiv erfahren können. Diese Erfahrung ermöglicht es uns, ja drängt uns geradezu, so zu leben, aber sie verblasst immer wieder, oder wird kleingeredet, oder wir verdrängen sie vielleicht sogar. Genau dafür sind Rituale, Sakramente, Gebet, Gemeinschaft etc. da. Um das immer wieder zu vergegenwärtigen. 

 

Ich weiß nicht, wie du das genau meinst, wenn du sagst, du hast Befreiung bisher nicht erlebt. "Jedenfalls nicht durch Gott und nicht in einer Form, die dem Exodus entsprechen würde." Wie müsste eine Befreiungserfahrung sein, damit sie dem Exodus entsprechen würde?

Geschrieben (bearbeitet)
vor 50 Minuten schrieb Aleachim:

Danke Flo für deine Antwort. Das macht mich nachdenklich. Wenn der Anfang "Ich bin der HERR, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus." für uns eigentlich gar nicht gilt, weil wir nicht mit Israel aus Ägypten ausgezogen sind (wie du schreibst), dann verlieren doch die Gebote und das "du wirst" auch ihren Sinn für uns. Dann gelten sie nicht für uns. Oder sie werden eben zu einem Befehl im Sinne von "Du sollst". 

Formal gilt der Dekalog ja auch nicht für Nichtjuden.

 

Für die gibt es die 7 Gebote Noahs bzw. die Rumpftorah, die Jakobus auf dem Apostelkonzil gab (und selbst die waren Paulus noch zuviel)

 

Ich habe jedenfalls noch nie ein Pessach gefeiert, selbst im vergegenwärtigten Sinne bin ich also noch nie aus Ägypten ausgezogen.

 

Der Dekalog bildet für mich eine Ethik ab, in der die Anweisung Jesu zum halten des Gesetzes konkretisiert wird, und die ich - neben ihrer inneren Logik und dem Inhalt - daher für zu adaptieren halte.

 

vor 50 Minuten schrieb Aleachim:

Ich hab da jetzt theologisch zu wenig Ahnung, deshalb eine Frage in die Runde an die, die da mehr wissen. Wie sieht das die christliche Theologie? Hat Gott auch uns Christen "aus dem Sklavenhaus Ägypten herausgeführt"? (Und wenn ja, was heißt das eigentlich?) Oder hoffen wir, wie Flo, darauf, dass er es tun wird? 

Ich denke, diese Frage stellt sich für Christen eigentlich nicht. Die "Befreiung" des Christen erfolgt durch das Opfer Jesu (oder zumindest im Zusammenhang damit - über das WIE ist sich ja schon die Bibel nicht einig).

 

vor 50 Minuten schrieb Aleachim:

Mir scheint es essentiell wichtig, dass man aufgrund des bereits erfahrenen befreienden Handeln Gottes diesen inneren Antrieb spürt, so leben zu wollen.

Und damit stellst Du Menschen wie mich vor eine besondere Herausforderung. Ich habe mein Leben lang noch keine Befreiungserfahrung gemacht, in der Gott eine aktive Rolle gespielt hat. Als meine Kinder gefirmt wurden, war es die Zeit, die mich von der Verantwortung erlöst hat, als es auf mein Coming out zu ging, musste ich nicht nur selbst handeln, ich musste Gott quasi "auf's Regal stellen" um überhaupt handlungsfähig zu werden.

 

Stattdessen erlebe ich immer und immer wieder, daß ich unfrei bin. Und ich meine nicht die rein biologischen Notwendigkeiten, sondern Familie, Gesellschaft, Religion, Welt.

Ich vermute, daß da das Hauptmissverständnis liegt. Für mich ist die Frage nach der Befreiung ebenso wie das Kommen des Gottesreiches, eine sehr konkrete und sehr innerweltliche Sache. Eine "spirituelle Befreiung" von was auch immer, ist für mich sehr vage, sehr unsicher und hat für mich etwas von "Vertröstung ohne Garantie auf Einlösung". Ich glaube nicht an die Seele und ihre Existenz nach dem Tod in "der anderen Welt". Ich brauche Gottes Trost und sein Handeln JETZT und HIER und nicht erst in einer Welt, die ich nicht greifen und nicht glauben kann.

 

vor 50 Minuten schrieb Aleachim:

Genau damit hab ich große Probleme. Ein Tun-Ergehen-Zusammenhang im Sinne von "Wer sich zu lange ungeschützt in der Sonne aufhält, bekommt einen Sonnenbrand." (Sorry für das banale Beispiel), ist okay. Das ist logisch und sinnvoll für mich. Das bildet einfach ab, dass diese Welt strukturiert ist und damit (bis zu einem gewissen Grad) berechenbar, vorhersehbar. Nur das ermöglicht und rechtfertigt überhaupt unser Vertrauen. Aber das "do ut des", bedeutet "Ich gebe, damit du gibst." richtig? Da sträubt sich alles in mir. Ich möchte weder zu den mir nahestehenden Menschen, noch zu Gott eine solche Beziehung. Ich bin auch froh, dass meine Kinder (bisher) sowas kaum probieren. Dieses Handeln "Ich räume die Spülmaschine aus, wenn ich nachher eine halbe Stunde länger fernsehen darf!" Würde mich traurig machen...

Nun ist es allerdings eine völlige Verkennung der Realität zu glauben, Menschen würden nach anderen Maßstäben handeln. Der Mensch braucht seine sozialen Kontakte um seine persönlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Das ist einfach so. Und auch wenn wir glauben, "uneigennützig" zu handeln, steht dahinter irgend ein Befriedigungsmoment. Das mag einem nicht gefallen, aber es ist sehr viel einfacher mit Menschen umzugehen, wenn man das erstmal begriffen hat (und auch seine eigenen Motive hinterfragt).

 

vor 50 Minuten schrieb Aleachim:

Meinst du es jetzt so rum, wie du es schreibst, oder im Grunde doch wieder andersrum? Also eher ein "Ich werde keinem menschengemachten Abgott dienen, um in Gott meinen Frieden zu finden."? Also eine zwingende innere Konsequenz: Weil ich in Gott meinen Frieden gefunden habe, brauche ich keine Abgötter mehr? Oder die Hoffnung, Frieden zu finden, wenn man die Gebote befolgt?

Es sind zwei verschiedene Situationen bzw. Motivationen. Ich glaube nicht, daß die Befolgung der Gebote unbedingt zu einer guten Beziehung zum Ewigen führt. Dazu verhalten sich zuviele Leute, die mit Gott nichts am Hut haben, konformer als zum Beispiel ich es je getan habe, der ja nun mit dem Ewigen seit 25 Jahren mehr oder weniger im Klinsch liegt.

 

vor 50 Minuten schrieb Aleachim:

Ach so, noch zur Erklärung, damit ich nicht missverstanden werde. Selbstverständlich ist die Befreiung durch Gott, nicht etwas, das man einfach nur einmal ganz intensiv erlebt haben muss und dann geht alles von selber. Ich denke, diese "Befreiung aus der Sklaverei" ist etwas, das wir immer und immer wieder ganz individuell, aber manchmal vermutlich auch kollektiv erfahren können. Diese Erfahrung ermöglicht es uns, ja drängt uns geradezu, so zu leben, aber sie verblasst immer wieder, oder wird kleingeredet, oder wir verdrängen sie vielleicht sogar. Genau dafür sind Rituale, Sakramente, Gebet, Gemeinschaft etc. da. Um das immer wieder zu vergegenwärtigen. 

Ritual und Sakrament waren bzw. sind für mich "Dinge, die getan werden müssen um den Lauf der Welt zu erhalten" (ja, die Erde dreht sich auch ohne weiter, aber es wäre nicht mehr die gleiche Welt. Mit Freiheit habe ich das - gerade aufgrund der Zugangsbedingungen eigentlich nie in Verbindung gebracht.

 

vor 50 Minuten schrieb Aleachim:

Ich weiß nicht, wie du das genau meinst, wenn du sagst, du hast Befreiung bisher nicht erlebt. "Jedenfalls nicht durch Gott und nicht in einer Form, die dem Exodus entsprechen würde." Wie müsste eine Befreiungserfahrung sein, damit sie dem Exodus entsprechen würde?

Ich war in meinem Leben zu diversen Beichten. Nach keiner hatte ich das Gefühl, das Universum hätte sich neu justiert oder in mir hätte sich irgendetwas verändert. Die Leidenschaften, Ängste, etc. waren immer noch da. Nicht mal gezähmt und erst nicht verschwunden.

 

Die "Urbefreiung" für mich wäre gewesen, wenn der Ewige mir den Wunsch nach Männern aus dem Herzen geschnitten hätte und mir die Chance gegeben hätte, meine Frau so lieben zu können, wie es ein Ehemann tut. Hat er nicht getan. Er wird wissen warum.

 

Meine "Befreiung" aus diesem Leben hat tatsächlich erfordert, daß ich mit der Kirche, ihren Lehren (die mich auch heute noch verfolgen und einschränken - nichts ist robuster als katholische Schuldgefühle) mehr oder weniger breche und meine Beziehung zum Ewigen auf Eis lege. Nach über 2 Dekaden hadern und beten in denen er mein Leiden nicht geheilt hat (aber sprich doch nur ein einziges Wort, so wird vielleicht sogar auch meine Seele gesund...) musste ich diesen Schritt im Grunde ohne ihn gehen. Zu glauben, daß er mir schließlich den Weg für mein Outing gelegt hat, halte ich angesichts der Leben, die es negativ beeinflusst hat, für grob blasphemisch.

 

Mein ultimatives Wunsch-Befreiungserlebnis kann ich hier aufgrund der politischen Atmosphäre ja nicht schreiben. Was übrigens an sich schon ein Hinweis ist, wo ich die Peitsche Gottes, mal geschwungen sehen wünschen würde.

bearbeitet von Flo77
Geschrieben
vor 30 Minuten schrieb Flo77:

Meine "Befreiung" aus diesem Leben hat tatsächlich erfordert, daß ich mit der Kirche, ihren Lehren (…) mehr oder weniger breche und meine Beziehung zum Ewigen auf Eis lege.

Warum eigentlich? Ich habe dieser Tage geschrieben, als es hier hieß, die meisten hätten mit Gott nichts am Hut, „mit Gott oder dem gepredigten Gottesbild“?

Du musst deine Gottesbeziehung nicht beenden, es reicht, wenn du das unpassende Gottesbild wegwirfst dir dein eigenes machst.

Warum sollte das Bild, das sich irgendwelche antiken Herren mit oft zweifelhafter geistiger Verfassung ausgedacht haben, für dich oder mich ausschlaggebend sein? Warum soll es zwingend sein, wenn du doch selbst spürst, dass es falsch ist?

Ich glaube, genau an dieser Stelle ist der Punkt, an der du ansetzen musst.

wenn dir kein eigenes Bild machen willst, dann wirf wenigstens das überkommene weg.

 

Werner

Gerhard Ingold
Geschrieben

Liebe Lesende

 

ich bin wie oft irritiert. Der Grund ich sehe keinen Zusammenhang zu meinem Grundthema "Ungesühnt".

 

Das erinnert mich an der Begriff Whataboutism. Auf Deutsch auch Whataboutismus genannt, ist eine rhetorische Figur, bei der eine Kritik oder eine Frage mit einer Gegenfrage oder einem Themenwechsel abgewehrt wird, oft um von den eigentlichen Vorwürfen abzulenken oder diese zu relativieren. Es ist eine argumentative Strategie, die darauf abzielt, die Aufmerksamkeit auf die Fehler oder Mängel einer anderen Person, Gruppe oder Institution zu lenken, um von den eigenen Fehlern abzulenken. 

 

Wäre es nicht sinnvoller, eigene Threads zu eröffnen?

Gerhard Ingold
Geschrieben

05 Feindesliebe statt Ausgrenzung durch Theologie

Einführung

05.01 Religiöse Gelehrsamkeit ohne Rückbindung ans Leben
05.02 Desinteresse in der Gegenwart – ein persönliches Beispiel
05.03 Jesus stellte sich quer
05.04 Nach der Kreuzigung – keine Umkehr, sondern Rückfall
05.05 Ausgrenzung lebt weiter – auch in der Politik
05.06 Die Feindesliebe als Schlüssel zu neuen Verhaltensmustern
05.07 Feindeshass war einst und ist heute einfacher zu leben
05.08 Feindesliebe hat diesen praktisch gelebten Hass überwunden

 

05 Feindesliebe statt Ausgrenzung durch Theologie

777

Einführung

„Guten Tag – heute ein Thema, an das man oft nicht denkt“, begann der Lehrer. „Zur Zeit Jesu waren es nicht die einfachen Leute, die über theologische Spitzfindigkeiten stritten, sondern die Gelehrten – Schriftkundige, Priester, religiöse Eliten. Die kleinen Leute – Analphabeten, Arme, Ausgegrenzte – hatten kaum eine Stimme. Sie wurden allenfalls gebraucht, wenn sich ‚die da oben‘ verfeindeten. Dann brauchte man Kanonenfutter. Man machte Propaganda – und ließ die anderen die Köpfe hinhalten.“

Er schwieg einen Moment, dann fuhr er fort:
„Auch die Theologen jener Zeit beschäftigten sich lieber mit Gesetzesdeutungen als mit dem Leid der Schwächsten. Und ehrlich gesagt: Daran hat sich bis heute wenig geändert. Noch immer erleben wir eine Theologie, die sich häufig mehr um akademische Selbstbespiegelung kümmert als um Barmherzigkeit und Gerechtigkeit.“

 

05.01 Religiöse Gelehrsamkeit ohne Rückbindung ans Leben

In verschiedenen streng religiösen Gruppen zeigt sich bis heute eine ähnliche Rollenverteilung: Frauen übernehmen Haushalt, Kindererziehung und Erwerbsarbeit – während Männer sich ausschließlich dem Studium heiliger Schriften widmen. Diese Praxis wird zunehmend hinterfragt – vor allem dann, wenn das Studium vom Leben und Leiden der Menschen abgekoppelt bleibt.

• Im orthodoxen Judentum studieren viele Männer der Haredim (ultraorthodoxe Juden) lebenslang in Jeschiwot – finanziert durch Spenden, den Staat oder die Ehefrau. Die Frauen tragen oft die gesamte Last des Alltags. Auch in Israel wird das zunehmend kritisch gesehen – nicht nur von Säkularen, sondern auch von progressiven Gläubigen.
• Im salafistischen Islam gilt das Ideal des zurückgezogenen, nur Gott dienenden Mannes. Erwerbsarbeit ist für ihn zweitrangig – oft übernehmen Frauen oder Sozialhilfe die Versorgung. Auch hier regt sich innerislamische Kritik.
• In konservativ-christlichen Gruppen wie den Amish, den Quiverfull-Bewegungen oder mormonischen Fundamentalisten sehen wir ähnliche Muster: Die Männer predigen oder studieren, die Frauen versorgen Haus, Kinder und Gemeinschaft – meist ohne Stimme und Mitsprache.
• In Teilen des Hinduismus, besonders in Aschram-Strukturen, übernehmen Männer die Rolle der asketischen Lehrer – während Frauen sich um Küche, Reinigung und Pflege kümmern.

Ein globales Muster wird sichtbar: Ausgrenzung durch religiöse Rollenverteilung.
Diese Strukturen sind kein exklusives Merkmal einer bestimmten Religion. Sie entstehen dort, wo wörtliche Auslegung heiliger Texte mit patriarchalen Gesellschaftsformen verschmilzt. Die Folge ist ein religiös legitimiertes Ungleichgewicht – oft auf dem Rücken der Frauen, oft abgekoppelt vom Leid der Armen.

05.02 Desinteresse in der Gegenwart – ein persönliches Beispiel

„Ich will euch ein persönliches Beispiel erzählen“, sagte der Lehrer und holte tief Luft. „Ich habe einmal über vierzig Theologieprofessoren in Deutschland angeschrieben – hochgebildete Männer, manche mit bedeutenden Veröffentlichungen, alle mit großem Einfluss. Ich suchte den Dialog.“

Er blickte in die Runde.
„Ich kontaktierte auch alle Pastoren und Dozenten der freikirchlichen Ausbildungsstätte St. Chrischona – dort hatte ich einst selbst studiert. Auch dort suchte ich das Gespräch.“

Er machte eine Pause, ließ den Blick schweifen, dann fuhr er leise fort:
„Eine Antwort werde ich nie vergessen. Sie kam von einem ehemaligen Studienkollegen und Pfarrer: ‚Verschon mich mit deinem Stuss.‘ Mehr nicht. Kein Argument. Keine Neugier. Keine Bereitschaft zum Dialog.
Hätten ARD oder RTL eingeladen – sie wären wahrscheinlich erschienen. Aber für einen einfachen, kritischen Theologen? Kaum jemand hatte Zeit. Kaum jemand Interesse.

Nur einer – ein alter Studienfreund – schrieb mir mit Wärme, Offenheit und Zuwendung. In ihm spiegelte sich etwas von der Liebe Jesu.
Bei den anderen? Dogmatismus. Als sei er selbst die Antwort auf das Leben.“

Er trat einen Schritt zur Seite, als wolle er sich selbst Raum geben.
„Ich fühlte mich wie einer jener Menschen zur Zeit Jesu: klein, stimmlos, ausgeliefert der Arroganz derer, die meinen, Gott zu kennen, weil sie seine Bücher studiert haben.
Die Pharisäer lehrten – aber sie berührten nicht. Auch heute sind viele theologische Fakultäten Orte der Selbstbezogenheit. Voller Fremdwörter. Voller geschlossener Zirkel.
Was fehlt, ist die Berührung mit dem Leid. Mit der Wirklichkeit. Mit dem Menschen.“

Er hob die Stimme leicht:
„Theologie wird dort oft nicht für Suchende gemacht, sondern für Prüfungen. Für Karrieren. Für Systempflege.
Wer aus dem Rahmen fällt, wird ignoriert. Oder ausgelacht.
Doch Jesus scheint niemanden ausgelacht zu haben.
Überprüfen kann ich diese Wunschvorstellung nicht.“

Der Autor lachte.

 

05.03 Jesus stellte sich quer

„Was wir aus den Evangelien wissen:
Jesus war anders.
– Er sprach anders.
– Er handelte anders.
– Er stellte das System infrage.

Und genau darum wurde er gefährlich – nicht für das Volk, sondern für die religiöse Elite.
Seine Ausgrenzung erschien als Notwendigkeit – bis hin zur Kreuzigung.

Er suchte die Nähe der Ausgestoßenen.
Er sprach mit Ehebrecherinnen, mit Zöllnern, mit Fischern.
Er lud ein – nicht aus.

Und heute?
Viele Fromme – selbst in theologischen Fakultäten – würden ihn weder hören noch einladen.
Sie würden ihn, wie damals, ein zweites Mal verstoßen.“

05.04 Nach der Kreuzigung – keine Umkehr, sondern Rückfall

„Nach Jesu Tod wurde seine befreiende Botschaft nicht übernommen – sondern ersetzt.
Der Geist der Ausgrenzung lebte weiter.

Die Warnung im 2. Johannesbrief klingt wie ein Echo aus alter Zeit:
‚Wenn jemand zu euch kommt und bringt diese Lehre nicht,
nehmt ihn nicht auf in euer Haus und grüßt ihn auch nicht.
Denn wer ihn grüßt, hat teil an seinen bösen Werken.‘
(2. Johannes 10–11)

Ein Dogma ersetzt den Dialog.
Der Verfasser steht damit nicht in der Linie Jesu –
sondern in der Tradition derer, die ihn ablehnten.

Kein Raum für Andersdenkende – damals wie heute.

Selbst in heutigen Bibelkommentaren begegnet uns dieser Geist.
Adolf Küpfer etwa schreibt:
‚Diese Verse reden von Irrlehrern […], die Dinge bringen, welche […] im Widerspruch stehen zur Gesamtlehre der Heiligen Schrift.‘

Die Folge:
Wer abweicht, darf nicht einmal gegrüßt werden.“

 

05.05 Ausgrenzung lebt weiter – auch in der Politik

„Trump etwa beansprucht Meinungsfreiheit fast ausschließlich für sich:
– Kritiker sollen schweigen.
– Medien und Gerichte sich unterordnen.
– Widerspruch wird diffamiert.

Es ist dieselbe Haltung, die einst Jesus kreuzigte:
Dogmatisch. Selbstgerecht.
Unfähig zur Liebe.“

 

05.06 Die Feindesliebe als Schlüssel zu neuen Verhaltensmustern

„Wer Andersdenkenden nicht einmal zuhört,
wer das Rederecht an Dogmen bindet,
lebt nicht die Botschaft Jesu.

Das sind erlernte Verhaltensmuster.
Doch sie könnten durch neue, heilsame Muster ersetzt werden –
nicht spekulativ oder dogmatisch, sondern ganz praktisch:
durch die freie Entscheidung des Herzens.
Also: kein Zwang. Kein Glaubensbekenntnis. Kein Dogma.

Und doch ist es die radikalste Forderung Jesu: die Feindesliebe.
Das klingt nach Idealismus, nach Fernsehpredigt oder Weltflucht –
doch genau sie war das Herzstück seiner Botschaft.
Nicht bloß ein Appell zur Milde,
sondern eine revolutionäre Ethik:
eine Haltung, die Gewalt durchbricht,
Grenzen überwindet
und selbst den Hass entwaffnet.

Darum der Mensch Jesus –
vielleicht vor- und außerehelich gezeugt,
vielleicht als Kind selbst verletzt –
forderte nicht nur Nächstenliebe.
Er ging weiter:

Liebe deine Feinde.
Tu Gutes denen, die dich hassen.
Segne, die dich verfluchen.

Diese Worte sind kein religiöses Beiwerk.
Sie sind der Prüfstein jedes Glaubens, jeder Menschlichkeit, jeder politischen Moral.

„Darf ich wieder jemanden bitten, den Text auf der Leinwand zu lesen?“

Eine Studentin las laut und klar:

Matthäus 5,43–48

43 Ihr habt gehört, dass gesagt ist:
‚Du sollst deinen Nächsten lieben‘ und deinen Feind hassen.
44 Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen,
45 damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel seid.
Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute
und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.
46 Wenn ihr liebt, die euch lieben – was für einen Lohn habt ihr davon?
Tun das nicht auch die Zöllner?
47 Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt – was tut ihr Besonderes?
Tun das nicht auch die Heiden?
48 Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist.

„Danke. Möchten Sie auch den nächsten Text lesen?“

Die Studentin nickte und fuhr mit Lukas fort:

Lukas 6,27–36 (Auswahl)

27 Aber ich sage euch, die ihr zuhört: Liebt eure Feinde,
tut wohl denen, die euch hassen;
28 segnet, die euch verfluchen;
bittet für die, die euch beleidigen.
29 Wer dich auf die eine Wange schlägt, dem biete die andere auch dar;
wer dir den Mantel nimmt, dem verweigere auch den Rock nicht.
30 Wer dich bittet, dem gib; und wer dir das Deine nimmt, fordere es nicht zurück.
31 Und wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch!
32 Wenn ihr nur die liebt, die euch lieben – welchen Dank habt ihr davon?
Denn auch die Sünder lieben, die sie lieben.
35 Vielmehr: Liebt eure Feinde, tut Gutes und leiht,
ohne etwas zurückzuerhoffen.
So wird euer Lohn groß sein, und ihr werdet Kinder des Höchsten sein;
denn er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen.

„Ich danke Ihnen“, sagte der Lehrer. „Bevor wir weiterreden, noch ein letzter Text aus dem Römerbrief.“

Ein junger Mann las:

Römer 12,17–21

17 Vergeltet niemandem Böses mit Bösem.
Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann.
18 Ist’s möglich – so viel an euch liegt – so habt mit allen Menschen Frieden.
19 Rächt euch nicht selbst, meine Lieben,
sondern gebt Raum dem Zorn Gottes;
denn es steht geschrieben: ‚Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.‘
20 Vielmehr: ‚Wenn deinen Feind hungert, gib ihm zu essen;
dürstet ihn, gib ihm zu trinken.
Wenn du das tust, wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln.‘
21 Lass dich nicht vom Bösen überwinden,
sondern überwinde das Böse mit Gutem.“

„Danke. Hier zitiert Paulus aus Sprüche 25,21f – ein Beleg, dass schon im Alten Testament Ansätze zur Feindesliebe vorhanden waren.
Ganz neu war Jesu Lehre also nicht – aber er radikalisierte und universalisierte sie.

Auch 3. Mose 19,18 enthält einen wichtigen Hinweis:

‚Du sollst dich nicht rächen
noch Zorn bewahren gegen die Kinder deines Volkes.
Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
Ich bin der HERR.‘

Doch dieser Vers bezog sich ursprünglich nur auf die Kinder des eigenen Volkes.
Nächstenliebe galt den beschnittenen Bundesgenossen –
nicht aber den Fremden, Nichtisraeliten oder Unbeschnittenen.

Für sie galten andere Regeln. Laut 5. Mose 20,10ff durften sie:
• angegriffen,
• versklavt,
• beraubt
• und sogar getötet werden.

Schon damals also ein Denken nach dem Motto: ‚Israel first‘ –
wie heute: ‚America first‘.
Ein Denken, das den Wert des Lebens an die Zugehörigkeit zur eigenen Gemeinschaft knüpft.“

Der Lehrer machte eine Pause und fuhr dann fort:

„Und heute?

Wir begegnen dieser Logik erneut:
• Migranten, Asylsuchende, Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlinge – Menschen, die vor Elend und Gewalt fliehen – werden abgewiesen.
• Einzelne Straftaten werden aufgebauscht, um kollektive Abwehr zu rechtfertigen.
• Das Leben dieser Menschen gilt vielen als weniger wert.

‚Das Boot ist voll‘ – so hieß es in der Schweiz,
als wir im Zweiten Weltkrieg jüdische Flüchtlinge an der Grenze zurückgewiesen haben.

Jesu Feindesliebe durchbricht diese Logik.
Doch viele, die sich heute auf ihn berufen,
haben seine Botschaft nie verstanden –
oder längst vergessen.“

 

05.07 Feindeshass war einst – und ist heute – einfacher zu leben

Der Lehrer deutete auf die Wandprojektion.
„Würde diese Texte bitte wieder jemand lesen?“

Ein Student las:

„Also sprach der HERR auf dem Berg Sinai …
Wenn ihr Sklaven wollt, kauft sie im Ausland – bei den Nichtbeschnittenen.“
(3. Mose 25,1+44)

Er fuhr mit dem nächsten Text fort:

„10 Wenn du vor eine Stadt ziehst, um gegen sie zu kämpfen,
sollst du ihr zuerst den Frieden anbieten.
11 Antwortet sie friedlich, so soll das Volk dir fronpflichtig sein.
12 Will sie aber nicht, so belagere sie.
13 Und wenn der HERR, dein Gott, sie dir in die Hand gibt,
so schlage alles Männliche mit dem Schwert.
14 Die Frauen, Kinder, das Vieh und die Beute aber sollst du dir aneignen …“
(5. Mose 20,10ff)

„Danke“, sagte der Lehrer und fuhr fort:
„Diese Texte zeigen ein religiös sanktioniertes Denken in Kategorien von Eigenen und Fremden.
Und genau dieses Denken lebt weiter – in Grenzpolitik, Lagerdenken, Nationalismus.
Damals war es der Unbeschnittene, heute ist es der Illegale, der Kulturfremde, der Gefährder.
Feindeshass ist einfacher zu leben – er braucht keine Empathie.“

05.08 Feindesliebe hat diesen gelebten Hass überwunden

Sklaverei wurde abgeschafft, Imperialismus wird heute mehrheitlich abgelehnt.
Und für viele bedeutet Feindesliebe heute auch:

• Liebe zu Migranten,
• zu Asylsuchenden,
• zu Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen –
• und zu Andersdenkenden.

Nicht Ausgrenzung wegen Meinung, Herkunft oder Religion –
sondern Gespräch, Zuhören, Mitmenschlichkeit.

Diese Haltung lebt – quer durch viele Glaubensrichtungen:
in Freikirchen, im Islam, im Judentum, im Buddhismus, bei Hindus,
sowie bei Atheisten und Agnostikern.

Die Erkenntnis wächst:
Es gibt keine Menschen zweiter Klasse.
Alle sind gleich wertvoll.

Geschrieben
vor 4 Stunden schrieb Aleachim:

Selbstverständlich ist die Befreiung durch Gott, nicht etwas, das man einfach nur einmal ganz intensiv erlebt haben muss und dann geht alles von selber. Ich denke, diese "Befreiung aus der Sklaverei" ist etwas, das wir immer und immer wieder ganz individuell, aber manchmal vermutlich auch kollektiv erfahren können.

 

Ich sehe das genauso. Dass man die Befreiung aus der Sklaverei immer und immer wieder erlebt bzw. sich immer und immer wieder bewusst macht.

Vielleicht fällt das aber vormalig nichtglaubenden Menschen nach einer Bekehrung etwas leichter als denen, die immer schon gläubig waren. Denn die Bekehrten haben oftmals dieses eine krasse Exoduserlebnis. Es gibt das Vorher. Und das Nachher. Es werden einem schlagartig die ganzen Götzen bewusst, denen man bisher angehangen hat. Die Ersatzbefriedigungen, Süchte und all das, das man zur Ersatzreligion erhoben hat. Die Götzen, die einen unfrei machen und versklaven. Und dieses intensive Gefühl der Freiheit, das sich einstellt, wenn all das auf einmal unwichtig wird!

Natürlich bleibt es nicht dabei, man fällt immer wieder in alte Schemata zurück. Im Grunde geht es uns nicht anders, als Israel, über das man beim Lesen des ATs nur den Kopf schütteln kann und sich ständig denkt... "Och neeee, nicht schon wieder! Ihr seid echt so doof!"

Ich denke, wir sind alle nicht besser. Ständig schleichen sich wieder irgendwelche Götzen ein. Irgendetwas, das wir vor Gott stellen. Und immer wieder hilft Er uns da raus. Wenn man mal drüber nachdenkt, ist das echt unglaublich...

Geschrieben
vor 8 Minuten schrieb Kara:

Wenn man mal drüber nachdenkt, ist das echt unglaublich...

 

Ich denke, das trifft es! 😉

Gerhard Ingold
Geschrieben

06 Der Heilige Geist erwies sich als Menschengeist

06.01 Eine erfundene Geschichte von Nelli
06.02 Der Geist der Wahrheit mit großen Fragezeichen
06.03 Der Geist der Wahrheit – oder der Geist des Behauptens?
Schlussabsatz: Der Heilige Geist als Menschengeist

 

 

 

06 Der Heilige Geist erwies sich als Menschengeist

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06.01 Eine erfundene Geschichte von Nelli

„Heute beginne ich mit der Vorlesung über den Heiligen Geist.
Dazu habe ich eine kleine Geschichte erfunden:

Nelli war eine von vielen.
„Warum verkaufen wir alles?“, fragte sie ihre Mutter.
„Petrus hat uns gelehrt, dass Jesus noch zu unseren Lebzeiten zurückkehren wird“, antwortete diese. „Deshalb treffen wir uns täglich mit den Geschwistern zum Gebet – wir bitten Gott, dass Jesus bald kommt.“

Jahre später, als Nelli vom Tod des Petrus hörte, wurde ihr etwas klar:
Jesus war nicht zurückgekehrt – und doch war sie gefangen geblieben in den Predigten jener Zeit.

Gehorchen, nicht fragen – das war das Wichtigste.
So hatte es auch meine Mutter mir beigebracht:
„Stell nicht ständig solche Fragen – vor allem keine dummen.“

Sie ist längst gestorben. Doch ihre Worte – hart, abweisend, unkritisch – leben in mir fort. Worte, die keine Fragen zuließen.

Und jedes Kind wünscht sich eine liebende, zuhörende, fragende Mutter – nicht eine, die jede unbequeme Frage mit Schlägen beendet.

Eine dieser ›dummen‹ Fragen möchte ich heute mit euch untersuchen: Wie konnte es geschehen, dass man sich so radikal von den Grundgedanken Jesu entfernte?

 

06.02 Der Geist der Wahrheit mit großen Fragezeichen

Bei meinen Recherchen stieß ich auf eine mögliche Antwort – sie findet sich im Johannesevangelium, Kapitel 16, Vers 13ff:

„Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in aller Wahrheit leiten.“

Doch wie immer gilt:
Nur im Zusammenhang erschließt sich der Sinn.
„Wer möchte den Text vorlesen?“

Eine Frau mit hüftlangem Haar meldete sich. Mit sanfter Stimme las sie:

„5 Jetzt aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat; und niemand von euch fragt mich: Wo gehst du hin?
6 Doch weil ich dies zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauer.
7 Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich weggehe.
Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch.
Wenn ich aber gehe, werde ich ihn zu euch senden.
8 Und wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht:
9 über die Sünde, dass sie nicht an mich glauben;
10 über die Gerechtigkeit, dass ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht seht;
11 über das Gericht, dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist.
12 Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen.
13 Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in aller Wahrheit leiten.
Denn er wird nicht aus sich selber reden, sondern was er hören wird, das wird er reden,
und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen.
14 Er wird mich verherrlichen; denn von dem Meinen wird er’s nehmen und euch verkündigen.
15 Alles, was der Vater hat, das ist mein.
Darum habe ich gesagt: Er nimmt es von dem Meinen und wird es euch verkündigen.“

(Johannes 16,5–15)

„Danke“, sagte der Lehrer.
„Diese Passage stammt nur aus dem Johannesevangelium – vermutlich verfasst zwischen 80 und 120 n. Chr.
Evangelikale datieren es oft früher, um 70 n. Chr., während historisch-kritische Exegeten eher 90–120 n. Chr. annehmen (vgl. Udo Schnelle, Einleitung in das Neue Testament, Göttingen 2007).“
Er trank einen Schluck Wasser und fuhr fort:

„Wie auch immer – alle Evangelien wurden erst nach dem Tod des Petrus verfasst. Jesu angekündigte Wiederkunft ließ auf sich warten. Was blieb, waren Erinnerungen. Und die funktionieren wie stille Post.

Frage an Sie: Wer kann heute exakt wiedergeben, was er gestern sagte? Wer ehrlich ist, kennt Lücken.

Ich zum Beispiel habe als Kind viele Schläge bekommen. Doch nicht alle erinnere ich – viele sind, wie bei traumatischen Erlebnissen üblich, im Unterbewusstsein vergraben. Solche Erfahrungen vergisst man nicht einfach – aber man erinnert sie oft nur bruchstückhaft.

Bei den Menschen, die Jesus erlebt hatten, ging es nicht um solche Traumata – und doch waren auch ihre Erinnerungen lückenhaft. Das spiegelt sich besonders im jüngsten Evangelium wider.

Was am vierten Evangelium auffällt: Es enthält viele ›Ich-bin‹-Worte und spekulative Reden – etwa: „Wer nicht mein Blut trinkt …“

In der Psychiatrie hätten wir solche Aussagen als überwertig, manchmal sogar als krankhaft bezeichnet. Darum meine These: Das Johannesevangelium enthält nicht die Worte Jesu, sondern den Glauben einer sich abgrenzenden Gemeinschaft.

Je mehr sich dieser Glaube verbreitete, desto heftiger wurden die Auseinandersetzungen: Ging es um Gottähnlichkeit – oder um Gottgleichheit?

325 n. Chr. entschied sich Kaiser Konstantin für die Gottgleichheit Jesu.
Das Konzil von Nicäa erklärte sie zum Dogma. Und seither floss viel unschuldiges Blut – wegen einer Behauptung, die niemand beweisen konnte.

Diese große Verheißung – „Geist der Wahrheit“
steht im Widerspruch zu vielen Entwicklungen der Kirchengeschichte.

Auffällig ist auch:
Diese Worte finden sich nur bei Johannes – nicht bei Markus, Matthäus oder Lukas.

Daher meine Frage: Hat der Autor des Johannesevangeliums Jesus diese Worte in den Mund gelegt?

Denn im Licht der Geschichte wirkt dieser sogenannte „Geist der Wahrheit“ wie eine der folgenreichsten falschen Verheißungen des frühen Christentums.“

 

06.03 Der Geist der Wahrheit – oder der Geist des Behauptens?

Der Lehrer nahm einen Schluck Wasser und fuhr fort:

„Die Naherwartung der ersten Christen unter Petrus – und die Entwicklung von 245 Dogmen der katholischen Kirche – zeigen eine bittere Realität:

Statt Vernunft: Spekulation.
Statt Wahrheit: Behauptung.

Frage an euch:
Kann jemand eines dieser Dogmen wie die Gottähnlichkeit oder die Gottgleichheit beweisen?

Nicht einmal die besten Künstlichen Intelligenzen – weder Bing Copilot noch ChatGPT – können ein einziges Dogma beweisen.

Warum?
Weil es keine naturwissenschaftlichen Aussagen sind.
Sie beruhen auf einer Offenbarungsbehauptung, kirchlicher Autorität – und Glauben.

Typisch ist der Zirkelschluss:
„Es ist wahr, weil die Kirche es sagt – und die Kirche kann sich nicht irren, weil sie vom Heiligen Geist geleitet wird.“

Das ist kein Beweis, sondern ein Selbstverweis.

Beispiele für unbeweisbare Dogmen:

  • Unbefleckte Empfängnis Mariens (1854) – biologisch nicht überprüfbar
  • Leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel (1950) – nirgends bezeugt
  • Transsubstantiation (1215) – Wandlung von Brot und Wein ist unsichtbar
  • Unfehlbarkeit des Papstes (1870) – eine selbstverliehene Autorität

Dogmen beanspruchen Wahrheit –
doch sie können sie nicht belegen.

Sie funktionieren nur innerhalb des Glaubenssystems – außerhalb fehlt jede überprüfbare Grundlage.

Der katholische Theologe Karl Rahner schrieb 1976:

„Ein Dogma ist kein mathematischer Satz. Es ist Ausdruck des Glaubens, der sich an die glaubende Kirche richtet.“ (Grundkurs des Glaubens, München).

→ Für Außenstehende bleibt es unverständlich.

Auch Joseph Ratzinger (Papst Benedikt XVI.) schrieb 1968:

„Dogmen sind wie Fenster in die Tiefe der Offenbarung. Sie sind keine Ersatzantworten für das Suchen.“ (Einführung in das Christentum)

→ Auch er sagt: Dogmen führen – sie beweisen nichts.

Ganz anders dagegen das Werk von Neuner-Roos:

„Dogmen sind unfehlbare Aussagen des Lehramtes. Sie sind für alle Gläubigen verbindlich und durch Glaubensgehorsam zu bejahen“ (Freiburg)

→ Gültigkeit durch Autorität – nicht durch Wahrheit.

Ähnlich John Henry Newman (1870):

„Zustimmung zum Dogma ist kein Ergebnis logischer Beweise, sondern Folge der Zustimmung des Herzens.“ (Grammar of Assent).

→ Ein Akt des Glaubens, nicht der Vernunft.

Der Lehrer blickte ernst in die Runde.

„An diese verstorbenen Herren hätte ich eine Frage: Warum habt ihr – oder eure Vorgänger – Menschen getötet, ohne je beweisen zu können, dass eure Dogmen wahr sind?

Das Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit atmet nicht den Geist Jesu, sondern den Geist des Machtanspruchs.

Ich sehe viele fragende Augen.
Mögt ihr noch zuhören?“

Die Studierenden begannen zu klatschen.
Das war Antwort genug.

 

Schlussabsatz: Der Heilige Geist als Menschengeist

Zu allen Zeiten meinten geistliche Führer, vom Heiligen Geist geleitet zu sein.
Doch diese Haltung führte immer wieder zu fragwürdigen Entscheidungen –
wie etwa zur Wahl Donald Trumps durch evangelikale Christen.

Seit zweitausend Jahren zieht sich dieser Wahrheitsanspruch durch die Kirchengeschichte.
Doch allzu oft war der sogenannte „Heilige Geist“ nichts anderes
als der Geist menschlicher Selbstüberschätzung.

Das gilt für katholische Dogmatiker ebenso
wie für evangelikale, charismatische und pfingstkirchliche Prediger.

Wo Liebe, Barmherzigkeit und der Schutz der Schwachen
dem Gehorsam unter Dogmen geopfert werden,
spricht nicht der Geist Gottes –
sondern ein unheiliger Menschengeist.

Die folgenden Beispiele aus Geschichte und Gegenwart werden das verdeutlichen.

 

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