iskander Geschrieben 30. September Melden Geschrieben 30. September Die folgende Seite habe ich eher zufällig gefunden, finde sie aber interessant: https://historyforatheists.com/ Der Verfasser (Tim O’Neill) ist ein Akademiker mit historiographischer Ausbildung, der selbst freigeistig eingestellt ist, den es aber stört, wie manche Atheisten die Geschichte behandeln, um Argumente gegen die Religion zu haben. Er schreibt: "I am an atheist, sceptic and rationalist who is a subscribing member of the Atheist Foundation of Australia and a former state president of the Australian Skeptics. I have contributed to many atheism and scepticism fora over the years and have a posting record as a rationalist that goes back to at least 1992. [...] After over ten years of seeing supposed “rationalists”, most of them with no background in or even knowledge of history, using patent pseudo history as the basis for arguments against and attacks on religion, I felt someone needed to start correcting the popular misconceptions about history which are rife among many vocal atheist activists. I also felt there needed to be some push-back by a fellow unbeliever against several fringe theories and hopelessly outdated ideas which have no credibility among professional scholars and specialists, but which seem to be accepted almost without question by many or even most anti-theistic atheists. “History for Atheists” has grown out of these convictions." Der Autor geht auf zahlreiche Einzel-Themen ein. Ich selbst zu wenig kompetent genug, um zu den meisten Punkten viel zu sagen, möchte aber auf die Seite hinweisen und die Inhalte zur Diskussion stellen. 3 Zitieren
iskander Geschrieben 7. Oktober Autor Melden Geschrieben 7. Oktober (bearbeitet) Auf einen Beitrag von @Marcellinus aus einem andere Thread antworte ich einmal hier: vor 4 Stunden schrieb Marcellinus: Ich werde aus der Seite nicht schlau. Der Autor behauptet, kein christlicher Apologet zu sein, argumentiert aber genau wie einer. Vielleicht ist die Seite auch nur aus der Perspektive der weltanschaulichen Debatte in den USA erklärlich. Aus der Sicht eines Atheisten müßte die Frage nach einem historischen Jesus ungefähr so interessant sein wie die nach einem historischen King Arthur oder Robin Hood, und die Frage nach einem "historischen Christus" ist überhaupt keine historische Frage. Daher kenne ich auch keinen ernstzunehmenden Historiker, der sich in Deutschland mit dieser Frage beschäftigt. Es ist einfach Fakt, daß dieser Jesus, wenn er denn existiert hat, keinen nachweislichen Einfluss auf das entstehende Christentum gehabt hat (sonst hieße es ja auch "Jesustum"). Die Person des Christus dagegen ist einfach ein Mythos. Man glaubt daran oder nicht. Für Historiker ist da nichts zu gewinnen. Der Autor hat sich auch kritisch mit christlicher Apologetik auseinandersetzt. Er selbst schreibt: "“Why don’t you expose distortions of history by Christians as well?” Largely because there are plenty of blogs, books and online fora that do that quite well. Unfortunately, I don’t know of any other online resources by an atheist which does the same for atheist pseudo history. Given how much online atheists talk about fact-checking, objectivity, self-criticism and welcoming correction, that is very strange but it’s the case nonetheless. There are other forums where I have tackled Christian distortions of history, such as the claim the Crusades were actually justified defensive wars against Islamic encroachment on western Europe, or Christian attempts at reconciling the contradictory accounts of Jesus’ birth in the gospels of Matthew and Luke. I have also written detailed articles debunking common Christian apologetic claims on the historicity of the resurrection of Jesus, the supposed Old Testament prophecies allegedly fulfilled by Jesus or the claim that Jesus claimed to be divine. But this particular blog is focused on examples of atheist bad history." Er selbst meint, dass er eigentlich nur Sachen präsentieren würde, die in der Forschung allgemein anerkannt seien. Ihn störe es, dass von manchen Leuten in der kritischen Auseinandersetzung mit dem Christentum Thesen als Tatsachen vertreten würden, die (aus gutem Grund) innerhalb der Geschichtswissenschaft allgemein als falsch angesehen würden. Der Autor meint, dass es allgemein anerkannt sei, dass es sehr wahrscheinlich eine reale Person namens Jesus gab, die gekreuzigt wurde und von der ausgehend sich das Christentum entwickelt habe. Ich glaube nicht, dass es ihm darum geht, wie wichtig diese Frage aus (säkularer) Sicht ist, sondern darum, dass seiner Meinung nach Kritiker des Christentum mit (aus seiner Sicht) schlechten Argumenten versuchen, die Historizität der Person Jesu abzustreiten - und dass er dies eben als unangemessen empfindet. Mein persönlicher bisheriger Eindruck von dem Blog ist positiv. Ich bin nun aber kein Historiker, und wenn es da Kritik gibt, bin ich für diese offen. bearbeitet 7. Oktober von iskander Zitieren
Marcellinus Geschrieben 7. Oktober Melden Geschrieben 7. Oktober vor einer Stunde schrieb iskander: Mein persönlicher bisheriger Eindruck von dem Blog ist positiv. Ich bin nun aber kein Historiker, und wenn es da Kritik gibt, bin ich für diese offen. Ich sagte es ja bereits, daß das aus meiner Sicht keine Themen für einen Historiker sind. Als Historiker gegen die These von der Auferstehung zu argumentieren, ist so ähnlich, wie, wenn ein Biologe nachzuweisen versucht, warum es keine Einhörner geben kann. Hier gehen halt Theologie und Geschichte fröhlich durcheinander, und dass es wieder gut für das eine, noch für das andere. 1 Zitieren
Domingo Geschrieben 7. Oktober Melden Geschrieben 7. Oktober (bearbeitet) vor 7 Stunden schrieb Marcellinus: Als Historiker gegen die These von der Auferstehung zu argumentieren, ist so ähnlich, wie, wenn ein Biologe nachzuweisen versucht, warum es keine Einhörner geben kann. Hier gehen halt Theologie und Geschichte fröhlich durcheinander, und dass es wieder gut für das eine, noch für das andere. Diese Art des Argumentierens kritisiert O'Neill hier. Ein NT-Gelehrter oder Religionswissenschaftler stellt fest, dass es nach Meinung so ziemlich aller, die sich auf dem Gebiet auskennen, einen historischen Jesus gegeben haben muss. Darauf antwortet der Mytizist mit "Also glaubst du, dass es wiklich einen Gottessohn gab, der auf dem Wasser gehen konnte?" Darum geht es nicht. Doch verstehe ich Deinen Einwand im anderen Thread: Jesus kommt in den christlichen Quellen von Anfang an kaum als echter Mensch aus Fleisch und Blut zum Vorschein, sondern eher als ein abstraktes himmlisches Wesen. Ich denke aber, es geht nicht wikrlich um Jesus; es geht darum, wie das Christentum entstanden ist. Diese Frage ist mE sehr wohl für Historiker von Interesse, jedenfalls für Religionshistoriker. Um sie zu beantworten, sind unterschiedliche Modelle vorgeschlagen worden; das Modell aber, wonach es einen historischen Jesus gab, einen religiösen Lehrer, der viele Leute unter sich versammelte und dessen Tod eine Erklärungsnot bei ihnen auslöste, die zum Entstehen der christlichen Theologie führte, ist nunmal wahrscheinlicher als sein Gegenteil. Wenn Dich die Thematik nicht interessiert, ist es schon ok und Dein gutes Recht. Man kann aber mE nicht behaupten, sie sollte keinen seriösen Historiker interessieren und sei an und für sich belanglos. bearbeitet 7. Oktober von Domingo 3 Zitieren
iskander Geschrieben 8. Oktober Autor Melden Geschrieben 8. Oktober (bearbeitet) vor 7 Stunden schrieb Marcellinus: Als Historiker gegen die These von der Auferstehung zu argumentieren, ist so ähnlich, wie, wenn ein Biologe nachzuweisen versucht, warum es keine Einhörner geben kann. Hier gehen halt Theologie und Geschichte fröhlich durcheinander, und dass es wieder gut für das eine, noch für das andere. Wie auch @Domingo habe ich den Eindruck, dass der Autor da durchaus eine Trennung vornimmt. Ihm geht es, wenn ich richtig verstehe, nicht um die eine Widerlegung der Auferstehung im eigentlichen Sinne, sondern darum, dass sich seiner Meinung nach anhand der überkommenen Dokumente plausibel erklären lasse, wie die Überzeugung von der Auferstehung sich nach und nach im Lauf der Zeit entwickelt hat, und warum. (Woraus er dann vielleicht auch noch den Schluss zieht, dass eine natürliche Erklärung die einfachste und beste sei, um den Glauben an die Auferstehung zu erklären.) Er macht auch klar, dass es ihm bei Jesus nicht um das geht, was Gläubige in ihm sehen: "“When you talk about Jesus, do you mean the miraculous figure found in the gospels?” No. When scholars talk about “the historical Jesus” they are referring to the Jewish man on whom the later figure of “Jesus Christ” was based. Of course, the scholars who are Christians also believe that this “historical Jesus” and the Jesus of Christian faith are identical or at least very similar. But I (and many leading scholars) do not. I conclude that the later figure of “Jesus Christ” found in the gospels and worshipped as God by many today evolved out of memories of and beliefs about a Jewish preacher named Yeshua (“Jesus” is the English form) from the village of Nazareth in Galilee. I do not find the miracle stories about “Jesus Christ” any more convincing than any other miracles reported in ancient texts of the period – people then believed in such things but I do not. And I agree with those scholars who think the historical Jesus was most likely an apocalyptic preacher who thought the end times were coming very soon, as I detail here."" https://historyforatheists.com/about-the-author-and-a-faq/ bearbeitet 8. Oktober von iskander Zitieren
iskander Geschrieben 8. Oktober Autor Melden Geschrieben 8. Oktober (bearbeitet) vor einer Stunde schrieb Domingo: Diese Art des Argumentierens kritisiert O'Neill hier. Dazu vielleicht noch ein Beispiel aus jenem Text. Der Autor zitiert dort einen Herrn namens Larry Moran wie folgt: "[W]hat is the best historical evidence of the existence of a man called 'Jesus' who could perform miracles, rose from the dead, and was the son of god?" Der Autor kommentiert dann: "McGrath tries to note his [Moran's] error by countering that evidence that Plato was not actually the son of Apollo does not mean Plato didn’t exist. Similar examples from the ancient world could be multiplied to make the same point. The evidence for the existence of the Divine Julius who was a son of Venus and who ascended into heaven after his death is poor in the extreme, but this does not mean the historical Julius Caesar didn’t exist. Similarly, the evidence that the Divine Augustus was conceived when Apollo visited his mother Atia in the form of a snake is not good at all, but this does not mean the historical Emperor Augustus didn’t exist. Likewise, it would be hard to argue that the Divine Vespasianus actually did miraculously heal the blind and lame in Egypt, but this does not mean the historical Emperor Vespasian didn’t exist. Ancient people told miracle stories about both mythic figures and historical ones, so the existence of such stories about any figure tells us nothing much about the figure’s historicity. So it is not just possible but entirely sensible to set aside the equivalent miraculous conception, healing and heavenly ascenion stories about Jesus when examining whether he existed. And it is not sensible to point to those stories and conclude no historical Jesus existed at all. That’s a classic non sequitur." Im gleichen Text schreibt der Autor: "As noted above, the evidence that Jesus actually existed is equivalent to or slightly greater than that for analogous historical figures of the period and is the most parsimonious read of the data. So it’s the one that scholars accept as most likely – which is how the field of history works." bearbeitet 8. Oktober von iskander Zitieren
Marcellinus Geschrieben 8. Oktober Melden Geschrieben 8. Oktober vor 17 Stunden schrieb Domingo: Diese Art des Argumentierens kritisiert O'Neill hier. Ein NT-Gelehrter oder Religionswissenschaftler stellt fest, dass es nach Meinung so ziemlich aller, die sich auf dem Gebiet auskennen, einen historischen Jesus gegeben haben muss. Darauf antwortet der Mytizist mit "Also glaubst du, dass es wiklich einen Gottessohn gab, der auf dem Wasser gehen konnte?" Machst du es dir nicht ein wenig einfach? vor 17 Stunden schrieb Domingo: Darum geht es nicht. Doch verstehe ich Deinen Einwand im anderen Thread: Jesus kommt in den christlichen Quellen von Anfang an kaum als echter Mensch aus Fleisch und Blut zum Vorschein, sondern eher als ein abstraktes himmlisches Wesen. Genau das ist der Punkt, warum das kein Thema für die Geschichtswissenschaft ist, was nicht heißt, daß man nicht irgendwo jemanden findet, der sich Historiker nennt, und darüber schreibt. Einen ernstzunehmenden Kandidaten kenne ich zumindest hier im deutschsprachigen Raum keinen. vor 17 Stunden schrieb Domingo: Ich denke aber, es geht nicht wikrlich um Jesus; es geht darum, wie das Christentum entstanden ist. Diese Frage ist mE sehr wohl für Historiker von Interesse, jedenfalls für Religionshistoriker. Um sie zu beantworten, sind unterschiedliche Modelle vorgeschlagen worden; das Modell aber, wonach es einen historischen Jesus gab, einen religiösen Lehrer, der viele Leute unter sich versammelte und dessen Tod eine Erklärungsnot bei ihnen auslöste, die zum Entstehen der christlichen Theologie führte, ist nunmal wahrscheinlicher als sein Gegenteil. Das Problem ist, daß es für diese Entwicklung des Christentums keine Belege gibt. Es ist vielmehr einen nachträgliche Konstruktion. Anders ist nicht zu erklären, wie vielfältig das Christentum in seinen Anfängen war. Es wird manchmal übersehen, aber in den ersten Jahrhunderten waren die allermeisten Christen Konvertiten aus anderen Religionen, und sie brachten ihre Traditionen, Vorstellungen und Werte mit. Es gibt diese eine Lehre eines einzigen Lehrers als Ausgangspunkt einfach nicht. Sie wird erst nachträglich konstruiert. 1 Zitieren
Marcellinus Geschrieben 8. Oktober Melden Geschrieben 8. Oktober vor 16 Stunden schrieb iskander: "As noted above, the evidence that Jesus actually existed is equivalent to or slightly greater than that for analogous historical figures of the period and is the most parsimonious read of the data. So it’s the one that scholars accept as most likely – which is how the field of history works." Nein, so arbeitet die Geschichtswissenschaft nicht, und die Wissenschaften insgesamt auch nicht. Wissenschaft ist keine Demokratie, und beliebt zu sein ist nicht dasselbe wie recht zu haben. Zu sagen, daß die aktuelle Mehrheitsmeinung so und so aussieht, sagt also gar nichts, vor allem, weil dann immer von "scholars" geredet wird, was eben nicht Historiker meint, sondern meistens Theologen. Aber noch einmal, und damit die Mißverständnisse zwischen uns nicht noch größer werden, als sie schon sind: Ich behaupte nicht, daß es diese historische Person Jesus nicht gegeben hat (bin auch nicht von ihrer Existenz überzeugt), nur, daß sie für die weitere Entwicklung des Christentums keine Rolle gespielt hat (schon die frühesten Christen scheinen keine genauen Informationen über ihren Helden gehabt zu haben, selbst Alter und Geburtsdatum waren bloße Spekulation). Die allermeisten Historiker machen um diese Person einen großen Bogen. Alle Bücher über die Frühzeit des Christentums, die ich kenne, fangen erst sehr viel später an, im 2. oder manchmal auch erst im 3. Jahrhundert, wenn die Quellenlage eine geschichtswissenschaftliche Arbeit erlaubt. Und da fällt einfach auf, wie vielgestaltig dieses Christentum in seiner Entwicklungsphase war, und wie lange diese Entwicklung gedauert hat, und wie unterschiedlich das war, was in den einzelnen Gemeinden geglaubt wurde. Erst mit der Erhebung zum Kaiserkult durch Konstantin und später der Installation als exklusive Staatsreligion erhalten die Bischöfe die Machtmittel, gegen Abweichler in den eigenen Reihen vorzugehen (und ja, auch die einen Bischöfe gegen andere), und mit Machtmitteln sind hier auch ganz praktisch Soldaten gemeint. Erst in der Rückschau wird es heute so dargestellt, als habe es von Anfang an eine Orthodoxie und wenige Häretiker gegeben, wie es bei einem einzigen Lehrer als Ausgangspunkt der Bewegung zu erwarten gewesen wäre. Stattdessen gab es in der Frühzeit eine Fülle unterschiedlicher Glaubensrichtungen, die sich nur in einem einig waren, daß es nur eine "Wahrheit" geben könne. Nur welche das sei, darüber bestand Dissens und was sich durchgesetzt hat, war in der Regel eine Machtfrage, und wo es keine Zentralgewalt gab, gab es auch keine Einigung. So ist das Christentum bis heute auch eine Geschichte der Schismen. Mich erinnert das an die Geschichte und Entwicklung des Sozialismus. Am Anfang waren die Frühsozialisten, mit teilweise extrem abweichenden Vorstellungen. Erst mit den Arbeiten von Marx und Engels, sowie der Installation eines sozialistischen Regimes in der UdSSR fand eine Zentralisierung der sozialistischen Ideologie statt. Mit dem Zerfall dieser zentralen Macht beginnen nun auch die sozialistischen Vorstellungen wieder zu zerfasern. Zitieren
Domingo Geschrieben 8. Oktober Melden Geschrieben 8. Oktober (bearbeitet) vor 2 Stunden schrieb Marcellinus: Aber noch einmal, und damit die Mißverständnisse zwischen uns nicht noch größer werden, als sie schon sind: Ich behaupte nicht, daß es diese historische Person Jesus nicht gegeben hat Das war nunmal die Frage und keine andere: nicht, ob dieser Jesus Wunder wirken konnte, nicht, ob er von den Toten auferstanden ist, nicht, inwieweit das spätere Christentum seine Lehren getreu vertrat. Aber ich schätze deinen Beitrag im anderen Thread, wo Du den Unterschied zwischen Jesus und zB dem Buddha beleuchtest. Das ist ein wichtiger Punkt - aber eben nicht das, worüber O'Neill schreibt. Zitat Nein, so arbeitet die Geschichtswissenschaft nicht, und die Wissenschaften insgesamt auch nicht. Wissenschaft ist keine Demokratie, und beliebt zu sein ist nicht dasselbe wie recht zu haben. Zu sagen, daß die aktuelle Mehrheitsmeinung so und so aussieht, sagt also gar nichts, vor allem, weil dann immer von "scholars" geredet wird, was eben nicht Historiker meint, sondern meistens Theologen. O'Neill schreibt: Zitat As noted above, the evidence that Jesus actually existed is equivalent to or slightly greater than that for analogous historical figures of the period and is the most parsimonious read of the data. So it’s the one that scholars accept as most likely – which is how the field of history works Er sagt nichts über Demokratie, er schreibt nichtmal "most scholars", sondern nur "scholars." Er betont einfach, dass es mehr Belege für Jesus gibt als für ähnliche Figuren aus jenem Ort und jener Zeit, und das ist der Grund, warum die Gelehrten von der tatsächlichen Existenz Jesu ausgehen (mW zweifelt niemand an der Existenz aller anderen jüdischen Prediger, die Joshephus erwähnt...). SO funktionert Geschicht(swissenschaft). Nicht? bearbeitet 8. Oktober von Domingo 1 Zitieren
Domingo Geschrieben 8. Oktober Melden Geschrieben 8. Oktober vor 3 Stunden schrieb Marcellinus: Genau das ist der Punkt, warum das kein Thema für die Geschichtswissenschaft ist, was nicht heißt, daß man nicht irgendwo jemanden findet, der sich Historiker nennt, und darüber schreibt. Einen ernstzunehmenden Kandidaten kenne ich zumindest hier im deutschsprachigen Raum keinen. Die Exisentz Jesu als solche ist in der Tat kein Thema für irgendeine akademische Disziplin. Es gibt aber nun einige Figuren in der englischprachigen Welt, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Jesus als völlig mythologisch zu erweisen und die These zu verteidigen, dass das Christentum in diesem Mythos seinen Urpsung hat. Das lässt sich nicht wikrlich belegen, und diese These ist halt eine ins Kraut schießende Theorien wie die von Graham Hancock, von Däniken usw. 1 Zitieren
Marcellinus Geschrieben 9. Oktober Melden Geschrieben 9. Oktober (bearbeitet) vor 21 Stunden schrieb Domingo: Am 8.10.2025 um 19:02 schrieb Marcellinus: Genau das ist der Punkt, warum das kein Thema für die Geschichtswissenschaft ist, was nicht heißt, daß man nicht irgendwo jemanden findet, der sich Historiker nennt, und darüber schreibt. Einen ernstzunehmenden Kandidaten kenne ich zumindest hier im deutschsprachigen Raum keinen. Die Exisentz Jesu als solche ist in der Tat kein Thema für irgendeine akademische Disziplin. Es gibt aber nun einige Figuren in der englischprachigen Welt, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Jesus als völlig mythologisch zu erweisen und die These zu verteidigen, dass das Christentum in diesem Mythos seinen Urpsung hat. Das lässt sich nicht wikrlich belegen, und diese These ist halt eine ins Kraut schießende Theorien wie die von Graham Hancock, von Däniken usw. Meinst du so jemanden wie Robert M. Price, von dem Wiki schreibt, daß er eine Jesus-Mythos-Theorie vertritt? Du hast sicherlich recht, die Behauptung, eine Person Jesus habe es mit Sicherheit nicht gegeben, ist nicht zu belegen. Nicht-Existenz ist nun mal kaum zu beweisen. Allerdings habe ich bei ihm ein Zitat gefunden, das sich etwas vernünftiger anhört: "Der historische Jesus (wenn es denn einen gab) könnte durchaus ein messianischer König, ein fortschrittlicher Pharisäer, ein galiläischer Schamane, ein Magus oder ein hellenistischer Weiser gewesen sein. Aber er kann wohl kaum all das gleichzeitig gewesen sein. [...] Denn so wie ein Jesus, der so viele Gestalten annehmen konnte, zunächst keine wirkliche Gestalt hatte, können wir sagen, dass ein "historischer Jesus", der mit fast gleicher Plausibilität als Magier, Revolutionär, kynischer Weiser, apokalyptischer Prophet usw. dargestellt werden kann, überhaupt keine wirkliche und bestimmte Gestalt hat! [...] Die unvermeidliche Schlussfolgerung ist, dass, selbst wenn es einen historischen Jesus gab, der vor zweitausend Jahren tatsächlich auf der Erde wandelte, es keinen historischen Jesus mehr gibt! Das Original ist unwiederbringlich, es sei denn, jemand erfindet eine Zeitmaschine und reist zurück, um Jesus zu treffen..." (Robert M. Price: Deconstructing Jesus) bearbeitet 9. Oktober von Marcellinus Zitieren
iskander Geschrieben 9. Oktober Autor Melden Geschrieben 9. Oktober (bearbeitet) Am 8.10.2025 um 19:48 schrieb Marcellinus: Nein, so arbeitet die Geschichtswissenschaft nicht, und die Wissenschaften insgesamt auch nicht. Wissenschaft ist keine Demokratie, und beliebt zu sein ist nicht dasselbe wie recht zu haben. Zu sagen, daß die aktuelle Mehrheitsmeinung so und so aussieht, sagt also gar nichts, vor allem, weil dann immer von "scholars" geredet wird, was eben nicht Historiker meint, sondern meistens Theologen. Wenn man dem Autor Glauben schenken darf, gibt es aus guten Gründen einen breiten Konsens unter jenen Wissenschaftlern, die in relevanten Feldern arbeiten - nichtchristliche Wissenschaftler eingeschlossen. Andere scheinen das zu bestätigen, etwa der agnostisch-atheitische Bibelforscher Bart Ehrman: "He [Jesus] certainly existed, as virtually every competent scholar of antiquity, Christian or non-Christian, agrees, based on certain and clear evidence." Als jemand, der sich selbst nicht in diese Frage vertieft hat, sehe ich in einem breiten Konsens zwar keinen Beweis, schon aber ein gewisses Indiz. Dass nicht viele Historiker viel über Jesus reden, mag vielleicht auch damit zu tun haben, dass man wenig sagen kann, und dass das wenige schon gesagt wurde? Zitat Allerdings habe ich bei ihm ein Zitat gefunden, das sich etwas vernünftiger anhört: "Der historische Jesus (wenn es denn einen gab) könnte durchaus ein messianischer König, ein fortschrittlicher Pharisäer, ein galiläischer Schamane, ein Magus oder ein hellenistischer Weiser gewesen sein. Aber er kann wohl kaum all das gleichzeitig gewesen sein. [...] Denn so wie ein Jesus, der so viele Gestalten annehmen konnte, zunächst keine wirkliche Gestalt hatte, können wir sagen, dass ein "historischer Jesus", der mit fast gleicher Plausibilität als Magier, Revolutionär, kynischer Weiser, apokalyptischer Prophet usw. dargestellt werden kann, überhaupt keine wirkliche und bestimmte Gestalt hat! [...] Die unvermeidliche Schlussfolgerung ist, dass, selbst wenn es einen historischen Jesus gab, der vor zweitausend Jahren tatsächlich auf der Erde wandelte, es keinen historischen Jesus mehr gibt! Das Original ist unwiederbringlich, es sei denn, jemand erfindet eine Zeitmaschine und reist zurück, um Jesus zu treffen..." Manche der Charakterisierungen widersprechen sich ja gar nicht, sondern können durchaus gemeinsam zutreffen; warum sollte Jesus beispielsweise nicht zugleich ein umherziehender apokalyptischer Prophet und ein umherziehender Wunderheiler gewesen sein (der Begriff "Wunderheiler" sei hier in einem weltanschaulich neutralen Sinne verstanden)? Beides gab es im damaligen Judentum offenbar nicht selten, wohl durchaus auch in Kombination. Manch andere Charakterisierung erscheint wohl als durchaus weniger plausibel; und auch da müsste man untersuchen, ob sie anderen Beschreibungen wirklich widerspricht (das hängt dann wohl auch davon ab, wie man sie genau ausbuchstabiert). (Damit sei nicht abgestritten, dass es innerhalb des frühen Christentums in manchen (auch wesentlichen) Dingen unterschiedliche Sichtweisen und Traditionen existierten (etwa eine gnostische)). Irgendwie habe ich ansonsten das Gefühl, dass Du am Autor vorbeiredest. Vielleicht wäre es sinnvoll, Dir (nochmals, genauer?) anzusehen, was er tatsächlich sagt - etwa hier. bearbeitet 9. Oktober von iskander Zitieren
iskander Geschrieben 9. Oktober Autor Melden Geschrieben 9. Oktober Am 8.10.2025 um 19:48 schrieb Marcellinus: Am 8.10.2025 um 02:42 schrieb iskander: "As noted above, the evidence that Jesus actually existed is equivalent to or slightly greater than that for analogous historical figures of the period and is the most parsimonious read of the data. So it’s the one that scholars accept as most likely – which is how the field of history works." Nein, so arbeitet die Geschichtswissenschaft nicht, und die Wissenschaften insgesamt auch nicht. Wissenschaft ist keine Demokratie, und beliebt zu sein ist nicht dasselbe wie recht zu haben. Ich verstehe ihn hier wie folgt: Daraus, dass es ein akzeptables Maß an Quellen für die Existenz des historischen Jesus gibt und dass die Annahme der Existenz die Daten am besten erklärt, schließt man, dass es ihn vermutlich gab. Dies sei die angemessene Vorgehensweise in solchen Fällen. Und das Resultat dieser Herangehensweise sei dann ein weitgehender Konsens. 1 Zitieren
Domingo Geschrieben 9. Oktober Melden Geschrieben 9. Oktober (bearbeitet) vor 5 Stunden schrieb Marcellinus: Meinst du so jemanden wie Robert M. Price, von dem Wiki schreibt, daß er eine Jesus-Mythos-Theorie vertritt? Du hast sicherlich recht, die Behauptung, eine Person Jesus habe es mit Sicherheit nicht gegeben, ist nicht zu belegen. Nicht-Existenz ist nun mal kaum zu beweisen. Allerdings habe ich bei ihm ein Zitat gefunden, das sich etwas vernünftiger anhört: Ich meinte eher jemanden wie R. Carrier; oder Leute wie Carrotta, der die Figur Jesus als eine Verzerrung von Cäsar sehen will. Price hat mW keine so ausgefeilte Alternativtheorie zur Historizität. Das Zitat, das Du anbringst, hört sich auch für mich recht vernünftig an. bearbeitet 9. Oktober von Domingo Zitieren
SteRo Geschrieben 10. Oktober Melden Geschrieben 10. Oktober (bearbeitet) In Anlehnung an den Modernismus, jedoch in völliger Umkehrung dessen Leugnung eines Wirkens Gottes, erscheint mir diese spekulative Theorie auch (!) plausibel: Der christliche, auf Jesus Christus beruhende Glaube ist das Produkt einer spirituellen Evolution des Menschen, womit also ein bloßer Mythos "Jesus Christus" nicht ausgeschlossen ist. Während die Modernisten diese Spekulation jedoch verwenden, um diese Religion auf die bloße der menschlichen Natur immanente religiöse Bedürftigkeit zurückzuführen und so einen Naturalismus vertreten, der jegliches Übernatürlich-Göttliche ablehnt, sage ich, dass Gottes Wille seiner Schöpfung diese spirituelle Evolution mitgegeben hat. In der Figur "Jesus Christus", die der Mensch erst nach Durchlaufen einer gewissen spirituellen Entwicklung als Glaubensobjekt ersinnen und anbeten kann, leuchtet sowohl die Natur Gottes als auch die mögliche vollkommene Heiligkeit des Menschen auf, genau so wie Gott es wollte/will, um den Menschen an sich heranzuführen. Aus dieser Perspektive ist die Frage nach der tatsächlichen Historizität Jesu Christi vollkommen irrelevant. bearbeitet 10. Oktober von SteRo Zitieren
Marcellinus Geschrieben 10. Oktober Melden Geschrieben 10. Oktober vor 14 Stunden schrieb iskander: Irgendwie habe ich ansonsten das Gefühl, dass Du am Autor vorbeiredest. Ich habe verstanden, daß es ein Atheist ist, der mit anderen Atheisten Probleme hat. Das ist aber nicht mein Problem, und es interessiert mich auch nicht. Ich habe versucht, mit dir zu reden, aber du nimmst es nicht einmal zur Kenntnis. Dein gutes Recht, aber wir sind damit hier am Ende. Zitieren
iskander Geschrieben 10. Oktober Autor Melden Geschrieben 10. Oktober (bearbeitet) vor 4 Stunden schrieb Marcellinus: Ich habe verstanden, daß es ein Atheist ist, der mit anderen Atheisten Probleme hat. Das ist aber nicht mein Problem, und es interessiert mich auch nicht. Ich habe versucht, mit dir zu reden, aber du nimmst es nicht einmal zur Kenntnis. Dein gutes Recht, aber wir sind damit hier am Ende. Das verstehe ich nun nicht so ganz. Ich habe versucht, konkret auf Deine Kritik am Autor einzugehen, von der ich das Gefühl habe, dass sie zu einem Teil auf Missverständnissen beruht. So habe ich beispielsweise weder den Eindruck, dass der Autor die Auferstehung Jesu als solche (im Gegensatz zur Entwicklung des Auferstehungsglaubens) historisch untersuchen wollte, noch dass sein Argument darin bestand, dass man in den Geschichtswissenschaften etwas durch Abstimmung entscheidet. Ich hatte einfach den Eindruck, dass Du zwar weithin Recht hast, der Autor Dir aber - entgegen Deinem Eindruck - durchaus in vielen Punkten zustimmen würde. Der Autor selbst stört sich nach eigenen Angaben dort an anderen Atheisten, wo sie den Stand der Forschung ignorieren würden. Um ihn nochmals zu zitieren: "“Why are you attacking atheists on this blog?” I’m correcting some atheists, particularly some anti-theistic activists, who often use arguments based on flawed, over-simplified, outdated, misinterpreted or plain erroneous ideas about history in their critiques of religion. [...] I regularly criticise all kinds of other people who allow a combination of ideology, prejudice and/or ignorance to distort their ideas about history, including Holocaust deniers, fundamentalist Christians, Catholic apologists and New Agers. But this blog is focused on distortions of history by atheists. [...] “Many of the things you critique are not ‘atheist bad history’, but common ideas or misconceptions about history. Why single out atheists?” I don’t say these ideas are unique to atheists or somehow exclusively atheistic. They definitely aren’t. Many or even most of them are very commonly held misconceptions about history that historians try to correct. But the fact remains that they continue to be uncritically assumed and used by far too many atheists in their attacks on religion. That these are commonly held misconceptions is actually the problem – atheists are the ones who often talk loudly about how people should not accept commonly held ideas, should check their facts and should pay attention to what the experts say on any given matter. Yet when it comes to history, many don’t bother to take the advice they give to others. So no, most of these ideas are not exclusively or especially “atheist”. But the issue is they are used uncritically by atheists who should know and do better." Liegt die Fruchtlosigkeit unserer bisherigen Debatte vielleicht vor allem daran, dass die Frage nach dem historischen Jesus relativ wenig ergiebig ist, weil man über den historischen Jesus - auch wenn man von seiner Existenz ausgeht - sehr wenig weiß? Der Autor nimmt auch zu anderen Themen Stellung, die vielleicht ergiebiger sind. Beispielsweise geht er auch auf die Thematik ein, ob die Durchsetzung des Christentums zu einem weitreichenden Verlust an Wissen und Kultur geführt habe: https://historyforatheists.com/2020/03/the-great-myths-8-the-loss-of-ancient-learning/ Vielleicht mag man an dieser Stelle nicht seiner Meinung sein - aber das ist dann zumindest wohl ein Thema, zu dem es einige Daten gibt und über das Historiker diskutieren können. Um es gleich nochmals zu betonen (auch bezogen auf den jetzt verlinkten Artikel): Ich verweise nicht auf das Blog, weil ich generell einer Meinung mit dem Autor wäre. Tatsächlich fehlt es mir im Hinblick auf viele der erörterten Fragestellungen an Sachwissen, um mir selbst ein fundiertes Urteil und damit eine profunde eigene Meinung bilden zu können. Es geht mir darum, das entsprechende Material zur Diskussion zu stellen. bearbeitet 10. Oktober von iskander 1 Zitieren
Marcellinus Geschrieben 10. Oktober Melden Geschrieben 10. Oktober vor 6 Minuten schrieb iskander: Vielleicht mag man an dieser Stelle nicht seiner Meinung sein - aber das ist dann zumindest wohl ein Thema, zu dem es einige Daten gibt und über das Historiker diskutieren können. Iskander, das führt doch alles zu nichts. Dieser Autor ist Teil einer weltanschaulichen Debatte, in der vermeintliche historische Fakten nur Mittel zum Zweck sind. Ausgangspunkt sind meistens religiöse Vorstellungen, die gerade im Christentum gern als historische Tatsachen ausgegeben werden. Entsprechend versuchen Gegner des Christentums eben diesen historischen Anspruch zu entkräften. Aber herauskommt eben nicht Geschichtswissenschaft, sondern Ideologie, von beiden Seiten. Geschichtswissenschaft hat zwei Aspekte, die nicht voneinander zu trennen sind. Sie erzählt Geschichten, die auf nachprüfbaren Tatsachen beruhen (sollten). Leider leidet sie in noch größerem Maße unter den Beschränkungen, die aller menschlichen Wissensproduktion im Wege liegen: dem Mangel an Information, Zeit und kognitiven Fähigkeiten. So ist es kein Wunder, daß jede Generation ihre Geschichte neu schreibt. Wenn dann noch ideologischer Eifer hinzukommt, kann das Ergebnis nicht gut sein für den Blutdruck der Beteiligten. Mein Interesse gilt dem "Prozeß der Zivilisation", der Entwicklung menschlicher Gesellschaften, was nicht unbedingt das Gleiche ist wie gute Geschichten. Mein Interesse am Christentum gilt (vor allem, aber natürlich nicht ausschließlich) seiner Entwicklung und dem Zusammenhang mit dem Ende der griechisch-römischen Antike. Hier kann man nach meiner bisherigen Kenntnis grob drei Phasen unterscheiden: 1. der Anfang, der verdeckt ist durch allerlei Mythen. 2. das frühe Christentum, mit der Bildung der Gemeinden, untrennbar verbunden mit der Ausbreitung der Juden über das Römische Reich nach der Zerstörung ihres Tempels 3. die "Beförderung" des Christentums erst in den Rang eines Kaiserkults, dann den der alleinigen Staatsreligion und der gewaltsamen Zerstörung aller anderen Kulte. Der 1. Teil ist für Historiker kaum zugänglich, einfach weil es so gut wie keine historisch verwertbaren Quellen gibt. Da du Geschichte nicht studiert hast, empfehle ich zuerst das Stichwort Quellenkritik und danach den Artikel über das Testimonium Flavianum. Bei ersterem wird dir auffallen, wie wichtig die Überlieferungsgeschichte und die Frage nach der Echtheit der Quelle ist, danach die nach dem Interesse der Autoren. In unserem Falle ist interessant, wann der Text von Flavius Josephus geschrieben und wie er in der Antike rezipiert wurde und von wem und wie er auf uns gekommen ist. Da fallen die Namen zwei christlicher Apologeten (die meisten paganen Texte kennen wir nur aus den Zitaten ihrer Kritiker, aber das ist noch ein anderes Thema), Origines aus dem Beginn des 3. Jh., und Eusebius aus dem 4 Jh. Geschrieben wurde der Text aber am Ende des 1. Jh., wobei Origines die in Frage kommenden Passagen nicht erwähnt (was erstaunen sollte, weil er sonst nichts ausläßt, was seinem Glauben nützlich erscheint), Eusebius dagegen wohl. Historiker ziehen daraus unterschiedliche Schlüsse, aber es sollte auch dir auffallen, wie oft in dem Artikel von "Fälschung" die Rede ist, was übrigens im Zusammenhang mit christlichen Quellen eher die Regel denn die Ausnahme zu sein scheint. Ich erinnere nur an die "Konstantinische Schenkung". Das ist natürlich kein Beweis, weder in die einen noch in die andere Richtung, aber es ist eben auch weit weniger klar, als es dein Autor darzustellen versucht. Aber selbst, wenn wir es als Existenzbeweis akzeptieren wollten, es würde inhaltlich nichts hergeben. Denn weder sagt es etwas über diese Person Jesus, noch haben wir irgendeinen Anhaltspunkt für ihren Einfluß auf das später entstehende Christentum. Nur als Hinweis: nur weil man eine Person Jesus für historisch hält, gilt das natürlich nicht für all die Mythen, die mit dieser Person verbunden sind. Existenz allein sagt nichts (und Nichtexistenz ist nicht zu beweisen). Zu Punkt 1 können wir also aus historischer Sicht sagen: Inhaltlich wissen wir nichts über diesen Jesus, und selbst die Belege für seine Existenz sind zumindest nicht eindeutig. Das unterscheidet diesen Punkt ganz eindeutig von den beiden anderen. An der Existenz des frühen Christentums gibt es keinen Zweifel (was übrigens keineswegs für die christliche Überlieferung gilt). Ab den Beginn des 2. Jh. und vor allem für die folgende Zeit haben wir zahlreiche Quellen aus den entstehenden christlichen Gemeindes, die allerdings ein vollkommen anderes Bild zeichnen als die offizielle katholische Kirchengeschichte. Die Glaubensvorstellungen innerhalb der Gemeinden wurden sehr schnell kontrolliert von den Bischöfen, während die Unterschiede zwischen den einzelnen Gemeinden oft erheblich waren, und vieles beinhalteten, was später als häretisch galt. Auch hier spricht nichts dafür, daß wir es beim Christentum mit einer geschlossenen Glaubensvorstellung aus einer Quelle zu tun haben. Vielmehr findet die Zentralisierung der Glaubensvorstellungen erst später statt, als die Bischöfe und Patriarchen die Macht dazu bekamen. Womit wir bei der dritten Phase des entstehenden Christentums wären, der Verwandlung erst in einen Kaiserkult, dann in die eine Staatsreligion unter Konstantin und seinen Nachfolgern. Wohl gemerkt, wir haben hier am Anfang des 4. Jh. immer noch viele verschiedene Christentümer, die erst unter dem Einfluß der Caesaren sich zu zentralisieren beginnen, durchaus übrigens auch unter dem Einsatz von Soldaten, bis nur noch Rom und Konstantinopel als Zentren übrigbleiben, mit den folgenden Schisma, das bis heute Bestand hat. Ich denke, man kann sehen, daß nur die letzen 2 Phasen historischer Untersuchung zugänglich sind. Phase 1 hat einfach nicht genügend Spuren hinterlassen, um etwas anderes als Spekulationen zu erlauben. Dieser Jesus war für seine Zeitgenossen offen unsichtbar, ebenso wie all die anderen Millionen Menschen dieser Zeit und ganz im Unterschied zu den Geschichten, die seine Anhänger später über ihn erzählten. Was Ideologen natürlich nicht abhält, ausgiebig über ihn zu spekulieren, aber ich für meinen Teil finde die historisch nachweislichen Entwicklungen hinreichend spannend genug, um mich nicht daran zu beteiligen. Außerdem wollen wir nicht vergessen, daß mein Interessen kein religiöses oder weltanschauliches ist. Insofern habe ich auch nicht vor, mich an einer Diskussion zwischen Christentum und Atheismus zu beteiligen. Das Christentum ist für mich nur in soweit von Interesse, wie es Teil des Untergangs der Spätantike ist und des beginnenden Mittelalters. Das aber ist eine Geschichte, auf die eine historische Person Jesus, mag sie existiert haben oder nicht, keinen Einfluß hatte. Zitieren
iskander Geschrieben 10. Oktober Autor Melden Geschrieben 10. Oktober (bearbeitet) vor 54 Minuten schrieb Marcellinus: Dieser Autor ist Teil einer weltanschaulichen Debatte, in der vermeintliche historische Fakten nur Mittel zum Zweck sind. Ausgangspunkt sind meistens religiöse Vorstellungen, die gerade im Christentum gern als historische Tatsachen ausgegeben werden. Entsprechend versuchen Gegner des Christentums eben diesen historischen Anspruch zu entkräften. Aber herauskommt eben nicht Geschichtswissenschaft, sondern Ideologie, von beiden Seiten. Würdest Du dem Blog-Autor denn konkret vorhalten, dass seine Ausführungen nicht auf wissenschaftlichen Prinzipien beruhen (bedenkend natürlich, dass seine Texte für Laien geschrieben sind), sondern ideologisch geprägt sind? vor 54 Minuten schrieb Marcellinus: Historiker ziehen daraus unterschiedliche Schlüsse, aber es sollte auch dir auffallen, wie oft in dem Artikel von "Fälschung" die Rede ist, was übrigens im Zusammenhang mit christlichen Quellen eher die Regel denn die Ausnahme zu sein scheint. Ich erinnere nur an die "Konstantinische Schenkung" Genau diesen Punkt mit der Verfälschung des einer Passage des Textes von Flavius Josephus diskutiert der Autor aber ja nun recht ausführlich (hier unter der Überschrift "Josephus"). Ich kann nicht sagen, ob seine Darstellung dem Stand der Forschung entspricht, aber zumindest thematisiert er die Problematik und übergeht sie nicht. Zitat Nur als Hinweis: nur weil man eine Person Jesus für historisch hält, gilt das natürlich nicht für all die Mythen, die mit dieser Person verbunden sind. Existenz allein sagt nichts (und Nichtexistenz ist nicht zu beweisen). Das stimmt natürlich - aber das ist ja ein Punkt, der von dem Autor selbst bekräftigt wird. vor 54 Minuten schrieb Marcellinus: Das unterscheidet diesen Punkt ganz eindeutig von den beiden anderen. An der Existenz des frühen Christentums gibt es keinen Zweifel (was übrigens keineswegs für die christliche Überlieferung gilt). Ab den Beginn des 2. Jh. und vor allem für die folgende Zeit haben wir zahlreiche Quellen aus den entstehenden christlichen Gemeindes, die allerdings ein vollkommen anderes Bild zeichnen als die offizielle katholische Kirchengeschichte. Die Glaubensvorstellungen innerhalb der Gemeinden wurden sehr schnell kontrolliert von den Bischöfen, während die Unterschiede zwischen den einzelnen Gemeinden oft erheblich waren, und vieles beinhalteten, was später als häretisch galt. Auch hier spricht nichts dafür, daß wir es beim Christentum mit einer geschlossenen Glaubensvorstellung aus einer Quelle zu tun haben. Vielmehr findet die Zentralisierung der Glaubensvorstellungen erst später statt, als die Bischöfe und Patriarchen die Macht dazu bekamen. Das bezweifle ich nicht. Ich habe vor ein paar Monaten oder so ein Buch des (agnostisch-atheistischen) Bibelwissenschaftlers Bart Ehrman gelesen, in dem genau diese Entwicklung mit den verschiedenen Traditionslinien im Detail beschrieben wird. vor 54 Minuten schrieb Marcellinus: Außerdem wollen wir nicht vergessen, daß mein Interessen kein religiöses oder weltanschauliches ist. Insofern habe ich auch nicht vor, mich an einer Diskussion zwischen Christentum und Atheismus zu beteiligen. Sachlich gesehen ist es ja eine Diskussion dazu, welche Version der Geschichte mit den vorliegenden Daten besser vereinbar ist. Und wenn die Frühgeschichte zu wenig ergiebig ist, gibt es ja immer noch viele Fragen zu jenen Perioden, zu denen wir - wie Du ja auch betonst - viel mehr sagen können. Und da wäre es interessant, ob die Darstellung des Autors Hand und Fuß hat. bearbeitet 10. Oktober von iskander Zitieren
Marcellinus Geschrieben 10. Oktober Melden Geschrieben 10. Oktober vor 1 Stunde schrieb iskander: vor 2 Stunden schrieb Marcellinus: Dieser Autor ist Teil einer weltanschaulichen Debatte, in der vermeintliche historische Fakten nur Mittel zum Zweck sind. Ausgangspunkt sind meistens religiöse Vorstellungen, die gerade im Christentum gern als historische Tatsachen ausgegeben werden. Entsprechend versuchen Gegner des Christentums eben diesen historischen Anspruch zu entkräften. Aber herauskommt eben nicht Geschichtswissenschaft, sondern Ideologie, von beiden Seiten. Würdest Du dem Blog-Autor denn konkret vorhalten, dass seine Ausführungen nicht auf wissenschaftlichen Prinzipien beruhen (bedenkend natürlich, dass seine Texte für Laien geschrieben sind), sondern ideologisch geprägt sind? Ich halte dem Autor gar nichts vor. Dafür habe ich mich nicht genug mit seinen These beschäftigt, und habe es ehrlich gesagt auch nicht vor. Er schreibt selbst, daß er eine ideologische Auseinandersetzung führt, indem er, so verstehe ich das wenigstens, zumindest einige historische Thesen unterstützt, die von Gläubigen zur Verteidigung ihres Glaubens verwendet werden, gegen die historischen Thesen einiger ihrer Gegner, die er allgemein als Atheisten bezeichnet (und sie sich so vielleicht auch selbst). Historie, und Geschichtswissenschaft, soweit sie hier vorkommen, sind also nur Mittel zum Zweck, einem Zweck, der mir fremd ist. Ich bin ein Nichtgläubiger, aber ich brauche dafür keine historischen "Beweise". Das mag vielleicht der Grund sein, warum ich solche Auseinandersetzungen eher nervig finde. vor 1 Stunde schrieb iskander: vor 2 Stunden schrieb Marcellinus: Außerdem wollen wir nicht vergessen, daß mein Interessen kein religiöses oder weltanschauliches ist. Insofern habe ich auch nicht vor, mich an einer Diskussion zwischen Christentum und Atheismus zu beteiligen. Sachlich gesehen ist es ja eine Diskussion dazu, welche Version der Geschichte mit den vorliegenden Daten besser vereinbar ist. Und wenn die Frühgeschichte zu wenig ergiebig ist, gibt es ja immer noch viele Fragen zu jenen Perioden, zu denen wir - wie Du ja auch betonst - viel mehr sagen können. Und da wäre es interessant, ob die Darstellung des Autors Hand und Fuß hat. Genau das sehe ich anders. Aus meiner Sicht ist es eine weltanschauliche, ideologische Diskussion. Es ist auch eigentlich nicht eine Diskussion zwischen dem Autor und den Atheisten, die er zitiert, sondern eine zwischen Gläubigen und Atheisten über die "Glaubwürdigkeit" ihres Glaubens. Er bezeichnet sich zwar als ungläubig, bezieht aber in dieser Debatte die Positionen der anderen Seite. Das muß auch ihm klar sein. Was er sich davon verspricht, wird vielleicht aus seinen BLOG ersichtlich, aber wie gesagt: mich interessiert die Auseinandersetzung nicht. Was die Geschichte des Christentums betrifft, dafür gibt es qualifiziertere Autoren, die, was der Wissenschaft eher angemessen ist, das auch nicht als weltanschaulichen Schlagabtausch inszenieren, sondern als eine Geschichte nachprüfbarer Tatsachen, die aber die weltanschaulichen Konsequenzen daraus dem Leser überlassen. Das entspricht mehr meinem Geschmack. Solltest du da an Literaturhinweisen interessiert sein, kann ich gern behilflich sein. Zitieren
Marcellinus Geschrieben 10. Oktober Melden Geschrieben 10. Oktober Vielleicht noch etwas zum Thema dieses Threads. Es bezieht sich auf einen Blog von Tim O’Neill, der sich mit der Instrumentalisierung von Geschichte für ideologische Zwecke beschäftigt, konkret für die von Atheisten in der Auseinandersetzung mit Christen. Dazu ein Zitat auf seiner Titelseite: “Getting history right is crucial, and no one – neither the religious nor the irreligious – should get a free ride when it comes to instrumentalising the past." Das ist sicherlich ein verdienstvolles Ansinnen, und offenbar eines, bei dem der Autor seine eigene Vergangenheit wiedergutzumachen versucht. Geschichte stand und steht immer in der Versuchung, Geschichten zu erzählen, die dem leider oft sinnlosen Verlauf der Zeit einen Sinn zu geben versucht. Den entnehmen sie dann den Auseinandersetzungen ihrer jeweiligen Gegenwart, was dazu führt, daß jede Generation ihre Geschichte neu schreibt. Ich habe Geschichtswissenschaft immer anders verstanden, als den Versuch, dem durchaus widersprüchlichen Weg nachzuspüren, den die Menschen und die Gesellschaften, die sie miteinander bilden, gegangen sind durch die Zeit. Sinn ist da das allerletzte, daß man erwarten sollte. 3 Zitieren
iskander Geschrieben 12. Oktober Autor Melden Geschrieben 12. Oktober (bearbeitet) Am 10.10.2025 um 22:57 schrieb Marcellinus: Er schreibt selbst, daß er eine ideologische Auseinandersetzung führt, indem er, so verstehe ich das wenigstens, zumindest einige historische Thesen unterstützt, die von Gläubigen zur Verteidigung ihres Glaubens verwendet werden, gegen die historischen Thesen einiger ihrer Gegner, die er allgemein als Atheisten bezeichnet (und sie sich so vielleicht auch selbst). Ich verstehe die Absicht des Autors nun völlig anders. Er selbst schreibt ja: "“I’ve seen Christians referring to your blog. You’re helping the enemy!” I can’t control who uses and refers to this site and its articles. If I’ve written an article on a subject here, I’ve done everything I can to ensure that I present mainstream consensus views accepted by the widest range of historians and am careful to flag it whenever I’m referring to an idea that is less widely accepted. I’m also very careful to avoid any arguments or views held only or primarily by Christians and believers and have an aversion to patent apologetics. If I note the work of a scholar who happens to be a believer it’s because it’s a view which is also widely accepted by others of other beliefs. So if any Christian or other believer notes one of my articles, they are noting a widely held view, not an exclusively or primarily Christian one. This means the objection that Christians and believers sometime refer to my material simply means sometimes Christians and believers are in line with mainstream scholarship on historical matters. If people don’t want Christians to note that an atheist is out of step with historical experts then the onus is on the atheist to do their historical homework better. I also find the tribalism of seeing all believers as “the enemy” is fairly childish and usually distorts rational analysis." https://historyforatheists.com/about-the-author-and-a-faq/ Nach seiner eigenen Auffassung vertritt der Autor also dann und nur dann historische Thesen, die von Gläubigen gegen manche Atheisten ins Feld geführt werden, wenn diese klar dem Stand der Geschichtsforschung entsprechen. Und er vertritt sie nach Selbstaussage nicht etwa aus ideologischen Gründen (also weil die entsprechenden Thesen beispielsweise für eine christliche Apologetik von Nutzen wären), sondern eben weil sie nach seiner Auffassung wissenschaftlich überzeugend sind (und einem breiten Konsens entsprechen). Das wärem zumindest sein Anspruch und seine erklärte Absicht. Seine kritischen Aussagen über Atheisten scheinen mir nicht pauschal zu sein, sondern sich auf manche oder einzelne Atheisten zu beziehen. Zu seiner Terminologie macht er ansonsten die folgenden Angaben: "“Why do you often use the term ‘New Atheist’?” Because it’s shorter and simpler than “anti-theistic atheist activist” or some other similarly cumbersome but more exact phrase. Not all atheists are anti-theistic (on the whole, I’m not) and not all are activists. I tend to find that it is the anti-theistic activists who are most likely to accept anti-religious pseudo history uncritically, to use it in their arguments and to reject any correction of it as “apologism” or “revisionism”. They are who I’m referring to by the shorthand term “New Atheists”. The term is not a slur or one used only by critics of atheism. It was originally embraced by the new wave of atheist activists in the mid-2000s, as evidenced by the title of atheist writer Victor Stenger’s 2009 book The New Atheism: Taking a Stand for Science and Reason. It’s merely a convenient shorthand term, nothing more." Am 10.10.2025 um 22:57 schrieb Marcellinus: Historie, und Geschichtswissenschaft, soweit sie hier vorkommen, sind also nur Mittel zum Zweck, einem Zweck, der mir fremd ist. Ich bin ein Nichtgläubiger, aber ich brauche dafür keine historischen "Beweise". Das mag vielleicht der Grund sein, warum ich solche Auseinandersetzungen eher nervig finde. Wie gesagt verstehe ich den Autor so, dass er an solchen Thesen, die nach seiner Überzeugung geschichtswissenschaftlich unhaltbar sind, eine Kritik üben möchte, die sich auf wissenschaftliches Vorgehen stützt und die einem breiten Konsens der Fachleute entspricht. So kritisiert er ja sowohl christliche Apologeten wie auch Atheisten, die aus seiner Sicht unwissenschaftlich und ideologisch argumentieren. Er ist aber der Auffassung, dass es viel mehr Leute gibt, die christlichen Apologeten widersprechen als solchen Atheisten, die historische Mythen verbreiten würden; deshalb gebe es dieses spezielle Blog. Der Zweck, den der Autor mit seinen Artikeln verfolgt, bestünde laut seiner Aussage also nicht darin, etwas zum Kampf für oder gegen den Atheismus (oder für oder gegen das Christentum) beizutragen; der Zweck wäre vielmehr der, schlechter Geschichte, die oftmals ideologischen Zielen dient, etwas entgegenzusetzen - nämlich eben seriöse Geschichte, die der sachlichen Information dient. Ob das dem Autor stets gelingt, weiß ich nicht; aber es scheint zumindest eindeutig sein Anliegen zu sein. Für die gegenteilige These - dass es dem Autor um eine ideologische Auseinandersetzung gehe - sehe ich keine Anhaltspunkte. Am 10.10.2025 um 22:57 schrieb Marcellinus: Aus meiner Sicht ist es eine weltanschauliche, ideologische Diskussion. Es ist auch eigentlich nicht eine Diskussion zwischen dem Autor und den Atheisten, die er zitiert, sondern eine zwischen Gläubigen und Atheisten über die "Glaubwürdigkeit" ihres Glaubens. Er bezeichnet sich zwar als ungläubig, bezieht aber in dieser Debatte die Positionen der anderen Seite. Das sehe ich nun nicht. Der Autor ist der Auffassung, dass es sehr wahrscheinlich einen historischen Jesus gab, und er meint, dass das sachlich gut begründet (und in der Fachwelt weithin anerkannt) sei. Das entspricht dem christlichen Glauben zwar besser als die gegenteilige Überzeugung - aber es wäre ja kein Zeichen von Ideologiefreiheit, sondern vielmehr von Ideologie, wenn man eine bestimmte Sach-Position, das man für wissenschaftlich gut begründet hält, nur deswegen meiden würde, weil sie bestimmte Implikationen hat, die einer religiösen Gemeinschaft gefallen mögen. Darüber hinaus ist der Autor der Auffassung, dass wir wenig über den historische Jesus wissen, und dass dieser vermutlich ein apokalyptischer Prophet war, der - natürlich zu Unrecht - vom baldigen Ende der Welt bzw. einem bevorstehenden, sichtbaren Reich Gottes ausging. Nicht unbedingt etwas, was das Christentum glaubwürdiger machen würde. Zitat Was die Geschichte des Christentums betrifft, dafür gibt es qualifiziertere Autoren, die, was der Wissenschaft eher angemessen ist, das auch nicht als weltanschaulichen Schlagabtausch inszenieren, sondern als eine Geschichte nachprüfbarer Tatsachen, die aber die weltanschaulichen Konsequenzen daraus dem Leser überlassen. Ich weiß nicht, inwiefern der Autor etwas als "weltanschaulichen Schlagabtausch" inszenieren würde. Wie schon gesagt scheint mir sein Anliegen nicht darin zu bestehen, eine bestimmte Weltanschauung zu propagieren, sondern gute Geschichtswissenschaft (die mit Tatsachen arbeitet) gegen oftmals ideologisch motivierte, in jedem Fall aber sachlich kaum haltbare Erzählungen zu setzen. Zu der Frage nach seiner Qualifikation merkt er an: “Are you a historian?” No. At least, not in anything but the broadest sense of the word. I do have training in the historical method, I have studied historiography and I have read widely in the work of leading professional historians on ancient and medieval history, the history of science and the history of Christianity and its theology. But I am generally not presenting original research of my own here or putting my own re-interpretive spin on any historical topic. Instead, I’m drawing on over 35 years of reading on a range of topics relevant to the history of western religion and seek to curate summaries of current expert scholarly positions on those subjects. It’s the qualifications and expertise of the historians and scholars I cite and whose work I draw on that are relevant here." Und speziell über Belegquellen sagt er: "I try to cite and quote sources where I feel it’s important to do so. This is usually when I am referring to or noting a particular primary source or a specific book or scholarly article and, when I can, I include a link to information about the book or to the relevant article if it is available online. Often, however, I’m summarising a broad scholarly consensus on a given topic and so there is no way I could cite a single source to support what I’m saying. And blog posts are not well-suited to the kind of detailed footnotes found in academic texts which give an lengthy overview of monographs and articles relevant to the summarised point that has been made. When appropriate, I try to give a list of books and articles for further reading, especially if there are introductory overviews or comprehensive scholarly treatments for the topic in question. Otherwise I am very open for readers to query any given point in the comments section and I will happily suggest reading for them in reply." Am 10.10.2025 um 23:25 schrieb Marcellinus: Vielleicht noch etwas zum Thema dieses Threads. Es bezieht sich auf einen Blog von Tim O’Neill, der sich mit der Instrumentalisierung von Geschichte für ideologische Zwecke beschäftigt, konkret für die von Atheisten in der Auseinandersetzung mit Christen. Dazu ein Zitat auf seiner Titelseite: “Getting history right is crucial, and no one – neither the religious nor the irreligious – should get a free ride when it comes to instrumentalising the past." Das ist sicherlich ein verdienstvolles Ansinnen, und offenbar eines, bei dem der Autor seine eigene Vergangenheit wiedergutzumachen versucht. Auf welche konkrete Vergangenheit beziehst Du Dich hier? Wo hat er der das Ideal, das er nun anmahnt, in der Vergangenheit missachtet? bearbeitet 12. Oktober von iskander Zitieren
Domingo Geschrieben 12. Oktober Melden Geschrieben 12. Oktober (bearbeitet) vor 2 Stunden schrieb iskander: If people don’t want Christians to note that an atheist is out of step with historical experts then the onus is on the atheist to do their historical homework better. Ich denke, das ist der wichtige Punkt. Erstens ist historische Genauigkeit und Richtigkeit ein wichtiges Ziel per se; zweitens tun sich Atheisten keinen Gefallen, wenn sie genauso irrational an ihren vorgefassten Ideen festhalten wie die schlimmsten religiösen Apologeten. Sie werden dadurch leichter angreifbar und verfestigen sich zudem in etwas, das man nur als eine weitere Ideologie - in diesem Fall "organisierter Antitheismus" o. ä. - bezeichnen kann, die genauso dogmatisch ist wie organisierte Religionen. Das Problem ist mMn weniger, ob jemand an Übernatürliches glaubt, sondern eher, wie betonköpfig er an seinen Meinungen festhält und wie intolerant die Gemeinschaft ist, die er mit Gleichgesinnten erschafft. bearbeitet 12. Oktober von Domingo 1 Zitieren
Dies ist ein beliebter Beitrag. Marcellinus Geschrieben 12. Oktober Dies ist ein beliebter Beitrag. Melden Geschrieben 12. Oktober vor 24 Minuten schrieb Domingo: vor 2 Stunden schrieb iskander: If people don’t want Christians to note that an atheist is out of step with historical experts then the onus is on the atheist to do their historical homework better. Ich denke, das ist der wichtige Punkt. Erstens ist historische Genauigkeit und Richtigkeit ein wichtiges Ziel per se; zweitens tun sich Atheisten keinen Gefallen, wenn sie genauso irrational an ihren vorgefassten Ideen festhalten wie die schlimmsten religiösen Apologeten. Sie werden dadurch leichter angreifbar und verfestigen sich zudem in etwas, das man nur als eine weitere Ideologie - in diesem Fall "organisierter Antitheismus" o. ä. - bezeichnen kann, die genauso dogmatisch ist wie organisierte Religionen. Das Problem ist mMn weniger, ob jemand an Übernatürliches glaubt, sondern eher, wie betonköpfig er an seinen Meinungen festhält und wie intolerant die Gemeinschaft ist, die er mit Gleichgesinnten erschafft. Man darf nicht vergessen, die meisten und unter ihnen die entschiedensten Atheisten ehemalige Christen sind (jedenfalls in unseren Gegenden). Die Entschiedenheit, mit der sie ihren ehemaligen Glauben bekämpfen, ist daher Ausdruck der Verletzungen, die sie von ihren vorherigen Glaubensgenossen empfangen haben. Und so wie die schon gewohnheitsmäßig die Geschichte als "Heilsgeschichte" darstellen, so lehnen solcher Art Atheisten jeden historischen Bezug von Religionen ab. Wobei die Auswahl der Themen immer noch von der Religion bestimmt wird, und die Historie nur Mittel zum Zweck ist. Das Thema "atheistische Ideologie" ist dagegen nochmal etwas anderes, denn die Ablehnung eines Glaubens ist für sich genommen noch keiner, auch wenn christliche Apologeten nicht müde werden, das zu behaupten. Wo Atheisten mit Ideologie um die Ecke kommen, ist das eher im Namen einer konkurrierenden Ideologie, Sozialismus war das bis vor Jahrzehnten hauptsächlich, für die dann der Atheismus nur ein Nebenprodukt ist. Heute kommt das oft im Namen eines "Humanismus" daher, der mit dem klassischen allerdings nur noch den Namen gemein hat. Was an sich wie eine gute Idee klingt, ist allerdings mittlerweile sich allgemein fortschrittlich gebende Ideologie ersetzt worden, die, im Namen der Wissenschaft die Begriffe "Objektivität" und "Wahrheit" in einer Naivität vor sich herträgt, daß man sie Neo-Positivisten nennen könnte. 3 1 Zitieren
Marcellinus Geschrieben 12. Oktober Melden Geschrieben 12. Oktober vor 3 Stunden schrieb iskander: Am 10.10.2025 um 22:57 schrieb Marcellinus: Er schreibt selbst, daß er eine ideologische Auseinandersetzung führt, indem er, so verstehe ich das wenigstens, zumindest einige historische Thesen unterstützt, die von Gläubigen zur Verteidigung ihres Glaubens verwendet werden, gegen die historischen Thesen einiger ihrer Gegner, die er allgemein als Atheisten bezeichnet (und sie sich so vielleicht auch selbst). Ich verstehe die Absicht des Autors nun völlig anders.[...] Nach seiner eigenen Auffassung vertritt der Autor also dann und nur dann historische Thesen, die von Gläubigen gegen manche Atheisten ins Feld geführt werden, wenn diese klar dem Stand der Geschichtsforschung entsprechen. Und er vertritt sie nach Selbstaussage nicht etwa aus ideologischen Gründen (also weil die entsprechenden Thesen beispielsweise für eine christliche Apologetik von Nutzen wären), sondern eben weil sie nach seiner Auffassung wissenschaftlich überzeugend sind (und einem breiten Konsens entsprechen). Das wärem zumindest sein Anspruch und seine erklärte Absicht. Über die Absicht des Autors kann ich nichts sagen. Fest steht, daß es für ihn genau eine Zielrichtung gibt, gegen Atheisten, wo sie seiner Ansicht nach historische Bezüge falsch verwenden, nicht Fälle, wo Religiöse das tun, oder wo Atheisten recht haben. Ich habe auch gelesen, daß er behauptet, das zu tun, weil man all das andere ja schon genügend wo anders lesen kann. Das mag so sein, oder auch nicht. Ich sehe nur, was er so schreibt, und da sehe ich nur eine Zielrichtung, Die Auswahl seiner Themen bestimmt sich nicht nach ihrer historischen Bedeutung, sondern nach ihrer religiösen. Das hat mit Geschichtswissenschaft nichts zu tun. vor 3 Stunden schrieb iskander: Seine kritischen Aussagen über Atheisten scheinen mir nicht pauschal zu sein, sondern sich auf manche oder einzelne Atheisten zu beziehen. Zu seiner Terminologie macht er ansonsten die folgenden Angaben: "“Why do you often use the term ‘New Atheist’?” Because it’s shorter and simpler than “anti-theistic atheist activist” or some other similarly cumbersome but more exact phrase. Not all atheists are anti-theistic (on the whole, I’m not) and not all are activists. I tend to find that it is the anti-theistic activists who are most likely to accept anti-religious pseudo history uncritically, to use it in their arguments and to reject any correction of it as “apologism” or “revisionism”. They are who I’m referring to by the shorthand term “New Atheists”. The term is not a slur or one used only by critics of atheism. It was originally embraced by the new wave of atheist activists in the mid-2000s, as evidenced by the title of atheist writer Victor Stenger’s 2009 book The New Atheism: Taking a Stand for Science and Reason. It’s merely a convenient shorthand term, nothing more." Der Begriff "Neue Atheisten" ist nun in sich allerdings schon ein ziemlich pauschaler Begriff, der weit über ein paar historische Bezüge hinausgeht. Die "neuen Atheisten" sind Kulturkämpfer, kein Zweifel. Dieser Blog setzt sich mit ihnen auseinander. Er ist damit Teil dieses Kulturkampfes. Kann man machen, muß man aber nicht. Dieser Kulturkampf bestimmt die Auswahl seiner Themen, und die Äußerungen seiner Gegner (so darf man sie ja wohl nennen) bestimmen, was er schreibt. Und wo die Äußerungen der "neuen Atheisten" Übertreibungen nach der einen Seite sind, sind es seine allein schon durch die Auswahl seiner Themen nach der anderen. Das heißt nicht, daß falsch ist, was er schreibt (das kann ich gar nicht beurteilen, denn das allermeiste habe ich gar nicht gelesen), nur, daß die Gewichtung durch eben diesen Kulturkampf bestimmt wird. Im Ergebnis kann ich mit seiner Vorgehensweise nichts anfangen. Ich denke, mehr ist dazu nicht zu sagen. 1 1 Zitieren
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