Domingo Geschrieben 12. Oktober Melden Geschrieben 12. Oktober vor 4 Stunden schrieb Marcellinus: Das Thema "atheistische Ideologie" ist dagegen nochmal etwas anderes, denn die Ablehnung eines Glaubens ist für sich genommen noch keiner, auch wenn christliche Apologeten nicht müde werden, das zu behaupten. Deswegen schrieb ich denn auch "organisierter Antitheismus." (Falls Du das falsch gelesen hast.) Atheismus hat an sich keine Inhalte, Antitheismus schon und kann leicht zu einer organisierten Weltanschauung werden. Zitieren
Volker Geschrieben 12. Oktober Melden Geschrieben 12. Oktober Das ist dann doch mal wieder ein interessanter Thread. Die Diskussion zwischen den Historizisten (die vertreten, dass es einen historischen Jesus gab) und den Jesus Mythizisten (die meinen, es gab keinen historischen Jesus) eskaliert inzwischen sehr schnell. Es war übrigens ein Buch, dass die Diskussion, die schon lange als „erledigt“ galt, neu entfachte: Doherty, Earl. Das Jesus-Puzzle: basiert das Christentum auf einer Legende? Lenz, 2003. Es gibt eine nicht übersetzte Neuauflage: Doherty, Earl. Jesus : Neither God nor Man : The Case for a Mythical Jesus. Age of Reason Publications, 2009. Zunächst muss man unterscheiden zwischen dem historischen Jesus und dem Jesus der Evangelien, aus letzteren kommt dann der Jesus des Glaubens. Zwischen diesen drei „Jesussen“ gibt es gewaltige Unterschiede. Wobei wir bereits in den vier kanonischen Evangelien vier unterschiedliche Bilder von Jesus finden, der Jesus des Glaubens zersplittert dann wiederum in tausende von Varianten. Paulus spricht kaum über Jesus, sondern über Christus, und wieder anders. Es kann keinen Zweifel geben: Wenn es einen historischen Jesus gab, dann ist dieser begraben unter einer Fülle von Schichten aus Legenden und Mythen. Aus diesen Schichten lässt sich ein historischer Jesus so gut wie überhaupt nicht rekonstruieren. Deswegen ist der historische Jesus ein Gebiet, mit dem sich die meisten Geschichtswissenschaftler niemals beschäftigt haben. Bei den Theologen wiederum finden wir eine solche Menge an Spekulationen, zum Teil völlig haltlos, dass diese zur Gestalt des historischen Jesus meistens nichts beitragen. Es gibt aber eines, was man wissen muss: Ob ein Theologe als solcher überhaupt auf seinem Gebiet tätig sein kann, muss er in der Regel vertreten, dass es einen historischen Jesus gab. Die Kirchen beziehen nämlich ihre komplette Legitimation aus der historischen Existenz von Jesus. In Deutschland wäre ein Professor der Theologie, der Zweifel an der Existenz von Jesus anmeldet, seinen Job am nächsten Tag los (vermutlich eher schon am selben Tag). Auch für einen Geschichtswissenschaftler ist das ein Minenfeld, das man besser meidet. Da bleiben nicht mehr viele Experten übrig, die überhaupt die Möglichkeit haben, sich mit dem Thema unvoreingenommen zu beschäftigen. Interessant sind die Argumente, die von beiden Seiten vorgetragen werden. Ein großer Teil dieser Kontroverse besteht darin, die schlechtesten Argumente der Gegenseite zu zerlegen, um diese dann den Gegnern um die Ohren zu hauen. Und wenn man die Diskussion im Internet und anderswo verfolgt, findet man eine Fülle an schlechten Argumenten von beiden Seiten. Argumente werden überdies verzerrt, falsch dargestellt, um dann zu zerlegen, was niemand ernsthaft vertritt. Betrachten wir zunächst die Hauptargumente der Vertreter eines historischen Jesus, denn die sind durchaus überschaubar: 1. Die Mehrheit aller Experten sind sich einig, dass es einen historischen Jesus gab. Bart Ehrman, den ich eigentlich sehr schätze, ver(sch)wendet fast ein Drittel seines Buches auf dieses „Argument“. Siehe Ehrman, B.D. Did Jesus Exist?: The Historical Argument for Jesus of Nazareth. eBook Original. HarperCollins, 2012. http://books.google.de/books?id=hf5Rj8EtsPkC. Da hätten ein, zwei Absätze auch genügt, weil jeder weiß, dass dies unter allen Arten von Experten (Historikern und Theologen) der Konsens ist. 2. Die Existenz eines historischen Jesus ist die beste, sparsamste und plausibelste Erklärung für die Entstehung des Christentums. 3. Die Weitergabe der oralen Tradition ist ein Beweis für die Existenz von Jesus. Denn woher sollte diese Tradition kommen? Selbst die Widersprüche in dieser Tradition beweisen, dass dort reale Informationen weitergegeben wurden. Leichte Unterschiede deuten auf verschiedene Stränge in der Weitergabe hin. Eine reine Erfindung wäre in sich konsistenter. Die vielen Übereinstimmungen deuten auf eine reale Person. 4. Die außerchristlichen Quellen, allen voran Josephus Flavius, mit dem sog. „Testimonium Flavianum“ beweisen, neben anderen, dass es einen historischen Jesus gegeben haben muss. 5. Paulus schrieb zwischen ungefähr 50 (oder 48) bis 61 die frühesten christlichen Schriften und verriet einiges über den historischen Jesus, u. a. dass er von einer Frau geboren wurde und vom Samen Davids abstammte (also David als Vorfahren hatte). 6. Die Kreuzigung wird in biblischen und außerbiblischen Quellen erwähnt, ebenso, dass es Anhänger mit der Bezeichnung Christen gab. 7. Seine Anhänger missionierten, weil sie damit beauftragt wurden, und sie nahmen Strapazen und sogar ihren Tod in Kauf. Würden sie für eine erfundene Person sterben? Das erscheint hoch unwahrscheinlich. 8. Wenn Jesus um 30 herum gekreuzigt wurde, reichen 20 Jahre bis zu Paulus und 40 Jahre bis zum Markusevangelium nicht aus, um eine solche Gestalt wie Jesus zu erfinden und an den Anfang zu setzen. Ich habe die Argumente nicht unbedingt nach ihrer Stärke sortiert. Zu 1.: Das erste Argument, der Konsens, spiegelt nicht Wissenschaft wider. Auf den wissenschaftlichen Konsens kann man sich nur berufen, wenn man von dem entsprechenden Gebiet keine oder wenig Ahnung hat. Die meisten Historiker, die sich überhaupt damit beschäftigt haben, waren aber eher nur selten Experten für das erste Jahrhundert und die Region. Wenn man den aktuellen Stand der Wissenschaft herausfinden möchte, dann sollte man sich auf aktuelle peer reviewed Studien konzentrieren. Dazu gibt es nur zwei seit den 2000er Jahren von Dr. Richard Carrier und Dr. Raphael Lataster, und beide kommen bezüglich eines historischen Jesus zu negativen Ergebnissen – sie halten es für wahrscheinlicher, dass es keinen historischen Jesus gab. Nicht für unmöglich, soweit kann keine Geschichtswissenschaft gehen, es geht immer um die Abwägung von Wahrscheinlichkeiten. Aber auch das ist kein durchschlagendes Argument, dazu muss man sich im Detail ansehen, wie sie argumentieren. Quellen: Carrier, Richard. Hitler Homer Bible Christ: The Historical Papers of Richard Carrier 1995-2013. Philosophy Press. Hier finden wir die peer reviewed Studie. Carrier, Richard. Jesus from outer space: what the earliest Christians really believed about Christ. Pitchstone Publishing, 2020. Carrier, Richard. On the Historicity of Jesus: Why We Might Have Reason for Doubt. Carrier, Richard. Proving History : Bayes’s Theorem and the Quest for the Historical Jesus. Prometheus Books, 2012. Lataster, Raphael Christopher. There Was No Jesus, There Is No God: A Scholarly Examination of the Scientific, Historical, and Philosophical Evidence & Arguments for Monotheism. 2013. Dass es gegen den Konsens geht, ist aber auch kein Hinweis darauf, dass es sich um eine korrekte Theorie handelt. Zu 2.: Das zweite Argument habe ich an anderer Stelle widerlegt: Wir wissen von der Entstehung einer Religion namens Cargo Kult, die 20 Jahre gebraucht haben, um eine erfundene Stifterfigur an den Anfang ihrer Religion zu setzen. Sie begann als die Offenbarung einiger Priester ohne Stifter, 20 Jahre später beruht der Glauben auf der Offenbarung eines amerikanischen Soldaten namens John Frum oder Tom Navy, und wir wissen mit Sicherheit, dass es die nie gab. Interessanterweise sind die Zweige des Kultes, die sich weiterhin auf Offenbarung berufen, inzwischen praktisch ausgestorben. Bei der Entstehung der Religion waren Anthropologen vor Ort, die das sozusagen live mitbekamen. Damit ist auch das Argument 8. praktisch widerlegt. Zu 3.: Wenn man sich das Markusevangelium ansieht, so beruht es nicht auf oraler Tradition, sondern auf der Wiedergabe (Neuerzählung) von Textfragmenten aus dem Alten Testament. Wenn es eine orale Tradition gab, so berufen sich weder Markus noch Matthäus darauf, und nicht einmal Johannes. Lukas tut es, aber mit seinem Evangelium gibt es ein gewaltiges Problem: Es ist eine katholisierte Fassung des ersten bekannten Evangeliums nach Markion, das um 144 entstand. Zahlreiche Details deuten darauf hin, dass nicht Markion von Lukas, sondern Lukas von Markion abgeschrieben hat. Kritische Anmerkung: Hier gibt es keine Einigkeit unter Experten, und das Evangelium von Markion ist nur zu ca. zwei Dritteln als Rekonstruktion aus Zitaten seiner Gegner bekannt. Wichtiger ist die Tatsache, dass die Evangelien nach Geschichten aus dem AT konstruiert wurden. Man kann ihren vollen Text erklären, ohne eine orale Tradition vorauszusetzen. Zu 4.: Alle außerchristlichen Quellen zu Jesus kommen sehr spät, und alle unterliegen dem Verdacht, christliche Fälschungen oder Extrapolationen zu sein. Jede der Quellen gibt lediglich wieder, was Christen zu der Zeit geglaubt haben. Es gibt keine Zweifel, dass es zu der Zeit bereits christliche Bewegungen gab. Um den Verdacht der Fälschung wird hart gerungen. Hier ist die Entwicklung des Konsenses interessant: Bis zum 16. Jahrhundert gab es niemanden, der an der Authentizität des Testimonium Flavianum zweifelte. Ab dem 16. Jahrhundert äußerten protestantische Theologen Zweifel an der Echtheit, und bis zum Ende des 20. Jahrhunderts blieb es dabei. Dann kamen die ersten, die Jesus als mythische Gestalt aufgriffen, und der Konsens der Theologen kippte: Von einer kompletten Fälschung wechselte man auf eine christliche Interpolation mit einem authentischen Kern. Die Diskussion darüber ist inzwischen äußerst kompliziert, seitdem Goldberg, Hopper u. a. darauf hinwiesen, dass der Text auf einem Teil des 24. Kapitels des Lukasevangeliums basiert. Zu 5.: Ob Jesus von einer Frau abstammte und vom Samen Davids stammt, hängt ab von der Interpretation bestimmter Worte. Man kann es auch ganz anders lesen. Paulus ist einer der Kronzeugen der Jesusmystiker für einen mythischen Jesus, und die Paulusbriefe stecken voller Probleme. Siehe dazu: Price, Robert M. The amazing colossal apostle: the search for the historical Paul. Signature Books, 2012. Zu 6.: Siehe 4. Zu 7.: Mit den Märtyrergeschichten gibt es ein gewaltiges Problem, denn sie sind allesamt Erfindungen des 4. Jahrhunderts. Siehe: Moss, Candida R. The myth of persecution: how early Christians invented a Story of Martyrdom. 1st ed. HarperOne, 2013. Zu 8.: Siehe 2. Die Auffassung, dass ein historischer Jesus die beste und sparsamste Erklärung darstellt, hat ein weiteres Problem. Die Newtonsche Mechanik ist sparsamer als die Einsteinsche Relativitätstheorie, aber sie ist deswegen nicht besser – sondern eine Näherung, die bestimmte Phänomene nicht erklären kann. Einsteins Theorie ist sehr viel komplizierter, kann aber dafür mehr an Fragen beantworten und bringt bessere Vorhersagen hervor. Die Theorie eines historischen Jesus kann eine ganze Reihe von Fragen nicht beantworten, oder die Vertreter dieser Ansicht haben sich nie damit befasst. Dazumuss man sich die Fragen im Detail ansehen, und das mache ich später. Schon wieder ist dieser Text zu lang ... 1 Zitieren
Marcellinus Geschrieben 12. Oktober Melden Geschrieben 12. Oktober vor 3 Minuten schrieb Domingo: vor 4 Stunden schrieb Marcellinus: Das Thema "atheistische Ideologie" ist dagegen nochmal etwas anderes, denn die Ablehnung eines Glaubens ist für sich genommen noch keiner, auch wenn christliche Apologeten nicht müde werden, das zu behaupten. Deswegen schrieb ich denn auch "organisierter Antitheismus." (Falls Du das falsch gelesen hast.) Atheismus hat an sich keine Inhalte, Antitheismus schon und kann leicht zu einer organisierten Weltanschauung werden. Ja, das hatte ich überlesen. Sorry, aber vielleicht habe ich es überlesen, weil mir so etwas noch nicht begegnet ist. Religionskritik gibt es nun seit Jahrhunderten. Hat es in dieser langen Zeit schon einmal eine Organisation gegeben, deren weltanschaulicher Kern die Ablehnung von Götterglauben allgemein war? Die verbreitetste atheistische Ideologie war bisher der marx'sche Sozialismus, und der Marxismus-Leninismus, Stalinismus und Maoismus in seiner Folge. Aber alle diese gründeten sich auf die marx'sche Klassenanalyse und Geschichtsphilosophie. Der Atheismus war erst die Folge. „Das Fundament der irreligiösen Kritik ist: Der Mensch macht die Religion, die Religion macht nicht den Menschen. [...] Der Mensch, das ist die Welt des Menschen, Staat, Societät. Dieser Staat, diese Societät produzieren die Religion, ein verkehrtes Weltbewusstsein, weil sie eine verkehrte Welt sind. Die Religion ist die allgemeine Theorie dieser Welt, ihr enzyklopädisches Compendium, ihre Logik in populärer Form, ihr spiritualistischer Point-d'honneur (Ehrgefühl), ihr Enthusiasmus, ihre moralische Sanktion, ihre feierliche Ergänzung, ihr allgemeiner Trost- und Rechtfertigungsgrund. Sie ist die phantastische Verwirklichung des menschlichen Wesens, weil das menschliche Wesen keine wahre Wirklichkeit besitzt. Der Kampf gegen die Religion ist also mittelbar der Kampf gegen jene Welt, deren geistiges Aroma die Religion ist. Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüth einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volks. Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusionen über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammertales, dessen Heiligenschein die Religion ist. “ (Karl Marx: Einleitung zur Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie) Die Religionskritik ist hier also erst die Folge der Gesellschaftskritik. Antitheismus als persönliche Weltanschauung mag man häufiger finden. Deschner ist für mich das eindrucksvollste Beispiel. Als organisierte Ideologie wäre es mir neu. Aber vielleicht übersehe ich ja auch etwas wichtiges. Zitieren
iskander Geschrieben 12. Oktober Autor Melden Geschrieben 12. Oktober vor 2 Stunden schrieb Marcellinus: Fest steht, daß es für ihn genau eine Zielrichtung gibt, gegen Atheisten, wo sie seiner Ansicht nach historische Bezüge falsch verwenden, nicht Fälle, wo Religiöse das tun, oder wo Atheisten recht haben. Das gilt für das von mir verlinkte Blog. Er hat auch schon mehrere Beiträge geschrieben, in denen er die Thesen christlicher Apologeten kritisiert. Um ihn nochmals zu zitieren: "There are other forums where I have tackled Christian distortions of history, such as the claim the Crusades were actually justified defensive wars against Islamic encroachment on western Europe, or Christian attempts at reconciling the contradictory accounts of Jesus’ birth in the gospels of Matthew and Luke. I have also written detailed articles debunking common Christian apologetic claims on the historicity of the resurrection of Jesus, the supposed Old Testament prophecies allegedly fulfilled by Jesus or the claim that Jesus claimed to be divine. But this particular blog is focused on examples of atheist bad history." (Es geht ihm bei dem einen Text nicht wirklich um die Historizität der Auferstehung, sondern um eine kritische Einordnung der historischen Zeugnisse für die Auferstehung.) Dafür, dass er sich in seinem Blog auf die schlechte "Hagiographie" speziell mancher Atheisten konzentriert, gibt er eine - aus meiner Sicht nachvollziehbare - Begründung. Zudem ist es nicht einmal so, dass auf seinem Blog keine Kritik an christlicher Apologetik oder der Kirche vorkäme. So tritt sein Artikel über den Prozess gegen Galileo Galilei und die nachfolgende Entwicklung zwar einerseits einem bestimmten Schwarz-Weiß-Bild entgegen, das populär ist, spart andererseits aber keineswegs mit Kritik an der kath. Kirche und deren Selbstdarstellung. Im Hinblick auf Johannes Paul II. und die von ihm eingesetzte Kommission heißt es dort: "The key point to be noted here is that neither [Kardinal] Poupard’s summary of the findings of the Papal Commission [die von Johannes Paul II.] (which went largely ignored by the media) and the Pope’s widely-reported speech in response explicitly stated any culpability on the part of the Church in relation to the Galileo Affair, let alone made any apology for it. Despite the media reports and the repetition since of the claim that this is what the speech did, it actually very carefully avoided apportioning any blame, except in the vaguest terms, and did not include any apology at all. [...] That reference to “Galileo’s judges” [durch Kardinal Poupard] is about as close as these two 1992 speeches get to being specific about who was responsible for Galileo having to “suffer”. The Pope’s speech [die von Johannes Paul II.] is more vague, referring to Galileo’s “adversaries” and again to “the majority of theologians”, without pointing the finger at anyone in particular. This vagueness allows both Cardinal Poupard and John Paul II to talk about, in the Pope’s words, “a tragic mutual incomprehension” without zeroing in on who was responsible and whether, therefore, the errors of these “theologians” have any implications for the authority of the Church. [...] So far from overtly accepting responsibility for what happened, these two speeches put as much rhetorical distance as possible between the Galileo Affair and any implications for the authority of the Church. [...] The slowness and also the backroom nature of this process [gemeint ist die Selbstkorrektur der Kirche im Fall Galilei] was due, in no small part, to the problem of an institution that pretends to infallible theological authority dealing with the awkward fact it had backed the wrong horse. This means that not only did the 1992 speech by Pope John Paul not actually admit an error and apologise for it, but it danced around the fact of the error, attributing it to a vague penumbra of “theologians” and distancing it as far as possible from Pope Urban VIII, Saint Robert Bellarmine and, most importantly, the modern post-Vatican II Catholic Church. So, in the end, the Church comes out, in some respects, looking worse than Hitchens’ quip implies." vor 2 Stunden schrieb Marcellinus: Ich habe auch gelesen, daß er behauptet, das zu tun, weil man all das andere ja schon genügend wo anders lesen kann. Das mag so sein, oder auch nicht. Wir könnten recherchieren oder ihn bitten, uns Beispiele zu geben. Er scheint für sachliche Kommentare und Rückfragen durchaus offen zu sein. Zudem gibt er als Grund auch an, dass es aus seiner Sicht auch wichtig ist, dass ein Atheist eine Kritik an historischen Mythen gibt, die Atheisten pflegen. Das scheint mir vernünftig zu sein, und ich hoffe, dass auf der christlichen "Gegenseite" etwas Entsprechendes existiert. Zitat Ich sehe nur, was er so schreibt, und da sehe ich nur eine Zielrichtung, Die Auswahl seiner Themen bestimmt sich nicht nach ihrer historischen Bedeutung, sondern nach ihrer religiösen. Das hat mit Geschichtswissenschaft nichts zu tun. Er hat es sich in seinem Blog zur Aufgabe gemacht, historische Mythen, die nach seiner Meinung weithin unwidersprochen von aktivistischen Atheisten verbreitet werden, auf der Basis einer seriöser wissenschaftlicher Forschung zu kritisieren. Ich halte das für legitim - genau so, wie ich eine entsprechende Kritik an einer ideologisch vorgehenden christlichen Apologetik für legitim halte. Dass solche Formen der Kritik selbst keine Geschichtswissenschaft darstellen, sondern eine auf die Geschichtswissenschaften gestützte (Ideologie)kritik und Korrektur, ist klar; aber solange das fundiert und sachlich abläuft, ist daran aus meiner Sicht per se noch nichts unseriös. vor 2 Stunden schrieb Marcellinus: Der Begriff "Neue Atheisten" ist nun in sich allerdings schon ein ziemlich pauschaler Begriff, der weit über ein paar historische Bezüge hinausgeht. Die "neuen Atheisten" sind Kulturkämpfer, kein Zweifel. Dieser Blog setzt sich mit ihnen auseinander. Er ist damit Teil dieses Kulturkampfes. Kann man machen, muß man aber nicht. Soll man es wirklich als "Kulturkampf" bezeichnen, wenn jemand auf eine ideologisch und Mythen produzierenden "Historiographie" reagiert, indem er ihr nüchterne historische Erkenntnisse entgegensetzt (so wie es der Autor zumindest seinem Anspricht nach tut)? Wenn ja, dann wäre aus meiner Sicht damit allerdings nichts Schlechtes gesagt. vor 2 Stunden schrieb Marcellinus: Dieser Kulturkampf bestimmt die Auswahl seiner Themen, und die Äußerungen seiner Gegner (so darf man sie ja wohl nennen) bestimmen, was er schreibt. Und wo die Äußerungen der "neuen Atheisten" Übertreibungen nach der einen Seite sind, sind es seine allein schon durch die Auswahl seiner Themen nach der anderen. Ist es nicht legitim und seriös, dass man sich in einem Blog auf die Mythen, die aus einer bestimmten Ecke kommen, konzentriert? Zumal wenn man es ganz ausdrücklich als richtig und legitim darstellt, dass Kritik auch an jenen Mythen geübt wird, die aus anderen Ecken herrühren - und wenn er an anderer Stelle Mythen der letzteren Art selbst entgegengetreten ist? Ein "nein" liefe im Grunde darauf hinaus, dass man seriöserweise nie an irgendeiner bestimmten Stelle eine Kritik an den unwissenschaftlichen Erzeugnissen einer bestimmten Postion üben kann, wenn man nicht ebendort auch Kritik an allen konkurrierenden Positionen bzw. deren Erzeugnissen übt. Nicht einmal, wenn man sich ausdrücklich erklärt. Das würde ich als übertrieben restriktiv betrachten. Man muss m.E. eine kritische Analyse einer bestimmten Bewegung schreiben könne, ohne vor die Alternative gestellt zu werden, entweder - und zwar auch noch am gleichen Ort - auch eine vergleichbar ausführliche Analyse der konkurriernder Bewegungen zu liefern oder aber automatisch als jemand zu gelten, der eine ideologische Agenda bedient. vor 2 Stunden schrieb Marcellinus: Das heißt nicht, daß falsch ist, was er schreibt (das kann ich gar nicht beurteilen, denn das allermeiste habe ich gar nicht gelesen), nur, daß die Gewichtung durch eben diesen Kulturkampf bestimmt wird. Im Ergebnis kann ich mit seiner Vorgehensweise nichts anfangen. Ich denke, mehr ist dazu nicht zu sagen. Das ist vielleicht eine subjektive Präferenz. Ich respektiere die Deine natürlich, aber persönlich finde ich es durchaus hilfreich und legitim, wenn die Mythen, die von einer bestimmten Seite produziert werden, konzentriert kritisiert werden, sofern Sachlichkeit, Fairness und Kompetenz gewahrt bleiben. Ich wollte in diesem Sinne übrigens vor einiger Zeit eine ebenfalls vor allem historisch argumentierende Seite namens "Bad News for Christianity" verlinken (leicht zu finden). Das habe ich dann aber letztlich gelassen (außer in einem meiner Beiträge, wo ich einen einzelnen Artikel von dort verlinkt habe) - aber nicht etwa deshalb, weil ich eine fokussierte Kritik am historischen Christentum oder an einer christlichen Apologetik bedenklich finden würde; in einer solchen sehe ich genauso wenig etwas Falsches wie an einer Kritik, die auf historische Mythen fokussiert, die von manchen Religionskritikern gepflegt werden. Ich habe es vielmehr gelassen, weil ich Bedenken hinsichtlich der sachlichen Fundiertheit der auf jener Seite geäußerten Kritik hatte. Zitieren
Domingo Geschrieben 12. Oktober Melden Geschrieben 12. Oktober vor 1 Stunde schrieb Volker: Die Auffassung, dass ein historischer Jesus die beste und sparsamste Erklärung darstellt, hat ein weiteres Problem. Die Newtonsche Mechanik ist sparsamer als die Einsteinsche Relativitätstheorie, aber sie ist deswegen nicht besser – sondern eine Näherung, die bestimmte Phänomene nicht erklären kann. Einsteins Theorie ist sehr viel komplizierter, kann aber dafür mehr an Fragen beantworten und bringt bessere Vorhersagen hervor. Schön, Dich nochmal zu lesen! Du schreibst: Zitat Die Newtonsche Mechanik ist sparsamer als die Einsteinsche Relativitätstheorie, aber sie ist deswegen nicht besser – sondern eine Näherung, die bestimmte Phänomene nicht erklären kann. Eben. Es heißt ja "die bessere und sparsamere Erklärung." Die RT ist nun mal besser als die Newtonsche Physik, weil sie mehr erklären kann. vor 1 Stunde schrieb Volker: Die Theorie eines historischen Jesus kann eine ganze Reihe von Fragen nicht beantworten, oder die Vertreter dieser Ansicht haben sich nie damit befasst. Dazumuss man sich die Fragen im Detail ansehen, und das mache ich später. Ich warte gespannt darauf. Was sind diese Fragen? und natürlich ist es entscheidend, ob der Mythizismus sie erklären kann; sonst ist er nicht besser. Zitieren
Domingo Geschrieben 12. Oktober Melden Geschrieben 12. Oktober vor 1 Stunde schrieb Marcellinus: Hat es in dieser langen Zeit schon einmal eine Organisation gegeben, deren weltanschaulicher Kern die Ablehnung von Götterglauben allgemein war? Keine erfolgreiche Organisation; es gibt gewiss solche wie etwa die Giordano-Bruno-Stiftung, die sehr antitheistisch auftreten. Der "Neue Atheismus" selbst hätte vielleicht eine starke Organisation hervorgebracht, hätte nicht der Streit um den Feminismus (erinnert sich jemand an elevatorgate?) und die allgemeine politische Polarisierung die Bewegung torpediert. 2 Zitieren
iskander Geschrieben 12. Oktober Autor Melden Geschrieben 12. Oktober (bearbeitet) vor 2 Stunden schrieb Volker: Die Diskussion zwischen den Historizisten (die vertreten, dass es einen historischen Jesus gab) und den Jesus Mythizisten (die meinen, es gab keinen historischen Jesus) eskaliert inzwischen sehr schnell. Da ich mich mit dem Thema des Jesus-Mystizismus nicht befasst habe, kann ich dazu auch wenig sagen. Ich möchte nur anmerken, dass der Blog-Autor auf die meisten Deiner Argumente einzugehen scheint (etwa diejenigen zu den historischen Fälschungen) - siehe hier. An dieser Stelle wäre vielleicht eine direkte Diskussion mit Rede, Gegen-Rede und erneuter Antwort sinnvoll (s.u.). (Carrier und der Blog-Autor scheinen sich nicht grün zu sein - die Kontroverse habe ich mir jedoch nicht näher angesehen. Laut Blog-Autor ist Carrier allerding auch vielen anderen nicht grün. Der Autor schreibt: "Jesus Mythicism apologist Dr Richard Carrier (PhD) has a bizarre obsession with proving his many critics are “liars”. Do a word search on his blog for “liar”, lies”, “lying” etc. and scores of his blog posts come up in the results – I stopped counting when I got to over 50 of them in which he accuses critics and opponents of being “liars” or “lying”. So I am in good company when he adds me to the long list of wicked “liars” who afflict him with criticism, given that he has said the same about Bart Ehrman, R. Joseph Hoffmann, Maurice Casey, Larry Hurtado, James F. McGrath and many, many more. [...] It is not merely that he disagrees with our positions. Nor are we simply wrong. Or even just incompetent. Or even stupid. No, he says we are actively lying when we disagree with him [...].") Ein Argument für den historischen Jesus, das man etwa hier findet, das aber in Deiner Aufzählung fehlt, besteht darin, dass in den Evangelien etliche Sachen geschildert werden, die eigentlich gar nicht in jenes Bild passen, welches man von einem erfundenen Jesus erwarten würde. Um nur ein Beispiel von mehreren aus dem verlinkten Artikel anzuführen: "There are several other elements in the gospels like this. gLuke and gMatthew go to great lengths to tell stories which “explain” how Jesus came to be born in Bethlehem despite being from Nazareth, since Micah 5:2 was taken to be a prophecy that the Messiah was to be from Bethlehem. Both gospels, however, tell completely different, totally contradictory and mutually exclusive stories (one is even set ten years after the other) which all but the most conservative Christian scholars acknowledge to be non-historical. The question then arises: why did they go to this effort? If Jesus existed and was from Nazareth, this makes sense. Clearly some Jews objected to the claim Jesus was the Messiah on the grounds that he was from the insignificant village of Nazareth in Galilee and not from Bethlehem in Judea – John 7:41-42 even depicts some Jews making precisely this objection. So it makes sense that Christian traditions would arise that “explain” how a man known to be a Galilean from Nazareth came to be born in Bethlehem and raised in Nazareth – thus the contradictory stories in gLuke and gMatthew that have this as their end. If, however, there was no historical Jesus then it is very hard to explain why an insignificant town like Nazareth is in the story at all. If Jesus was a purely mythic figure and the stories of his life evolved out of expectations about the Messiah then he would be from Bethlehem, as was expected as a Messiah. So why is Nazareth, a tiny place of no religious significance, in the story? And why all the effort to get Jesus born in Bethlehem but keep Nazareth in the narrative? The only reasonable explanation is that it’s Nazareth that is the historical element in these accounts – it is in the story because that is where he was from. A historical Jesus explains the evidence far better than any “mythic” alternative." Ich kann den Gesamt-Komplex ansonsten nicht selbständig beurteilen, möchte aber anregen, dass Du dem Autor selbst im Kommentarbereich seines Blogs antwortest. Er scheint auf sachliche Kritik durchaus sachlich zu reagieren. Was er wohl erwartet, wäre, dass man seine F.A.Q. und vielleicht auch den einen oder anderen Artikel zum Thema gelesen hat; er scheint jedoch auf inhaltliche Kritik in der Regel substantiell zu antworten und mit Lesern zu diskutieren, wenn diese etwas zur Sache zu sagen haben. Vielleicht wäre es beispielsweise ein interessanter Punkt, ob es wirklich (wie der Autor behauptet) einen breiten Konsens unter qualifizierten (und weltanschaulich neutralen und institutionell freien) Fachleuten gibt, laut dem es den historischen Jesus gab - oder eben doch nicht (so wie Du es meinst). Ebenfalls könnte man dort andere relevante Punkte diskutieren. Dessen ungeachtet weiß ich auch nicht, ob unsere Konzentration auf das Thema "historischer Jesus" in diesem Thread wirklich so sinnvoll sind. Denn zumindest in einem Punkt scheinen sich nun wirklich alle einig zu sein: Selbst wenn es Jesus gab, sieht die historische Quellenlage wohl eher bescheiden aus - jedenfalls bescheidener als bei vielen anderen Sachverhalten. Hingegen greift der Autor des Blogs auch viele Themen auf, die weit mehr für eine historisch-wissenschaftliche Betrachtung hergeben - darunter solche, die er unter Stichwörtern wie "The Loss of Ancient Learning", "'Hitler’s Pope'?", "Religious Wars and Violence" diskutiert (siehe insbesondere hier). Dazu gäbe es vielleicht mehr historisch gesichertes Material, das Grundlage einer Evaluierung oder fruchtbaren Debatte sein könnte. bearbeitet 13. Oktober von iskander 1 Zitieren
iskander Geschrieben 12. Oktober Autor Melden Geschrieben 12. Oktober (bearbeitet) vor 2 Stunden schrieb Volker: Die Auffassung, dass ein historischer Jesus die beste und sparsamste Erklärung darstellt, hat ein weiteres Problem. Die Newtonsche Mechanik ist sparsamer als die Einsteinsche Relativitätstheorie, aber sie ist deswegen nicht besser – sondern eine Näherung, die bestimmte Phänomene nicht erklären kann. Einsteins Theorie ist sehr viel komplizierter, kann aber dafür mehr an Fragen beantworten und bringt bessere Vorhersagen hervor. Zu diesem Punkt noch. Das ist, glaube ich, ein Missverständnis, worauf auch schon @Domingo hinweist. Es geht darum, dass dort, wo zwei Erklärungen den Daten gleichermaßen gerecht werden (wo sie gleich viel leisten), diejenige überzeugender ist, die einfacher und sparsamer ist. Die Erklärung von Newton ist einfacher, "leistet" aber eben auch weniger als die von Einstein und wäre somit gerade kein gutes Beispiel. Laut dem Blog-Autor und anderen ist es aber offenbar so, dass die These von einem historischen Jesus genauso viel erklärt bzw. genauso viel "leistet" wie diejenige von einem erfundenen Jesus, aber ohne dass man bei ihr zu so oft zu komplizierten und unplausiblen Ad-hoc-Annahmen greifen müsste. bearbeitet 12. Oktober von iskander Zitieren
iskander Geschrieben 12. Oktober Autor Melden Geschrieben 12. Oktober vor 1 Stunde schrieb Marcellinus: Religionskritik gibt es nun seit Jahrhunderten. Hat es in dieser langen Zeit schon einmal eine Organisation gegeben, deren weltanschaulicher Kern die Ablehnung von Götterglauben allgemein war? Die verbreitetste atheistische Ideologie war bisher der marx'sche Sozialismus, und der Marxismus-Leninismus, Stalinismus und Maoismus in seiner Folge. Aber alle diese gründeten sich auf die marx'sche Klassenanalyse und Geschichtsphilosophie. Der Atheismus war erst die Folge. Das ist sicher richtig; dennoch hat dann in der Frühgeschichte der Sowjetunion (und in der Geschichte mancher anderer Staaten) der Atheismus eine prominente Rolle gespielt (vielleicht mehr als bei Karl Marx selbst?). Dass der Atheismus aus anderem "abgeleitet" ist, bleibt davon unbenommen. Ob man nun sagen kann, dass der Atheismus dennoch zum "Kern" der Weltanschauung der (frühen) UdSSR gehört hat, hängt wahrscheinlich auch davon ab, wie man den etwas unpräzisen Ausdruck "Kern einer Weltanschauung" definieren möchte. Zitieren
Domingo Geschrieben 12. Oktober Melden Geschrieben 12. Oktober (bearbeitet) Carrier hat übrigens neulich ein neues Buch geschrieben, in dem er die These vertritt, das Paradigma vom historischen Jesus sei obsolet. Anders als On the Historicity of Jesus, das peer-reviewed und akademisch evröffentlichst ist, ist dieses neue Buch von den Gutachtern des Verlags abgelehnt worden. Carrier ist hierüber natürlich not amused und behauptet nun, da die Gutachter keine "Sachfehler" (was immer das genau ist) gefunden und benannt hätten, habe das Buch in Wahrheit den Prozess bestanden (naja...). Wer sich einen stundenlangen YouTubevideo zum selben Thema reinziehen will, kann es hier tun. Für diese küühne Aussage wird Carrier in einem anderen Video verspottet. Ich habe noch nach kürzeren Kommentaren in Textform zu diesem Geschehen im Nezt gesucht, die waren aber leider hinter einer Bezahlschranke. bearbeitet 12. Oktober von Domingo Zitieren
Volker Geschrieben 13. Oktober Melden Geschrieben 13. Oktober Quote 32 minutes ago, Domingo said: Carrier hat übrigens neulich ein neues Buch geschrieben, in dem er die These vertritt, das Paradigma vom historischen Jesus sei obsolet. Anders als On the Historicity of Jesus, das peer-reviewed und akademisch evröffentlichst ist, ist dieses neue Buch von den Gutachtern des Verlags abgelehnt worden. Carrier ist hierüber natürlich not amused und behauptet nun, da die Gutachter keine "Sachfehler" (was immer das genau ist) gefunden und benannt hätten, habe das Buch in Wahrheit den Prozess bestanden (naja...). Wer sich einen stundenlangen YouTubevideo zum selben Thema reinziehen will, kann es hier tun. Für diese küühne Aussage wird Carrier in einem anderen Video verspottet. Ich habe noch nach kürzeren Kommentaren in Textform zu diesem Geschehen im Nezt gesucht, die waren aber leider hinter einer Bezahlschranke. Das Buch habe ich bereits bestellt, es wird aber erst im November erscheinen. Bis dahin halte ich mich mit Kommentaren dazu zurück. Zitieren
Volker Geschrieben 13. Oktober Melden Geschrieben 13. Oktober 1 hour ago, iskander said: (Carrier und der Blog-Autor scheinen sich nicht grün zu sein - die Kontroverse habe ich mir jedoch nicht näher angesehen. Laut Blog-Autor ist Carrier allerding auch vielen anderen nicht grün. Der Autor schreibt: "Jesus Mythicism apologist Dr Richard Carrier (PhD) has a bizarre obsession with proving his many critics are “liars”. Do a word search on his blog for “liar”, lies”, “lying” etc. and scores of his blog posts come up in the results – I stopped counting when I got to over 50 of them in which he accuses critics and opponents of being “liars” or “lying”. So I am in good company when he adds me to the long list of wicked “liars” who afflict him with criticism, given that he has said the same about Bart Ehrman, R. Joseph Hoffmann, Maurice Casey, Larry Hurtado, James F. McGrath and many, many more. [...] It is not merely that he disagrees with our positions. Nor are we simply wrong. Or even just incompetent. Or even stupid. No, he says we are actively lying when we disagree with him [...].") Genau das meine ich, wenn ich sage, dass die Diskussion sehr schnell eskaliert – auf beiden Seiten. Zitieren
Volker Geschrieben 13. Oktober Melden Geschrieben 13. Oktober 1 hour ago, iskander said: Ein Argument für den historischen Jesus, das man etwa hier findet, das aber in Deiner Aufzählung fehlt, besteht darin, dass in den Evangelien etliche Sachen geschildert werden, die eigentlich gar nicht in jenes Bild passen, welches man von einem erfundenen Jesus erwarten würde. Um nur ein Beispiel von mehreren aus dem verlinkten Artikel anzuführen: "There are several other elements in the gospels like this. gLuke and gMatthew go to great lengths to tell stories which “explain” how Jesus came to be born in Bethlehem despite being from Nazareth, since Micah 5:2 was taken to be a prophecy that the Messiah was to be from Bethlehem. Both gospels, however, tell completely different, totally contradictory and mutually exclusive stories (one is even set ten years after the other) which all but the most conservative Christian scholars acknowledge to be non-historical. The question then arises: why did they go to this effort? If Jesus existed and was from Nazareth, this makes sense. Clearly some Jews objected to the claim Jesus was the Messiah on the grounds that he was from the insignificant village of Nazareth in Galilee and not from Bethlehem in Judea – John 7:41-42 even depicts some Jews making precisely this objection. So it makes sense that Christian traditions would arise that “explain” how a man known to be a Galilean from Nazareth came to be born in Bethlehem and raised in Nazareth – thus the contradictory stories in gLuke and gMatthew that have this as their end. If, however, there was no historical Jesus then it is very hard to explain why an insignificant town like Nazareth is in the story at all. If Jesus was a purely mythic figure and the stories of his life evolved out of expectations about the Messiah then he would be from Bethlehem, as was expected as a Messiah. So why is Nazareth, a tiny place of no religious significance, in the story? And why all the effort to get Jesus born in Bethlehem but keep Nazareth in the narrative? The only reasonable explanation is that it’s Nazareth that is the historical element in these accounts – it is in the story because that is where he was from. A historical Jesus explains the evidence far better than any “mythic” alternative." Richtig, das hätte ich in meine Liste aufnehmen müssen: das Argument der Peinlichkeit. Manche Beschreibungen in den Evangelien laufen der Theologie zuwider, Jesus, der strahlende Held, der aber schmachvoll stirbt, und Dein Beispiel, neben vielen anderen. Wie Price anmerkte, hat dieses Argument einige Probleme: Was wir heute als peinlich empfinden, oder unpassend, muss damals nicht so verstanden worden sein. Der schmachvolle Tod ist beispielsweise ein wiederkehrendes Muster aller Mysterienkulte. Wenn man alles nimmt, was die vielen Mysterienkulte gemeinsam hatten, passt das frühe Christentum sehr gut in das allgemeine Muster. Aber Vorsicht, auch hier ist eine Menge Unsinn im Umlauf, wie etwa, dass der Mithras-Kult ebenfalls von einem gekreuzigten Gott handelt, der starb und wieder auferstand. Das ist totaler Bullshit, wir wissen viel zu wenig über den Mithras-Kult, der ein Geheimkult war. Was wir wissen haben wir von einer Steintafel, demnach durchlitt Mithras eine Passion und besiegte einen Stier. Das ist schon so ziemlich alles. Alle weiteren Informationen sind frei erfunden. Ich bin kein direkter Jesus-Mystizist. Ich denke nämlich, dass es durchaus einen möglichen Kandidaten für den historischen Jesus gegeben hat: Yeshua ha-Notsri, was wörtlich bedeutet: Jesus der Nazarener. Dieser lebte 90 Jahre vor der Zeit von Jesus, es handelt sich um einen Juden, der zeitweise Mitglied des Sanhedrin war, dann aber wegen seiner Reformbemühungen in Ungnade fiel und nach Ägypten fliehen musste. Er kehrte zurück und versuchte, Elemente des Buddhismus in das Judentum einzuführen. Er wurde deswegen gesteinigt und seine Leiche zur Abschreckung an einem Pfahl ausgestellt. Es gibt also diverse Erklärungen für „Jesus von Nazareth“. Eine davon ist das Missverständnis, dass „Jesus der Nazarener“ sich auf Nazareth bezog. Hauptproblem hier ist, dass es im ersten Jahrhundert keine Stadt namens Nazareth gab, sondern nur einen römischen Friedhof. Andere Theologen führen dies auf „Jesus den Nazoräer“ zurück, also ein Mitglied der Sekte der Nazoräer, was mir etwas weit hergeholt erscheint. Denn soweit ich weiß, ist eine Sekte mit diesem Namen nicht bekannt. Inzwischen wird Jesus der Nazarener gedeutet als Jesus von Nazareth, aber zwingend ist das nicht. Das könnten die Evangelisten versucht haben, zu erklären, wobei sie eben genau den besagten Irrtum begingen. Dass der Geburtsort Nazareth war und wir daher einen Hinweis auf ein historisches Ereignis haben, scheitert daran, dass zur Zeit von Jesus Nazareth kein Ort war, an dem man geboren werden konnte. Damit ist das weder ein Argument für noch gegen einen historischen Jesus. Hier haben wir es eher mit einem gescheiterten Erklärungsversuch zu tun, der auf einem Missverständnis beruht. Es gab vier Wellen in der Theologie, bei der man versuchte, mehr über den historischen Jesus herauszufinden. Interessant ist, dass bei jeder neuen Welle widersprechende Kriterien verwendet wurden, um einen historischen Gehalt herauszudestillieren. Aber mit jeder Welle begriff man, dass man über ein historisches Vorbild für Jesus weniger und weniger wusste. Das ist das Hauptproblem, dass die Gestalt von Jesus unter den diversen Schichten quasi verschwindet. Es gibt übrigens, heiß diskutiert, unter den Radikalkritikern eine sich allmählich verbreitende Ansicht, nach der sowohl die Paulusbriefe, abgesehen von einem Urkern, als auch die Evangelien erst nach dem bar-Kochba-Aufstand (133 bis 136) entstanden sein können. Teile der Paulusbriefe könnten aus dem ersten Jahrhundert stammen, aber die Person des Paulus gab es nicht, wahrscheinlicher ist, dass es sich um Simon Magus oder einen seiner Schüler handelte. Diese Briefe wurden später teils heftig überarbeitet. Das geht sogar noch mehr ans Eingemachte als die Theorie, dass es keinen historischen Jesus gab. Denn hier handelt es sich um die Theorie, dass Jesus eine Erfindung des 2. Jahrhunderts ist, zumindest was die Paulusbriefe und die Evangelien angeht (christliche Bewegungen gab es schon vorher, versteht sich). Wenn man streng wissenschaftlich argumentieren würde, könnte man nämlich höchstens sagen: Die Evangelien müssen zwischen den Jahren 70 und 150 entstanden sein. Es gibt praktisch keinen Grund, warum das Markusevangelium im Jahre 70 oder kurz danach geschrieben worden sein muss. Das ist eine vollkommen willkürliche Datierung aufgrund der theologischen Agenda, dass man es so nahe wie nur irgend möglich an den Ereignissen haben möchte. Das gilt auch für das Johannesevangelium: Wir haben das berühmte Fragment P52, das mit hoher Wahrscheinlichkeit von diesem Evangelium stammt. Es ist nur so groß wie ein Daumennagel, und eines der Worte darauf lautet „und“. Das wird nach fast einhelliger Theologenmeinung auf das Jahr 110 datiert, was für die Theologen äußerst peinlich ist. Denn die Datierung basiert auf der verwendeten Schriftart, nicht auf Radiokarbondatierung (die würde das Fragment komplett zerstören). Aber eine solche Datierung hat eine Fehlermarge von +/- 50 Jahren oder mehr. Es ist, als ob man einen Brief in Sütterlin findet, und ihn daher auf das Jahr 1940 datiert. Sicherlich, da schrieben viele Leute in Sütterlin, aber das heißt nicht, dass nach dem Jahr 1940 alle schlagartig damit aufhörten. 1 Zitieren
Domingo Geschrieben Montag um 03:58 Melden Geschrieben Montag um 03:58 (bearbeitet) Zu Josephus: Neben dem umstrittenen Testimonium Flavianum gibt es eine andere Passage, wo Jesus erwähnt wird. Und da es schwer vorstellbar zu sein scheint, dass dies ein Einschub durch einen christlichen Schreiber ist, denke ich vorläufig zu diesem ganzen Thema, dass es zwar einen Jesus gab, der ungefähr zu der Zeit lebte, da Jesus gelebt haben soll. Der Grund, warum er dennoch unter so einer Decke von Hinzugedichtetem liegt, dürfte darin zu sehen sein, dass das NT, das wir haben, wohl ein Produkt des 2. oder 3. Jh. ist, also mindestens 100 Jahre nach Jesu Leben. Selbst das ist optimistisch; die frühesten Handschriften des NT, Codex Vaticanus und Codex Sinaiticus, stammen aus dem 4. Jh. Was bis dahin mit dem Text passierte, weiß der Kuckuck. Dieser Beitrag wurden von einem Video inspiriert, das zufällig heute gepostet wurde und das ich zufällig gerade in meinem Feed gesehen habe: https://www.youtube.com/watch?v=of-pjmIH9lE Da bekommt man eine Vorstellung, wie damals um den "korrekten" Text des NT gerungen wurde. bearbeitet Montag um 04:03 von Domingo Zitieren
Marcellinus Geschrieben Montag um 12:29 Melden Geschrieben Montag um 12:29 vor 8 Stunden schrieb Domingo: Zu Josephus: Neben dem umstrittenen Testimonium Flavianum gibt es eine andere Passage, wo Jesus erwähnt wird. Und da es schwer vorstellbar zu sein scheint, dass dies ein Einschub durch einen christlichen Schreiber ist, denke ich vorläufig zu diesem ganzen Thema, dass es zwar einen Jesus gab, der ungefähr zu der Zeit lebte, da Jesus gelebt haben soll. Schwer vorstellbar? Alle diese Texte sind in Abschriften auf uns gekommen, die aus dem Mittelalter stammen. Mittelalterliche Quellen waren Teil meines Studiums. Das Wort "Fälschung" kommt da so oft vor, daß man es für den Normalfall halten könnte. Was natürlich kein Beweis ist, weder in die eine noch in die andere Richtung. 😉 Zitieren
Domingo Geschrieben Montag um 13:52 Melden Geschrieben Montag um 13:52 vor einer Stunde schrieb Marcellinus: Schwer vorstellbar? Alle diese Texte sind in Abschriften auf uns gekommen, die aus dem Mittelalter stammen. Mittelalterliche Quellen waren Teil meines Studiums. Das Wort "Fälschung" kommt da so oft vor, daß man es für den Normalfall halten könnte. Was natürlich kein Beweis ist, weder in die eine noch in die andere Richtung. 😉 "Schwer vorstellbar" war eine schlechte Wortwahl, ich hätte unwahrscheinlich sagen sollen. SWenn ich mich recht erinnere, sind die Gründe, die Gelehrte dafür nennen, ungefähr die folgenden: Diese Passage wird von Kirchenvätern zitiert, lange bevor das Christentum annähernd die Macht besaß, den Josephus-Text zu bestimmen. Außerdem würde man von einem chrisltichen Fälscher mehr erwarten als "der der Christ genannt wurde." Tacitus 10:44 erwähnt, dass ein Kerl namens Christus unter Pontius Pilatus hingerichtet worden war und dass er der Gründer der Sekte war, die "Christiani" genannt wurde (Kontext ist Nero's Verfolgung). Der Satz ist in typischem Tacitus-Stil verfasst (also schwer zu fälschen) und Tacitus war wäherisch mit seinen Quellen, also hätte er nicht einfach den Christen selbst geglaubt. Letztlich auch keiner der Kritiker des Cristentums in der Antike auch nur den Hauch einer Vorstellung davon, dass Jesus je etwas anders als eine historiche Person gewesen war. Niemand scheint sich daran zu erinnern, dass er (laut Carrier & Co.) ursprünglich ein Himmelswesen war o.ä. Ich würde jetzt zugegeben keine große Wette auf die Existenz eingehen (10 Euro max.), aber die Quellen scheinen mir ein bsischer eher in Richtung Existenz zu neigen. Zitieren
Marcellinus Geschrieben Montag um 15:43 Melden Geschrieben Montag um 15:43 (bearbeitet) vor 2 Stunden schrieb Domingo: Ich würde jetzt zugegeben keine große Wette auf die Existenz eingehen (10 Euro max.), aber die Quellen scheinen mir ein bsischer eher in Richtung Existenz zu neigen. Ich will dir das auch nicht ausreden. Mein „Erweckungserlebnis“ hatte ich bei meinen Examensvorbereitungen vor vielen Jahrzehnten zum Thema „Sparta und Lykurg“. ich weiß nicht, ob dir das was sagt, aber Lykurg war der Gesetzgeber, dem man die besondere Verfassung des spartanischen Staates zugeschrieben hat. Die gesamte Antike bis hin in die Neuzeit war der festen Überzeugung, Lykurg sei eine historische Person. Erst in neuerer Zeit hat man dann festgestellt, dass das nicht sein kann, und diese Figur eine reine Fiktion ist. Wie gesagt, das ist keine Beweis, weder in die eine noch in die andere Richtung . Es zeigt nur, dass man sich in Bezug auf die Historizität einer Person ziemlich leicht vertun kann. Ich denke, wir Menschen ticken nun mal so, dass wir hinter allem und jedem einen persönlichen Verursacher vermuten, und dass wir eher eine mythische Person für real halten, als uns mit schlichtem Nichtwissen zu begnügen. bearbeitet Montag um 16:06 von Marcellinus Zitieren
Domingo Geschrieben Montag um 16:36 Melden Geschrieben Montag um 16:36 vor 47 Minuten schrieb Marcellinus: Ich will dir das auch nicht ausreden. Mein „Erweckungserlebnis“ hatte ich bei meinen Examensvorbereitungen vor vielen Jahrzehnten zum Thema „Sparta und Lykurg“. ich weiß nicht, ob dir das was sagt, aber Lykurg war der Gesetzgeber, dem man die besondere Verfassung des spartanischen Staates zugeschrieben hat. Die gesamte Antike bis hin in die Neuzeit war der festen Überzeugung, Lykurg sei eine historische Person. Erst in neuerer Zeit hat man dann festgestellt, dass das nicht sein kann, und diese Figur eine reine Fiktion ist. Hiermit kenne ich mich nat. gut aus, weil ich ein Altphilologe mit Schwerpunkt auf dem klassischen Griechenland bin. Gegen die Existenz von Lycurgus spricht vor allem, dss er im Work des Tyrtaeus nicht erwaehnt wird. Wir wuerden erwarten, dass Tyrtaeus ihn erwaehnt, wenn er existierte. Bei Jesus wuerden wir erwarten, dass Josephus, der ja unsere Quellen fuer diese ganzen Figuren (juedische Prediger aus dem fruehen 1. Jh.) ist, Jesus erwaehnt... Und siehe, er tut es! 😉 Ich bin aber ganz und gar kein Experte fuer Palaestina im 1. Jh., oder fuer das erste Jh. ueberhaupt, so nehmt meine Meinung bitte mit einer Prise Salz... Zitieren
Domingo Geschrieben Montag um 16:39 Melden Geschrieben Montag um 16:39 (bearbeitet) vor 57 Minuten schrieb Marcellinus: Wie gesagt, das ist keine Beweis, weder in die eine noch in die andere Richtung . Es zeigt nur, dass man sich in Bezug auf die Historizität einer Person ziemlich leicht vertun kann. Ich denke, wir Menschen ticken nun mal so, dass wir hinter allem und jedem einen persönlichen Verursacher vermuten, und dass wir eher eine mythische Person für real halten, als uns mit schlichtem Nichtwissen zu begnügen. Aber es ist wohl auch so, dass man heute vielfach von der anderen Seite des Pferdes runterfaellt und die Historizitaet aller moeglichen Menschen zu widerlegen sucht. Kuerzlich las ich einen Aufsatz von A. Wynne mit dem Titel "Did the Buddha exist?", wo er genau das beklagt. Selbst der Buddhismus hat seine Mythizisten, obwohl es - wie Du selbst sagst - fuer den Buddha als historische Person sehr viel mehr Belege gibt. bearbeitet Montag um 16:41 von Domingo Zitieren
Marcellinus Geschrieben Montag um 16:56 Melden Geschrieben Montag um 16:56 vor 18 Minuten schrieb Domingo: Bei Jesus wuerden wir erwarten, dass Josephus, der ja unsere Quellen fuer diese ganzen Figuren (juedische Prediger aus dem fruehen 1. Jh.) ist, Jesus erwaehnt... Und siehe, er tut es! Ich dachte, Josephus sei vor allen Dingen ein Spezialist für die Verteidigung der Rolle Josephus‘ in der jüdischen Geschichte! So kann man sich vertun! 😄 Zitieren
Domingo Geschrieben Montag um 18:38 Melden Geschrieben Montag um 18:38 vor 1 Stunde schrieb Marcellinus: Ich dachte, Josephus sei vor allen Dingen ein Spezialist für die Verteidigung der Rolle Josephus‘ in der jüdischen Geschichte! Und? Zitieren
Marcellinus Geschrieben Montag um 19:14 Melden Geschrieben Montag um 19:14 (bearbeitet) vor 36 Minuten schrieb Domingo: Und? Nichts weiter! Für Historiker ist hier nichts zu holen, außer einem riesigen Berg an Spekulationen und religiösen Fantasien über einem Nichts an Fakten. Allerdings ist das nicht wirklich ein Problem. Entscheidend für den Verlauf der Geschichte ist die Entstehung der zahlreichen, weitgehend unabhängigen Gemeinden, ihr Übergang zur Staatskirche und der Vernichtung aller anderen Kulte. Für den Teil der Geschichte war dieser Jesus längst ein Mythos geworden, reale Existenz hin oder her. bearbeitet Montag um 19:15 von Marcellinus Zitieren
iskander Geschrieben Montag um 22:28 Autor Melden Geschrieben Montag um 22:28 (bearbeitet) vor 22 Stunden schrieb Volker: Richtig, das hätte ich in meine Liste aufnehmen müssen: das Argument der Peinlichkeit. Manche Beschreibungen in den Evangelien laufen der Theologie zuwider, Jesus, der strahlende Held, der aber schmachvoll stirbt, und Dein Beispiel, neben vielen anderen. Wie Price anmerkte, hat dieses Argument einige Probleme: Was wir heute als peinlich empfinden, oder unpassend, muss damals nicht so verstanden worden sein. Der schmachvolle Tod ist beispielsweise ein wiederkehrendes Muster aller Mysterienkulte. Ehrlich gesagt scheint mir - vielleicht aufgrund meines eingeschränkten Wissens, das schließe ich nicht aus - doch das etwas überzeugender zu sein, was der Blog-Autor schreibt: "The idea of a Messiah who dies was totally unheard of and utterly alien to any Jewish tradition prior to the beginning of Christianity, but the idea of a Messiah who was crucified was not only bizarre, it was absurd. According to Jewish tradition, anyone who was “hanged on a tree” was to be considered accursed by Yahweh and this was one of the reasons crucifixion was considered particularly abhorrent to Jews. The concept of a crucified Messiah, therefore, was totally bizarre and absurd. It was equally weird to non-Jews. Crucifixion was considered the most shameful and abhorrent of deaths, so much so that one of the privileges of Roman citizenship is that citizens could never be crucified. The idea of a crucified god, therefore, was absurd and bizarre. [...] It’s significant that the earliest depiction of the crucifixion of Jesus that we have is a graffito from Rome showing a man worshipping a crucified figure with the head of a donkey with the mocking caption “Alexamenos worships his god”. The idea of a crucified god was, quite literally, ridiculous. Paul acknowledges how absurd the idea of a crucified Messiah was in 1Cor 1:23, where he says it “is a stumbling block to the Jews and an absurdity to the gentiles”. [...] The accounts of Jesus’ crucifixion in the gospels also show how awkward the nature of their Messiah’s death was for the earliest Christians. They are all full of references to texts in the Old Testament as ways of demonstrating that, far from being an absurdity, this was what was supposed to happen to the Messiah. But none of the texts used were considered prophecies of the Messiah before Christianity came along and some of them are highly forced. [...] Clearly the gospel writers were going to some effort to find some kind of scriptural basis for this rather awkward death for their group’s leader, one that let them maintain their belief that he was the Messiah. Again, this makes most sense if there was a historical Jesus and he was crucified, leaving his followers with this awkward problem. If there was no historical Jesus at all, it becomes very difficult to explain where this bizarre, unprecedented and awkwardly inconvenient element in the story comes from. [...] And given that there was no precedent for a crucified Messiah, it’s almost impossible to see this idea evolving out of earlier Jewish traditions. The most logical explanation is that it’s in the story, despite its vast awkwardness, because it happened." https://historyforatheists.com/2017/05/did-jesus-exist-the-jesus-myth-theory-again/ vor 22 Stunden schrieb Volker: Es gibt also diverse Erklärungen für „Jesus von Nazareth“. Eine davon ist das Missverständnis, dass „Jesus der Nazarener“ sich auf Nazareth bezog. Dazu hat der Blog-Autor ebenfalls einen ganzen Artikel verfasst: https://historyforatheists.com/2019/10/nazareth-myth/ Mir fehlt die Kompetenz, um hier ein eigenes Urteil zu fällen. Aber ehrlich gesagt habe ich - was wie gesagt meiner fehlenden Kenntnis geschuldet sein mag - bisher so ein wenig den Eindruck, dass der Jesus-Mythizismus irgendwie oftmals darauf angewiesen ist, die eigentlich naheliegendsten Interpretationen zu vermeiden und Gründe zu finden, warum man die Dinge vermeintlich ganz anders interpretieren müsse; und man kann den Eindruck haben, dass die Konklusion - dass es keinen historischen Jesus gegeben habe - im Grunde am Anfang statt am Ende der Überlegungen steht. @Domingo vor 19 Stunden schrieb Domingo: Zu Josephus: Neben dem umstrittenen Testimonium Flavianum gibt es eine andere Passage, wo Jesus erwähnt wird. Und da es schwer vorstellbar zu sein scheint, dass dies ein Einschub durch einen christlichen Schreiber ist, denke ich vorläufig zu diesem ganzen Thema, dass es zwar einen Jesus gab, der ungefähr zu der Zeit lebte, da Jesus gelebt haben soll. Laut dem Blog-Autor streitet eigentlich niemand ab, dass die Passage insgesamt echt ist, sondern man versucht sie auf andere Weise "unschädlich" zu machen - siehe etwa hier: https://historyforatheists.com/2018/10/richard-carrier-is-displeased-again/ Und da habe ich eben wieder dieses Gefühl, das eigentlich das entscheidende Argument die Konklusion ist, die als Prämisse genommen wird: 'Es kann keinen historischen Jesus gegeben haben - also müssen wir die Daten so interpretieren, dass dabei herauskommt, dass es keinen historischen Jesus gab.' Zitat Der Grund, warum er dennoch unter so einer Decke von Hinzugedichtetem liegt, dürfte darin zu sehen sein, dass das NT, das wir haben, wohl ein Produkt des 2. oder 3. Jh. ist, also mindestens 100 Jahre nach Jesu Leben. Selbst das ist optimistisch; die frühesten Handschriften des NT, Codex Vaticanus und Codex Sinaiticus, stammen aus dem 4. Jh. Was bis dahin mit dem Text passierte, weiß der Kuckuck. Das überrascht mich jetzt etwas. Mir ist bewusst, dass die einzelnen Textzeugnisse zum Teil nicht unerheblich voneinander abweichen sollen. Aber ich dachte, dass der nahezu universale Konsens - auch unter dezidiert nicht-christlichen Forschern - lauten würde, dass die Evengelien jünger seien, als Du das ansetzt? bearbeitet Montag um 23:47 von iskander Zitieren
Domingo Geschrieben Montag um 22:59 Melden Geschrieben Montag um 22:59 vor 7 Minuten schrieb iskander: Das überrascht mich jetzt etwas. Mir ist bewusst, dass die einzelnen Textzeugnisse zum Teil nicht unerheblich voneinander abweichen sollen. Aber ich dachte, dass der nahezu universale Konsens - auch unter dezidiert nicht-christlichen Forschern - lauten würde, dass die Evengelien jünger seien, als Du das ansetzt? Dieser Konsensus ist in letzter Zeit unter Beschuss geraten. Viell. hilft dieses Video von einem sich als "agnostischer Christ" bezeichnenden Gelehrten zur schnellen Einführung weiter. Andere Videos auf seinem Kanal könnten von Interesse sein, insbesondere sein Interview mit Markus Vinzent, einem prominenten Markion-Experten. Wie gesagt bin ich kein NT-Experte und kenne mich mit der biblischen Textkritik nur oberflächlich aus. Ich kann aber sagen, dass auch wir Philologen oft dazu tendieren, die Wandelbarkeit antiker Texte zu unterschätzen - vermutlich, weil wir alle an den Buchdruck gewöhnt sind, wo es halt die eine Version eines Texts und basta. Im Altertum wurden Texte hingegen von Hand kopiert, was nicht nur zu unbewussten Abschreibfehlern führte, sondern auch die Möglichkeit eröffnete, Texte nach Belieben zu erweitern, zu ändern, miteinander zu kombinieren usw. usf. Beim AT sprechen die Qumran-Rollen dazu eine beredte Sprache. Allgemein sieht es so aus, dass insbesondere religiöse Texte, nachdem sie zum ersten Mal zu Papier gebracht wurden, Generationen lang in einem flüssigen Zustand blieben, bis man beschloss, dass man sie nur in eine kanosische und unabänderliche Gestalt bringen musste. Im Christentum gab es anscheinend vor Markion keine Vorstellung von einem Kanon, so dass nicht nur die Texte selbst flüssig waren und es noch lange blieben (die Story von der Ehebrecherin, bei der Jesus sagt, "Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein", ist seit langem als ein späterer Einschub bekannt; Ähnliches passierte mit Markus' Aufersteungserzählung), sondern es lange (2 Jahrhunderte) umstrietten blieb, welche Texte überhaupt zum christliche Kanon gehören sollten. Und da die ältesten NT-Handschriften wie gesagt nach 300 nach Chr. geschrieben wurden, besteht mMn kaum Hoffnung, dass wir die Evangelien in einer einigermaßen originellen Form haben. Zitieren
iskander Geschrieben Montag um 23:44 Autor Melden Geschrieben Montag um 23:44 @Domingo Ich kann mir das mal ansehen, aber ohne mich da wirklich reinzuknien, werde ich da wohl kaum weit kommen, weshalb es für mich als Laien vermutlich das klügste ist, mich (unter Vorbehalten) an einem weitreichenden Experten-Konsens zu orientieren, falls es einen solchen gibt. Nach verschiedenen Quellen gibt es den - wobei ich nicht ausschließen möchte, dass diese Quellen in die Irre führen könnten. Dass es vermutlich gewisse Änderungen bzw. Ergänzungen gab (wie die von Dir genannte beim Johannes-Evangelium) ist meines Wissens relativ weithin anerkannt. Zitieren
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