Weihrauch Geschrieben 20. Oktober Melden Geschrieben 20. Oktober vor 3 Minuten schrieb Domingo: Worüber diskutieren wir dann? Haben wir aneinander vorbeigeredet? Weiß ich nicht, ob wir aneinander vorbeigeredet haben. Das versuchen wir gerade herauszubringen, ob das so ist. vor 5 Minuten schrieb Domingo: Dass das MarkusEv um 70 n. Chr. verfasst wurde, ist Quatsch, ja Sonst verstehe ich nicht, was der ganze Paragraph soll. Sagst Du doch nichts anderes, als was ich schon die ganze Zeit vertreten habe. Die Gegenseite ist auch Quatsch, meiner Meinung nach. Was meine ich damit? In der Neutestamentlichen Wissenschaft war man ewig auf der Suche nach dem historischen Jesus - vergeblich. Bei diesen Diskussionen scheint es mir, als wäre man auf der Suche nach dem historischen Markus, dem historischen Marcion, Lukas usw. - und das wird auch vergeblich sein. Von Markus zu sprechen ist eine Konvention, keine Person mit der Sandalengröße 45, die man finden könnte. Markus ist immer der Markus eines bestimmten Textes. Der Markus der Einheitsübersetzung aus dem Jahr 1980 ist der Markus des Jahres 1980. Der Markus der Einheitsübersetzung 2016 ist der Markus des Jahres 2016. Alles andere sind Spekulationen auf die man keine Antworten finden kann. Selbst wenn wir tatsächlich den allerersten Text in Händen hielten, den man Markusevangelium nennen könnten, gäbe es keine Chance zu wissen, dass er der allerallererste Text ist. Das steht ja nicht drauf, es kann immer noch einen Vorläufer gegeben haben, der vielleicht irgendwo herumliegt. Wahrscheinlicher ist, dass er längst verrottet ist. Daten beziehen sich nie auf den frühesten oder spätesten Zeitpunkt sondern immer nur auf den konkreten Zeitpunkt einer Handschrift oder eines Fetzen der erhalten geblieben ist. Auf diesem Fetzen steht etwas, aber nicht das Markusevangelium. Jeder Text hat seinen Zeitpunkt. Markus ist immer derjenige, der diesen Text verfasst, übersetzt, redigiert hat. Wir können ewig über mündliche Überlieferungen spekulieren, und werden kein Bit Daten darüber erhalten. So ist es auch mit Marcion von dem wir nur aus Sekundärliteratur wissen. Q, Proto-Lukas und das andere Zeug sind Gespenster die da gejagt werden, weil es keine Evidenzen dazu gibt. Aus meiner Sicht sind das Hirnfickereien bei denen es nur darum geht, wer wen fickt. Um Geld geht es auch. Zitieren
Weihrauch Geschrieben 20. Oktober Melden Geschrieben 20. Oktober vor 45 Minuten schrieb Domingo: Soll ich noch zu Conrtwaites Video posten, da Du ja behauptet hast, er gehe nicht nachvollziehbar mit Quellentexten um, damit ich zeige, wie er eigentlich mit Quellen umgeht? Oder schenken wir uns das lieber? Na klar. Bitte, bitte. Zitieren
KevinF Geschrieben 20. Oktober Melden Geschrieben 20. Oktober 5 hours ago, Cosifantutti said: Das finde ich überhaupt nicht: Wir haben die ersten schriftlichen Zeugnisse ab den 50er Jahren des ersten Jahrhunderts, die Briefe des Paulus, die uns einen sehr authentischen Einblick in das Leben der ersten Christengemeinden geben. Dann die vier Evangelien, ab ca. 70n Chr, und die übrigen neutestamentlichen Schriften. Insgesamt haben wir 27 verschiedene Schriften aus der „Anfangszeit“ des Christentums, eigentlich allerhand viel Textmaterial, die uns einen sehr guten Einblick geben in die Anfänge des Christentums….. Dazu noch die eine oder andere Bemerkung bei dem jüdischen Geschichtsschreiber Josephus…… Ich finde z.B. den Bericht über die Ermordung der „Herrenbruders“ Jakobus 62 n.Chr. und der darauf folgende Protest der Pharisäer bei den römischen Behörden sehr aufschlussreich, zeigt er doch, dass die Jerusalemer Urgemeinde selbstverständlich sich als Teil der jüdischen Community begriff und von der pharisäischen Richtung auch so gesehen wurde…. Ich meinte die Frage, ob es einen historischen Jesus gab (wenn ja: Wie hat er gelebt? Wenn nein: Was war dann der Ursprung des Christentums?). Hier gibt es für mich zu wenig Fakten um eine definitive Entscheidung zu treffen und die Frage hat für mein Leben auch keine Bedeutung. Zitieren
KevinF Geschrieben 20. Oktober Melden Geschrieben 20. Oktober 10 hours ago, Domingo said: Mit anderen Worten: Da es feststeht, dass das Markusevangelium frühestens 70 n. Chr. geschrieben worden sein muss, folgern die ach so seriösen Neutestamentler, dass es 70 n. Chr. oder zumindest in jenem Jahrzehnt geschrieben wurde! Dass die Neutestamentler mit einem deartig offensichtlichen Fehlschluss operieren, glaube ich ohne Beleg aus der entsprechenden Standardliteratur dann doch nicht. Irgendeine Begründung werden sie schon nennen (wie überzeugend sie ist, ist dann eine andere Frage). Dementsprechend erwähnt die Dame in dem von Dir verlinkten Video ja auch Spekulationen über eine entsprechende mündliche Tradition (wofür sie keine (überzeugenden?) Belege sieht). Zitieren
KevinF Geschrieben 20. Oktober Melden Geschrieben 20. Oktober 10 hours ago, Domingo said: 1:47 sagt sie, aus Sicht der Wissenschaftler seien kürzere Versionen eines Textes älter als längere. Sagt sie das wirklich? Habe ich nicht ganz so in Erinnerung, aber wie auch immer: Allgemein gilt das wohl nicht (warum sollte es auch?). Oder zumindest nennen Neutestamentler auch andere Gründe für die Annahme, dass Markus das älteste der synoptischen Evangelien ist (Textvergleich um den Abhängigkeiten auf die Spur zu kommen, Ehrman hat ein Video dazu). Zitieren
Weihrauch Geschrieben 20. Oktober Melden Geschrieben 20. Oktober vor 10 Minuten schrieb KevinF: vor 11 Stunden schrieb Domingo: Mit anderen Worten: Da es feststeht, dass das Markusevangelium frühestens 70 n. Chr. geschrieben worden sein muss, folgern die ach so seriösen Neutestamentler, dass es 70 n. Chr. oder zumindest in jenem Jahrzehnt geschrieben wurde! Dass die Neutestamentler mit einem deartig offensichtlichen Fehlschluss operieren, glaube ich ohne Beleg aus der entsprechenden Standardliteratur dann doch nicht. Irgendeine Begründung werden sie schon nennen (wie überzeugend sie ist, ist dann eine andere Frage). Mal ein Beispiel für das MkEv das ich schnell zur Hand habe: Zitat Peter Stuhlmacher und Hans Weder (Hg.). Das Neue Testament Deutsch, Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen 2001 Abfassungszeit und -situation Die synoptische Apokalypse in Kap.13 lässt vermuten, dass das Mk in den turbulenten Zeiten kurz nach der Eroberung Jerusalems durch die Römer im Jüdischen Krieg (August 70) entstanden ist. Der Verfasser steht noch unter dem Eindruck der Kriegsereignisse und ist offensichtlich bemüht, aufkeimende apokalyptische Erwartungen und Befürchtungen zu dämpfen. Die Gemeinde soll in den Verfolgungen gestärkt werden, die im und nach dem jüdischen Krieg gerade in Syrien auch alle die Gruppen trafen, die dem Judentum nahestanden. Für die Gemeinde, für die der Autor des Mk schreibt, ist die jüdische Tora nicht mehr als Kultgesetz, sondern nur noch als ethische Weisung relevant (vgl. 7,1-23). Es ist daher sicher kein Zufall, dass das Doppelgebot der Liebe sowohl den Höhepunkt als auch das Ziel der Auseinandersetzungen und Gespräche Jesu mit den Repräsentanten des Judentums über die Tora bildet (12,28-34). Dabei versteht der Verfasser das Gebot als allgemeines Prinzip, das durch das jeweilige Handeln konkret gefüllt werden muss. Allem Anschein nach betrieb die angesprochene Gemeinde selbst Mission unter den Heiden, denn die Wirksamkeit Jesu schließt nichtjüdisches Gebiet ausdrücklich mit ein (7,24-37; vgl. 5,1-20) und die Verkündigung des Evangeliums unter allen Völkern gilt als Vorbedingung der Parusie (13,10). Schließlich ist es ausgerechnet ein Heide, der römische Centurio unter dem Kreuz, der auf der Erzählebene als erster Mensch das Bekenntnis zu Jesus als dem Sohn Gottes spricht (15,39). 1 Zitieren
Domingo Geschrieben 20. Oktober Melden Geschrieben 20. Oktober vor 8 Minuten schrieb KevinF: Allgemein gilt das wohl nicht (warum sollte es auch?). Warum? Weil man eher Zeug hinzufügt als wegnimmt. Wenn man mir einen weiteren Link verzeiht (um Zeit zu sparen: Ich möchte noch heute dazu kommen, das Video von Cornthwaite zu komemntieren), so sagt Dr Mark Bilby hier (angefangen von ungefähr Minute 35), dass es widersinnig ist anzunehmen, Markion (dessen NT wir aus den Zitaten seiner Gegner teilweise rekonstruieren können; es ist nicht alles nur Spekulation und man braucht auch keine Markion-Handschriften dazu) hätte Ortsnamen usw. einfach aus dem Text entfernt. vor 8 Minuten schrieb KevinF: Oder zumindest nennen Neutestamentler auch andere Gründe für die Annahme, dass Markus das älteste der synoptischen Evangelien ist (Textvergleich um den Abhängigkeiten auf die Spur zu kommen, Ehrman hat ein Video dazu). Darum ging es (mir) nicht. Eine Professorin für NT (also eine seriöse Person, würde man annehmen) sagt, Gelehrte gingen davon aus, dass kürzere Texte ursprünglicher seien. Daher ist Markions Text urpsünglicher als der, den Tertullian als "echt" ansieht. Zitieren
Domingo Geschrieben 20. Oktober Melden Geschrieben 20. Oktober vor 23 Minuten schrieb KevinF: Irgendeine Begründung werden sie schon nennen (wie überzeugend sie ist, ist dann eine andere Frage). Hierauf will ich nicht eingehen, meine Behauptung war wohl zu polemisch. Und jeder mag für sich entscheiden, wie überzeugend das von @Weihrauch zitierte Argument ist. Zitieren
Weihrauch Geschrieben 20. Oktober Melden Geschrieben 20. Oktober vor 6 Minuten schrieb Domingo: Darum ging es (mir) nicht. Eine Professorin für NT (also eine seriöse Person, würde man annehmen) sagt, Gelehrte gingen davon aus, dass kürzere Texte ursprünglicher seien. Daher ist Markions Text urpsünglicher als der, den Tertullian als "echt" ansieht. Marcions Text ist eine Phatamorgana. Den kennt keiner, den hat niemand. Marcions Text ist in Teilen Tertullians Text, und welchen Text Tertullian als echt ansieht, weiß auch niemand, weil keiner weiß, welche Handschrift es war, die ihm zugänglich gewesen ist. Da wird nichts mit nichts verglichen. Welches nichts das kürzere war, weiß auch keiner. Zitieren
Weihrauch Geschrieben 20. Oktober Melden Geschrieben 20. Oktober (bearbeitet) Das selbe Prinzip wie bei den Evangelien kann ich auch auf Tertullian anwenden. Fiktives Beispiel: Haben wir einen Text, von dem wir wissen, dass die Hand von Tertullian die Feder über das Blatt führte, oder haben wir nur Abschriften von Abschriften? Aus welcher Zeit stammt die jüngste Abschrift die irgendwo in einem Museum herumliegt? Was, aus dem 7. Jahrhundert? Da liegen ja Jahrhunderte zwischen dem Ereignis Tertullian und der Verschriftlichung. Gab es eine mündliche Überlieferung? Wie glaubwürdig ist Tertullian, wie oft wurde Tertullian etwas angefügt oder weggelassen? Gab es einen Proto-Tertullian? Und so weiter ... bearbeitet 20. Oktober von Weihrauch Zitieren
Domingo Geschrieben 20. Oktober Melden Geschrieben 20. Oktober Wieviele Varianten des Textes von Tertullians "Gegen Markion" haben wir? Wie alt sind die Handschriften, die wir haben? Was Markion an sich angeht, so haben bis dato sechs Gelehrte Ausgaben seines Textes veröffentlicht (Link. Bitte ausnahmesweise nicht auf das Video klicken, sondern ein bisschen runterscrollen bis zum Bild). Der Teufel steckt in den Details. Die Details kenne ich auch nicht, so kann ich Dir nicht beweisen, dass Du unrecht hast. Ich kann nur dieses sagen: Wenn man pauschal alles ablehnt, was nicht in irgendwelchen Manuskripten steht, dann kann man gleich auch Sappho, ja die ganze altgriechische Lyrik in die Tonne kloppen, denn alles, was wir davon haben, steht meistens in Zitaten aus anderen antiken Autoren und ein bisschen auf Papyri (die Du anscheinend auch nicht gelten lässt, da Cornthwaites Argumentation ja zu einem erheblichen Teil auf Papyri beruht). dann kannst Du auch Eva-Maria Voigt erzählen, dass ihr Werk Käse ist. 2 Zitieren
KevinF Geschrieben 20. Oktober Melden Geschrieben 20. Oktober 1 hour ago, Domingo said: Warum? Weil man eher Zeug hinzufügt als wegnimmt. Oft ist das wohl so, ja. Aber es gilt eben nicht allgemein. Vielleicht hatte Autor B ja gute Gründe, eine kürzere Version des Textes von Autor A zu schreiben? Das Markusevangelium zum Beispiel würde auch dann theologisch Sinn machen, wenn man davon ausgeht, dass Matthäus früher da war. Ich denke trotzdem, dass Matthäus später war. Aber als Begründung einfach nur zu sagen "Markus ist kürzer" wäre mir zu wenig. Zitieren
Domingo Geschrieben 20. Oktober Melden Geschrieben 20. Oktober Vielleicht stammt die Verwirrung über Cornthwaites (= C.) Argumentation daraus, dass das kleine Textabhängigkeitsschema, das er immer wieder im Video zeigt und erweitert, nach reiner Spekulation aussieht. Zumindest sind bestimmt auch andere Richtungen der Abhängigkeit denkbar: zB könnte man gegen die Version in 6:32 einwenden, MattEv haben von PeterEv abgeschrieben und nicht umgekehrt, und woher soll man das genau wissen? Nun soll man das Schema nicht zu genau nehmen, denn C. will darauf hinaus, dass man, was die ersten zwei Jahrhunderten christlicher Literatur- und Textgeschichte angeht, "nicht sGenaueres weiß man nicht." Aber warum will er solch eine skeptische Position vertreten? In der Einleitung (0-1:19) sagt er, warum. Man verweist allzu oft auf die relative Einheitlichkeit unserer NT-Handschriften und vergisst/unterschlägt/merkt nicht, dass diese nur eine bestimmte Texttradition wiederspiegeln. Aus den Papyri, die er 7-8:40 zeigt (von denen PEgerton2 ausdrücklich datiert wird, nämlich auf umgefähr 150, also ins 2. Jh.), wissen wir, dass es mehrere solche Traditionen gab. Dieser Befund wird nun dadurch verdunkelt, dass nur eine Texttradition überlebt hat. Aus der Einheitlichkeit innerhalb dieser einen Tradition auf die "Zuverlässigkeit" des Bibeltextes zu schließen ist, wenn man sich das Gesamtbild anschaut, weit verfehlt. Zitieren
Flo77 Geschrieben 20. Oktober Melden Geschrieben 20. Oktober vor 12 Minuten schrieb Domingo: Link. Die englische Klinghardt-Edition hab ich hier liegen. Ich habe allerdings beim lesen nichts gefunden, was spezifisch auf Markions Theologie hinweisen würde. Zitieren
Domingo Geschrieben 20. Oktober Melden Geschrieben 20. Oktober vor 11 Minuten schrieb KevinF: Oft ist das wohl so, ja. Aber es gilt eben nicht allgemein. Vielleicht hatte Autor B ja gute Gründe, eine kürzere Version des Textes von Autor A zu schreiben? Das Markusevangelium zum Beispiel würde auch dann theologisch Sinn machen, wenn man davon ausgeht, dass Matthäus früher da war. Ich denke trotzdem, dass Matthäus später war. Aber als Begründung einfach nur zu sagen "Markus ist kürzer" wäre mir zu wenig. Hier liegt wohl ein Missverständnis vor. Matthäus ist nicht eine andere Version von Markus. Er mag von Markus abgeschrieben haben, MatthEv ist aber ein unabhängiger Text. Wovon ich rede, sind Versionen ein und desselben Textes. Also wenn jemand sich dazu anschickt, ein Manuskript von Markus abzuschreiben - zu dieser Zeit, 2. Jh., wohl auf Buchrolle aus Papyrus oder Pergament -, wird er kaum etwa Ortsnamen aus dem Text genommen haben oder Partizipialsätze. Viel eher wird er solche Details hinzufügen, eine Passage aus einem anderen ihm bekannten Ev einfügen, oder auch selbst was dazuschreiben. Daher wird der Markustext, den wir in den 4.-Jh.-Handschriften haben, länger sein als der, der sagen wir mal 120 n. Chr. existierte. Markions Ev ist nach Aussage seiner Gegner eine kürzere Version von Lukas. Dann handelt es sich dabei wohl um eine ältere. Wissen wir das 100%? Natürlich nicht; aber hier, wie immer in den historischen Wissenschaften, haben wir nur Wahrshcienlichkeiten und keine Gewissheiten. Zitieren
Domingo Geschrieben 20. Oktober Melden Geschrieben 20. Oktober vor 6 Minuten schrieb Flo77: Die englische Klinghardt-Edition hab ich hier liegen. Ich habe allerdings beim lesen nichts gefunden, was spezifisch auf Markions Theologie hinweisen würde. In diesem Thread ging es ursprünglich um die Hisotrizität Jesu, daraus haben wir (meistens ich) eine Diskussion über das Alter des uns erhaltenen NT-Textes gemacht, wozu eine Diskussion gehört, ob Markions Text älter oder jünger ist. Es geht also nur um diese spezielle Frage, es sei denn, Markions Theologie hilft, sie zu klären. Ich weiß nicht, ob sie das tut; vielelicht weißt Du da mehr. Zitieren
KevinF Geschrieben 20. Oktober Melden Geschrieben 20. Oktober 5 minutes ago, Domingo said: Wovon ich rede, sind Versionen ein und desselben Textes. Also wenn jemand sich dazu anschickt, ein Manuskript von Markus abzuschreiben - zu dieser Zeit, 2. Jh., wohl auf Buchrolle aus Papyrus oder Pergament -, wird er kaum etwa Ortsnamen aus dem Text genommen haben oder Partizipialsätze. Viel eher wird er solche Details hinzufügen, eine Passage aus einem anderen ihm bekannten Ev einfügen, oder auch selbst was dazuschreiben. Daher wird der Markustext, den wir in den 4.-Jh.-Handschriften haben, länger sein als der, der sagen wir mal 120 n. Chr. existierte. Okay, verstehe. Ja, dann hatte ich das falsch verstanden. 1 Zitieren
Weihrauch Geschrieben 20. Oktober Melden Geschrieben 20. Oktober vor 22 Minuten schrieb Domingo: Wieviele Varianten des Textes von Tertullians "Gegen Markion" haben wir? Wie alt sind die Handschriften, die wir haben? Was Markion an sich angeht, so haben bis dato sechs Gelehrte Ausgaben seines Textes veröffentlicht (Link. Bitte ausnahmesweise nicht auf das Video klicken, sondern ein bisschen runterscrollen bis zum Bild). Ja aber das ist bestenfalls etwas wie der Aland, wenn sie einen Textkritischen Apparat einschließen, was ich nicht glaube. Diese Marciontexte sind Rekonstruktionen aus den Schriften anderer, die ihm noch dazu feindlich gesinnt waren. Wer schon mal Tertullian gelesen hat, weiß wie polemisch er sein kann. Wenn man bei den Evangelien nach außerbiblischen Texten fragt, müsste man bei Tertullian und Marcion auch nach außerkirchlichen Quellen fragen. vor 28 Minuten schrieb Domingo: Der Teufel steckt in den Details. Die Details kenne ich auch nicht, so kann ich Dir nicht beweisen, dass Du unrecht hast. Ich kann nur dieses sagen: Wenn man pauschal alles ablehnt, was nicht in irgendwelchen Manuskripten steht, dann kann man gleich auch Sappho, ja die ganze altgriechische Lyrik in die Tonne kloppen, denn alles, was wir davon haben, steht meistens in Zitaten aus anderen antiken Autoren und ein bisschen auf Papyri (die Du anscheinend auch nicht gelten lässt, da Cornthwaites Argumentation ja zu einem erheblichen Teil auf Papyri beruht). Warum denn? Um Gottes willen, nein. Die Inhalte stellen doch einen Wert an sich dar. Dieser Wert hängt doch nicht daran, wer was wie oft abgeschrieben, redigiert hat, oder wer der Verfasser wirklich war, oder ob der historische Homer hinkte, oder der historische Odysseus wirklich echten Zyklopen begegnet ist. Ist Jesus wirklich über das Wasser gelaufen??? Ist Marcions Jesus historischer als der von Markus? Was ist wirklich in Galiläa passiert??? Wonach fragen wir denn, wenn wir einen Text lesen? Zitieren
Weihrauch Geschrieben 20. Oktober Melden Geschrieben 20. Oktober (bearbeitet) vor 48 Minuten schrieb KevinF: Aber als Begründung einfach nur zu sagen "Markus ist kürzer" wäre mir zu wenig. So läuft das auch nicht. Es wird immer innerhalb eines Evangeliums danach gefragt, und nicht Evangelien gegeneinander ausgespielt. Also, das bezieht sich auf Sätze, Formulierungen, Perikopen in unterschiedlichen Handschriften ein und desselben Evangeliums. Da stellt man sich auch nicht nur diese Frage, sondern wägt die Antworten auf mehrere Fragen gegeneinander ab: Die Quelle war die LMU dort ist das aber nicht mehr zu finden, da jetzt dort ein anderer Professor am Drücker ist. Zitat Es gilt den qualitativ besten Text herauszuarbeiten. Daher werden die Handschriften möglichst umfassend miteinander verglichen. Hierfür hat die Forschung ein differenziertes Regelwerk erarbeitet, mit dessen Hilfe abgewogen wird, welche Variante am ursprünglichsten ist: Die bestbezeugte Lesart ist ursprünglich (es geht um die Textqualität, nicht allein um Quantität – siehe insbesondere Regeln (2) und (3). Die Verwandtschaft der Handschriften ist zu berücksichtigen. Zeugengruppen sind gegeneinander abzuwägen. Paralleleinfluss und (bei AT-Zitaten) Einfluss der Septuaginta ist zu berücksichtigen. Zusammenhängende Lesarten müssen beachtet werden. Die schwierigere Lesart (lectio difficilior) ist ursprünglich. Die kürzere Lesart (lectio brevior) ist ursprünglich. Die bevorzugte Lesart muss in Einklang mit dem Kontext stehen. Aus der bevorzugten Lesart müssen sich die Varianten erklären lassen. Konjekturen sind möglichst zu vermeiden. bearbeitet 20. Oktober von Weihrauch Zitieren
Domingo Geschrieben 20. Oktober Melden Geschrieben 20. Oktober vor 13 Minuten schrieb Weihrauch: Ja aber das ist bestenfalls etwas wie der Aland, wenn sie einen Textkritischen Apparat einschließen, was ich nicht glaube. Da muss uns @Flo77 helfen, der ja anscheinend als Einziger hier eine Markionausgabe besitzt. vor 13 Minuten schrieb Weihrauch: Diese Marciontexte sind Rekonstruktionen aus den Schriften anderer, die ihm noch dazu feindlich gesinnt waren. Wer schon mal Tertullian gelesen hat, weiß wie polemisch er sein kann. Wenn man bei den Evangelien nach außerbiblischen Texten fragt, müsste man bei Tertullian und Marcion auch nach außerkirchlichen Quellen fragen. Gewiss ist alles nicht sicher, sondern nur die wahrscheinlichste Hypohtese oder das, was die betreffenden Wissenschaftler dafür halten. Aber so ist es nunmal immer in den historischen Wissenschaften. Ich würde Tertullian auch nicht über die Straße trauen, weder allgemein noch in seiner Darstellung von Markions Lehre. Doch seine Wiedergabe von Markions NT-Ausgabe dürfte also solche wohl textgetreu sein, oder zumindest gehen die Markiongelehrten davon aus? Viell. kann uns Flo uns hier wieder ins Bild setzen. vor 13 Minuten schrieb Weihrauch: Wonach fragen wir denn, wenn wir einen Text lesen? In diesem Fall fragen wir, wie nahe diese Texte am hist. Jesus sind, weil viele sagen, die Jesusfigur sehe im NT sehr nach einem Mythos aus. Ich habe dem entgegengesetzt, dass das NT, wie wir es heute haben, wohl viele später hinzugedichtete Passagen enthält, die eben diesen Eindruck erwecken oder verstärken. Das war ja ein Argument für die Historizität! Zitieren
Flo77 Geschrieben 20. Oktober Melden Geschrieben 20. Oktober vor 29 Minuten schrieb Domingo: daraus haben wir (meistens ich) eine Diskussion über das Alter des uns erhaltenen NT-Textes gemacht, wozu eine Diskussion gehört, ob Markions Text älter oder jünger ist. Es geht also nur um diese spezielle Frage, es sei denn, Markions Theologie hilft, sie zu klären. Ich weiß nicht, ob sie das tut; vielelicht weißt Du da mehr. Wissen tue ich in der Hinsicht nicht viel, es ist mehr ein Logikspiel: Alle Evangelien (Mt, Mk, LK, J, aber auch Thomas, etc.) in ihrer jeweils jüngsten bekannten Fassung haben eine bestimmte theologische Aussage, die durch die Nachbearbeitung des Textes jeweils konkretisiert wurde. Ich kenne Klinghardts Deutsche Gesamtfassung nicht, bin also überfragt, ob ich die markionische Theologie nur überlesen habe, oder ob der Text tatsächlich eine eher urchristliche bzw. urkirchliche "Basis"-Theologie präsentiert, die Markion lediglich nicht widersprach. Dafür würde meine ich auch sprechen, daß der Markionische Kanon auch andere Schriften des NT enthielt, die wir heute nicht so interpretieren wie der Erzketzer. Das spräche für mich durchaus dafür, daß der Markion-Text tatsächlich älter ist als die "geschärften" Evangelien. Zitieren
Weihrauch Geschrieben 20. Oktober Melden Geschrieben 20. Oktober vor 3 Minuten schrieb Domingo: Doch seine Wiedergabe von Markions NT-Ausgabe dürfte also solche wohl textgetreu sein, oder zumindest gehen die Markiongelehrten davon aus? Nein, davon gehen sie nicht aus. Ich bin wirklich offen, und schau mich in dieser Bubble auch ohne Zuruf ein wenig um. Gestern habe ich mir das angeschaut. Dann wird dir klar, dass es sich bei Tertullian (u.a.) überhaupt nicht um eine Wiedergabe des NT von Marcion handelt, sondern lediglich um willkürliche herausgegriffene Zitate (und Tertullians Gegenrede, möglicherweise gegen Strohmänner die er Marcion einfach in Form von "Zitaten" unterjubelt). Tertullian schreibt ja nicht in einem theologischen Discurs an Marcion, sondern an seine Community Marcion schlecht zu machen, seine Leute vor Marcion zu warnen. Hier geht es eindeutig um Ideologie. Schau selbst. The First New Testament: Marcion's Scriptural Canon! | Dr. Jason BeDuhn 1 Zitieren
Flo77 Geschrieben 20. Oktober Melden Geschrieben 20. Oktober vor 9 Minuten schrieb Domingo: Da muss uns @Flo77 helfen, der ja anscheinend als Einziger hier eine Markionausgabe besitzt. Die englische Version ist wirklich eher eine Leseausgabe. Am Ende gibt eine Übersicht, wie "sicher" die einzelnen Abschnitten in *Ev enthalten gewesen sein müssten. Die Detailanalyse ist nur in der deutschen Fassung enthalten, die um ein Vielfaches umfangreicher (2 Bände) und auch ein Vielfaches teurer ist... 1 Zitieren
Domingo Geschrieben 20. Oktober Melden Geschrieben 20. Oktober vor 7 Minuten schrieb Flo77: Die Detailanalyse ist nur in der deutschen Fassung enthalten, die um ein Vielfaches umfangreicher (2 Bände) und auch ein Vielfaches teurer ist... Ich könnte sie mir per Fernleihe zukommen lassen, falls bei Euch Interesse besteht. Oder wir könnten Markion ganz fahrenlassen, wenn die Diskussion auch ohne ihn weiterkommen kann. Zitieren
Domingo Geschrieben 20. Oktober Melden Geschrieben 20. Oktober vor 58 Minuten schrieb Domingo: Hier liegt wohl ein Missverständnis vor. Matthäus ist nicht eine andere Version von Markus. Er mag von Markus abgeschrieben haben, MatthEv ist aber ein unabhängiger Text. Wovon ich rede, sind Versionen ein und desselben Textes. Also wenn jemand sich dazu anschickt, ein Manuskript von Markus abzuschreiben - zu dieser Zeit, 2. Jh., wohl auf Buchrolle aus Papyrus oder Pergament -, wird er kaum etwa Ortsnamen aus dem Text genommen haben oder Partizipialsätze. Viel eher wird er solche Details hinzufügen, eine Passage aus einem anderen ihm bekannten Ev einfügen, oder auch selbst was dazuschreiben. Daher wird der Markustext, den wir in den 4.-Jh.-Handschriften haben, länger sein als der, der sagen wir mal 120 n. Chr. existierte. Markions Ev ist nach Aussage seiner Gegner eine kürzere Version von Lukas. Dann handelt es sich dabei wohl um eine ältere. Wissen wir das 100%? Natürlich nicht; aber hier, wie immer in den historischen Wissenschaften, haben wir nur Wahrshcienlichkeiten und keine Gewissheiten. vor 52 Minuten schrieb KevinF: Okay, verstehe. Ja, dann hatte ich das falsch verstanden. Wobei Frau Walsh um 1:47 eher das sagt, was Du verstanden hattest. Beim ersten Hinhören hatte ich das in den falschen Hals gekriegt. Nun, Neutestamentler mögen das Kürze-Argument auch auf dasVerhältnis der Evangelien untereinadner anwenden, aber seine eigentliche Anwendung liegt eher in der Textgeschichte eines einzelnen Werkes. Zitieren
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