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"History for Atheists"


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Geschrieben
vor 8 Stunden schrieb Flo77:

Die englische Kurzfassung oder die Gesamtausgabe?

 

Die Gesamtausgabe natürlich. Was soll die Kurzfassung helfen?

 

Ich weiß aber, dass ich da wohl länger warten muss.

Geschrieben

Ich habe mir jetzt mal zwei der von Bilby normalisierten Versionen angeschaut, dazu gleich Konkretes.

 

Sie sind in griechischer Sprache. Tertullian, die Hauptquelle für die Rekonstruktion Lk1/GMcn schrieb in lateinischer Sprache. Bilby sagte in einem Video, dass es sich bei seinen normalisierten Texten um Rückübersetzungen vom Lateinischen ins Griechische handelt. Und jetzt weiß ich, dass es sich dabei um "Postclassikal Greek" handelt. Haben Marcion und alle anderen damals nicht Koine geschwätzt? Weiß man eigentlich, in welcher Sprache Marcion aus Pontus geschrieben hat? In welcher Sprache hat er mit Hyginus in Rom gesprochen? Schrieb Marcion in Rom sein NT auf griechisch oder lateinisch? Man weiß nicht in welcher Sprache das muratorische Fragment geschrieben wurde, also ist beides möglich, wenn sich die Frage stellt. 

 

Falls Marcion Griechisch schrieb, übersetzt Tertullian ins Lateinische und Bilby wieder vom Lateinischen ins Postclassikal Greek. Nun wissen wir, dass jede Übersetzung auch eine Deutung ist. Der normalisierte Text von Bilby ist dann durch zwei Übersetzungen mit zwei Deutungen beeinflusst, und wir wissen nicht, ob es sich bei dem rückübersetzten Griechisch um das Griechisch handelt aus dem Tertullian übersetzt hat. War es das Griechisch das Lk1 verwendet hat oder das Griechisch das Marcion verwendet hat, denn wenn Lk1 nicht von Marcion ist, ist es ein möglicherweise ein anderes Griechisch und wenn es das Griechisch von Marcion ist, ist es nicht das Griechisch des Lk1.

 

Wir unterscheiden schließlich unterschiedliches Griechisch auch in den unterschiedlichen Evangelien. Aber Vorsicht. Unsere Evangelien stammen aus Handschriften späterer Jahrhunderte, genug Zeit in denen sich Sprache verändern kann, während wir hier von einem Zeitraum von maximal 60 Jahren sprechen - und wir sprechen über ein großes Gebiet, das in Frage kommt, da wir keine Ahnung haben, wo Lk1 entstanden sein könnte. Mit Griechisch ist hier immer Koine nicht Postclassikal Greek gemeint. 

 

Wir wissen, dass eine Lingua Franka nicht überall und von jedem gleich gesprochen wird. Es gibt unterschiedliches Englisch in England, Amerika, auf den Philipinen, In Galiläa wurde ein anderes Hebräisch oder Aramäisch gesprochen als in Jerusalem. Dann gibt es selbst in einer Sprache Dialekte. In Bayern spricht man anders wie in Friesland und in Friesland spricht man anders als in Bayern. Höhere Bildungsschichten sprechen anders als ungebildete Menschen, kath. Kleriker anders als muslimische oder Atheisten. Das Griechisch in Ägypten ist sicher anders gewesen als das in der heutigen Türkei, oder in Rom

 

Sorry, aber ich ahne da eine gehörige Portion Wunschdenken heraus, dass linguistische Datenmuster ein gangbarer Weg sind, und dass andererseits hier eine selffullfilling Methode in Bilbys Experiment zum Einsatz gebracht wird, das die Hypothese derer stützt, die sich in ihre Hypothese zu sehr verliebt haben. Ich sehe nicht, wie dieses Experiment die eigene Hypothese widerlegen könnte, da in das Experiment und seine Methode viel zu viele subjektive Vorannahmen einfließen und so zu angeblich objektiven Bedingungen des Experimentes gemacht worden sind. Daten sind keine Fakten. Auch wenn das Daten Wort diesen Eindruck hervorruft, sind diese Daten nicht frei von unbelegten Vorannahmen, die in die Daten eingeflossen sind. 

 

Wenn Bilby hier immer von linguistic data pattern spricht, welche wird er wohl analysieren? Die, die im vermuteten Original Lk1 vor Marcion enthalten sind, die des Marcion, oder die, die er selbst bei seiner Rückübersetzung in Postclassikal Greek verwendet hat. Kein hier zum Einsatz kommendes Griechisch ist mit Lk1 oder Marcion evident in Verbindung zu bringen. Welche Bedeutung hat dann der Begriff linguistische Datenpattern? Wie will man vom Lateinisch des Tertullian auf griechische linguistische Feinheiten schließen? Linguistic data patterns haben nichts mit dem Sinn eines Textes zu tun. Ich kann den gleichen Sinn mit ganz unterschiedlichen Linguistic data pattern vermitteln, oder einen anderen Sinn mit denselben Linguistic data patterns.

 

Langer Rede kurzer Sinn, jetzt wird es Zeit sich vom Abstrakten dem Konkreten zuzuwenden. Was sehe ich da?

 

Zitat

These four UTF-8 encoded .txt files are the first born-digital, normalized, lexicographically enriched, and peer-reviewed versions of the reconstructions of Marcion’s Gospel made by August Hahn in 1832 and Theodor Zahn in 1892. Two dataset files were generated for each reconstruction: the first consisting of human-readable Postclassical Greek; the second of lemmatized and morphologically tagged text following the openly licensed BibleWorks Greek Morphology schema. DOI: https://doi.org/10.5334/johd.63.s1

 

Die ersten zwei Zeilen der Edition von Hahn sehen in lesbarem Postklassischen Griechisch so aus 1. und 2. , die Edition von Zahn stehen in 3. und 4., darunter dieselben Stellen aus der EU 2016 mit vorangestellten Bullets, Die deutschen Übersetzungen davon habe ich mit DeepL gemacht.

  1. 03.01.01H ἐν ἔτει πεντεκαιδεκάτῳ τῆς ἡγεμονίας Τιβερίου Καίσαρος []  
    Im fünfzehnten Jahr der Herrschaft des Tiberius Caesar []
  2. 04.31.01H ὁ θεὸς κατῆλθεν εἰς Καπερναοὺμ πόλιν τῆς Γαλιλαίας καὶ ἦν διδάσκων ἐν τοῖς σάββασι  
    Der Gott kam nach Kapernaum, einer Stadt in Galiläa, und lehrte am Sabbat.
  3. 03.01a.02Z ἐν τῷ πεντεκαιδεκάτῳ ἔτει Τιβερίου Καίσαρος ἐπι τῶν χρόνων (Ποντίου) Πιλάτου
    Im fünfzehnten Jahr der Herrschaft des Kaisers Tiberius, unter Pontius Pilatus  
  4. 04.31.02Z κατῆλθεν ὁ Ἰησοῦς εἰς Καφαρναόυμ πόλιν τῆς Γαλιλαίας καὶ ἦν διδάσκων () ἐν τῇ συναγωγῇ 
    kam Jesus nach Kapernaum, einer Stadt in Galiläa, und lehrte () in der Synagoge.
  • Lk 3,1 Es war im fünfzehnten Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius; Pontius Pilatus war Statthalter von Judäa, Herodes Tetrarch von Galiläa, sein Bruder Philippus Tetrarch von Ituräa und der Trachonitis, Lysanias Tetrarch von Abilene; 
  • Lk 4,31 Jesus ging hinab nach Kafarnaum, einer Stadt in Galiläa, und lehrte die Menschen am Sabbat.

Wie wil man jetzt daraus einen "originalen" Lk1 rekonstruieren ohne willkürliche Entscheidungen zu treffen? Helfen bei dieser Entscheidung irgendwelche Linguistic data patterns um herauszufinden was im "Original" Lk1 oder in der gekürzten Fassung Marcions der Lukasevangelien der Gegner Marcions stand, Wohl kaum.

 

Mit Sicherheit hatten nicht alle Gegner des Marcion, dieselbe Handschrift eines späteren Lukasevangeliums in Händen gehalten und auch nicht dieselbe Handschrift mit Marcions Text, lebten sie doch zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten. Von wegen Äpfel mit Äpfeln vergleichen. Logisch ist ein ganzer Obstkorb voller Früchte, der zu einem Multivitaminsaft rekonstruiert wurde, der Fruchtsaftkonzentrat von Äpfeln, Birnen, Mangos, Anannas und Bananen enthält.

 

Aber egal, ob sich Bilby mit seinen normalisierten Daten in die eigene Tasche lügt oder nicht, werfen wir mal einen Blick auf die theologisch relevanten Inhalte.

 

Hahn: Der Gott lehrte am Sabbat

Zahn: Jesus lehrte in der Synagoge

EU: Jesus lehrte am Sabbat

 

Je nach dem, was ich beweisen will, werde ich mir aus diesen zwei normalisierten Daten von Hahn und Zahn das basteln, was meine Hypothese stützt. Gott, Jesus, Synagoge und Sabbat werde ich im rekonstruierten Text so anordnen dass es passt. Aus diesen zwei Datensätzen kann ich aus 4 möglichen Versionen die Version "original" Lk1 zimmern die ich haben will.

 

Der Gott lehrte am Sabbat

Der Gott lehrte in der Synagoge

Jesus lehrte am Sabbat

Jesus lehrte in der Synagoge

 

Wenn Bilby auch noch die normalisierten Versionen von Klinghardt, BeDuhn, Roth, Gramaglia, Nicolotti hinzu nimmt, wird es noch viel mehr mögliche Variationen geben, was der Willkür noch mehr Spielraum lassen wird. Wahrscheinlich nicht in diesen ersten zwei Zeilen, aber im weiteren Verlauf und in längeren Sätzen. Wir wollen nicht vergessen dass die Anzahl der Wörter in den rekonstruierten Texten der unterschiedlichen Editionen zwischen 4000 und 14000 Wörtern variiert. Mann kann einen durchschnittlich langen Text mit Alogrhitmen errechnen lassen - aber:

 

Was ist der durch Algorthmen errechnete Durchschnitt von Gott und Jesus, oder Sabbat und Synagoge?

 

Was ich vermutet habe bestätigt sich also schon in den ersten zwei Zeilen. Der Unterschied zwischen dem Lukas des Tertullian und dem Lukas des Marcion oder des Lukas vor Marcion besteht nicht nur in der Länge, sondern auch in wesentlich anderen theologischen Inhalten, einer anderen Botschaft mit einem anderen Sinn.

 

Wenn ich mir aus den Informationen - nicht aus den Daten - ohne Willkür einen Reim machen sollte, würde ich, was diese zwei Zeilen betrifft, so vorgehen: Ich weiß, dass Marcion von zwei unterschiedlichen Göttern, dem des AT und dem anderen des NT ausgeht. Darum scheint mir Hahn für Marcion plausibler zu sein, Der Gott lehrt am Sabbat passt dazu besser, dass Marcion die jüdische Theologie ablehnt. Am Sabbat kann man in der Nase bohren. in der Synagoge wird der Gott des AT gelehrt. Marcions Jesus lehrt aber einen anderen Gott und Marcion will nicht die Juden in den Synagogen über diesen anderen Gott belehren, sondern Heiden für seine Theologie gewinnen.

 

Ich würde mich nicht willkürlich für die Version von Hahn entscheiden, sondern deshalb weil ich mich an historischem Hintergrundwissen auch aus anderen Quellen orientiere z.B. dem muratorischen Fragment, und an Tertullian, der Hauptquelle für die Rekonstruktion, der mich über Ziele und Absichten Marcions dadurch informiert, dass er "stundenlang" auf Marcions Antithesen herumhackt. 

 

Das ist halt der Unterschied, wenn man in Abstraktionen über ein Thema spricht, oder es an Inhalten konkret macht.  

Geschrieben (bearbeitet)

Es muss das Schicksal sein, oder Gott. Digital Hammurabi postet endlich wieder etwas, und es geht ausgerechnet um frühchristliche Heresien.

 

Das Interview beginnt um 2:45. Und gleich geht es um Markion. Ich bin jetzt überzeugt, dass Gott doch existiert.

bearbeitet von Domingo
Geschrieben

Fußnote: Koine-Griechisch und nachklassisches Griechisch sind praktisch dasselbe.

 

Weiß übrigens jemand (bin zu faul zum Rechercheiren - dh ich muss gleich zur Arbeit), ob im nacklassichen Griechisch der Akkusativ von Μαρκιων "Μαρκιωνον" war? Bilby schreibt κατα Μαρκιωνον, es sollte aber doch κατα Μαρκιωνα heißen?

Geschrieben

Sorry, aber was du hier mittlerweile abziehst, indem du ständig neue Youtube-Videos ins Spiel zu bringst, statt mal bei einer Sache zu bleiben, nennt man einen Gich Galopp.

Ich bin noch nicht mal dazu gekommen, auf das letzte von dir verlinkte Video einzugehen, bin thematisch beim vor-vor-vor-igen und bekomme schon wieder das Nächste an den Latz geknallt. 

Geschrieben
vor 2 Minuten schrieb Domingo:

Fußnote: Koine-Griechisch und nachklassisches Griechisch sind praktisch dasselbe.

 

Aha. Danke. Wusste ich nicht. Reißt es das raus, was ich geschrieben habe? Ist damit alles andere hinfällig? Ich weiß, nur ne Fußnote. 

Geschrieben
vor 37 Minuten schrieb Weihrauch:

Hahn: Der Gott lehrte am Sabbat

Ist Hahn unter den ernsthaften Editoren?

 

Davon mal ab, daß diese Aussage aus orthodoxer Sicht nicht völlig falsch ist, stellt sich mir die Frage, welches Papyrus hat Hahn hier benutzt? Die Formulierung passt wohl in Marcions Agenda, aber das wäre eine derart konkrete und massive Veränderung des Textes, daß sie ohne wenigstens einen Textzeugen kaum Vertrauen erweckt.

 

vor 44 Minuten schrieb Weihrauch:

Der Gott lehrte am Sabbat

Der Gott lehrte in der Synagoge

Jesus lehrte am Sabbat

Jesus lehrte in der Synagoge

Zeitformen und bestimmte grammatikalische Muster sind ja genau das wonach Bilby sucht. Bestimmte Redaktoren haben bestimmte Vorlieben, die man erkennen und vergleichen kann.

Geschrieben
vor 3 Minuten schrieb Flo77:

Zeitformen und bestimmte grammatikalische Muster sind ja genau das wonach Bilby sucht. Bestimmte Redaktoren haben bestimmte Vorlieben, die man erkennen und vergleichen kann.

 

Welche Zeitform macht aus dem Sabbat eine Synagoge und welches grammatikalische Muster macht aus Gott Jesus?

Geschrieben
vor 23 Minuten schrieb Weihrauch:

 

Aha. Danke. Wusste ich nicht. Reißt es das raus, was ich geschrieben habe? Ist damit alles andere hinfällig? Ich weiß, nur ne Fußnote. 

 Natürlich nicht.

 

Übrgiens:

 

https://www.youtube.com/watch?v=NlaXTUZ1oPA

 

da es hier heiße Cregcandford Fans gibt.

Geschrieben
vor 8 Minuten schrieb Flo77:

Ist Hahn unter den ernsthaften Editoren?

 

Völlig egal. Bilby hat einen Datensatz daraus gemacht für sein Experiment. 

Geschrieben
vor 26 Minuten schrieb Weihrauch:

Sorry, aber was du hier mittlerweile abziehst, indem du ständig neue Youtube-Videos ins Spiel zu bringst, statt mal bei einer Sache zu bleiben, nennt man einen Gich Galopp.

Ich bin noch nicht mal dazu gekommen, auf das letzte von dir verlinkte Video einzugehen, bin thematisch beim vor-vor-vor-igen und bekomme schon wieder das Nächste an den Latz geknallt. 

 Ich könnte zu Deinen langen Postings dasselbe sagen...

 

Das verlinkte video muss man sich erstens nciht anschauen, ich wollte nur den besagten Gottesbeweis anbringen. Zweitens steht da (nach schnellem Durchhören) zu Markion nicht, was wir nicht schon zigmal durchgekaut haben.

Geschrieben (bearbeitet)

Und noch'n Video. Könnte man auch hier posten. 

Podcasts, Vlogs, Blogs, Vorträge (christlich)

 

vor 8 Minuten schrieb Domingo:

 Ich könnte zu Deinen langen Postings dasselbe sagen...

 

Das verlinkte video muss man sich erstens nciht anschauen, ich wollte nur den besagten Gottesbeweis anbringen. Zweitens steht da (nach schnellem Durchhören) zu Markion nicht, was wir nicht schon zigmal durchgekaut haben.

 

Okay. gucken wir unreflektiert Videos aus einer bestimmten Youtube-Ecke, und bilden uns daraus eine Meinung. 

bearbeitet von Weihrauch
Geschrieben
vor 10 Minuten schrieb Domingo:

Ich könnte zu Deinen langen Postings dasselbe sagen...

 

Ich bin jetzt beleidigt. Die Videos zu schauen ist viel zeitaufwändiger als meine Beiträge zu lesen, die auf diese Videos eingehen. 

Geschrieben (bearbeitet)
vor 12 Stunden schrieb Weihrauch:

Und noch'n Video. Könnte man auch hier posten. 

Podcasts, Vlogs, Blogs, Vorträge (christlich)

 

Kapiert. Werde alle weiteren Videos dort posten, wenn sie nicht zur Diskussion/Argumentation hier zentral sind.

 

vor 12 Stunden schrieb Weihrauch:

Ich bin jetzt beleidigt.

 

Tut mir leid...

 

vor 12 Stunden schrieb Weihrauch:

Die Videos zu schauen ist viel zeitaufwändiger als meine Beiträge zu lesen, die auf diese Videos eingehen. 

 

Wenn man mit einer Stoppuhr messen würde, wie lange man braucht, Deine Beiträge einfach zu lesen, dann würde es sich bestimmt herausstellen, dass das kürzer ist als die Laufzeit der hier üblicherweise verlinkten Videos. Ich nehme aber an, dass Du möchtest, dass ich sie nicht bloß einfach lese, sondern auch Deinen Gedankengang verstehe, Deine Voraussetzungen usw., und dass mir dann überlege, wie ich am besten darauf antworte, und auch die nötige Recherche tue. Richtig? Und das alles kostet Zeit.

 

Damit will ich mitnichten sagen, dass Du nicht soviel posten solltest, wie Du willst! Wenn ich mal nachhinke, wird meine Antwort sich halt auf sich warten lassen. Oder ist jemand hier in Eile?

bearbeitet von Domingo
Geschrieben
vor 6 Stunden schrieb Domingo:

Wenn man mit einer Stoppuhr messen würde, wie lange man braucht, Deine Beiträge einfach zu lesen, dann würde es sich bestimmt herausstellen, dass das kürzer ist als die Laufzeit der hier üblicherweise verlinkten Videos. Ich nehme aber an, dass Du möchtest, dass ich sie nicht bloß einfach lese, sondern auch Deinen Gedankengang verstehe, Deine Voraussetzungen usw., und dass mir dann überlege, wie ich am besten darauf antworte, und auch die nötige Recherche tue. Richtig?

 

Wenn man mit einer Stoppuhr messen würde, wie lange man braucht, sich Marcion's Gospel and Data Science - Dr. Mark G. Bilby einfach zu anzuschauen, dann würde es sich bestimmt herausstellen, dass die Laufzeit 1:34:17 dauert. Ich nehme aber an, dass Du möchtest, dass ich mir das nicht bloß einfach anschaue, sondern auch Bilbys Gedankengang verstehe, seine Voraussetzungen usw., und dass ich mir dann überlege, wie ich am besten darauf antworte, und auch die nötige Recherche tue. Richtig? Und das alles kostet mich ein mehrfaches der Zeit, als mir das Video einmal anzuschauen, was nicht reicht, weil es darin um sehr komplexe Dinge geht, die mir neu sind und auf englisch, was ich nicht gut beherrsche.

 

Du ahnst gar nicht, wie viel Zeit ich deiner Recherche zubillige. Z.B. Bilbys Online-Buch mit dem "Link" unter dem Video zu finden. Oder seine normalisierten Texte, der Marcion-Editionen. Ich weiß sehr gut, was es bedeutet, sich mit dem Buch “The First Gospel, the Gospel of the Poor: A New Reconstruction of Q and Resolution of the Synoptic Problem based on Marcion’s Early Luke.” zu beschäftigen, wenn man es mal gefunden hat.  Bilbys Qn zu lesen, diese sehr kurze aber sehr wichtige Quelle der Evangelien, es sind bloß 1450 Seiten, dauert. Dabei wird keine Freude aufkommen, eher Augenkrebs. Ich wundere mich nicht darüber, dass er auf Peer-Reviews so lange warten muss, und nicht darüber, dass es womöglich keine weiteren geben wird. Statt einer Stoppuhr könnte ein Kalender hilfreicher sein, um die Zeit der Recherche und des einfachen Lesens zu messen.

 

Insofern habe ich wirklich Verständnis dafür, auf Youtube zu recherchieren und Links zu posten. Würde ich auch machen wenn in dieser Blase neben gegenseitigen Bestätigungen auch Gegenargumente zu finden wären. 

 

vor 6 Stunden schrieb Domingo:

Wenn ich mal nachhinke, wird meine Antwort sich halt auf sich warten lassen. Oder ist jemand hier in Eile?

 

Ich jedenfalls nicht.

 

Am 29.6.2025 um 02:54 schrieb Domingo:

Ich übersetze gerade wieder Genesis 1, dann melde ich mich nochmal zu Wort.

 

Ich verbringe derweil die Zeit mit Diskussionen um das Markus-Evangelium und mit Youtube-Videos, altersgerechten kleinen Ausflügen mit dem Fahrrad, mit dem Grillen von Riesengambas an der Isar, mit meinen Zipperlein, chilligem Weißbiertesten und Weißwürsten aus der Microwelle auf dem Balkon, und noch ein Paar anderen Dingen, wie schmerzbefreit beleidigt zu sein. All diese Verpflichtungen nehmen einen Haufen meiner kostbaren Restlebenszeit in Anspruch. Also ich drängle niemanden und lasse es geruhsam angehen, und irgendwann bin ich dann mal weg. 

Geschrieben (bearbeitet)

Ich habe mir das PDF “The First Gospel, the Gospel of the Poor: A New Reconstruction of Q and Resolution of the Synoptic Problem based on Marcion’s Early Luke.” heruntergeladen, und suche darin Qn, das Endergebnis in lesbarer Textform, und wenn es griechisch ist. Ich möchte diesen Text einfach mal lesen, wie man das Thomasevangelium lesen kann, und das Endresultat des ganzen Aufwandes besichtigen.

 

Es gibt ein Inhaltsverzeichnis in der Form 1.0, 1.1, 1.2 ... aber ohne Seitenzahlen oder Sprungmarken, die einen dorthin bringen könnten. Man kann stundenlang scrollen, aber mir begegnet keine Überschrift mit 1,2 oder 4,2, um wenigstens feststellen zu können, ob ich vor oder nach dem Gesuchten bin. "4.2 A Popular Script Translation of the Gospel" klingt verlockend. Aber in den 1450 Seiten dorthin zu navigieren ist unmöglich, oder ich bin zu doof, an eine bestimmte Stelle oder zu dem Qn zu kommen. Außerdem wird dauernd von Hoch zu Querformat gewechselt, sodass man ständig Vergrößern oder verkleinern muss, egal was man in den Voreinstellungen gewählt hat. Man kämpft ständig gegen das PDF-Dokument statt sich mit seinen Inhalten beschäftigen zu können. Man könnte auf den Gedanken kommen, den KI-Assistenten danach zu fragen, aber der unterstützt nur Dokumente bis max 600 Seiten ...

 

Bilby lebt in seiner eigenen Welt, und scheint ein Interesse daran zu haben, anderen den Zutritt zu seiner Welt so schwer wir möglich zu machen. 

Ich geb es auf Qn darin zu finden. 

bearbeitet von Weihrauch
Geschrieben (bearbeitet)
vor 36 Minuten schrieb Weihrauch:

Ich habe mir das PDF “The First Gospel, the Gospel of the Poor: A New Reconstruction of Q and Resolution of the Synoptic Problem based on Marcion’s Early Luke.” heruntergeladen, und suche darin Qn, das Endergebnis in lesbarer Textform, und wenn es griechisch ist. Ich möchte diesen Text einfach mal lesen, wie man das Thomasevangelium lesen kann, und das Endresultat des ganzen Aufwandes besichtigen.

 

Es gibt ein Inhaltsverzeichnis in der Form 1.0, 1.1, 1.2 ... aber ohne Seitenzahlen oder Sprungmarken, die einen dorthin bringen könnten. Man kann stundenlang scrollen, aber mir begegnet keine Überschrift mit 1,2 oder 4,2, um wenigstens feststellen zu können, ob ich vor oder nach dem Gesuchten bin. "4.2 A Popular Script Translation of the Gospel" klingt verlockend. Aber in den 1450 Seiten dorthin zu navigieren ist unmöglich, oder ich bin zu doof, an eine bestimmte Stelle oder zu dem Qn zu kommen. Außerdem wird dauernd von Hoch zu Querformat gewechselt, sodass man ständig Vergrößern oder verkleinern muss, egal was man in den Voreinstellungen gewählt hat. Man kämpft ständig gegen das PDF-Dokument statt sich mit seinen Inhalten beschäftigen zu können. Man könnte auf den Gedanken kommen, den KI-Assistenten danach zu fragen, aber der unterstützt nur Dokumente bis max 600 Seiten ...

 

Bilby lebt in seiner eigenen Welt, und scheint ein Interesse daran zu haben, anderen den Zutritt zu seiner Welt so schwer wir möglich zu machen. 

Ich geb es auf Qn darin zu finden. 

ich habe eine Datei 22024-08-25-v4.06-vol5_resources.pdf von Bilby runtergeladen. 127 SSeiten.

 

Qn findet sich ab Seite 12 (bzw. 13) bis 20 (bzw. 21) (allerdings wohl noch nicht vollständig). Lk1 ab Seite 22 mit der Angabe welcher der 9 anderen Rekonstrukteure dem jeweiligen Vers zustimmt.

 

Ich habe Bilbys Fassung von Qn noch nicht mit Tabor und meiner deutschen Studienausgabe (Hoffmann/Heil) verglichen.

bearbeitet von Flo77
Geschrieben

Das klingt super. Wenn du jetzt noch sagst, von welcher der zahllosen Websites von Bilby du dir das runtergeladen hast, oder vielleicht sogar einen Download Link überliefern könntest, würde dir mein Dank ewig nachschleichen.

Google antwortet auf die Suche 22024-08-25-v4.06-vol5_resources.pdf mit "Es wurden keine Ergebnisse gefunden, die alle deine Suchbegriffe enthalten."

 

Liebe Grüße!

dein hoffnungsvoller 

Weihrauch

Geschrieben
vor 10 Stunden schrieb Domingo:

Oder ist jemand hier in Eile?

 

vor 2 Stunden schrieb Weihrauch:

Ich jedenfalls nicht.

 

Warum reagierst Du dann so, wenn ich ein neues (kürzeres) Video poste? Welche Laus ist Dir da über die Leber gelaufen?

 

Zitat

Insofern habe ich wirklich Verständnis dafür, auf Youtube zu recherchieren und Links zu posten. Würde ich auch machen wenn in dieser Blase neben gegenseitigen Bestätigungen auch Gegenargumente zu finden wären. 

 

Ehrman gibt immer das wieder, was Konsensus ist. Er würde mit Bilbys These aber nicht einverstanden sein. Es gibt auf YouTube auch Debatten zwischen Vinzent und anderen über Marcions Priorität, falls Du danach suchen willst. 

Geschrieben
vor 42 Minuten schrieb Weihrauch:

Das klingt super. Wenn du jetzt noch sagst, von welcher der zahllosen Websites von Bilby du dir das runtergeladen hast, oder vielleicht sogar einen Download Link überliefern könntest, würde dir mein Dank ewig nachschleichen.

Google antwortet auf die Suche 22024-08-25-v4.06-vol5_resources.pdf mit "Es wurden keine Ergebnisse gefunden, die alle deine Suchbegriffe enthalten."

 

Liebe Grüße!

dein hoffnungsvoller 

Weihrauch

https://zenodo.org/records/13372092/files/2024-08-25_v4.06_vol5_resources.pdf?download=1

Geschrieben

Um das nicht lange suchen zu müssen, der Downloadlink dazu. Aus dem PDF “The First Gospel, the Gospel of the Poor: A New Reconstruction of Q and Resolution of the Synoptic Problem based on Marcion’s Early Luke.” Seite 20 damit man es darin auch schnell finden kann. 

 

Zitat

 

Qn (65–69 CE)
Mk1 (75–80 CE) = Qn + MkR1
Lk1/GMarc (80s CE): Qn + Mk1 + LkR1
Mt1 (90s CE): Qn + Mk1 + Lk1/GMarc + MtR1
Jn1 (100s CE) = Qn + Mk1 + Lk1/GMarc + Mt1 + JnR1
Jn2 (110s CE) = Qn + Mk1 + Lk1/GMarc + Mt1 + Jn1 + JnR2
Lk2 + Acts (117–138 CE) = Qn + Mk1 + Lk1/GMarc + Mt1 + Jn1 + Jn2 + LkR2
Mk2 (140s CE): Qn + Mk1 + Lk1/GMarc + Mt1 + Jn1 + Jn2 + Lk2 + Acts + MkR2
Mt2 (140s CE): Qn + Mk1 + Lk1/GMarc + Mt1 + Jn1 + Jn2 + Lk2 + Acts + Mk2 + MtR2
Jn3 (140s CE): Qn + Mk1 + Lk1/GMarc + Mt1 + Jn1 + Jn2 + Lk2 + Acts + Mk2 + Mt2 + JnR3
Mk3 (140s CE): Qn + Mk1 + Lk1/GMarc + Mt1 + Jn1 + Jn2 + Lk2 + Acts + Mk2 + Mt2 + MkR3

 

Do you see the overall pattern? If it looks like a biological phenomenon, that is because it was.
The gospel was alive, like a virus. The first gospel, Qn, was its initial DNA.


Scientifically speaking, the reception of a living textual tradition is an ever-expanding phenomenon, like the universe and life itself. Every viable textual tradition has a life of its own in reception history, especially when texts are individually and/or collectively taken as sacred.

 

 

Mit meinem laienhaften Menschenverstand habe ich argumentiert, dass hierin ein kapitaler Denkfehler steckt, da das Universum Milliarden von Jahren Zeit braucht, die Evolution der Arten ebenfalls, und Millionen von Generationen um in minimalen Schritten neue Arten hervorzubringen. In den 85 Jahren dieses Zeitraumes der oben in dem Zitat angegeben ist, hat nichts stattgefunden, was mit diesem Evolutionsgedanken kompatibel ist. Dieser Zeitraum ist viel zu kurz, in ihm haben nicht ungezählte minimale Entwicklungsschritte des Kopierens stattgefunden, wie in dem anderen Video hier behauptet wird, in denen aus Qn allmählich Mk1, Lk1 usw. entstanden sein kann.

 

Da hat sich einer hingesetzt, mit Qn vor sich auf dem Tisch und hat sich ein Konzept für einen neuen, Text ausgedacht, weil eine Nachfrage danach bestand. Die Leute wollten mehr über Jesus wissen, Geschichten über ihn erzählt bekommen. Und Peng! Mk1 war von heute auf morgen da, weil es von einem Typen geschrieben wurde. Und Peng! Ein Lukasevangelium von einem anderen Typen ganz woanders war da. Und Peng! Ein Johannesevangelium war da. Da gibt es jeweils Einflüsse aus Vorlagen, werden Motive übernommen, wie aus Enuma Elisch für das AT, aber um ganz andere Aussagen in Form dieser Motivik zu formulieren. So wenig wie die Sintflut abgeschrieben wurde, so wenig wurde aus Qn Mk1 abgeschrieben.

 

Bilby sagt ja selbst, dass im frühen MtEv Jesus als eine neuer Moses dargestellt wird, dass im frühen JohEv Jesus als Dionysus dargestellt wird, dann wird Jesus ein anti-dionysischer neuer Sokarates in der zweiten Edition des JohEv, in Lk2 + Acts. Bilby sagt direkt im Anschluss daran, dass es eben keine kleineren Veränderungen gab, sondern große Wechsel. Er kann aber nicht beides zur gleichen Zeit haben. Diesen großen Wechseln, lassen sich nicht aus vielen kleineren Veränderungen ableiten. Ein Vertreter des Intelligent Design würde analog gegen diese Evolutionstheorie Bilbys zu Recht mit dem Argument einer „nichtreduzierbaren Komplexität“ der neuer Arten/Evangelien argumentieren. Aus Jesus-Moses wurde nicht Jesus-Sokrates durch kleine Veränderungen beim Kopieren. Sondern ein anderer intelligenter Typ, der mit der Darstellung eines Jesus-Moses nicht einverstanden war, setzte sich hin und stellte einen Jesus-Dionysus dagegen indem er die bekannten Motive anders gestaltete oder neue Motive/Erzählungen über Jesus einstreute. Das hat mit Abschreiben und Kopieren nichts zu tun. 

 

vor einer Stunde schrieb Domingo:

Warum reagierst Du dann so, wenn ich ein neues (kürzeres) Video poste? Welche Laus ist Dir da über die Leber gelaufen?

 

Darum, weil hoffe, dass du mit deiner wissenschaftlichen Expertise und Erfahrung in solchen Dingen, meine laienhaften Überlegungen in der Luft zerreißt. Dass hier das passiert, was in den Youtube-Videos die du postet nie passiert. Ich koche ja nur mit Wasser, daher müsste es ein leichtes sein gegen meine Argumente in meinen Beiträgen zu argumentieren. Dazu muss man nichts recherchieren, sondern nur auf meine Texte eingehen und mir zeigen, wo ich einen Denkfehler nach dem anderen mache. Das wäre ein eigentlicher Dialog, in dem jeder seine Meinungen und Ansichten kommuniziert, und nicht die anderer.  

 

Geschrieben (bearbeitet)

Juhuuu! Danke @Flo77. Jetzt kann ich mir das Konkrete mal in Ruhe anschauen, worüber wir hier dauernd abstrakt reden.

bearbeitet von Weihrauch
Geschrieben
17 hours ago, Weihrauch said:

Bilby sagt ja selbst, dass im frühen MtEv Jesus als eine neuer Moses dargestellt wird, dass im frühen JohEv Jesus als Dionysus dargestellt wird, dann wird Jesus ein anti-dionysischer neuer Sokarates in der zweiten Edition des JohEv, in Lk2 + Acts. Bilby sagt direkt im Anschluss daran, dass es eben keine kleineren Veränderungen gab, sondern große Wechsel. Er kann aber nicht beides zur gleichen Zeit haben. Diesen großen Wechseln, lassen sich nicht aus vielen kleineren Veränderungen ableiten. Ein Vertreter des Intelligent Design würde analog gegen diese Evolutionstheorie Bilbys zu Recht mit dem Argument einer „nichtreduzierbaren Komplexität“ der neuer Arten/Evangelien argumentieren. Aus Jesus-Moses wurde nicht Jesus-Sokrates durch kleine Veränderungen beim Kopieren. Sondern ein anderer intelligenter Typ, der mit der Darstellung eines Jesus-Moses nicht einverstanden war, setzte sich hin und stellte einen Jesus-Dionysus dagegen indem er die bekannten Motive anders gestaltete oder neue Motive/Erzählungen über Jesus einstreute. Das hat mit Abschreiben und Kopieren nichts zu tun.

 

 

Nein, die großen Wechsel lassen sich nicht alle aus vielen kleinen Veränderungen ableiten. Kulturelle Evolution ist im Prinzip anders als biologische Evolution. In der biologischen Evolution entwickelt sich alles über kleine Schritte, ziellos, und das braucht sehr viel Zeit. Kulturelle Evolution erfolgt jedoch durch die direkte Veränderung erworbener Eigenschaften, und sie kann gezielt erfolgen. Menschen verfolgen bestimmte Ziele, sie haben eigene Ideen, Vorstellungen, das alles fließt mit ein. Wenn man so will, gibt es in unserer Kultur sowohl kleine Änderungen als auch jede Menge intelligente Designer. Diese Idee, dass jedes Design Intelligenz braucht, kommt aus der Beobachtung menschlicher Kulturen und wurde auf die biologische Evolution übertragen. Dass es in unserer Kultur, beispielsweise beim Übertragen von Texten, kleinste Änderungen gibt, Kopierfehler (wie bei der DNA), die dann zu großen Änderungen führt, überträgt die Idee der biologischen Evolution auf die Kultur. Das ist genauso falsch wie „Intelligent Design“. Ich kann einen vorhandenen Text nehmen und an einem Tag viele Veränderungen vornehmen, weil mir bestimmte Dinge nicht passen, weil meine Ideen, Vorstellungen andere sind.

 

Man kann anhand des Markusevangeliums sehen, dass der Autor die Verhältnisse in Israel nicht besonders gut kannte. Er beschreibt, dass Jesus mit seinen Jüngern zu einer Stadt im Norden reist – über eine andere Stadt, die weit im Süden liegt. Er hatte halt keine genaue Karte, daher irrte er sich bei der Beschreibung der Reiseroute, die überhaupt keinen Sinn ergibt. Der Evangelist wusste auch nicht, dass die Pharisäer beispielsweise beim Sabbat eigentlich genau die Ansicht vertreten, die Jesus in einem Streit mit ihnen vertritt. Der Streit ist also sinnlos. Er kannte auch weder die Größe des Jerusalemer Tempels noch den Zweck der Geldwechsler. Die Juden durften kein heidnisches Geld opfern, das war verboten. Aber im römischen Imperium (zu dem Israel damals gehörte) gab es nur heidnisches Geld, Sesterzen, mit Abbildungen. Das musste man vor dem Opfern in alte jüdische Münzen tauschen. Damit waren die Geldwechsler absolut notwendig.

 

Jesus hatte keinen Grund, deren Tische umzuwerfen. Abgesehen davon gab es nicht nur viele Geldwechsler, sondern immer auch römische Legionäre im Tempel. Wenn Jesus einen Aufruhr angezettelt hätte, wären sie sofort zur Stelle gewesen, das war ihr Job. Weder die Geldwechsler noch die anwesenden Juden hätten es sich gefallen lassen, dass jemand den religiösen Betrieb stört. Spätestens nach dem ersten umgeworfenen Tisch hätte Jesus derartig auf die Fr**** bekommen, von anwesenden Juden, den Legionären, von den Geldwechslern, dass ihn seine eigene Mutter nicht wiedererkannt hätte.

 

Nein, bei Markus ist die Szene der Tempelreinigung eine reine literarische Anspielung auf das AT und keine Historie. Die ist übrigens streng verbunden mit dem Verfluchen des Feigenbaums, auch das ist eine Anspielung. Das haben die anderen Evangelisten übrigens nicht verstanden, sie trennen die Tempelreinigung von der Verfluchung des Feigenbaums. 

 

Matthäus hingegen wusste über die Verhältnisse in Israel viel besser Bescheid, sowohl geografisch als auch was die religiösen Bräuche angeht. Sein Evangelium ist weitgehend eine „fehlerkorrigierte Abschrift“ des Markusevangeliums. Wesentliche Teile hat er übernommen, anderes hat er verbessert. Das erfordert nicht viel Zeit, denn die Vorlage war ja schon literarisch exzellent. Er musste nur sein Wissen um die geografischen und religiösen Verhältnisse einbringen, die Geschichte hingegen war schon praktisch fertig. Während Jesus im Markusevangelium griechisches Gedankengut vertritt, ist der Jesus des Matthäusevangeliums ein Jude, durch und durch. Kein Wunder, dass man zunächst dachte, dass das Matthäusevangelium älter sei als das Markusevangelium. Es ist eben plausibler, dass Markus aus dem Juden Jesus einen griechisch denkenden Jesus gemacht hat, obwohl es tatsächlich andersherum war.

 

Überhaupt sind die Evangelien eher ein kollektives Werk als die Geschichte einzelner Autoren. Die Autoren haben einander beeinflusst, stilistisch gesehen könnte das lange Ende des Markusevangeliums von Matthäus geschrieben worden sein. Markus stützt sich deutlich auf Paulus, die Grundidee seiner Geschichte beruht stark auf Homer. Markus erzählt die Geschichte von Odysseus neu, siehe MacDonald, Dennis Ronald. The Homeric epics and the Gospel of Mark. Yale University Press, 2000. Die Genialität von Markus besteht darin, die meisten Elemente aus dem AT zu übernehmen, eine weitere wichtige Inspirationsquelle. Auch Markus steht auf den Schultern von Giganten, Homer, Paulus, und dem AT. Wie weit das Evangelium von Markion dabei eine Rolle spielt, kann ich nicht abschätzen. Vielleicht war das Evangelium nach Markion nur der Anstoß, um die Geschichte von Jesus zu erzählen, vielleicht war der Einfluss auch größer, das ist schwer zu sagen, weil unsere Kenntnis dieses Evangeliums auf einer Rekonstruktion beruht.

 

Nichts davon ist reine Abschrift, sondern eher das kollektive Sammeln von Ideen, das dann von verschiedenen Autoren, die einander beeinflusst haben, umgesetzt wurde. Kopierfehler spielen eher eine untergeordnete Rolle, und das auch nur bei Kleinigkeiten. Durchaus möglich, dass aus „eher geht ein Schiffstau durch ein Nadelöhr“ ein „eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr wurde“, weil auf Griechisch sich beides nur durch einen einzigen Buchstaben unterscheidet. Möglich aber, dass dies nicht einmal ein Fehler war, es gibt noch andere Möglichkeiten.

 

Aber alles, was Matthäus am Markusevangelium änderte, beruht auf bewusster Überlegung. Zudem gab es von Anfang an einen Streit unter Christen, und viele Unterschiede in den vier kanonischen Evangelien lassen sich dadurch erklären, dass versucht wurde, einen solchen Streit zu schlichten. Lukas z. B. ist deutlich anti-gnostisch und anti-doketistisch orientiert. Er kam auf die Idee, deswegen eine Abstammung von Jesus einzufügen: Seht her, Jesus war kein Phantom, sondern ein leiblicher Mensch mit Abstammung! Matthäus ist wohl unabhängig auf dieselbe Idee gekommen. Beide Stammbäume verfolgen jedoch unterschiedliche Strategien, hier haben sich die Autoren wohl nicht untereinander abgesprochen, denn es ist unmöglich, die beiden Stammbäume zu harmonisieren (das haben vielleicht beide Autoren übersehen, oder sie kannten die andere Version nicht, die durchaus auch später hinzugefügt worden sein kann).

 

Die Genialität von Markus zeigt sich darin, eine Geschichte wie die von Homer mit Mitteln des AT neu zu erzählen. Das ist eine Meisterleistung, die Markus zum einflussreichsten Autor der westlichen Zivilisation gemacht hat. Seinen Einfluss kann man kaum überschätzen. Für mich ist Jesus der Harry Potter der Antike, nur eben von einem Autor, der noch genialer war als Rowling. Trotzdem gab es ein paar andere Autoren, die zwar die Genialität von Markus anerkannt haben, aber der Meinung waren, dass sie das noch besser konnten.

Geschrieben

Mit weniger Worten: Die Rolle von Jesus, falls er eine historische Person war, wird drastisch überschätzt, während man den Erfindungsreichtum und literarische Genialität der Autoren der Evangelien, allen voran Markus, dramatisch unterschätzt. Ebenso unterschätzt wird der Einfluss theologischer Streitigkeiten auf die Entwicklung der Evangelien.

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