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Falsifikation und Wahrheitsbegriff in den Wissenschaften


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Geschrieben

Ich habe das Thema hier angeschnitten, ich möchte darüber aber in einem neuen Thread weiterdiskutieren (falls @iskander, @KevinF und natürlich auch andere es wollen), denn ich kann nicht erwarten, dass ein Thread im urreligiösen Teil des Forums von der Thedizee und Gott und Jesus wegkommt, um statt dessen allgemeine Erkenntnistheorie zu betreiben.

 

Ich darf hier den hierfür wichtigen Teil wiederholen:

 

Zitat

Obwohl viele Wissesnchaftler sich Poppers These zu eigen gemacht haben, bleibt es eine These, die von einem Philosophen entworfen wurde und der, soweit ich weiß, auch von Philosophen widersprochen wird eher als von Wissenschaftlern. Und aus dem Beitrag, aus dem das obige Zitat stammt, scheint mir ein typisch philosophischer Wahrheitsbegriff durchzuschimmern. Soviel ich weiß, betrachten Wissenschaftler ihre Theorien aber nicht als "wahr" oder "falsch," sondern als Modelle, die mehr oder weniger funktionieren können. Man braucht mW die Newtonsche Physik nicht "widerlegen," sondern sie ist genaugenommen schon widerlegt, und zwar von der Relativitätstheorie - wenn man in der Newtonschen Physik die mögliche "Wahrheit' sehen möchte, was dann seine mögliche "Unwahrheit" bedingen würde. Man kann sie aber prima einsetzen, um etwa die Laufbahnen von Raketen auszurechnen - sie ist also ein Modell, kein Dogma und keine "Warheit" im religiösen oder (?) philosophischen Sinne.

 

Geschrieben (bearbeitet)
Zitat

... Soviel ich weiß, betrachten Wissenschaftler ihre Theorien aber nicht als "wahr" oder "falsch," sondern als Modelle, die mehr oder weniger funktionieren können. Man braucht mW die Newtonsche Physik nicht "widerlegen," sondern sie ist genaugenommen schon widerlegt, und zwar von der Relativitätstheorie - wenn man in der Newtonschen Physik die mögliche "Wahrheit' sehen möchte, was dann seine mögliche "Unwahrheit" bedingen würde. Man kann sie aber prima einsetzen, um etwa die Laufbahnen von Raketen auszurechnen - sie ist also ein Modell, kein Dogma und keine "Warheit" im religiösen oder (?) philosophischen Sinne.

 

Beobachtung --> logisch valide Hypothese ---> Experiment

 

Wenn das Experiment die Hypothese bestätigt, dann spricht man von einer "Theorie". Mit der Theorie kann man in der Realität dann arbeiten (Vorhersagen, Neues schaffen etc.).

 

Die Newtonsche Physik ist nach wie vor eine Theorie, was die Validität von "Theorie" beinhaltet.

 

Da mit dem Begriff "Wahrheit" daherzukommen, der ein rein subjektives Urteil ist, ist vollkommen unangemessen ("unwissenschaftlich")..

 

bearbeitet von SteRo
Geschrieben

@Domingo folgt jetzt dem Inhalt. Optimist.

 

Mann, du hast das Klickbaiten im Threadtitel vergessen. Irgendwas, das Jesu Wunder aushebelt, oder das Wort Ontologie als Köder, oder irgendwelche Kampfbegriffe einstreuen, oder wenigstens einen aktuellen Bezug vortäuschen "Die Falsifikation der Metaphysik in der postmodernen Kirche" wäre hilfreich gewesen. Nix gelernt von unseren Youtubern?

Geschrieben

Du bist witzig.

 

vor 5 Minuten schrieb Weihrauch:

das Wort Ontologie als Köder

 

😯

 

Wer würde denn vom Wort "Ontologie" "geködert"? Wohl doch nur Iskander und KevinF, die ich oben schon hergerufen habe.

Geschrieben

Okay, Ontologie ist nicht gerade der Burner gewesen. Aber zum Thema: Es gibt vielleicht doch etwas ähnliches wie Dogmen in der Naturwissenschaft, die ja auch nicht völlig frei und unabhängig arbeiten kann. Es gibt eine starke Konkurrenz um die Beschaffung von finanziellen Mitteln, und da ist es hilfreich Hoffnungen zu schüren mit Modellen, von denen sich Investoren fette Gewinne erhoffen. Ich denke da zum Beispiel daran, den Leuten zu versprechen Gott spielen zu können, wie im Himmel also  auch auf Erden, in Form eines Fusionsreaktors. Dieses Modell funktioniert noch nicht, und man weiß auch nicht, ob es je funktionieren wird. Die experimentelle Bestätigung dieses Modells wird seit ich denken kann, in den nächsten 20 Jahren, in den nächsten 20 Jahren, in den nächsten 20 Jahren erwartet. Milliarde um Milliarde verschwindet in diesen Projekten, und ein Ende ist nicht in Sicht - weder eine Erfolg noch die Falsifikation. So ein Plasma ist ein vielleicht zu heißer Scheiß, um ihn profitabel handeln zu können. 

Geschrieben
vor 19 Stunden schrieb Domingo:

Soviel ich weiß, betrachten Wissenschaftler ihre Theorien aber nicht als "wahr" oder "falsch," sondern als Modelle, die mehr oder weniger funktionieren können.

 

Das gilt meiner Beobachtung nur für Grundlagenforscher, vor allem der Physik.

 

In den angewandten Wissenschaften ist das leider nicht mehr der Fall. Ständig wird bspw. in meinem Feld, der Medizin, ein Satz begonnen mit "Wir wissen jetzt" - da bekomme ich regelmäßig daserspareichEuch.

 

Spätestens seit der Quantenmechanik sollte ein "wir wissen jetzt" obsolet sein.

 

Passen dazu: https://youtube.com/shorts/jGHk6FBAqMA

Geschrieben (bearbeitet)

@iskanderschreibt:

 

Zitat

ine Kritik am Popperschen Modell muss ebenfalls nicht voraussetzen, dass wissenschaftliche Theorien wahr sind. In der von mir zitierten Passage geht es ja nicht darum, dass es schwierig ist, ein wissenschaftliches Forschungsprogramm zu falsifizieren, und nicht darum, ob man dadurch anderes als wahr erweisen könnte. Der dort erwähnte Lakatos etwa geht davon aus, dass man das nicht kann.

 

Dann ist die Situation aber mE anders, oder anders gesagt, Lakatos mag recht haben, das ist aber kein Problem, weil Theorien eben Modelle sind. Man wirft ein Modell nicht in den Müll, weil es etwas nicht korrekt vorhersagt, wenn es sonst jede Menge Dinge korrekt vorhersagt. Ginge es aber um Wahrheit, wäre Lakatos' Einwand viel gravierender.

bearbeitet von Domingo
Geschrieben (bearbeitet)

Ich wiederhole für das bessere Verständnis nochmals in Gänze, was ich zum entsprechenden Thema ursprünglich geschrieben hatte

 

Zitat Beginn

 

Bei Popper geht es ja nicht darum, dass die Wissenschaft die Wahrheit findet, sondern eher darum, dass sie sich indirekt der Wahrheit annähert, indem sie nach und nach Unwahres aussondert (das ist jetzt meine Formulierung; ich weiß nicht, ob Popper damit zufrieden wäre, glaube aber, dass sie der Sache einigermaßen gerecht wird). 

 

Eine Kritik am Popperschen Modell muss ebenfalls nicht voraussetzen, dass wissenschaftliche Theorien wahr sind. In der von mir zitierten Passage geht es ja nicht darum, dass es schwierig ist, ein wissenschaftliches Forschungsprogramm zu falsifizieren, und nicht darum, ob man dadurch anderes als wahr erweisen könnte. Der dort erwähnte Lakatos etwa geht davon aus, dass man das nicht kann.

 

In der Wissenschaftstheorie gibt es die verbreitete Auffassung, dass man (in vielen Fällen) nicht sagen könne, dass wissenschaftliche Theorien wahr seien, sondern dass empirische Adäquatheit das Ziel sei. "Empirische Adäquatheit" wäre gegeben, wenn eine Theorie Voraussagen über unsere Erfahrung macht, die (mehr oder weniger) korrekt sind. Die Theorie selbst muss deswegen nicht korrekt bzw. wahr sein. 

 

Zitat Ende

 

(Zum Hintergrund siehe auch hier.)

  

vor 3 Stunden schrieb Domingo:

Ginge es aber um Wahrheit, wäre Lakatos' Einwand viel gravierender.

 

Lakatos geht es in erster Linie offenbar darum, wie Wissenschaften faktisch arbeiten (und auch sinnvollerweise arbeiten sollten), damit sie fruchtbare Theorien mit hoher Erklärungskraft hervorbringen können. Trotzdem hat dieser "neue" Ansatz durchaus auch Implikationen für die Frage der Falsifikation.

 

Wir wissen nämlich ja meistens nicht von vornherein, ob ein etabliertes und gut funktionierendes Modell wahr ist oder nicht. Selbst wenn wir nicht annehmen, dass es wahr ist, und es für wahrscheinlich erachten, dass es falsch ist, können wir seine Korrektheit doch auch kaum von vornherein sicher ausschließen; vielmehr müssen wir seine Falschheit erst beweisen, wenn es uns hierum geht.

 

Bei Popper ist es nun relativ einfach: Man kann ein Model wie folgt falsifizieren: Man vergleiche das Modell (bzw. die aus ihm abgeleiteten Vorhersagen) mit der Empirie; und wenn unser Modell der Beobachtung widerspricht, ist es eben falsifiziert. Verifizieren kann man ein Modell nicht; falsifizieren kann man es mit etwas Glück aber relativ leicht (wenn es eben falsch ist). 

 

Bei Lakatos hingegen kann man Widersprüche, die zwischen dem fraglichen Modell und der Beobachtung auftreten, "legitimerweise" oftmals auch einfach durch die Annahme erklären, dass unsere Hilfshypothesen falsch oder unvollständig waren. Dass unser Modell selbst falsch ist, muss man hingegen nicht annehmen, sondern kann dies offen lassen. So kann man das Modell und die Empirie dann eben auch durch eine Modifikation der Hilfshypothesen wieder miteinander in Einklang bringen, so dass der (vermeintliche) Widerspruch beseitigt wird.

 

Und so wird es dann natürlich deutlich schwieriger, ein entsprechend ausgereiftes wissenschaftliches Modell zu falsifizieren. 

 

(Meine obige Darstellung ist natürlich vereinfacht und zugespitzt.)

 

bearbeitet von iskander

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