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Edgardo Mortara


Platona

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In den Staaten habe ich ein bisschen aus literarischem Interesse herumrecherchiert und bin auf den Fall Edgardo de Mortara gestoßen. Seltsamerweise hört man hier wenig über diese Entführung eines jüdischen Kindes aus dem Vatikan. Dieser "Mortara Case" war auch ein Anlaß zur Gründung des Jüdischen Weltbundes.

 

Wenn sich das wirklich so abgespielt hat, wie es auch im englischen Wikipedia berichtet wird ist das ein starkes Stück: Dieses Kind jüdischer Eltern wird von einer dämlichen Pflegerin notgetauft, weil es schwer krank war und nach seiner Genesung vom römischen Klerus seinen Eltern weggenommen, mit der scheinheiligen Argumentation, daß jüdische Eltern kein "christliches" Kind erziehen könnten. Erst nach erfolgter Gehirnwäsche konnte der gramgebeugte Vater sein mittlerweile erwachsen gewordenes Kind wiedersehen. Da war der junge Mann aber für seine Familie verloren und Kleriker geworden.

 

Dieser Fall ist ein gutes Argument für die Entmachtung der Kirche, die in Italien erst mit der Staatsgründung abgeschlossen war.

 

Wenn ich unter deutschen Seiten nachgoogle, finde ich sehr wenig darüber. Wie gesagt: in der amerikanischen Uni-Bibliothek bin ich darüber gefallen.

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In den Staaten habe ich ein bisschen aus literarischem Interesse herumrecherchiert und bin auf den Fall Edgardo de Mortara gestoßen. Seltsamerweise hört man hier wenig über diese Entführung eines jüdischen Kindes aus dem Vatikan. Dieser "Mortara Case" war auch ein Anlaß zur Gründung des Jüdischen Weltbundes.

 

Wenn sich das wirklich so abgespielt hat, wie es auch im englischen Wikipedia berichtet wird ist das ein starkes Stück: Dieses Kind jüdischer Eltern wird von einer dämlichen Pflegerin notgetauft, weil es schwer krank war und nach seiner Genesung vom römischen Klerus seinen Eltern weggenommen, mit der scheinheiligen Argumentation, daß jüdische Eltern kein "christliches" Kind erziehen könnten. Erst nach erfolgter Gehirnwäsche konnte der gramgebeugte Vater sein mittlerweile erwachsen gewordenes Kind wiedersehen. Da war der junge Mann aber für seine Familie verloren und Kleriker geworden.

 

Dieser Fall ist ein gutes Argument für die Entmachtung der Kirche, die in Italien erst mit der Staatsgründung abgeschlossen war.

 

Wenn ich unter deutschen Seiten nachgoogle, finde ich sehr wenig darüber. Wie gesagt: in der amerikanischen Uni-Bibliothek bin ich darüber gefallen.

 

Och, das ist eine Uraltgeschichte. Ich habe hier kurz darauf verwiesen. Ausführlich dargestellt ist sie (nach Einsicht in die Originaldokumente, u.a. den Briefen der Eltern Mortara, aus den vatikanischen Archiven) bei Thomas Brechenmacher: "Der Vatikan und die Juden". Etwas älter (und ohne Zuhilfenahme der vatikanischen Dokumente zustandegekommen: David I. Kertzer, Die Entführung des Edgardo Mortara. Verlage und ISBN schlage ich jetzt nicht nach.

bearbeitet von Alice
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Tja, da ich nicht Theologie studiert habe, ist dieser Fall gänzlich an mir vorbeigegangen. Aber wenn man so wenig in Deutsch ergooglen kann, denke ich mal, daß das ruhig im Forum an einer Stelle diskutiert werden kann, wo auch A + A mitschreiben können...

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Dieser Fall ist ein gutes Argument für die Entmachtung der Kirche, die in Italien erst mit der Staatsgründung abgeschlossen war.

Lasset uns aufregen, lamentieren, anklagen und uns freuen, dass wir wieder eine katholische Sau durchs Dorf treiben können. :angry:

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Dieser Fall ist ein gutes Argument für die Entmachtung der Kirche, die in Italien erst mit der Staatsgründung abgeschlossen war.

Lasset uns aufregen, lamentieren, anklagen und uns freuen, dass wir wieder eine katholische Sau durchs Dorf treiben können. :D

Haste was dagegen? :angry:

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Tja, da ich nicht Theologie studiert habe, ist dieser Fall gänzlich an mir vorbeigegangen. Aber wenn man so wenig in Deutsch ergooglen kann, denke ich mal, daß das ruhig im Forum an einer Stelle diskutiert werden kann, wo auch A + A mitschreiben können...

 

Ich glaub' nicht, dass Theologiestudenten mit dem "Fall Mortara" geimpft wurden oder geimpft werden.

 

Es war einfach eine Riesensauerei, die da geschehen ist, zurückzuführen auf die Sturheit von Pius IX (dem wohl von mehreren Seiten anders geraten worden war), und das Unglück des Jungen und seiner Familie, dass sie eben noch im Kirchenstaat gelebt haben. Rein formal hat Pius IX. übrigens durchaus in Übereinstimmung mit dem damaligen Kirchenrecht gehandelt - er hätte es aber nicht durchzusetzen brauchen, weil es Präzedenzfälle gab, in denen zuvor schon kirchlicherseits anders entschieden worden war. Ganz abgesehen davon, dass dieses Hausmädchen, die sich Jahre später daran erinnerte, den kleinen Jungen in "Todesgefahr" getauft haben zu wollen, eine reichlich dubiose, übel beleumundete Gestalt und schlechte Zeugin gewesen ist. Der "Knackpunkt", der der ganzen Geschichte eine andere Wendung hätte geben können war die Frage, ob das Kind tatsächlich in Todesgefahr gewesen war (immerhin hat es die Krankheit ja überlebt). Nur unter dieser Voraussetzung (Todesgefahr) war es nämlich überhaupt erlaubt, Judenkinder ohne Einwilligung der Eltern zu taufen, ansonsten war das strikt verboten und sogar strafbar.

 

Soweit ich es beurteilen kann, nachdem ich den englischen Wikipedia-Artikel jetzt nur überflogen habe, ist er, von ein paar Nuancen abgesehen, korrekt.

bearbeitet von Alice
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Dieser Fall ist ein gutes Argument für die Entmachtung der Kirche, die in Italien erst mit der Staatsgründung abgeschlossen war.

Lasset uns aufregen, lamentieren, anklagen und uns freuen, dass wir wieder eine katholische Sau durchs Dorf treiben können. :)

Haste was dagegen? :angry:

wenn ich bald mal wieder eine atheistische Sau hier ärgern darf - mach ruhig :D

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Hier gibt's was in deutscher Sprache.

 

Ein Präzedenzfall:

 

Die Eltern Mortara stützten sich auf kirchliche Urteilssprüche in vergleichbaren Fällen. So auf das Urteil von Papst Paul III. vom 6. Dezember 1540, nach dem er den Generalvikar von Capua aufforderte, die ungesetzliche Taufe des sieben Jahre alten Jungen Angelo vom 23. März 1539 rückgängig zu machen und – so der Papst – „in Anwendung zeitgemäßer Mittel vernünftig und mit apostolischer Milde [dafür] zu sorgen“, dass der Junge seinen Eltern Gabriel und Bona aus Lanzano zurück gegeben werde.

 

 

Die Mortara-Affäre war übrigens einer der Hauptkritikpunkte an der Seligsprechung Pius IX. Damals ist diese Geschichte selbstverständlich ausgiebigst auch im deutschen Blätterwald erörtert worden.

 

Wenigstens ist dem armen Kerl der Holocaust erspart geblieben (er starb hochbetagt in Belgien, kurz bevor die Deutschen dort einfielen).

bearbeitet von Alice
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Wenigstens ist dem armen Kerl der Holocaust erspart geblieben (er starb hochbetagt in Belgien, kurz bevor die Deutschen dort einfielen).

ist das gut oder schlecht????? :angry:

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Es ist mir übrigens in dem Zusammenhang so richtig klar geworden, wie weit die Ausdehnung des Kirchenstaates nach 1815 noch ging und wie geschickt der Vatikan auf dem politischen Parkett agierte. Pius IX war ja anfangs der Held des Risorgimento, bekehrte sich aber nach Ausrufung der Römischen Republik zu Österreich, weil er hoffte, dadurch wieder Macht und Einfluß zu bekommen. Der Kirchenstaat wurde ja auch tatsächlich durch die Intervention Spaniens und Frankreichs 1849 nochmal kurzfristig installiert. 1858 durfte Pius jedoch dann endgültig den Rest seiner Tage im Vatikan verbringen... Schad ihm nix. Er scheint ein recht machgieriger Pfaffe gewesen zu sein.

bearbeitet von Platona
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Es ist mir übrigens in dem Zusammenhang so richtig klar geworden, wie weit die Ausdehnung des Kirchenstaates nach 1815 noch ging und wie geschickt der Vatikan auf dem politischen Parkett agierte. Pius IX war ja anfangs der Held des Risorgimento, bekehrte sich aber nach Ausrufung der Römischen Republik zu Österreich, weil er hoffte, dadurch wieder Macht und Einfluß zu bekommen. Der Kirchenstaat wurde ja auch tatsächlich durch die Intervention Spaniens und Frankreichs 1849 nochmal kurzfristig installiert. 1858 durfte Pius jedoch dann endgültig den Rest seiner Tage im Vatikan verbringen... Schad ihm nix. Er scheint ein recht machgieriger Pfaffe gewesen zu sein.

Immerhin hat er seinen absolutistischen Machtanspruch als göttlich geoffenbarte Glaubenswahrheit dogmatisieren lassen....

 

Werner

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Der Inquisitor von Bologna, ein Dominikanerpater mit Namen Pier Gaetano Feletti, der das Kind seinen Eltern wegnehmen ließ, wurde übrigens 1859 oder 1860 von der neuen (italienischen) Regierung (Bologna hatte sich ja dem Königreich Italien angeschlossen) verhaftet und wegen Kindesentführung im Fall Mortara angeklagt. Das Verfahren endete jedoch mit einem Freispruch: Feletti habe schließlich im Auftrag des (bis vor kurzem) legitimen Staatsoberhauptes des Kirchenstaates und damit legal gehandelt.

bearbeitet von Alice
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Wenigstens ist dem armen Kerl der Holocaust erspart geblieben (er starb hochbetagt in Belgien, kurz bevor die Deutschen dort einfielen).

ist er ein "armer Kerl" weil er den Holocaust überlebte oder weil er getauft wurde?

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Der Inquisitor von Bologna, ein Dominikanerpater mit Namen Pier Gaetano Feletti, der das Kind seinen Eltern wegnehmen ließ, wurde übrigens 1859 oder 1860 von der neuen (italienischen) Regierung (Bologna hatte sich ja dem Königreich Italien angeschlossen) verhaftet und wegen Kindesentführung im Fall Mortara angeklagt. Das Verfahren endete jedoch mit einem Freispruch: Feletti habe schließlich im Auftrag des (bis vor kurzem) legitimen Staatsoberhauptes des Kirchenstaates und damit legal gehandelt.

Genau so legal und mit genau so guten Absichten wie die Maoisten oder Stalinisten, die christlichen Eltern ihre Kinder wegnahmen um sie in staatlichen Einrichtungen zu braven Kommunisten zu erziehen.

 

Werner

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Wenigstens ist dem armen Kerl der Holocaust erspart geblieben (er starb hochbetagt in Belgien, kurz bevor die Deutschen dort einfielen).

ist er ein "armer Kerl" weil er den Holocaust überlebte oder weil er getauft wurde?

 

Aha. Pöbel-Erich ist mal wieder unterwegs. :angry:

Der wird von mir keiner Antwort mehr gewürdigt.

 

:D

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Aha. Pöbel-Erich ist mal wieder unterwegs. :angry:

Der wird von mir keiner Antwort mehr gewürdigt.

:D:);)

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Wenigstens ist dem armen Kerl der Holocaust erspart geblieben (er starb hochbetagt in Belgien, kurz bevor die Deutschen dort einfielen).

ist er ein "armer Kerl" weil er den Holocaust überlebte oder weil er getauft wurde?

Die Kirche, der Papst und wenn ich mich recht erinnere auch du betonen doch immer wieder, dass jeder Mensch das Recht auf beide Eltern habe.

Da muss man jemanden, der seinen Eltern entführt wird, doch auch als armen Kerl ansehen.

Oder ist das mit dem Recht auf Eltern nur opportunes Geschwätz, das man nur dann vorbringt, wenn es gerade ins Konzept passt?

 

Werner

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Hier gibt's was in deutscher Sprache.

Danke Alice, Du bist wirklich eine tolle Informantin :angry:

Dem möchte ich mich ausdrücklich anschließen.

Gruß

Ullr

Tschuldigung, ich bin im katholischen Bereich. aber Alice hat wirklich objektiv informiert.

bearbeitet von ullr
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Wenigstens ist dem armen Kerl der Holocaust erspart geblieben (er starb hochbetagt in Belgien, kurz bevor die Deutschen dort einfielen).

ist er ein "armer Kerl" weil er den Holocaust überlebte oder weil er getauft wurde?

 

Wenn ich die ganze sache richtig verstanden habe, ist er ein armer kerl weil er gewaltsam von seiner familie getrennt wurde, dass war für ihn und seine familie bestimmt nicht schön!

Aber hauptsache ist doch das er katholisch getauft wurde. :angry:

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Der "Fall Mortara" ist übrigens auch im Zusammenhang mit dem in einem anderen Thread laufenden Thema "Judenmission" nicht uninteressant.

 

In seinen Lebenserinnerungen (ich hab' sie jetzt im Internet nicht gefunden) berichtet er u.a., wie er jahrelang fast verzweifelt versucht hätte, seine geliebte Mutter (der Vater war gestorben), zu der er inzwischen wieder regelmäßigen Kontakt hatte, zum Christentum zu bekehren - vergebens. Dass Juden zum Christentum zu bekehren seien, stand für Pio Edgardo (er hatte als Ordensnamen den Namen seines Gönners Pius IX. angenommen) ausser Frage, und er wurde u.a. auch nach Amerika geschickt, um Juden zu missionieren - vom einem dortigen Erzbischof (welcher das war, weiss ich jetzt gerade auch nicht mehr auswendig) postwendend zurückexpediert, weil die amerikanischen Katholiken schon im 19. Jahrhundert eine völlig andere Position zur Judenmission vertraten als die katholischen Hardliner in Europa und "Judenmission" in ihren Diözesen nicht wünschten.

 

Es waren im übrigen dann auch, ungefähr ein Jahrhundert später, maßgeblich (neben den deutschen) die amerikanischen Bischöfe, die die Absicht der Kurien-Hardliner, Nostra Aetate zu Fall zu bringen, vereitelten. Fast wäre es Nostra Aetate nämlich ähnlich ergangen wie dem Antrag der Gebrüder Lemann beim I. Vatikanum (er gelangte dort gar nicht erst auf die Tagesordnung des Konzils). Als Kardinal Augustin Bea, unterstützt von seinen Mitarbeitern Johannes M. Österreicher (jüdischer Konvertit) und einem kanadischen Augustiner, ebenfalls Konvertit, der als Sohn einer jüdischen Mutter in Berlin geboren worden war (dreimal darf geraten werden, warum der 1940 über England nach Kanada gelangt war), den ersten Entwurf von Nostra Aetate einreichte, wurde er von Kardinal Cicognani, dem Chef der Vorbereitungskommission für das Konzil, erstmal vom Tisch gefegt, sinngemäß mit der Begründung, eine "Judenerklärung" sei angesichts der politischen Lage (Naher Osten) nicht opportun und überhaupt überflüssig, denn die Juden wüssten ja, dass sie der katholischen Kirche herzlichst willkommen seien, wenn sie sich taufen ließen ...

 

Kardinal Bea hat dann auch "Politik" gemacht, u.a. zunächst unter einem Pseudonym, das mir jetzt auch nicht einfällt, in Jesuitenzeitschriften (in Deutschland hat er mit einem Artikel über den Gottesmordvorwurf an die Juden in "Stimmen der Zeit" sein Anliegen ins Bewusstsein der kirchlichen Öffentlichkeit gehoben), nicht nur die amerikanischen Bischöfe in ihrer Gesamtheit (es waren einige über 250 an der Zahl) hinter sich gebracht, sondern wurde durch eine Intervention der deutschen Bischöfe (allen voran Kardinal Frings) davor bewahrt, von den Kurien-Hardlinern (Cicognani, Ottaviani, Siri) abgesägt zu werden. Kardinal Bea wurde nicht nur von Johannes XXIII. ausdrücklich in seinem Amt und seiner Aufgabe bestätigt, sondern Nostra Aetate per ordre du mufti durch Johannes XXIII. selbst auf die Konzilstagesordnung gesetzt.

bearbeitet von Alice
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wie sah der gute mann eigentlich selbst die aktion von seiner "entführung " und "zwangstaufe"

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