benedetto Posted June 26, 2008 Report Posted June 26, 2008 Insbesondere zu EM-Zeiten, wenn der schweizer Schiedsrichter mit dem seltenen Vornamen Urs moderiert, begegnet einem das Wort "schlussendlich" alle Nase lang. Vor 10 Jahren klang das noch sonderbar in meinen westdeutschen Ohren, aber heute stelle ich fest, dass es garnicht mehr komisch tönt... Genauso ging es mir, als mein Bruder, vor einigen Jahren aus anglophonen Landen zurückkommend, auf einmal auf viele Fragen mit "nicht wirklich" antwortete. (Hast Du eine Macke? - Nicht wirklich...) Damals glaubte ich noch an ein vorübergehendes Phänomen, inzwischen glaube ich, dass er dieses germanische "not really" ins Land geschleppt und Millionen infiziert hat. Etymologen, Philologen, an die Front! Wie kommt es zu solchen sonderbaren Importen? (Ich habe leider kein älteres Wörterbuch greifbar - ich bin mir aber ziemlich sicher, dass man in einer älteren Ausgabe sicherlich nicht "schlussendlich" als Synomym für letztendlich oder letzen Endes finden dürfte oder wenn doch, dann mit der geographischen Einschränkung "Schweiz".) Quote
David Posted June 26, 2008 Report Posted June 26, 2008 Mit "makes sense" ist es ja genauso gelaufen. Quote
gouvernante Posted June 26, 2008 Report Posted June 26, 2008 Das "Variantenwörterbuch des Deutschen" (de Gruyter Vlg. 2004) gibt für "schlussendlich" A und CH an und als "Übersetzung" für D: schließlich, endlich, letztlich, letztendlich. Quote
David Posted June 26, 2008 Report Posted June 26, 2008 Ich habe zeitweise versucht, hierzulande "Velo" für Fahrrad einzuführen, und eine schweizerische Verwendung von "noch", deren Semantik mir inzwischen wieder recht ungewiss geworden ist. Hat aber nicht funktioniert. Quote
Stefan Posted June 26, 2008 Report Posted June 26, 2008 (edited) (Ich habe leider kein älteres Wörterbuch greifbar - ich bin mir aber ziemlich sicher, dass man in einer älteren Ausgabe sicherlich nicht "schlussendlich" als Synomym für letztendlich oder letzen Endes finden dürfte oder wenn doch, dann mit der geographischen Einschränkung "Schweiz".) Stimmt. Im grossen Wahrig von 1997 steht: schluß'end·lich, schluss'end·lich (Adv.; bes. schweiz.) schließlich, endlich, zum Schluß Edited June 26, 2008 by Stefan Quote
benedetto Posted June 26, 2008 Author Report Posted June 26, 2008 Ich habe zeitweise versucht, hierzulande "Velo" für Fahrrad einzuführen, und eine schweizerische Verwendung von "noch", deren Semantik mir inzwischen wieder recht ungewiss geworden ist. Hat aber nicht funktioniert. Ähnlich gescheitert bin ich mit Kalkülette (mit unbetontem End-e) für Taschenrechner, wobei sich zumindest in meinem unmittelbaren Kollegenkreis jetzt langsam Camembert für Tortendiagramm durchsetzt... Quote
Elima Posted June 27, 2008 Report Posted June 27, 2008 Mit "makes sense" ist es ja genauso gelaufen. und mit "realisieren" (das im Deutschen eigentlich nur für das ursprüngliche "verwirklichen" stand und jetzt allenthalben verwendet wird wie "to realize". Quote
Einsteinchen Posted June 27, 2008 Report Posted June 27, 2008 Früher war das Wort "nichtsdestotrotz" eine lustige Vermischung aus "nichtsdesto weniger" und "trotzdem". Jetzt ist es ein anerkanntes Wort. Quote
Assarhaddon Posted June 27, 2008 Report Posted June 27, 2008 Genauso ging es mir, als mein Bruder, vor einigen Jahren aus anglophonen Landen zurückkommend, auf einmal auf viele Fragen mit "nicht wirklich" antwortete. (Hast Du eine Macke? - Nicht wirklich...) Damals glaubte ich noch an ein vorübergehendes Phänomen, inzwischen glaube ich, dass er dieses germanische "not really" ins Land geschleppt und Millionen infiziert hat. Quatsch, "nicht wirklich" findet sich schon im Protagoras-Dialog von Platon! Auf eine weitere längere Ausführung von Sokrates, die dann mit "Ist es nicht so, o Protagoras?" endet, antwortet dieser trocken: "Ou dêta." (wörtlich "nicht wirklich") Quote
GermanHeretic Posted June 27, 2008 Report Posted June 27, 2008 und mit "realisieren" (das im Deutschen eigentlich nur für das ursprüngliche "verwirklichen" stand und jetzt allenthalben verwendet wird wie "to realize". to realise Koloniale Separatisten, amerikanische! Quote
Inge Posted June 27, 2008 Report Posted June 27, 2008 Mit "ich erinnere" ist es auch so gelaufen. "I remember" hat das gute alte "ich erinnere mich" glattweg überrollt! Heutzutage kann man einfach "ich erinnere das nicht" sagen statt "ich erinnere mich nicht daran" Quote
Domingo Posted June 27, 2008 Report Posted June 27, 2008 Mit "makes sense" ist es ja genauso gelaufen. und mit "realisieren" (das im Deutschen eigentlich nur für das ursprüngliche "verwirklichen" stand und jetzt allenthalben verwendet wird wie "to realize". Im Deutschen? Quote
Domingo Posted June 27, 2008 Report Posted June 27, 2008 Quatsch, "nicht wirklich" findet sich schon im Protagoras-Dialog von Platon! Auf eine weitere längere Ausführung von Sokrates, die dann mit "Ist es nicht so, o Protagoras?" endet, antwortet dieser trocken: "Ou dêta." (wörtlich "nicht wirklich") Bedeutet "dêta" "wirklich" Wenn, dann nur im Sinne eienr Bekräftigung ("ein wirklich schöner Anblick"). Laut LSJ s.v. δητα 1 Ende heißt ou deta "ganz und gar nicht". Quote
Platona Posted June 27, 2008 Report Posted June 27, 2008 Was mich zur Zeit umtreibt ist, wenn jemand einem einen beruflichen Gefallen tut und man sich bedankt, kommt unweigerlich zur Antwort "Gerne". Ich kann es nicht mehr hören. Quote
Squire Posted June 27, 2008 Report Posted June 27, 2008 Was mich zur Zeit umtreibt ist, wenn jemand einem einen beruflichen Gefallen tut und man sich bedankt, kommt unweigerlich zur Antwort "Gerne". Ich kann es nicht mehr hören. Bei mir ist es das "Hallo" (so gesprochen, als ob man in einen leeren Raum hineinruft), wenn man sein Befremden bekunden will. Vor ca. 10 bis 20 Jahren hatte die Phrase "Ich glaube, ich bin im falschen Film" diese Funktion. Absolut furchtbar. Quote
Flo77 Posted June 27, 2008 Report Posted June 27, 2008 Bei mir ist es das "Hallo" (so gesprochen, als ob man in einen leeren Raum hineinruft), wenn man sein Befremden bekunden will.Ich habe dieses "Hallo" seitdem ich "Mulan" gesehen habe - seitdem sehe ich vor meinem inneren Auge immer diesen Zwergdrachen und sein "Haloho!" verbunden mit dem Bedürfnis dem Verursacher des Befremdens chinesische Gongs um die Ohren zu hauen. Quote
Inge Posted June 27, 2008 Report Posted June 27, 2008 Was mich zur Zeit umtreibt ist, wenn jemand einem einen beruflichen Gefallen tut und man sich bedankt, kommt unweigerlich zur Antwort "Gerne". Ich kann es nicht mehr hören. Bei mir ist es das "Hallo" (so gesprochen, als ob man in einen leeren Raum hineinruft), wenn man sein Befremden bekunden will. Vor ca. 10 bis 20 Jahren hatte die Phrase "Ich glaube, ich bin im falschen Film" diese Funktion. Absolut furchtbar. Ich finde dieses "Hallo" als Anrede in e-mails ganz furchtbar. Quote
benedetto Posted June 27, 2008 Author Report Posted June 27, 2008 Was mich zur Zeit umtreibt ist, wenn jemand einem einen beruflichen Gefallen tut und man sich bedankt, kommt unweigerlich zur Antwort "Gerne". Ich kann es nicht mehr hören. Und ich dachte, nur die Berliner hätten diese Macke - die kennen hier garnicht bitte oder keine Ursache als Antwort. (Blöd ist allerdings auch das auch schon von mir verwendete "nicht dafür"...) Quote
GermanHeretic Posted June 27, 2008 Report Posted June 27, 2008 Mit "ich erinnere" ist es auch so gelaufen. "I remember" hat das gute alte "ich erinnere mich" glattweg überrollt! Heutzutage kann man einfach "ich erinnere das nicht" sagen statt "ich erinnere mich nicht daran" Oh, wie ich das hasse, abgrundtief hasse. Genauso wie "kommunizieren" transitiv zu verwenden. Über Jahrhunderte gewachsene Formen der Sprache werden brutal mit der Kettensäge des globalisierten Unverstandes gefällt, die Reste im tiefen Graben des unreflektieren Nachplapperns versenkt. Ein Greuel. Quote
rince Posted June 27, 2008 Report Posted June 27, 2008 Was mich zur Zeit umtreibt ist, wenn jemand einem einen beruflichen Gefallen tut und man sich bedankt, kommt unweigerlich zur Antwort "Gerne". Ich kann es nicht mehr hören. Da nich' für Quote
Valentine Posted June 27, 2008 Report Posted June 27, 2008 Mit "ich erinnere" ist es auch so gelaufen. "I remember" hat das gute alte "ich erinnere mich" glattweg überrollt! Heutzutage kann man einfach "ich erinnere das nicht" sagen statt "ich erinnere mich nicht daran" Oh, wie ich das hasse, abgrundtief hasse. Genauso wie "kommunizieren" transitiv zu verwenden. Über Jahrhunderte gewachsene Formen der Sprache werden brutal mit der Kettensäge des globalisierten Unverstandes gefällt, die Reste im tiefen Graben des unreflektieren Nachplapperns versenkt. Ein Greuel. *mitgrusel* Auch übel: "ich habe gelernt" anstatt "ich habe erfahren" Quote
Assarhaddon Posted June 27, 2008 Report Posted June 27, 2008 Quatsch, "nicht wirklich" findet sich schon im Protagoras-Dialog von Platon! Auf eine weitere längere Ausführung von Sokrates, die dann mit "Ist es nicht so, o Protagoras?" endet, antwortet dieser trocken: "Ou dêta." (wörtlich "nicht wirklich") Bedeutet "dêta" "wirklich" Wenn, dann nur im Sinne eienr Bekräftigung ("ein wirklich schöner Anblick"). Laut LSJ s.v. δητα 1 Ende heißt ou deta "ganz und gar nicht". Deshalb schrieb ich ja auch "wörtlich". Natürlich bedeutet es nicht wirklich "nicht wirklich", aber ich musste trotzdem laut lachen, als ich die Stelle zum ersten Mal gelesen habe. Darum habe ich sie noch in Erinnerung. Quote
Werner001 Posted June 27, 2008 Report Posted June 27, 2008 (Ich habe leider kein älteres Wörterbuch greifbar - ich bin mir aber ziemlich sicher, dass man in einer älteren Ausgabe sicherlich nicht "schlussendlich" als Synomym für letztendlich oder letzen Endes finden dürfte oder wenn doch, dann mit der geographischen Einschränkung "Schweiz".) Stimmt. Im grossen Wahrig von 1997 steht: schluß'end·lich, schluss'end·lich (Adv.; bes. schweiz.) schließlich, endlich, zum Schluß Ja, es finden sogar dann und wann Helvetizismen Eingang in die deutsche Sprache. Vor ungefähr 30 Jahren habe ich in der Schweiz als Mitbringsel eine Tafel echte Schweizer Schokolade am Kiosk gekauft (es war Sonntag und die Läden waren zu) und der Verkäufer hat gemeint "Diese hier ischt günschtiger, da ischt eine Aktschion!" Ich habe erst gar nicht verstanden, was er meint, und wir haben auf der ganzen Heimfahrt darüber gelacht, wie man für ein Sonderangebot so ein merkwürdiges Wort wie "Aktion" verwenden kann.... Werner Quote
Walsingham Posted June 27, 2008 Report Posted June 27, 2008 und mit "realisieren" (das im Deutschen eigentlich nur für das ursprüngliche "verwirklichen" stand und jetzt allenthalben verwendet wird wie "to realize". to realise Koloniale Separatisten, amerikanische! Ähm, schaue mal ins OED, Sir. Oder auch hier: http://c2.com/cgi/wiki?RealizeVersusRealise Beide Formen sind bei den Limeys zugelassen, und es hat mit uns USianern nichts zu tun. "-ize" war schon zu Shakespeares Zeiten bekannt. Cheers, Walsingham Quote
GermanHeretic Posted June 27, 2008 Report Posted June 27, 2008 Ähm, schaue mal ins OED, Sir.Oder auch hier: http://c2.com/cgi/wiki?RealizeVersusRealise Beide Formen sind bei den Limeys zugelassen, und es hat mit uns USianern nichts zu tun. "-ize" war schon zu Shakespeares Zeiten bekannt. Man lernt hier doch jeden Tag etwas neues, und da fragen viele Christen, was man hier will. In der Schule hieß es noch ,"-ise" sei englisch, "-ize" amerikanisch. Wenn ich das also richtig verstehe, ist beides sprachtechnisch im UK erlaubt, "-ise" aber in US verboten. Für eingefleischte Europäer also ein Grund, "-ise" zu benutzen. Quote
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