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Logik in der Theologie


Z-K-Tammo

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Hallo,

 

ich hab mal eine Frage an die Theologen oder andere Fachleute. Ich habe in B. Russels "Philosophie des Abendlandes" gelesen, dass die aristotelische Logik, die ja in einigen Punkten daneben liegt, an den theologischen Fakultäten weiterhin als quasi offenbartes Wort und somit als unangreifbar gelehrt wird. Es würde mich interessieren, ob das heute auch noch so ist. Und wenn ja, warum eigentlich (von der guten Tradition mal abgesehen)?

 

Danke im voraus,

Tammo

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Franciscus non papa
Hallo,

 

ich hab mal eine Frage an die Theologen oder andere Fachleute. Ich habe in B. Russels "Philosophie des Abendlandes" gelesen, dass die aristotelische Logik, die ja in einigen Punkten daneben liegt, an den theologischen Fakultäten weiterhin als quasi offenbartes Wort und somit als unangreifbar gelehrt wird. Es würde mich interessieren, ob das heute auch noch so ist. Und wenn ja, warum eigentlich (von der guten Tradition mal abgesehen)?

 

Danke im voraus,

Tammo

 

 

die logik des aristoteles ist in vielen punkten sicher angreifbar. aber in vielen punkten ist es da ähnlich wie mit euklid. sie liefert im richtigen umfeld leichter und schneller durchaus brauchbare ergebnisse. und sie ist natürlich nicht bestandteil der offenbarung.

 

das christentum geht mit dem begriff "offenbartes wort gottes" deutlich sparsamer um als z.b. der islam. (randbemerkung wegen der diskussion nebenan)

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die logik des aristoteles ist in vielen punkten sicher angreifbar. aber in vielen punkten ist es da ähnlich wie mit euklid. sie liefert im richtigen umfeld leichter und schneller durchaus brauchbare ergebnisse. und sie ist natürlich nicht bestandteil der offenbarung.

 

das christentum geht mit dem begriff "offenbartes wort gottes" deutlich sparsamer um als z.b. der islam. (randbemerkung wegen der diskussion nebenan)

 

Ich weiß, das offenbarte Wort war auch mehr parodistisch gemeint, gerade weil Ari außerhalb des jüdisch-christlichen Glaubens stand. Mir ging es auch nur um die frage, ob andere Formen der Logik/Logistik Einzug oder Erwähnung in die Theologie gefunden haben.

 

LG,

Tammo

 

PS: Der Verweis auf nebenan lässt auch fragen, ob nicht eine Verschiebung in den battle-Bereich sinnvoll wäre.

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Soweit ich es überblicke bezieht sich die "Vorzugsstellung" nicht auf Aristoteles selbst, sondern auf Thomas von Aquin, der natürlich für die christliche Aristotelesrezeption. steht.

 

An Franciscus:

das christentum geht mit dem begriff "offenbartes wort gottes" deutlich sparsamer um als z.b. der islam. (randbemerkung wegen der diskussion nebenan)

 

Dieses würde ich bezweifeln, zumindest wenn nach jeder sonntäglichen Lesung behauptet wird "Wort des lebendigen Gottes".

bearbeitet von wolfgang E.
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Soweit ich es überblicke bezieht sich die "Vorzugsstellung" nicht auf Aristoteles selbst, sondern auf Thomas von Aquin, der natürlich für die christliche Aristotelesrezeption. steht.

Was dann aber auch keinen Unterschied macht, von dem einen Satz zusätzlich mal abgesehen, den Thomas da eingeführt hat.

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Soweit ich es überblicke bezieht sich die "Vorzugsstellung" nicht auf Aristoteles selbst, sondern auf Thomas von Aquin, der natürlich für die christliche Aristotelesrezeption. steht.

Was dann aber auch keinen Unterschied macht, von dem einen Satz zusätzlich mal abgesehen, den Thomas da eingeführt hat.

Ist das nicht doch ein wenig simplifizierend?

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Ist das nicht doch ein wenig simplifizierend?

Bezogen auf meine Frage hinsichtlich der Logik - nein.

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Logik ist im Grunde genommen trivial: Sie ist ein Formalismus, mit dem man Aussagen (Prämissen oder Voraussetzungen) so miteinander verknüpfen kann, dass sich weitere Aussagen ergeben (Schlussfolgerungen oder Konklusionen), die den Wahrheitsgehalt der Voraussetzungen "erben" - d. h., sind die Voraussetzungen wahr, dann ist es auch die Schlussfolgerung. Wenn eine (oder mehr) der Voraussetzungen nicht wahr ist/sind, dann kann die Schlussfolgerung selbst wahr oder unwahr sein - sie "erbt" nicht von den Voraussetzungen. Dasselbe, wenn der Schluss formal falsch gezogen wird.

 

Die Voraussetzungen der (formalen, aristotelischen Aussagelogik) wiederum sind ebenfalls trivial:

 

1. Identität: Alles ist mit sich selbst identisch, oder: Wenn A wahr ist, ist A wahr.

2. Ausgeschlossene Mitte: Etwas ist entweder A oder Nicht-A, anders gesagt: Eine Aussage ist entweder wahr oder falsch.

3. Widerspruch: Etwas kann nicht A und Nicht-A gleichzeitig sein, oder: Eine Aussage kann nicht gleichzeitig wahr und falsch sein.

 

Daraus folgt bereits die gesamte (formale oder aristotelische) Aussagelogik. Logik und Mathematik sind übrigens dasselbe: Alle mathematischen Sätze lassen sich mit der Logik formulieren, und alle logischen Sätze lassen sich in Mathematik übersetzen, dann kann man mit ihnen rechnen (das hat Gödel bewiesen, es ist die Voraussetzung für seine berühmteren, wenn auch meist nicht verstandenen Sätze über die Unvollständigkeit). Wenn man die drei logischen Grundsätze akzeptiert, dann ist Unlogik dasselbe wie zu behaupten: 1 + 1 = 3 (oder 1, oder 4, oder 2,5 usw. usf.). Oder anders gesagt: Ohne logische Regeln folgt aus Aussagen beliebiges. Soweit wir wissen gibt es in der Natur nichts, was nicht logisch folgt, oder anders gesagt, "Gottes Schöpfung" basiert auf purer Mathematik bzw. lässt sich dadurch darstellen. Selbst die absolut bizarre Quantenphysik folgt logischen (mathematischen) Gesetzen. Schwierigkeiten ergeben sich dort, wo die Mathematik mehrdeutig wird, es also mehrere Lösungen gibt (triviales Beispiel: Die Wurzel aus Vier kann Zwei oder minus Zwei sein).

 

Es wäre mir aber neu, wenn die Aussagelogik heutzutage in der Theologie noch eine große Rolle spielt. Zur Zeit von Augustinus war die Logik noch "neu", sie wurde wiederentdeckt, als man sich mit dem Islam beschäftigte, für den die Logik (damals) eine große Rolle spielte (inzwischen gilt das auch nicht mehr). Zur Zeit von Augustinus konnte man also noch über-optimistisch meinen, man könne auch alle theologischen Sätze irgendwie logisch ableiten. Die erste Skepsis an der Logik kam auf, nachdem David Hume und Immanuel Kant alle gängigen (logischen) Beweise für die Existenz Gottes widerlegt hatten. Seitdem gibt es dazu zwei Meinungen: Eine kleine - oft fundamentalistische - Minderheit meint, man könne Gottes Existenz doch noch beweisen, die Mehrheit meint, man könne das nicht und hofft, man könne damit seine Existenz auch nicht widerlegen. Damit hätte man dann ein "mexikanisches Patt" mit dem Atheismus hergestellt und deren atheologischen Argumenten.

 

In der Aufklärung und der Moderne setzte man noch große Hoffnungen in die Logik: Da die Logik "wahrheitsbewahrend" ist (aus wahren Aussagen folgen durch logisch formal korrektes Schließen auch wahre Schlussfolgerungen) müsste man die Wahrheit herausfinden können, in dem man von wahren Sätzen zu weiteren wahren Sätzen gelangt. Diese Hoffnung ist aber enttäuscht worden, seit man entdeckt hat, dass es nicht so einfach ist, die Wahrheit von Voraussetzungen zu beweisen. Seit dem ist die Logik in erster Linie ein Werkzeug der Kritik: Man kann zwar die Wahrheit damit nicht herausfinden, aber die Unwahrheit von bestimmten Voraussetzungen beweisen. In der Postmoderne schließlich wurde die Logik teils gänzlich verworfen (mit der Folge, dass man in der Postmoderne die Voraussetzungen für die kritische Prüfung von Aussagen verloren hat - man hat dort beide Fähigkeiten verloren: Die Wahrheit von Aussagen zu begründen und die Unwahrheit von Aussagen zu begründen). In diesem Sinne ist die Theologie heutzutage eher postmodern und die Postmoderne eher theologisch und beides prä-aristotelisch und daher nicht so modern, wie man meinen könnte.

 

Dennoch sollte man die Rolle der Aussagenlogik in der Theologie nicht unterschätzen. Sie hat immer noch ihre Anhänger. Man kann leicht belegen, warum das so ist, wenn wir folgenden Schluss als ein Beispiel für viele nehmen:

 

(P1) Um das Heil zu erlangen, muss man Jesus als seinem Retter akzeptiert haben (an ihn glauben, ihm folgen, seine moralischen Gebote für richtig halten, ihn für "den Weg, die Wahrheit und das Leben" halten - es ist gleichgültig, was man hier einsetzt, das Argument bleibt davon unberührt).

(P2) Ich akzeptiere Jesus nicht als meinen Retter (glaube nicht an ihn, folge ihm nicht, halte seine moralischen Gebote für falsch usw. usf.)

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============

(S) Deswegen werde ich errettet werden (irrationale oder alogische Schlussfolgerung aus (P1) und (P2)).

 

Ohne die Logik ist (S) eine mögliche Schlussfolgerung. Und ohne Logik hat man nichts in der Hand, um dem widersprechen zu können. Aus jeder Aussage folgen unendlich viele weitere Aussagen. Ohne die Möglichkeit, da Regeln anzuführen, mit denen man weitere Aussagen ableitet, wird die Unendlichkeit der möglichen Aussagen noch sehr viel mächtiger. Ohne die Regeln der Logik folgt im Denken aus zwei Aussagen buchstäblich alles, so wie ohne die Regeln der Arithmetik aus 1 + 1 = unendlich viel Beliebiges folgt. Das gilt auch, wenn man Behauptungen aufstellt wie die, dass Gott sich nicht an die Logik hält: Dann folgt aus seinen Versprechungen Beliebiges, etwa, dass die Folge eines frommen Lebens ewiges Leid sei. Auch dem kann man ohne Logik nicht widersprechen, und ohne die Voraussetzung, dass Gott sich an die Logik hält. Deswegen wird hin und wieder, wenn es um Gott geht, logisch argumentiert, zudem ist es unmöglich, Logik gänzlich aus dem menschlichen Denken zu verbannen, obwohl wir sehr gut darin sind, falsche Schlussfolgerungen zu ziehen. Ganz ohne geht es nicht, weil selbst die simpelste Wahrnehmung auf einem logischen Rückschluss von den Signalen beruht, die im Gehirn ankommen, auf das, was sich außerhalb von uns abspielt. Verwirft man die Logik ganz, so könnte man nicht mehr davon ausgehen, dass ein Tisch, den man sieht, auch wirklich dort steht. Niemand wäre lebensfähig, der die Logik konsequent verwirft, der Unterschied besteht nur darin, wo man logische Schlüsse anerkennt und wo nicht (bevorzugt erkennt man sie dort nicht an, wo sie dem widersprechen, von dem man überzeugt ist - oder man erkennt die Logik dort an, wo es darum geht, andere zu kritisieren, würde aber nicht so weit gehen, logische Kritik von anderen an den eigenen Vorstellungen gelten zu lassen, das könnte man als Splitter-Auge-Balken-Prinzip der Haltung zur Logik nennen). Es ist natürlich leicht und bequem, Logik dort anzuerkennen, wo sie die eigenen Überzeugungen stützt, und es nicht zu tun, wo das nicht der Fall ist - darauf läuft ein Streit um die Logik aber fast immer hinaus.

 

Einen festen Platz hat die Logik nur noch in den Naturwissenschaften, die dann dafür "reduktionistisch" geschimpft wird. Sie ist aber nur konsequent: Wenn in der Natur Regeln gelten, sollten analoge Regeln auch für das Denken gelten - solange zumindest, wie man sich mit Naturwissenschaft beschäftigt. Tut man das nicht, dann halten manche alles für erlaubt, was die eigenen Überzeugungen stärkt, und Logik spielt nur dann (manchmal) eine Rolle, wo sie die entgegenstehende Überzeugungen anderer schwächt. Ohne es zu wissen stimmt man damit aber allen drei Grundsätzen der formalen Logik zu. Zur Postmoderne gehört deswegen konsequenterweise auch der Relativismus, der nur wahr sein kann, wenn die Grundsätze der Logik gelten, und für den alles andere auch wahr ist, weil die Logik nicht gilt. Wahrheitsansprüche (wie etwa: alle Wahrheit ist relativ) kann man nur stellen, wenn man alle drei Gesetze oder Voraussetzungen der Logik akzeptiert - das haben Katholizismus und Relativismus gemeinsam. Auch, das man dann lieber zusieht, die Voraussetzungen, auf denen man steht, wieder los zu werden. Das katholische Lehramt wiederum und immerhin, hält sich da eher an Augustinus bzw. Aristoteles, hat aber damit auch nicht unbedingt zu seiner Beliebtheit beigetragen. In der Rechtfertigungslehre, beispielsweise, setzt man lieber auf die Gnade Gottes, also einen Widerspruch zu seiner Gerechtigkeit und reine Willkür als auf die Logik.

 

Größter Verfechter der Logik in der Theologie sind die Fundamentaltheologen: Aber die müssen sich auch mit Atheisten auseinandersetzen, von denen einige die Logik sehr schätzen. Diese Unsitte färbt natürlich ab, ein Fundamentaltheologe muss sich auch heute noch mit der Logik abmühen, weil ein Ungläubiger ihm Behauptungen nicht so ohne weiteres abnimmt. Deswegen, so beschwert sich ein katholischer Fundamentaltheologe in einem Standardwerk über Fundamentaltheologie, steht seinesgleichen auch oft im Ruf, Ketzer zu sein.

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Es wäre mir aber neu, wenn die Aussagelogik heutzutage in der Theologie noch eine große Rolle spielt. Zur Zeit von Augustinus war die Logik noch "neu", sie wurde wiederentdeckt, als man sich mit dem Islam beschäftigte, für den die Logik (damals) eine große Rolle spielte (inzwischen gilt das auch nicht mehr).

 

Äh, danke für Deine reichhaltige Antwort, von der mir vieles schon bekannt war. Ich wollte gar nicht Logik als solche und schon gar nicht Gottesbeweise oder Gegenbeweise diskutieren. Ich las halt die Stelle bei Russel und wunderte mich, wie es wohl heute in der Theologie aussieht.

 

LG,

Tammo

bearbeitet von Z-K-Tammo
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