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Magie = Mystik (?)


Heidi

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Zitat von Heidi am 8:22 - 6.November.2002

 

inzwischen habe ich versucht nach zwingenden Begründungen zu suchen, dass die katholischen Sakramente und was da alles so zu gehört nicht ohne magisches Denken gangbar sind. Diese zwingenden Beweise konnte ich bisher leider nicht finden. Es scheint so, als wenn theoretisch die kath. Religion auch ohne Magie möglich wäre.


 

Ja. liebe Heidi, das geht tatsächlich - man nennt es "evangelische Kirche". ;)

 

In der evangelischen Messe wird versucht (nicht immer erfolgreich ...) auf dieses magische Brimborium zu verzichten. Anders sieht es aber wieder in den Freikirchen aus, vor allem bei den Pfingstlern, da wird mehr magischer Kult betrieben (Zungenreden, Geistheilungen etc.) als auf einem Esoterik-Kongreß.

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Bitte differenzieren, Volker: »Geistheilung« meint etwas anderes. (Ist keine Korinthenkackerei. Zumindest nicht aus meiner Sicht.)

 

Bis bald, Peter

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Zitat von Volker am 12:16 - 6.November.2002

 

In der evangelischen Messe


Es gibt keine "evangelische Messe". Es sei denn, die Evangelischen machen jezt der Leipziger Messe oder der Hannover-Messe Konkurrenz - allerdings halte ich die Kirchentage nicht für Verkaufsveranstaltungen.

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Magie die, Zauber; Glaube, sich durch bestimmte geheimnisvolle Handlungen, Zeichen und Formeln übernatürliche Kräfte dienstbar machen und mit ihnen irdische Ereignisse beeinflussen zu können. [...] (Brockhaus)

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Zitat von Lichtlein am 14:02 - 6.November.2002


Zitat von Volker am 12:16 - 6.November.2002

 

In der evangelischen Messe


Es gibt keine "evangelische Messe". Es sei denn, die Evangelischen machen jezt der Leipziger Messe oder der Hannover-Messe Konkurrenz - allerdings halte ich die Kirchentage nicht für Verkaufsveranstaltungen.


 

Da sieht man mal, wie sehr ich noch vom Katholizismus meiner Jugend infiziert bin, dass ich so etwas hinschreibe, ohne darüber nachzudenken. Es zeigt auch, wie sehr wir unser eigenes Denken anderen Menschen unterschieben. Ich muss noch mehr auf mich aufpassen.

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Zitat von Echo Romeo am 12:22 - 6.November.2002

Bitte differenzieren, Volker: »Geistheilung« meint etwas anderes. (Ist keine Korinthenkackerei. Zumindest nicht aus meiner Sicht.)


 

Ist der Unterschied wirklich so groß? Außer im Ritual, vielleicht, aber wenn man es als magisches Event sieht, dann ist das eine nicht so furchtbar verschieden vom anderen. Oder übersehe ich da was?

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Zitat von Volker am 15:09 - 6.November.2002
Da sieht man mal, wie sehr ich noch vom Katholizismus meiner Jugend infiziert bin, dass ich so etwas hinschreibe, ohne darüber nachzudenken. Es zeigt auch, wie sehr wir unser eigenes Denken anderen Menschen unterschieben. Ich muss noch mehr auf mich aufpassen.

 

Üblicherweise sind katholische Jugendliche mit der Kenntnis infiziert, dass es keine evangelische Messe gibt. Es sei denn, sie sind nur sehr leicht infiziert.

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Zitat von Volker am 12:16 - 6.November.2002

Ja. liebe Heidi, das geht tatsächlich - man nennt es "evangelische Kirche".
;)

 

Hast ja recht, Volker. Aber die haben wie du es selbst sagst, auch gleich das ganze Brimboirum mit über Bord geschmissen. Evangelische Kirchgänge sind höchstens unter dem Gesichtspunkt einer Geduldsübungen durch zu stehen. Katholische haben dagegen den Reiz des Archaischen bewahrt, so dass sie sich zu anthropologischen Studien nutzen lassen.

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>> Katholische haben dagegen den Reiz des Archaischen bewahrt, so dass sie sich zu anthropologischen Studien nutzen lassen. << (Heidi)

 

Homo catholiciensis?

 

(Geändert von CavemanHamburg um 15:28 - 7.November.2002)

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Zitat von Lichtlein am 15:43 - 7.November.2002

Und gleich von der ersten Seite:

 

Denn »Messe« ist, wenn nicht eine Gewerbeschau, dann doch ein katholischer Gottesdienst.


Hier das Zitat noch ein bißchen erweitert:

 

"Das scheint ein Widerspruch zu sein. Denn »Messe« ist, wenn nicht eine Gewerbeschau, dann doch ein katholischer Gottesdienst.

 

Doch auch in der evangelischen Kirche gibt es eine Tradition, die die alten Formen des Gottesdienstes hochhält, auch wenn vielen Menschen das sehr katholisch vorkommen mag. In der Grundform geht dieser Gottesdienst nämlich auf Martin Luther selbst zurück."

 

 

(Geändert von Petrus um 15:49 - 7.November.2002)

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Zitat von Petrus am 15:35 - 7.November.2002


Zitat von Lichtlein am 14:02 - 6.November.2002

Es gibt keine "evangelische Messe".


 

Ein netter link, Petrus. *grins* Wenn die auf dem Foto nicht so lachen würden, könnte man beinahe meinen, dass sie zur Sippe der Homo catholiciensis gehören würden. Jene werden in der Fachliteratur allerdings als schmallippig und stockbiederernst beschrieben. Sollte es sich um einen verwandten Stamm handeln?

 

Trotz der Lektüre des zugehörigen Textes, ist mir jedoch nicht klar, wann ein Gottesdienst zur Messe wird. - Zumindest wenn es sich dabei nicht um altertümliche Sippschaftstreitigkeiten geht.

 

Man möchte aus dem Gelesenen beinahe schließen, wenn mehr als eine Predigt gehalten, eine Kerze brennt und während der Veranstaltung räumliche Neuarrangierungen vorgenommen werden, dann wird es zu einer Messe. Reicht das?

 

Viele Grüße

Heidi

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Volker, du fragst:

 


Ist der Unterschied wirklich so groß? Außer im Ritual, vielleicht, aber wenn man es als magisches Event sieht, dann ist das eine nicht so furchtbar verschieden vom anderen. Oder übersehe ich da was?


 

Kommt drauf an, Volker. Es wäre vermutlich wirklich an der Zeit, einmal richtig herauszuarbeiten, was denn nun Magie wirklich ist. Aus dem Glauben heraus argumentiert, ist der Unterschied immens. Du kannst es dir vorstellen: Magie als Aneignung übernatürlicher Kräfte – dagegen die Bitte an Gott um Heilung, oder »Heilungsdienst« als unverfügbares Handeln Gottes.

 

In manchen pfingstlichen Kreisen habe ich allerdings den Eindruck, dass der Glaubens›automatismus‹ sehr weit geht, so dass der Eindruck erweckt wird, dass, wer nicht von seiner Krankheit geheilt wird, es letzten Endes selber verschulde. -> Unglauben.

 

Bei Geistheilung scheint es sich mir um eine spiritistische, schamanische Heilungsart zu handeln. Ich kann darüber allerdings nicht viel sagen.

 

Gegen diese Gegenüberstellung kannst du schnell einwenden, dass der Unterschied doch nicht sehr groß sei, weil … (bitte Zutreffendes einfügen).

 

Ich denke, wir kommen da um eine genauere Begriffsbestimmung des Phänomens Magie nicht herum. Es wird immer eine gewisse, nicht zu vermittelnde Unschärfe bleiben. So zum Beispiel, warum es meiner Ansicht nach keine Magie ist, wenn ich eine Marienmedaille trage.

 

Oder so.

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Äääh, war etwas schnell getippt. Quintessenz meines Beitrags – aus dem Glauben heraus ist der Unterschied größer, als unter religionsphilosophischen Aspekten. (Jetzt aber wieder an die  Arbeit!)

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Hallo zusammen,

die Diskussion hält sich ja lang! Schön, dass es so viel Interesse für das Wesen der Sakramente gibt. Zur Abgrenzung von Magie und Sakrament möchte ich gerne noch mal mein Regenbeispiel in die Diskussion werfen. Trifft es die Sache aus Eurer Sicht? Man müsste allerdings den Begriff "Mystik" ersetzen durch "Sakrament".

 

" Liebe Heidi, Du hast mich nicht ganz richtig verstanden. Der fundamentale Unterschied zwischen Magie und Mystik ist, dass bei der Magie das Handeln vom Menschen ausgeht, der Gott durch bestimmte Rituale für seine Ziele einspannen will. Bei der Mystik dagegen geht das Handeln von Gott aus, der dem Menschen seine Freundschaft anbieten will. Diese Bewegung ist nicht umkehrbar: der Mensch ist gar nicht in der Lage, seinem Schöpfer Freunschaft anzubieten, das wäre in sich absurd. Er kann die Freundschaft nur annehmen. Und genau dazu befähigen ihn die Sakramente.

 

Mal ein Beispiel:

 

Magie ist, wenn der Mensch mit Hilfe bestimmter Rituale erzwingen will, dass es regnet.

 

Mystik ist, wenn Gott es regnen lässt, aber der Mensch in der Lage ist, mit Hilfe der von Gott geschenkten Gefäße (eben der Sakramente) den Regen aufzufangen und zu nutzen."

 

Viele Grüße, Matthias

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Wieso geht bei den Sakramenten das Handeln von Gott aus und beim Regenzauber nicht? Hab ich noch nicht verstanden.  

 

Ist damit gemeint, dass Magie im Gegensatz zu den Sakramenten immer auf die Erlangung von Vorteilen gerichtet ist?

 

Oder war das mit dem Regen so eine Art Katachrese?

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Katachrese

 

griech. Katachresis: Mißbrauch

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Unter einer Katachrese versteht man in der antiken Rhetorik die 'schlechte Nachahmung', eine unstimmige Metapher bzw. Metaphernverbindung. Sie ist in sich widersprüchlich gefügt, d.h. es kommt zu einer Bildvermengung, einem Verstoß gegen die Einheit eines Bildes durch Vermischung nicht zusammenpassender sprachlicher Elemente. In der Antike war sie nur erlaubt, um Komik zu erzeugen, meist tritt sie jedoch als unfreiwilliger und lächerlich wirkender Stilfehler auf, z.B:"Der Zahn der Zeit, der schon so manche Träne getrocknet hat, wird auch über diese Wunde Gras wachsen lassen." Ein anderes schönes Beispiel ist die Äußerung des ehemaligen Bundeskanzlers Ludwig Erhard: "Es ist erfreulich, daß die politischen Extremitäten in Deutschland keinen Fuß fassen konnten." Erst wenn man diese Bilder genau nachvollzieht, offenbaren sie sich in ihrer Absurdität.

 

Der Begriff Katachrese steht aber auch für eine verblaßte Bildlichkeit, eine erloschene Metapher: z.B. Bein des Tisches.P. Szondi: Einführung in die literarische Hermeneutik, Frankfurt am Main 1975.

 

 

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Hmmmm?

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Also wenn ich die Transubstiation richtig verstanden habe, dann geht es um Folgendes - ich will das an einem Beispiel zeigen:

 

Also: Ich habe in der Hand sagen wir ein Ei. Unter bestimmten Bedingungen wird daraus ein... äh sagen wir Kaninchen. (Im Falle der Wandlung der Hostie wären die Bedingungen: ein geweihter Geistlicher der kath. Kirche (ein Geistlicher der Ostkirche geht aber (in Notfällen, immer? ) auch, aber in keinem Falle ein protestantischer Pastor, da er ja nicht geweiht ist, dieser muss nun exakt bestimmte Worte sprechen und bestimmte Körperbewegungen ausführen - würde er sich versprechen oder etwas weglassen, dann bliebe es beim Ei).

 

Ich und alle anderen Anwesenden sehen aber immer noch ein Ei vor uns, in Wirklichkeit ist es aber jetzt ein Kaninchen, das so aussieht wie ein Ei  .Gott hat das so gemacht, damit wir an sein Wirken glauben, auch wenn sich vor unseren Augen tatsächlich nichts geändert hat.  

 

Also ich muss gestehen, mein Glaube ist in der Tat zu schwach, um an so etwas zu glauben.  

 

Als -wie ich mir einbilde- aufgeklärter Mensch des 21. Jahrhundert kann ich mir jedoch folgendes gut vorstellen:

 

1. auf materieller Ebene ändert sich bei der Wandlung nichts (die Atome bleiben gleich)

2. Das macht aber nichts, da alles, was um uns herum passiert, für uns eh nur Symbole sind.

3. Das Entscheidende (für uns die eigentliche Wirklichkeit) spielt sich in unserem Bewußtsein ab.

4. Wir können uns entscheiden, ein äußeres Symbol (Hostie) mit einer neuen Bedeutung "aufzuladen" um sie in einem Ritual für etwas zu verwenden, was uns hilft, eine Erfahrung zu machen, die uns in unserem spirituellen Leben weiterhilft. Das ist das Wesentliche, und für mich auch die eigentliche Bedeutung von Kommunion.

5. Es kann hilfreich sein, dabei von einem äußerem Rahmen unterstützt zu werden (Andachtsatmosphäre, feierliche Musik, geheimnisvolle Handlungen usw.) ist aber nicht notwendig, da sich das Entscheidende im Inneren der Menschen (Bewußtsein) abspielt.

 

Magie ist so gesehen ein Irrtum: Wir glauben durch äußere Handlungen auf magische (übernatürliche) Weise etwas bewirken zu können. In Wirklichkeit sind wir es, die dem ganzen "lediglich" die Bedeutung geben (ein anderer mag das wieder ganz anders sehen). Als spielt sich ausschließlich in unserem Bewußtsein ab.

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Hallo Squire,

 

das Handeln geht bei den Sakramenten von Gott aus, weil er es uns durch Jesus gesagt hat. Das setzt natürlich den Glauben daran voraus, dass Gott wirklich in der Welt handelt, dass es also eine reale Verbindung zwischen der Welt und Gott gibt. Und es setzt den Glauben voraus, dass Jesus wirklich Gottes Sohn ist, d. h. dass seine Lehre von Gott und dem Reich Gottes wirklich der Wahrheit entspricht.

 

Diese Wahrheit spielt sich nicht nur in unserem Bewusstsein ab. Die Anwesenheint Gottes in dieser Welt ist genauso real, wie die Welt selber, Gott hat sie schließlich geschaffen!

 

Oder eben nicht (je nach Standpunkt), dann ist aber auch alles Reden von Gott sinnlos, und die Sakramente ein besonders hilfloser Versuch, mit dem Transzendenten umzugehen. Die Magie wäre dann noch wirkungsvoller, weil sie sich ja auch auf Erfahrung stützt und gelegentlich auch Ergebnisse hervorbringt (Dass mir hier keiner die verlässliche Wirkung von Magie in afrikanischen Kulturen lächerlich macht!!)

 

Viele Grüße, Matthias

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Das sehe ich nicht so. Man muss zumindest nicht die Dogmatik zur Sakramentenlehre verinnerlicht haben, um die Sakramente als Kulturleistung des Katholizismus anzuerkennen.

 

Eine interessante Charakterisierung der katholischen Form der gemeinsamen Religionsausübung hat z.B. der Nichtkatholik Elias Canetti in seinem Werk "Masse und Macht" geliefert. Daraus mal ein Zitat:

 

"Am Katholizismus fällt bei unvoreingenommener Betrachtung eine gewisse Langsamkeit und Ruhe auf, verbunden mit großer Breite. Sein Hauptanspruch, daß er für alle Platz hat, ist schon in seinem Namen enthalten. Es ist erwünscht, daß jeder sich zu ihm bekehrt, und jeder wird unter gewissen Bedingungen, die man nicht gut als hart empfinden kann, aufgenommen. Darin, im Prinzip und nicht im Vorgang der Aufnahme, hat sich eine letzte Spur von Gleichheit erhalten, die von seinem sonstigen streng hierarchischen Wesen merkwürdig absticht.

Seine Ruhe, die neben seiner Breite auf viele die größte Anziehung ausübt, verdankt er seinem Alter und seiner Abneigung gegen alles heftig Massenhafte. Das Mißtrauen gegen die Masse hat den Katholizismus seit langem nicht mehr verlassen, vielleicht schon seit den frühesten ketzerischen Bewegungen der Montanisten nicht, die sich mit entschiedener Respektlosigkeit gegen die Bischöfe wandten. Die Gefährlichkeit plötzlicher Ausbrüche, die Leichtigkeit, mit der sie weitertreiben, ihre Raschheit und Unberechenbarkeit, vor allem aber das Abheben der Distanzlasten, zu denen die Distanzen der kirchlichen Hierarchie in besonders hohem Maße zu rechnen sind - das alles hat die Kirche schon früh dazu bestimmt, in der offenen Masse ihren Hauptfeind zu sehen und sich auf jede mögliche Weise gegen sie zu stellen.

 

Alle ihre Glaubensinhalte, wie auch alle praktischen Formen ihrer Organisation, sind von dieser unerschütterlichen Erkenntnis gefärbt. Es hat bis jetzt keinen Staat auf der Erde gegeben, der sich auf so mannigfaltige Weise gegen die Masse zu wehren verstand. An der Kirche gemessen, erscheinen alle Machthaber wie traurige Stümper.

 

Da ist vor allem an den Kult selber zu denken, der auf die versammelten Gläubigen am unmittelbarsten wirkt. Er ist von einer Langsamkeit und Getragenheit, die nicht zu überbieten ist. Die Bewegungen der Priester in ihrem schweren und steifen Ornat, die Gemessenheit ihrer Schritte, das Gezogene ihrer Worte - ein wenig erinnert es alles an eine unendlich verdünnte Totenklage, über die Jahrhunderte mit solcher Gleichmäßigkeit verteilt, daß von der Plötzlichkeit des Todes, der Heftigkeit des Schmerzes kaum etwas übriggeblieben ist: der zeitliche Vorgang der Klage ist mumifiziert.

 

Auf mehr als eine Weise wird die Verbindung unter den Gläubigen selber verhindert. Sie predigen nicht zueinander; das Wort des einfachen Gläubigen hat keinerlei Heiligkeit. Was immer er erwartet, was immer den mannigfachen Druck, der auf ihm lastet, lösen soll, kommt von höherer Stelle; was ihm nicht erklärt wird, versteht er nicht einmal. Das heilige Wort wird ihm vorgekaut und dosiert verabreicht, es wird, eben als Heiliges, vor ihm geschützt. Selbst Sünden gehören den Priestern, denen er sie beichten muß. Es ist keine Erleichterung für ihn, sie andern, gewöhnlichen Gläubigen mitzuteilen, und er darf sie auch nicht für sich behalten. In allen tieferen, moralischen Fragen steht er der Priesterschaft allein gegenüber; für das halbwegs zufriedene Leben, das sie ihm ermöglicht, ist er ihr mit Haut und Haaren ausgeliefert.

 

Aber selbst die Art, wie die Kommunion verabreicht wird, trennt den Gläubigen von den anderen, die sie mit ihm empfangen, statt sie an Ort und Stelle miteinander zu verbinden. Für sich empfängt der Kommunikant einen kostbaren Schatz. Für sich erwartet er ihn, für sich soll er ihn behüten. Wer die Reihen derer, die sich zur Kommunion anstellen, betrachtet hat, kann nicht umhin zu bemerken, wie sehr jeder einzelne mit sich allein beschäftigt ist. Wer vor und nach ihm kommt, geht ihn noch weniger etwas an als der Mitmensch, mit dem er es im gewöhnlichen Leben zu tun hat, und die Verbindung mit diesem ist schon lose genug. Die Kommunion verbindet den Empfänger mit der Kirche, die unsichtbar und von gewaltigen Ausmaßen ist; sie entrückt ihn den Anwesenden. Die Kommunikanten untereinander fühlen sich so wenig als ein Leib wie eine Gruppe von Menschen, die einen Schatz gefunden und soeben unter sich aufgeteilt hat.

 

In der Art dieses Vorganges, der für den Glauben von so zentraler Bedeutung ist, verrät die Kirche ihre Vorsicht vor allem, was an Masse auch nur gemahnen könnte. Sie schwächt und mildert das Gemeinsame unter den wirklich anwesenden Menschen und setzt dafür ein geheimnisvoll Gemeinsames in der Ferne, das übermächtig ist, das des Gläubigen nicht unbedingt bedarf und das die Grenze zwischen ihm und sich, solange er am Leben ist, nie wirklich

aufhebt. "

 

Seine Beobachtungen stammen sicherlich noch aus der Zeit, in der die Messe im alten Ritus zelebriert wurde. Vom theologischen Standpunkt aus kann man seine Äußerungen vermutlich auch widerlegen, aber psychologisch gesehen erscheinen sie mir durchaus stichhaltig.

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Was trotz aller Erklärungsversuche von Sakramenten der ganzen Sache immer noch einen Hauch Magie anhaften lässt, ist eben die konkrete Vorschrift des Ritus, des "so und nicht anders".

 

Doch trotz aller theologischen Absicherung dieser Riten und Begründungen, warum sie so sein müssen und nicht anders, ist die Erklärung eigentlich ganz einfach.

 

Natürlich kann kein Mensch Gott vorschreiben, wann er unter welchen Umständen sakramental zu wirken hat, ob nur bei Mann oder Frau etwa. Das weiß natürlich auch die Kirche (sagt sie das auch immer?).

 

Doch bei den Sakramenten geht es, da sie ja für die Gläubigen da sind, um Gewissheit. Nach den jetzigen Riten kann die Kirche eben mit Glaubensgewissheit sagen, dass es ein Ritus sakramentalen Charakters ist, ein Sakrament. Somit kann sie diese Riten auch den Gläubigen zum Empfang anvertrauen.

 

Würde sie diese Riten aber über gewisse Grenzen hinweg ändern, so kann sie eben diese Gewissheit nicht mehr gewährleisten. Dabei gilt eben, dass Gott wirkt und nicht wir und daher wir auch nicht über die Gewissheit persönlich entscheiden, sondern das alles im Hintergrund der Gesamtkirche sehen müssen.

 

Wo liegen diese Grenzen? Das ist das Hauptthema unter Theologen, die "mit der Kirche fühlen" - in manchen Bereichen ist die Debatte wohl erst einmal auf Entscheidungsebene abgeschlossen. Dass es sie aber gibt, ist klar.

 

Warum macht es sich die Kirche so schwer? Nun, sie sieht sich als Verwalterin, nicht als Schöpferin. Und sie wartet (voller Sehnsucht?) auf die Widerkunft Christi - und hofft, nichts gegen seinen Willen zu sehr verändert zu haben....

 

Paz y bien,

Ralf

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"das Handeln geht bei den Sakramenten von Gott aus, weil er es uns durch Jesus gesagt hat. Das setzt natürlich den Glauben daran voraus, dass Gott wirklich in der Welt handelt, dass es also eine reale Verbindung zwischen der Welt und Gott gibt. Und es setzt den Glauben voraus, dass Jesus wirklich Gottes Sohn ist, d. h. dass seine Lehre von Gott und dem Reich Gottes wirklich der Wahrheit entspricht." (Franziskaner)

 

Hallo Franziskaner,

 

eine Menge Voraussetzungen, nur um zu den Schluss zu kommen, dass die Saktramente voller Gotteswirkung sind. Es würden sich Nachfragen folgender Art anbieten:

 

- Warum hat Gott durch Jesus gerade diese Sakramente geschaffen?

- Warum will Gott in diesen Sakramenten wirken und nicht sonst wo? Bzw. Warum will er dort verstärkt wirken?

- Warum wirkt Gott nur (am liebsten) in katholischen Sakramenten? Warum nur unter den Bedingungen die dir Kirche stellt?

- Gibt es eine Abstufung wo Gott mehr und wo er weniger handelt. Wo er lieber und wo er nur ungerne handelt?

 

Ich möchte wetten, dass sich darauf nur eine Antwort finden lässt, wenn man die kath. Kirche als vollends heilig annimmt und unterstellt, dass Gott und die katholische Kirche ein Wille sind.

 

 

Mein Ansatz wäre ein anderer:

Ich würde davon ausgehen, dass die Sakramente auf menschliche Bedürfnisse abgestimmt sind, dass sie Lebensabschnitte markieren, Veränderungen bekräftigen, Entscheidungen manifestieren usw. In allen Völkern sind zu solchen Zwecken Rituale entwickelt worden. Sogar die atheistische DDR hat Jugendweihen u. ä eingeführt um derartigen Bedürfnissen gerecht zu werden. Moderne Eltern feiern heute die Einschulung wie man früher in katholischen Kreisen die Erstkommunion gefeiert hat. Es liegt auf der Hand, das christliche Gemeinschaften an dieser Stelle Rituale geschaffen hat, die der christlichen Lehre entsprechen und deren Wesensmerkmale tragen und verdeutlichen sollen.

 

Weshalb jedoch in den Sakramenten in besonderer Weise ein Handeln Gottes vorausgesetzt werden kann - und das war doch die Frage von Sqire - scheint mir noch keine Antwort gefunden zu haben.

 

 

Interessant ist auch der von Dir als negativ gegenüber gestellte Gedanke:

"Oder eben nicht (je nach Standpunkt), dann ist aber auch alles Reden von Gott sinnlos, und die Sakramente ein besonders hilfloser Versuch, mit dem Transzendenten umzugehen."

Kannst Du hier weiter erläutern? Was verstehst Du unter dem Transzendenten. Und warum wäre der Versuch damit umzugehen hilflos? - Ich würde Rituale (z. B. oben beschriebenen Lebensabschnittsriutale) nicht als hilflos oder bedeutungslos bezeichnen. Auch wenn ich kein besonders Handeln eines Gottes in ihnen sehen würde.

 

Viele Grüße

Heidi

 

 

@ Ralf

"Natürlich kann kein Mensch Gott vorschreiben, wann er unter welchen Umständen sakramental zu wirken hat, ob nur bei Mann oder Frau etwa. Das weiß natürlich auch die Kirche (sagt sie das auch immer?)."

... Ich wäre mir noch nicht mal so gewiss, ob die Kriche es immer wissen will. (Ansonsten hat mir Dein Beitrag gut gefallen.)

 

 

@ Moderatoren

Müssen wir für die Sakramente einen neuen Thread aufmachen? Oder darf es hier ungestört weitergehen?

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Hallo Squire,

der Text von Elias Canetti ist sprachlich und gedanklich sehr schön, und er zeigt Canetti als nachdenklichen und ehrenwerten Mann. Mit der Realität der katholischen Kirche in Deutschland hat er allerdings nichts zu tun. In den Gemeinden gibt es so viele soziale Kontakte, Gruppen und Beziehungen, dass man schwindelig davon werden kann. Du hast bestimmt noch nie wirklichen Kontakt zu einer katholischen Gemeinde gehabt. (Irgendwo im Thread las ich auch was von "schmallippig" in Bezug auf den homo catholiensis. Wer auch immer das geschrieben hat, ich kann ihm nur empfehlen, mal auf irgend eine beliebige Pfarrkarnevalssitzung zu gehen; da tobt nämlich garantiert der Bär)

 

 

Hallo Heidi,

zu Deinen Fragen: mit der kulturellen Gestalt der Sakramente ist es ähnlich wie mit der materiellen Substanz. So wie diese von den Atomen her Brot, vom Geist her Leib Christi ist, sind die Sakramente aus dem Bereich der menschlichen Kultur genommen. Deine Vergleiche mit nichtchristlichen Ritualen treffen durchaus.

 

Der Unterschied liegt darin, dass Jesus von Nazareth sie eingesetzt hat (also: Eucharistie und vielleicht Taufe, den Rest klammern wir mal aus), sie stiften also eine direkte geschichtlich-reale Beziehung zu ihm.

 

Deshalb sind die Sakramente mit der religiösen Tradition des Volkes Israel und mit der Alltagskultur seiner Zeit, und im Falle der Taufe sogar mit einer bestimmten Person, nämlich Johannes dem Täufer, verbunden.

 

Gott wirkt nicht nur in den Sakramenten, sondern auch außerhalb der Kirche (das ist gültige katholische Lehre). Die Kirche macht jedoch keine Aussagen über Heilsmöglichkeiten außerhalb der Kirche, sondern nur über den Weg, über den sie auch Bescheid weiß. Es ist die Glaubensüberzeugung aller Christen, dass es Formen von Wahrheit überall gibt, dass die höchste, klarste und unüberbietbare Form von Wahrheit aber in der Lehre, dem Leben und der Auferstehung Jesu liegen. Deshalb ist es auch unsere Überzeugung, dass Gott in den christlichen Sakramenten am stärksten wirkt, weil sie die Beziehung zu Jesus herstellen: dem geschichtlichen Jesus (darum ist uns Katholiken auch die apostolische Sukzession so wichtig), aber auch dem auferstandenen, transzendenten Jesus, der mit dem geschichtlichen ja eine Einheit bildet. Genau wie wir ja auch einmal mit unserer ganzen Existenz vor Gott stehen werden.

 

Zu den Regelungen, die die Kirche bezüglich der Sakraments"verwaltung" aufgestellt hat, hat Ralf schon Stellung genommen. Dem kann ich mich anschließen.

 

Gott ist natürlich überall, und er wirkt auch überall. Worum es geht ist die Frage unserer Wahrnehmungsfähigkeit, der Wahrnehmungfähigkeit einer Menschheit, die in Schuld verstrickt ist, und da alleine nicht herausfindet. Wären wir unschuldig, wäre also unsere Verbindung zu Gott nicht getrübt, könnten wir ihn ebenso in einem Blatt, einem Stein oder einem Blick erkennen. Adorno hat gesagt: "es gibt nichts Richtiges im Falschen." Für uns Christen ist Jesus der Richtige im Falschen, mit seiner Hilfe finden wir aus den Verstrickungen des Daseins heraus.

 

Es gibt natürlich keine amtliche Abstufung, was und wieviel Gott in bestimmten Situationen wirkt. Ich würde mal sagen: wo Feinde sich versöhnen, wirkt er; wo Schwache unterdrückt und ausgebeutet werden, wirkt er nicht; wo man Gott als den liebenden und befreienden verkündet, wirkt er; wo man seinen Namen benutzt, um Menschen zu knechten und eigene Vorteile durchzusetzen, wirkt er nicht.

 

Man muss also durchaus nicht annehmen, dass die katholische Kirche vollends heilig ist, um an die Sakramente zu glauben. Die Sakramente sind durch Jesus heilig, nicht durch die Menschen in der Kirche. Das zeigt die Weihe der Priester ganz deutlich: nicht der Priester als Mensch ist heilig, sondern die Beziehung zu Jesus Christus, die er vermittelt.

 

Uff, langer Beitrag! Ich hoffe, ich konnte einigermaßen klarmachen, was ich meinte.

 

Viele Grüße, Matthias

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