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Wer erfährt was im Eheverfahren?


Luzia

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Ein Eheverfahren wird ja seitens des Offizialat grundsätzlich als "geheime Verschlusssache" behandelt. Was heißt das aber konkret? Erhalten z.B. der nichtklagende Part und die Zeugen eine Kopie des Klageantrags? Wie wird z.B. die Vorladung von Zeugen gegenüber diesen begründet? Einfach nur allgemein (so nach dem Motto "Sie werden gebeten in der Ehesache... als Zeuge zu erscheinen") oder erhalten die Zeugen genauere Informationen?

 

Und wenn z.B. ein Gutachten erstellt wird, wer bekommt dessen Inhalt zu sehen?

 

Ich weiß, dieses Thema wird hier häufig und kontrovers diskutiert, aber Antworten auf diese Fragen habe ich nicht finden können...

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Ich vermute hinter Deine Frage eine konkrete Besorgnis im Blick auf ein konkretes Verfahren - das kann ich gerne per PN klären, es ist immer einfacher, wenn ich weiß, worum es geht.

 

Dennoch eine allgemeine Antwort (Gesetztesstellen zitiere ich soweit sie mir gerade vorliegen, mein prozessrechtliches Allgemeinwissen schaue ich jetzt mal nicht nach):

 

  1. Eheverfahren werden wie alle kirchlichen Gerichtsverfahren alleine am Offizialat geführt. Die übrige kirchliche Verwaltung wird weder über das Verfahren selbst noch über dessen Inhalte in Kenntnis gesetzt. Das Gerichtsgeheimnis gilt auch gegenüber dem Generalvikar, was vor allem bei Beteiligung kirchlicher Mitarbeiter als Parteien nicht ohne Bedeutung ist.
  2. Im Regelfall muss die Klageschrift der nichtklagenden Partei (also dem nichtklagenden Partner) mit der Ladung zusammen bekannt gegeben werden (Art. 128 Dignitatis Connubii (DC), cf. c. 1508 § 2 CIC), d.h. sie wird in der Praxis in Kopie übersandt. Dies kann nur aus schwerwiegendem Grund unterbleiben, es ist in seltensten Fällen auch schon gestattet worden, die nichtklagende Partei gar nicht erst zu informieren.
  3. Im weiteren Prozessverlauf erhalten die Parteien keine Einsicht in die Prozessakten, nur ihre Anwälte dürfen Einsicht nehmen. Die Zeugen erhalten gar keine Einsicht in die Akten, dürfen aber ihre eigenen Aussage lesen. Ihnen können Dokumente vorgelegt werden, wenn dies zur Beweiserhebung notwendig ist.
  4. Am Ende der Beweiserhebung erhalten beide Parteien Einsicht in die Akten und können Stellung nehmen. Dies gilt jedoch nur, wenn die nichtklagende Partei am Verfahren teilgenommen hat, d.h. vor allem, wenn sie ausgesagt hat. Verweigert sie die Teilnahme, so erhält sie auch keine Akteneinsicht und vom Urteil nur den Tenor. Der Richter kann zur Vermeidung von Gefahren einzelne Aktenstücke von der Offenlegung ausnehmen, wenn dadurch das Verteidigungsrecht nicht beeinträchtigt wird (DC Art. 230 cf. c. 1598 §1). Den Anwälten muss es zugänglich gemacht werden (DC Art. 234). Den Parteien kann ein Eid auferlegt werden, nichts über die Inhalte verlauten zu lassen.
  5. Das Urteil nebst Begründung wird den Parteien zugestellt. Aus der Begründung kann in der Regel auf die Aussagen geschlossen werden.
  6. Die Zeugen werden in der Regel telefonisch vorinformiert und dann allgemein ohne Angaben von Gründen geladen. Sie erfahren die Klagegründe nicht explizit, mögen aber Schlüsse aus den Frage ziehen können.
  7. Gutachten sind Beweismittel und werden nach den oben genannten Normen offen gelegt.

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Eine Frage an den Praktiker: Wieviele Zeugen und Beklagte kommen denn überhaupt zu diesen Verfahren, d. h. folgen der "Ladung"?

 

Schwer zu sagen. Da es im Interesse zumindest der klagenden Partei liegt, klärt die in der Regel im Vorfeld, wer zu kommen bereit ist.

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Ich vermute hinter Deine Frage eine konkrete Besorgnis im Blick auf ein konkretes Verfahren - das kann ich gerne per PN klären, es ist immer einfacher, wenn ich weiß, worum es geht.

 

Dennoch eine allgemeine Antwort (Gesetztesstellen zitiere ich soweit sie mir gerade vorliegen, mein prozessrechtliches Allgemeinwissen schaue ich jetzt mal nicht nach):

 

  1. Eheverfahren werden wie alle kirchlichen Gerichtsverfahren alleine am Offizialat geführt. Die übrige kirchliche Verwaltung wird weder über das Verfahren selbst noch über dessen Inhalte in Kenntnis gesetzt. Das Gerichtsgeheimnis gilt auch gegenüber dem Generalvikar, was vor allem bei Beteiligung kirchlicher Mitarbeiter als Parteien nicht ohne Bedeutung ist.
  2. Im Regelfall muss die Klageschrift der nichtklagenden Partei (also dem nichtklagenden Partner) mit der Ladung zusammen bekannt gegeben werden (Art. 128 Dignitatis Connubii (DC), cf. c. 1508 § 2 CIC), d.h. sie wird in der Praxis in Kopie übersandt. Dies kann nur aus schwerwiegendem Grund unterbleiben, es ist in seltensten Fällen auch schon gestattet worden, die nichtklagende Partei gar nicht erst zu informieren.
  3. Im weiteren Prozessverlauf erhalten die Parteien keine Einsicht in die Prozessakten, nur ihre Anwälte dürfen Einsicht nehmen. Die Zeugen erhalten gar keine Einsicht in die Akten, dürfen aber ihre eigenen Aussage lesen. Ihnen können Dokumente vorgelegt werden, wenn dies zur Beweiserhebung notwendig ist.
  4. Am Ende der Beweiserhebung erhalten beide Parteien Einsicht in die Akten und können Stellung nehmen. Dies gilt jedoch nur, wenn die nichtklagende Partei am Verfahren teilgenommen hat, d.h. vor allem, wenn sie ausgesagt hat. Verweigert sie die Teilnahme, so erhält sie auch keine Akteneinsicht und vom Urteil nur den Tenor. Der Richter kann zur Vermeidung von Gefahren einzelne Aktenstücke von der Offenlegung ausnehmen, wenn dadurch das Verteidigungsrecht nicht beeinträchtigt wird (DC Art. 230 cf. c. 1598 §1). Den Anwälten muss es zugänglich gemacht werden (DC Art. 234). Den Parteien kann ein Eid auferlegt werden, nichts über die Inhalte verlauten zu lassen.
  5. Das Urteil nebst Begründung wird den Parteien zugestellt. Aus der Begründung kann in der Regel auf die Aussagen geschlossen werden.
  6. Die Zeugen werden in der Regel telefonisch vorinformiert und dann allgemein ohne Angaben von Gründen geladen. Sie erfahren die Klagegründe nicht explizit, mögen aber Schlüsse aus den Frage ziehen können.
  7. Gutachten sind Beweismittel und werden nach den oben genannten Normen offen gelegt.

 

Danke für diese ausführliche Antwort. Das reicht mir so. Eine konkrete Besorgnis oder eine "Frage hinter der Eingangsfrage" hatte/habe ich bei diesem Anliegen nicht. Mir geht es tatsächlich um die "Formalien" - Aber Danke für dein Angebot :lol:

bearbeitet von Luzia
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Ich vermute hinter Deine Frage eine konkrete Besorgnis im Blick auf ein konkretes Verfahren - das kann ich gerne per PN klären, es ist immer einfacher, wenn ich weiß, worum es geht.

 

Dennoch eine allgemeine Antwort (Gesetztesstellen zitiere ich soweit sie mir gerade vorliegen, mein prozessrechtliches Allgemeinwissen schaue ich jetzt mal nicht nach):

 

  1. Eheverfahren werden wie alle kirchlichen Gerichtsverfahren alleine am Offizialat geführt. Die übrige kirchliche Verwaltung wird weder über das Verfahren selbst noch über dessen Inhalte in Kenntnis gesetzt. Das Gerichtsgeheimnis gilt auch gegenüber dem Generalvikar, was vor allem bei Beteiligung kirchlicher Mitarbeiter als Parteien nicht ohne Bedeutung ist.
  2. Im Regelfall muss die Klageschrift der nichtklagenden Partei (also dem nichtklagenden Partner) mit der Ladung zusammen bekannt gegeben werden (Art. 128 Dignitatis Connubii (DC), cf. c. 1508 § 2 CIC), d.h. sie wird in der Praxis in Kopie übersandt. Dies kann nur aus schwerwiegendem Grund unterbleiben, es ist in seltensten Fällen auch schon gestattet worden, die nichtklagende Partei gar nicht erst zu informieren.
  3. Im weiteren Prozessverlauf erhalten die Parteien keine Einsicht in die Prozessakten, nur ihre Anwälte dürfen Einsicht nehmen. Die Zeugen erhalten gar keine Einsicht in die Akten, dürfen aber ihre eigenen Aussage lesen. Ihnen können Dokumente vorgelegt werden, wenn dies zur Beweiserhebung notwendig ist.
  4. Am Ende der Beweiserhebung erhalten beide Parteien Einsicht in die Akten und können Stellung nehmen. Dies gilt jedoch nur, wenn die nichtklagende Partei am Verfahren teilgenommen hat, d.h. vor allem, wenn sie ausgesagt hat. Verweigert sie die Teilnahme, so erhält sie auch keine Akteneinsicht und vom Urteil nur den Tenor. Der Richter kann zur Vermeidung von Gefahren einzelne Aktenstücke von der Offenlegung ausnehmen, wenn dadurch das Verteidigungsrecht nicht beeinträchtigt wird (DC Art. 230 cf. c. 1598 §1). Den Anwälten muss es zugänglich gemacht werden (DC Art. 234). Den Parteien kann ein Eid auferlegt werden, nichts über die Inhalte verlauten zu lassen.
  5. Das Urteil nebst Begründung wird den Parteien zugestellt. Aus der Begründung kann in der Regel auf die Aussagen geschlossen werden.
  6. Die Zeugen werden in der Regel telefonisch vorinformiert und dann allgemein ohne Angaben von Gründen geladen. Sie erfahren die Klagegründe nicht explizit, mögen aber Schlüsse aus den Frage ziehen können.
  7. Gutachten sind Beweismittel und werden nach den oben genannten Normen offen gelegt.

 

Danke für diese ausführliche Antwort. Das reicht mir so. Eine konkrete Besorgnis oder eine "Frage hinter der Eingangsfrage" hatte/habe ich bei diesem Anliegen nicht. Mir geht es tatsächlich um die "Formalien"

 

 

 

 

Die sind im Grundsatz geklärt. Im Einzelfall gibt es noch ein paar Ausnahmeregeln, aber die sind in der Regel an die Zustimmung des apostolischen Stuhls geknüpft.

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