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Die katholische Kirche und der Missbrauch


Björn

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vor einer Stunde schrieb Frank:

Die Frage ist halt: Was ist die Alternative im Sinne der Opfer und der Gestalt im Sinne der Kirche das sie nicht wieder Täter werden kann.

Ich stimme dir zu das eine Aufklärung schwierig ist. Sie meiner Ansicht nach unumgänglich (um "alternativlos" zu vermeiden).

 

Ja sicher, ich hatte hier aber auch nur von dem Sonderfall der Kurverschickungen gesprochen. Auf DLF gibt es ein paar Artikel dazu, wo praktisch keine Akten oder Unterlagen existieren, sich Opfer nicht mal mehr sicher an Heime oder Tatorte erinnern, oder gar Träger nicht mehr existieren, halte ich die Aussichten auf Aufklärung für sehr begrenzt. Die kirchliche Aktenführung könnte sich da sogar noch als vergleichsweise vollständig erweisen; andere Träger haben kurzerhand erklärt, dass sie nichts wüssten und auch nicht mit weiteren Fragen behelligt werden möchten.

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vor 8 Stunden schrieb Shubashi:

 

Ja sicher, ich hatte hier aber auch nur von dem Sonderfall der Kurverschickungen gesprochen. Auf DLF gibt es ein paar Artikel dazu, wo praktisch keine Akten oder Unterlagen existieren, sich Opfer nicht mal mehr sicher an Heime oder Tatorte erinnern, oder gar Träger nicht mehr existieren, halte ich die Aussichten auf Aufklärung für sehr begrenzt. Die kirchliche Aktenführung könnte sich da sogar noch als vergleichsweise vollständig erweisen; andere Träger haben kurzerhand erklärt, dass sie nichts wüssten und auch nicht mit weiteren Fragen behelligt werden möchten.

Wir können in den Heimen meist gut nachvollziehen, wer da wann gearbeitet hat - große Archive können hier auch Last sein, würde Kirchens Personalakten nach staatlichen Gepflogenheiten shreddern, wir wüßten von den Tätern der 1950er und 1960er Jahre schlicht nichts, weil die Akten weg wären.

 

Aber Kinder wissen in der Regel  nicht mehr, wo sie da mit 8, 9 oder 10 waren, die Unterlagen der Kostenträger wie der Familien wird es oft nicht mehr geben - ich habe schon Vorgänge gesehen, in denen sich das im Prinzip glaubwürdige Opfer meint an einen Mann mit brauner Kutte zu erinnern.  Wir haben keinen gefunden, was angesichts eines möglichen Tatzeitraumes von mehreren Jahren und einer sehr vagen Erinnerung nicht verwundert.

 

Wenn ich aber worst case nicht weiß, wann das Kind wo in welcher Einrichtung war - dann kann ich dem Menschen glauben, dass die Erinnerung zutrifft, aber ich bekomme nicht heraus, wer der Täter war.

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Die Aufarbeitung der Kinderheime läuft schon seit Jahren.

 

Die Kinderkurheime (Kinderlandverschickung) sind erst seit etwas kürzerer Zeit auf dem Plan. In Niedersachsen gab es in einem Kurheim sogar Todesfälle. 

Der Großteil aller Einrichtungen war halt in kirchlich-diakonischer Trägerschaft.

https://www.evangelische-konfoederation.de/nachrichten/nachrichten2019/diakonie-ansprechstelle_fuer_ehemalige_verschickungskinder

bearbeitet von Gratia
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Und natürlich kann und muss man das insoweit aufzuarbeiten versuchen, dass die Hauptverantwortlichen nicht die jeweiligen Mitarbeitenden waren, sondern die Leitungen. 

Und etwas für die Kinder tun.

 

Damals haben ihnen nachher oft nicht mal die Eltern geglaubt, die ihre kleinen Kinder dort einfach für viele Wochen ohne Kontakt abgeliefert haben, teilweise sogar mit Lügen und ohne Erklärung. Allein das ist ja schon eine Traumatisierung.

 

Was damals im Umgang mit Kindern normal war, schon ohne übermäßige Misshandlung, ist heute einfach unvorstellbar!

bearbeitet von Gratia
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vor 2 Stunden schrieb Gratia:

Und natürlich kann und muss man das insoweit aufzuarbeiten versuchen, dass die Hauptverantwortlichen nicht die jeweiligen Mitarbeitenden waren, sondern die Leitungen. 

Und etwas für die Kinder tun.

 

Damals haben ihnen nachher oft nicht mal die Eltern geglaubt, die ihre kleinen Kinder dort einfach für viele Wochen ohne Kontakt abgeliefert haben, teilweise sogar mit Lügen und ohne Erklärung. Allein das ist ja schon eine Traumatisierung.

 

Was damals im Umgang mit Kindern normal war, schon ohne übermäßige Misshandlung, ist heute einfach unvorstellbar!

 

Ich würde das jetzt gar nicht im Sinne individueller Schuldzuweisung aufgearbeitet sehen wollen, weil es strafrechtlich gemäß damaligen Rechts häufig belanglos war oder inzwischen verjährt ist. Akten dürften weitgehend vernichtet sein, allenfalls bei den Kirchen könnte noch was zu finden sein.

Das würde aus einer Tätersuche ein willkürliches Verfahren nach dem Zufallsprinzip machen. 

Ich denke, es macht zudem wenig Sinn, Schuldige zu suchen, wenn so der ganze Zeitgeist einer Gesellschaft war. Kinder hatten halt generell zu spuren, und Draufhauen war ein übliches Verfahren. 

 

Ich halte wenig vom Aufarbeiten gesellschaftlicher Prozess in Form von Tribunalen, weil es uns mehr schadet als nützt. Sollten sich tatsächlich Geschädigte finden, die Bedarf an Aussprache und Therapie speziell aufgrund solcher zeitlich begrenzter Erfahrungen finden, kann die Gesellschaft dafür einen jeweils passenden Rahmen finden. Ich mag am institutionalisierten „Aufarbeiten“ hierzulande nicht, dass es inzwischen manchmal zur Selbstüberhöhung der Heutigen gerät, statt die Realität jetzt wirklich zu verbessern.

 

Aktuell hat die Missbrauchsbeauftragte ja wieder darauf hingewiesen, dass der große Missbrauchsraum „Familie“ immer wieder aus dem Fokus fällt - mir wäre lieber, dass wir unsere Energien stärker auf die Prävention neuen Missbrauchs konzentrieren, anstatt unsere Ressourcen immer wieder zu den Erwachsenen umzuleiten, weil die ihre Interessen naturgemäß viel besser und wirksamer vertreten können als Kinder.

Denn wie bei allem - Ressourcen sind immer endlich.

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vor 13 Minuten schrieb Marcellinus:

 

Das sag mal unserer Regierung!

 

Ich denke, dass ist wirklich nicht speziell ein Regierungsproblem, sondern eines der Gesellschaft. Wir haben dauernd neue Missbrauchsproblematiken, bei deren aktueller rechtlicher Aufarbeitung der Staat (siehe NRW) kaum noch hinterher kommt, sei es bei Jugendämtern, Polizei oder Gerichten. 

Wenn wir als Gesellschaft nicht insgesamt aufmerksamer werden, bricht dieser Berg über uns zusammen. Allein die jüngsten Verschärfungen im Sexualstrafrecht verlangen jede Menge mehr Ressourcen bei der Verfolgung, ob sie unsere Kinder aber sicherer machen, ist erst mal nur ein frommer Wunsch.

Der Druck dazu kommt aus der Gesellschaft, und eine Gesetzesänderung ist schnell gemacht. Sie aber tatsächlich wirksam zu machen, ist riesiger Aufwand.

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vor 55 Minuten schrieb Shubashi:

eine Gesetzesänderung ist schnell gemacht. Sie aber tatsächlich wirksam zu machen, ist riesiger Aufwand.

 

Und genau daran scheitert im Moment fast alles. Ich beobachte nun unsere Politik und ihre Akteure seit fast 50 Jahren. In dieser endlos lang erscheinenden Zeit hatte ich nicht nur zwei Ehefrauen (tschuldige, das Zitat konnte ich mir nicht verkneifen), sondern ich beobachte auch zwei Trends: erstens einen sich immer mehr ausweitenden Einfluß der Regierungen auf alles und jedes, mit einer entsprechenden Anzahl an Gesetzen, und zweitens eine immer deutlicher werdende Überforderung eben dieser Politiker und immer schludriger gemachte Gesetze, die sich zum Teil auch noch widersprechen. Kurz: Politik und Verwaltung wollen immer mehr, und können immer weniger. 

bearbeitet von Marcellinus
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vor 2 Stunden schrieb Shubashi:

 

Ich würde das jetzt gar nicht im Sinne individueller Schuldzuweisung aufgearbeitet sehen wollen, weil es strafrechtlich gemäß damaligen Rechts häufig belanglos war oder inzwischen verjährt ist. Akten dürften weitgehend vernichtet sein, allenfalls bei den Kirchen könnte noch was zu finden sein.

Das würde aus einer Tätersuche ein willkürliches Verfahren nach dem Zufallsprinzip machen. 

Ich denke, es macht zudem wenig Sinn, Schuldige zu suchen, wenn so der ganze Zeitgeist einer Gesellschaft war. Kinder hatten halt generell zu spuren, und Draufhauen war ein übliches Verfahren. 

 

Ich halte wenig vom Aufarbeiten gesellschaftlicher Prozess in Form von Tribunalen, weil es uns mehr schadet als nützt. Sollten sich tatsächlich Geschädigte finden, die Bedarf an Aussprache und Therapie speziell aufgrund solcher zeitlich begrenzter Erfahrungen finden, kann die Gesellschaft dafür einen jeweils passenden Rahmen finden. Ich mag am institutionalisierten „Aufarbeiten“ hierzulande nicht, dass es inzwischen manchmal zur Selbstüberhöhung der Heutigen gerät, statt die Realität jetzt wirklich zu verbessern.

 

Aktuell hat die Missbrauchsbeauftragte ja wieder darauf hingewiesen, dass der große Missbrauchsraum „Familie“ immer wieder aus dem Fokus fällt - mir wäre lieber, dass wir unsere Energien stärker auf die Prävention neuen Missbrauchs konzentrieren, anstatt unsere Ressourcen immer wieder zu den Erwachsenen umzuleiten, weil die ihre Interessen naturgemäß viel besser und wirksamer vertreten können als Kinder.

Denn wie bei allem - Ressourcen sind immer endlich.

 

Von "diesen Erwachsenen" ist aber auch eine ganze Reihe sehr traumatisiert, denn es geht hier nicht "nur" um Erziehung mit gewaltsamen Mitteln, wie sie damals verbreitet und noch akzeptiert war, sondern auch um echte Misshandlung und Quälerei.

Diesen erwachsen gewordenen Kindern muss man auch helfen, mindestens durch Anerkennung dessen, was mit ihnen gemacht wurde, und durch Hilfeangebote.

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Und ich denke, dass eine Aufarbeitung auch hilft, heutige Gewalt gegen Kinder besser in den Blick zu nehmen.

Wer sich fragt, warum hat das damals keiner der Beteiligten geändert, muss sich auch heute fragen, wo er vermutete Kindesmisshandlung "übersieht".

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vor 1 Stunde schrieb Gratia:

Und ich denke, dass eine Aufarbeitung auch hilft, heutige Gewalt gegen Kinder besser in den Blick zu nehmen.

Wer sich fragt, warum hat das damals keiner der Beteiligten geändert, muss sich auch heute fragen, wo er vermutete Kindesmisshandlung "übersieht".

 

Es gibt wohl etwas mehr Material dazu als ich dachte, das Ganze ist selbstorgansiert und könnte einigen Betroffenen helfen, ihre Erinnerungen zu rekonstruieren.

https://verschickungsheime.de/

 

Ich vermute aber trotzdem, dass es nur sehr schwer möglich ist, konkreten Tätern Handlungen zuzuordnen. Im großen und ganzen scheint mir noch das System dieser Zeit selbst das Problem zu sein. Das individuelle Elternhaus konnte damals eine Idylle sein, oder aber auch eine Hölle, es war Privatsache. 

Kamen Kinder damals allerdings in die Welt der Institutionen, waren sie praktisch rechtslos und der Gefahr jeder Art willkürlicher Behandlung ausgesetzt.

Jedenfalls finde sich gruselige Erinnerungen in erheblicher Zahl, und eben jede Menge gruselige brutale Erwachsene als Täter.

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Am 28.1.2021 um 07:29 schrieb Chrysologus:

Wir können in den Heimen meist gut nachvollziehen, wer da wann gearbeitet hat - große Archive können hier auch Last sein, würde Kirchens Personalakten nach staatlichen Gepflogenheiten shreddern, wir wüßten von den Tätern der 1950er und 1960er Jahre schlicht nichts, weil die Akten weg wären.

 

Aber Kinder wissen in der Regel  nicht mehr, wo sie da mit 8, 9 oder 10 waren, die Unterlagen der Kostenträger wie der Familien wird es oft nicht mehr geben - ich habe schon Vorgänge gesehen, in denen sich das im Prinzip glaubwürdige Opfer meint an einen Mann mit brauner Kutte zu erinnern.  Wir haben keinen gefunden, was angesichts eines möglichen Tatzeitraumes von mehreren Jahren und einer sehr vagen Erinnerung nicht verwundert.

 

Wenn ich aber worst case nicht weiß, wann das Kind wo in welcher Einrichtung war - dann kann ich dem Menschen glauben, dass die Erinnerung zutrifft, aber ich bekomme nicht heraus, wer der Täter war.

 

Mit 14 Jahren machte ich eine Erfahrung mit einem Lehrer. Wir waren beim Bearbeiten mit Holz. Ich lachte mit einem Klassenkameraden. Da schlich der Lehrer sich von hinten an und ohrfeigte mich. Ich drehte mich um, nahm einen Besen und drückte ihn an die Wand und sagte ihm, dass sich sein Verhalten nicht gehöre. Mehr machte ich nicht. Ich aber musste vor das Lehrerkollegium, weil ich mich gegen diesen Lehrer zur Wehr gesetzt hatte.

 

Kinder waren einst immer im Unrecht. Und so hatten sich Richter vor 40 Jahren oft auf die Seite von Männern gestellt, die ein angeblich leicht bekleidetes Frau vergewaltigt hatten. Kinder und Frauen waren eben Machtlos und das haben Männer schamlos ausgenützt. Ich fürchte, dieses Denken ist noch bei vielen tief verankert, die eher Täter als Opfer schützen möchten.

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vor 9 Stunden schrieb Gerhard Ingold:

 

Mit 14 Jahren machte ich eine Erfahrung mit einem Lehrer. Wir waren beim Bearbeiten mit Holz. Ich lachte mit einem Klassenkameraden. Da schlich der Lehrer sich von hinten an und ohrfeigte mich. Ich drehte mich um, nahm einen Besen und drückte ihn an die Wand und sagte ihm, dass sich sein Verhalten nicht gehöre. Mehr machte ich nicht. Ich aber musste vor das Lehrerkollegium, weil ich mich gegen diesen Lehrer zur Wehr gesetzt hatte.

 

Kinder waren einst immer im Unrecht. Und so hatten sich Richter vor 40 Jahren oft auf die Seite von Männern gestellt, die ein angeblich leicht bekleidetes Frau vergewaltigt hatten. Kinder und Frauen waren eben Machtlos und das haben Männer schamlos ausgenützt. Ich fürchte, dieses Denken ist noch bei vielen tief verankert, die eher Täter als Opfer schützen möchten.

Wenn du schon so klug bist: Wie bitte sollen wir unter den von mir geschilderten Bedingungen (das Opfer weiß weder den Ort der Tat noch den Namen des Täters) den Schuldigen ermitteln?

 

Und ich schrieb es schon: Wir glauben den Opfern (die meist keine Kinder mehr sind, wenn sie sich bei uns melden), wenn die Schilderung plausibel ist, auch dann, wenn der Täter nicht mehr befragt werden kann, sei es, weil er verstorben ist, sei es, weil er nicht zu identifizieren ist. Ohne zu tief in die Details einsteigen zu wollen: Der Satz, "Und dann hat er mich missbraucht und daran leide ich bis heute" alleine genügt nicht, solange nicht etwas mehr Fleisch an die Knochen kommt: Was hat er gemacht, wie hat er das gemacht, ist das in sich plausibel, wie sind die Folgen. Man leidet ja nicht einfach abstrakt, das Leid drückt sich in konkreten Erfahrungen und Handlungen aus.

 

Aber wenn wir Täter oder Täterin nicht identifizieren können, dann zahlen wir ggf. aus Mitteln unserer Kirchensteuer für Taten, für die eigentlich ein anderer Träger aufkommen müßte. Und wir sind es unseren Steuerzahlern schon schuldig, dass wir dann versuchen, das Geld wieder zu bekommen.

 

BTW: Wenn sich herausstellt, dass das betreffende Heim etwa von der Stadt oder von der AWO geführt wurde, dann bekommt das Opfer nichts. Denn der Staat ruf dann nach der Verjährung!

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vor 2 Minuten schrieb Chrysologus:

Wenn du schon so klug bist: Wie bitte sollen wir unter den von mir geschilderten Bedingungen (das Opfer weiß weder den Ort der Tat noch den Namen des Täters) den Schuldigen ermitteln?

 

Und ich schrieb es schon: Wir glauben den Opfern (die meist keine Kinder mehr sind, wenn sie sich bei uns melden), wenn die Schilderung plausibel ist, auch dann, wenn der Täter nicht mehr befragt werden kann, sei es, weil er verstorben ist, sei es, weil er nicht zu identifizieren ist. Ohne zu tief in die Details einsteigen zu wollen: Der Satz, "Und dann hat er mich missbraucht und daran leide ich bis heute" alleine genügt nicht, solange nicht etwas mehr Fleisch an die Knochen kommt: Was hat er gemacht, wie hat er das gemacht, ist das in sich plausibel, wie sind die Folgen. Man leidet ja nicht einfach abstrakt, das Leid drückt sich in konkreten Erfahrungen und Handlungen aus.

 

Aber wenn wir Täter oder Täterin nicht identifizieren können, dann zahlen wir ggf. aus Mitteln unserer Kirchensteuer für Taten, für die eigentlich ein anderer Träger aufkommen müßte. Und wir sind es unseren Steuerzahlern schon schuldig, dass wir dann versuchen, das Geld wieder zu bekommen.

 

BTW: Wenn sich herausstellt, dass das betreffende Heim etwa von der Stadt oder von der AWO geführt wurde, dann bekommt das Opfer nichts. Denn der Staat ruf dann nach der Verjährung!

 

Befragungen von Opfern, die über Jahre hinweg Misshandlung oder Missbrauch erlebt haben, lässt die Taten immer wieder neu erleben. Darum verdrängen wir mehrheitlich lieber, was einst geschehen ist, als darüber zu reden. Aber damals mit 14 Jahren ließ ich es nicht mehr zu, dass mich jemand versuchte, mich zu ohrfeigen. Vorher war ich ausgeliefert.

 

Was für Unrecht mir und meinen Geschwistern durch unsere Mutter zugefügt wurde, wurde mir erst bewusst, als ich mit ca. 26 Jahren, eine Psychologin aufsuchte.

 

Deinen Satz empfinde ich als Mensch, der Misshandlung erlebt hat und sich daher einfühlen kann, wie einen Hammer. Ins Detail zu gehen, wie dieser Satz fordert, ist sehr hart. 

 

 

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vor einer Stunde schrieb Chrysologus:

 

 

Als Kind meinte ich, das, was bei uns zu hause geschah, sei normal. Es würde so in allen Familien sein.

 

Ich denke, dass es Kindern in Heimen ähnlich ergangen ist. Viele von ihnen realisieren zwar ein Anders-Sein als andere Menschen. Sie konnten ihr Anders-Sein aber nie einer Ursache zuordnen.

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vor einer Stunde schrieb Gerhard Ingold:

Befragungen von Opfern, die über Jahre hinweg Misshandlung oder Missbrauch erlebt haben, lässt die Taten immer wieder neu erleben. Darum verdrängen wir mehrheitlich lieber, was einst geschehen ist, als darüber zu reden.

Das ist unbestreitbar, und Gespräche mit Opfern sind extrem anstrengend, für beide Seiten. Aber ich weiß, dass ich dabei eien Distanz wahren darf, die dem Opfer nicht geschenkt werden kann. Deswegen bemühe ich mich immer darum, die Zahl der Gespräche auf das zur Aufklärung nötige zu beschränken, soweit es meine Initiative angeht. Aber wenn ein Opfer wünscht, dass der Täter bestraft wird, dann muss ich - so ungern ich das auch mache - beweiskräftige Aussagen haben. Ich tue keinem Opfer einen Gefallen, wenn ein möglicher Täter alleine deshalb ungeschoren davon kommt, weil ich vor lauter Rücksichtnahme lieber nicht nachgefagt habe. Ein wenig komme ich mir dabei vor wie ein Zahnarzt: Was ich tue, ist unagenehm und schmerzhaft, aber ich kann mich zumindest bemühen, es so kurz wie möglich zu halten. Manchmal mag es zur Heilung beitragen, aber ich mache mir da keine illusionen.

Wenn ein Opfer weiterhin mit uns sprechen will, dann stehen wir auch zur Verfügung, das ist aber eine andere Frage.

vor einer Stunde schrieb Gerhard Ingold:

Was für Unrecht mir und meinen Geschwistern durch unsere Mutter zugefügt wurde, wurde mir erst bewusst, als ich mit ca. 26 Jahren, eine Psychologin aufsuchte.

Auch das ist nicht selten, wir sitzen gerade an einem Fall aus dem Jahr 1959.

vor einer Stunde schrieb Gerhard Ingold:

Deinen Satz empfinde ich als Mensch, der Misshandlung erlebt hat und sich daher einfühlen kann, wie einen Hammer. Ins Detail zu gehen, wie dieser Satz fordert, ist sehr hart.

Es ist sehr hart - ich weiß das zumindest aus der Perspektive dessen, der das erfragen muss, und wie ich schon schrieb: Ich bin mir meiner komfortablen Position dabei recht bewusst.

 

Nur: Ich kann doch keinen Menschen aus dem Dienst entfernen und moralisch vernichten auf der Grundlage einer vagen Anschuldigung. Der Satz "Er hat mich geschlagen!" kann alles umfassen, vom schmerzlosen Klaps auf den Po bis hin zu mehrfacher schwerer Körperverletzung oder gar versuchter Tötung. Der Satz "Er hat mich mißbraucht!" deckt alles ab vom Starren auf die Brüste oder unsachgemäße Fragen nach dem Liebesleben und endet bei der Integration des Opfers in einen pädophilen Tauschring. Ich muss hier nachfragen, weil der Umgang mit dem Beschuldigten wie auch die Frage nach der Entschädigung erheblich davon abhängt, was denn genau geschehen ist.

 

Mir ist klar, dass das kein Spaziergang ist - und wir haben auch fast keine Beschuldigung, die sich als unbegründet heraus gestellt hätte. Aber wenn wir anfingen, für den Satz, "Pfarrer X war böse zu mir!" Geld zu verteilen, dann wäre das auch nicht angemessen.

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vor 8 Minuten schrieb Chrysologus:

Das ist unbestreitbar, und Gespräche mit Opfern sind extrem anstrengend, für beide Seiten. Aber ich weiß, dass ich dabei eien Distanz wahren darf, die dem Opfer nicht geschenkt werden kann. Deswegen bemühe ich mich immer darum, die Zahl der Gespräche auf das zur Aufklärung nötige zu beschränken, soweit es meine Initiative angeht. Aber wenn ein Opfer wünscht, dass der Täter bestraft wird, dann muss ich - so ungern ich das auch mache - beweiskräftige Aussagen haben. Ich tue keinem Opfer einen Gefallen, wenn ein möglicher Täter alleine deshalb ungeschoren davon kommt, weil ich vor lauter Rücksichtnahme lieber nicht nachgefagt habe. Ein wenig komme ich mir dabei vor wie ein Zahnarzt: Was ich tue, ist unagenehm und schmerzhaft, aber ich kann mich zumindest bemühen, es so kurz wie möglich zu halten. Manchmal mag es zur Heilung beitragen, aber ich mache mir da keine illusionen.

Wenn ein Opfer weiterhin mit uns sprechen will, dann stehen wir auch zur Verfügung, das ist aber eine andere Frage.

Auch das ist nicht selten, wir sitzen gerade an einem Fall aus dem Jahr 1959.

Es ist sehr hart - ich weiß das zumindest aus der Perspektive dessen, der das erfragen muss, und wie ich schon schrieb: Ich bin mir meiner komfortablen Position dabei recht bewusst.

 

Nur: Ich kann doch keinen Menschen aus dem Dienst entfernen und moralisch vernichten auf der Grundlage einer vagen Anschuldigung. Der Satz "Er hat mich geschlagen!" kann alles umfassen, vom schmerzlosen Klaps auf den Po bis hin zu mehrfacher schwerer Körperverletzung oder gar versuchter Tötung. Der Satz "Er hat mich mißbraucht!" deckt alles ab vom Starren auf die Brüste oder unsachgemäße Fragen nach dem Liebesleben und endet bei der Integration des Opfers in einen pädophilen Tauschring. Ich muss hier nachfragen, weil der Umgang mit dem Beschuldigten wie auch die Frage nach der Entschädigung erheblich davon abhängt, was denn genau geschehen ist.

 

Mir ist klar, dass das kein Spaziergang ist - und wir haben auch fast keine Beschuldigung, die sich als unbegründet heraus gestellt hätte. Aber wenn wir anfingen, für den Satz, "Pfarrer X war böse zu mir!" Geld zu verteilen, dann wäre das auch nicht angemessen.

 

Dessen bin ich mir bewusst. Für Opfer kann es aber auch aussehen, dass es mehr um Schutz der Gemeinschaft als um Opfer-Gerechtigkeit geht.

bearbeitet von Gerhard Ingold
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vor 12 Minuten schrieb Chrysologus:

 

 

Als Kind wurde uns Angst vor der Höllenstrafe eingebläut. Das ist eine religiöse Misshandlung auf einer ganz anderen Ebene. Und wenn dann gewisse Religiöse so tun, als gäbe es die Höllenlehre in ihrer eigenen Kirche nicht, fühle ich mich als Opfer verarscht und nicht ernst genommen. In den Evangelien gibt es nun aber leider diese Aussagen, die Mk. 9,48 sehr nahe kommen oder noch härter sind. Und dann erlebte ich in der psychiatrischen Praxis als Pflegefachmann Psychiatrie, dass ich beileibe nicht die einzige Person gewesen war,  der man "Höllenangst" eingetrichtert hatte.

 

Und dann werde ich von gewissen Leuten als Lügner hingestellt. In ihrer Kirche gäbe es die Höllenlehre nicht.

 

Ich denke oft, die Patienten, die wegen Schuldangst gelitten haben, müssten von den Kirchen für die seelische Misshandlung auch zur Kasse gebeten werden.

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vor 24 Minuten schrieb Gerhard Ingold:

 

Als Kind wurde uns Angst vor der Höllenstrafe eingebläut. Das ist eine religiöse Misshandlung auf einer ganz anderen Ebene. Und wenn dann gewisse Religiöse so tun, als gäbe es die Höllenlehre in ihrer eigenen Kirche nicht, fühle ich mich als Opfer verarscht und nicht ernst genommen. In den Evangelien gibt es nun aber leider diese Aussagen, die Mk. 9,48 sehr nahe kommen oder noch härter sind. Und dann erlebte ich in der psychiatrischen Praxis als Pflegefachmann Psychiatrie, dass ich beileibe nicht die einzige Person gewesen war,  der man "Höllenangst" eingetrichtert hatte.

 

Und dann werde ich von gewissen Leuten als Lügner hingestellt. In ihrer Kirche gäbe es die Höllenlehre nicht.

 

Ich denke oft, die Patienten, die wegen Schuldangst gelitten haben, müssten von den Kirchen für die seelische Misshandlung auch zur Kasse gebeten werden.

Was bitte hat das mit dem zu tun, was ich geschrieben hatte?

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