Jump to content

Wenn du vollkommen sein willst


Martin

Recommended Posts

Was genau ist an der Schnittstelle zwischen dieser Zusage, denn darum im den Hmmel zu kommen ging es doch, und der dann gestellten Frage Jesu geschehen? Das "iin den Himmel kommen" wurde dem jungen Mann doch nicht genommen?

Ich schätze, dass Jesus dem jungen Mann helfen wollte von dem loszukommen, was ihn daran hinderte in den Himmel zu kommen: Die Anhänglichkeit an den Reichtum.

Nein, es geht dann nicht mehr um die Frage, ob er in den "Himmel" kommt, es geht um Vollkommenheit, die der junge Mann möglichst jetzt schon erreichen möchte. Und dafür muss er jetzt schon aufgeben, was er im Himmel sowieso nicht mehr haben wird.

 

 

Dass könnte heißen, dass er in den Himmel kommen wird, wenn er die Gebote einhält. Wenn er jetzt schon im Himmel sein will, muss er vollkommen sein - und das hätte z.B. die Trennung von seinem Vermögen zur Folge?

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Was genau ist an der Schnittstelle zwischen dieser Zusage, denn darum im den Hmmel zu kommen ging es doch, und der dann gestellten Frage Jesu geschehen? Das "iin den Himmel kommen" wurde dem jungen Mann doch nicht genommen?

Ich schätze, dass Jesus dem jungen Mann helfen wollte von dem loszukommen, was ihn daran hinderte in den Himmel zu kommen: Die Anhänglichkeit an den Reichtum.

Nein, es geht dann nicht mehr um die Frage, ob er in den "Himmel" kommt, es geht um Vollkommenheit, die der junge Mann möglichst jetzt schon erreichen möchte. Und dafür muss er jetzt schon aufgeben, was er im Himmel sowieso nicht mehr haben wird.

Dass könnte heißen, dass er in den Himmel kommen wird, wenn er die Gebote einhält. Wenn er jetzt schon im Himmel sein will, muss er vollkommen sein - und das hätte z.B. die Trennung von seinem Vermögen zur Folge?

Ich sehe die Trennung von seinem Vermögen als Bild für alle irdischen Sorgen, das beinhaltet auch das Streben nach Sicherheit durch Vermögen, oder die Sorge, dass man von anderen Menschen geliebt werden will, letztendlich in Konsequenz sogar alles Wollen des Menschen. Alle Dinge, an denen wir uns gern festklammern und Halt suchen. Das loszuwerden bedeutet keine Absage an diese Dinge, sondern eine Absage an das Sichdranklammern. Die Radikalität besteht darin, nichts mehr zu wollen und einen Punkt aufzusuchen, an dem nichts mehr ist. Ich meine wirklich: gar nichts. Kein Bild im Geiste mehr von irgendetwas, und auch kein Bild von Gott. Wenn "Himmel" ein Wort für "bei Gott sein" ist, dann trägst Du ihn schon in Dir selbst - und kannst ihn aufsuchen. Kein Wort davon, dass das einfach sei. Einer, der nach menschlichen Maßstäben viel erreicht hat an Haben, auch Status, auch Liebe, der sich bisher reich fühlt, der zögert all das - ob in der Realität oder geistig - loszulassen. Diese Dinge geistig loszulassen, ist für den Armen und den Reichen gleich schwierig, gar schockierend. Sich körperlich von seinem Vermögen zu trennen ist nur ein erster Schritt. Das Eigentliche ist, sich davon auch geistig zu trennen. - Und damit ist es dem Armen genauso möglich wie dem Reichen, diesen Schritt zu tun.

 

Wäre ja ein Ding, wenn nur dem Reichen möglich wäre Vollkommenheit zu erreichen, da ja nur er die Voraussetzung erfüllt, einen Reichtum zu besitzen, von dem er sich trennen könnte :ninja: Umgekehrt wäre es auch eine seltsame Aussage, dass die, die schon arm sind, also automatisch vollkommen seien. Ginge es nur um den faktischen Reichtum, dann müsste dies eine Schlussfolgerung sein.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Eine interessante Parallele zu deinem Gedanken an einer anderen Stelle.

 

Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt ...

Warum fragen die Jünger dann: Wer kann dann noch gerettet werden?

Sie selbst waren wohl kaum reich und um sie herum waren viele Arme.

 

Arm kann in dieser Hinsicht also kaum das Gegenteil von reich sein?!

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Eine interessante Parallele zu deinem Gedanken an einer anderen Stelle.

 

Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt ...

Warum fragen die Jünger dann: Wer kann dann noch gerettet werden?

Sie selbst waren wohl kaum reich und um sie herum waren viele Arme.

 

Arm kann in dieser Hinsicht also kaum das Gegenteil von reich sein?!

 

 

Ich verstehe diese Stelle so, dass wir uns selbst nicht erlösen können. Wir können uns als begrenzten Wesen, die dem Tod ausgeliefert sind nicht selbst die Ewigkeit schenken. Dies kann nur Gott, durch seine Liebe kann er uns das Ewige Leben geben und gibt es uns auch. Deshalb können wir aus eigener Kraft nie vollkommen werden oder uns vollkommen machen, es ist und bleibt immer Geschenk und Gabe Gottes, der uns vollkommen macht.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Die Orthodoxe Kirche interpretiert im Satz "Wie schwer fällt es einem Reichen, in das Reich Gottes zu kommen" das Wort "reich" dahingehend, dass nicht nur pekuniärer Besitz, sondern auch Intelligenz, Schönheit, Ansehen usw. darunter fällt. Wer das besitzt, hat oft mit der Demut zu kämpfen.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Noch ein Gedanke zum reichen Jüngling: Offenbar spürte er, dass das Einhalten der 10 Gebote nicht genügend ist. Er spürte, dass da noch etwas fehlte, was der Gesetzestext nicht direkt vermitteln kann. Und Jesus Christus bestätigt dies. Die Einhaltung des Gesetzes macht nicht vollkommen. Man muss hinter das Gesetz schauen, worauf es basiert: Dem Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe. Jesus Christus sieht, weshalb der junge Mann seine Liebe nicht voll entfalten kann: Weil sein Reichtum ihn daran hindert. Darauf weist Er den jungen Mann hin.

 

Für mich hätte Er gewiss ebenfalls einen passenden Satz parat, und ich würde fast sicher dann ebenfalls erst einmal traurig davon trotten (so fühle ich mich zumindest nach jeder Gewissenserforschung). Ob mich das schon am Eintritt ins Reich Gottes hindert? Da wage ich keine Prognose abzugeben, aber ich hoffe auf Gottes allumfassende Liebe.

 

Wäre der junge Mann wirklich vollkommen, wenn er seinen ganzen Reichtum den Armen gäbe und dann in die Nachfolge einträte? Wir bleiben Sünder. Wäre es notwendig, aber nicht hinreichend? Das ist die wirklich spannende Frage. Wenn ich den Blick durch das AT und NT schweifen lasse, vermute ich nicht einmal die Notwendigkeit, von der Hinreichung ganz zu schweigen. Der Kern scheint mir zu sein: Nichts darf mein Herz so sehr beherrschen, dass ich es nicht augenblicklich loslassen kann, wenn es geboten ist, weder Besitz noch Beziehungen - und um ehrlich zu sein, das Zweitere scheint mir noch viel schwerer als das Erstere zu sein.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Noch ein Gedanke zum reichen Jüngling: Offenbar spürte er, dass das Einhalten der 10 Gebote nicht genügend ist. Er spürte, dass da noch etwas fehlte, was der Gesetzestext nicht direkt vermitteln kann. Und Jesus Christus bestätigt dies. Die Einhaltung des Gesetzes macht nicht vollkommen. Man muss hinter das Gesetz schauen, worauf es basiert: Dem Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe. Jesus Christus sieht, weshalb der junge Mann seine Liebe nicht voll entfalten kann: Weil sein Reichtum ihn daran hindert. Darauf weist Er den jungen Mann hin.

 

Für mich hätte Er gewiss ebenfalls einen passenden Satz parat, und ich würde fast sicher dann ebenfalls erst einmal traurig davon trotten (so fühle ich mich zumindest nach jeder Gewissenserforschung). Ob mich das schon am Eintritt ins Reich Gottes hindert? Da wage ich keine Prognose abzugeben, aber ich hoffe auf Gottes allumfassende Liebe.

 

Wäre der junge Mann wirklich vollkommen, wenn er seinen ganzen Reichtum den Armen gäbe und dann in die Nachfolge einträte? Wir bleiben Sünder. Wäre es notwendig, aber nicht hinreichend? Das ist die wirklich spannende Frage. Wenn ich den Blick durch das AT und NT schweifen lasse, vermute ich nicht einmal die Notwendigkeit, von der Hinreichung ganz zu schweigen. Der Kern scheint mir zu sein: Nichts darf mein Herz so sehr beherrschen, dass ich es nicht augenblicklich loslassen kann, wenn es geboten ist, weder Besitz noch Beziehungen - und um ehrlich zu sein, das Zweitere scheint mir noch viel schwerer als das Erstere zu sein.

 

 

Und damit wären wir bei der Antwort, die Jesus in der Einleitung dieser Sequenz bei Markus auf die Frage dieses jungen Mannes gibt :

 

Guter Meister, was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?

Jesus antwortete: Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer Gott, dem Einen.

 

Niemand außer Gott wird auch wohl vollkommen sein.

 

 

Markus beschreibt auch die Motivation von Jesus vielsagend; er sagte ihm dies, weil "er ihn liebte".

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Noch ein Gedanke zum reichen Jüngling: Offenbar spürte er, dass das Einhalten der 10 Gebote nicht genügend ist. Er spürte, dass da noch etwas fehlte, was der Gesetzestext nicht direkt vermitteln kann. Und Jesus Christus bestätigt dies. Die Einhaltung des Gesetzes macht nicht vollkommen. Man muss hinter das Gesetz schauen, worauf es basiert: Dem Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe. Jesus Christus sieht, weshalb der junge Mann seine Liebe nicht voll entfalten kann: Weil sein Reichtum ihn daran hindert. Darauf weist Er den jungen Mann hin.

 

Für mich hätte Er gewiss ebenfalls einen passenden Satz parat, und ich würde fast sicher dann ebenfalls erst einmal traurig davon trotten (so fühle ich mich zumindest nach jeder Gewissenserforschung). Ob mich das schon am Eintritt ins Reich Gottes hindert? Da wage ich keine Prognose abzugeben, aber ich hoffe auf Gottes allumfassende Liebe.

 

Wäre der junge Mann wirklich vollkommen, wenn er seinen ganzen Reichtum den Armen gäbe und dann in die Nachfolge einträte? Wir bleiben Sünder. Wäre es notwendig, aber nicht hinreichend? Das ist die wirklich spannende Frage. Wenn ich den Blick durch das AT und NT schweifen lasse, vermute ich nicht einmal die Notwendigkeit, von der Hinreichung ganz zu schweigen. Der Kern scheint mir zu sein: Nichts darf mein Herz so sehr beherrschen, dass ich es nicht augenblicklich loslassen kann, wenn es geboten ist, weder Besitz noch Beziehungen - und um ehrlich zu sein, das Zweitere scheint mir noch viel schwerer als das Erstere zu sein.

 

 

Und damit wären wir bei der Antwort, die Jesus in der Einleitung dieser Sequenz bei Markus auf die Frage dieses jungen Mannes gibt :

 

Guter Meister, was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?

Jesus antwortete: Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer Gott, dem Einen.

 

Niemand außer Gott wird auch wohl vollkommen sein.

 

Markus beschreibt auch die Motivation von Jesus vielsagend; er sagte ihm dies, weil "er ihn liebte".

 

Das hört sich resignierend an.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

... und es ist einerseits tröstlich (niemand braucht vollkommen zu sein oder zu werden) und andererseits schützt es, denn Menschen, die von sich selber als Vollkommene denken, sind wohl schon in dem Moment, in dem sie das von sich selbst annehmen, nicht mehr vollkommen.

 

Eine vollkommene Handlung, eine vollkommene Geste, ein vollkommener Augenblick mag drin sein ... aber grundsätzliche Vollkommenheit?

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

... und es ist einerseits tröstlich (niemand braucht vollkommen zu sein oder zu werden) und andererseits schützt es, denn Menschen, die von sich selber als Vollkommene denken, sind wohl schon in dem Moment, in dem sie das von sich selbst annehmen, nicht mehr vollkommen.

 

Eine vollkommene Handlung, eine vollkommene Geste, ein vollkommener Augenblick mag drin sein ... aber grundsätzliche Vollkommenheit?

 

Hallo Martin :ninja:

 

Ich habe es gestern in einem andern Thread schon geschrieben:

Das Wort »vollkommen« bedeutet im Hebräischen nicht "sittliche Vollkommenheit" oder andersweitige Perfektheit, sondern "Ungeteiltsein": dass jemand etwas ganz und ungeteilt tut oder ist.

 

Es gibt eine Interpretation des reichen Jünglings (allerdings der Markusversion, die aber eh die ältere ist) in der Abschiedsvorlesung vom Meinrad Limbeck, die ich als zumindest bedenkenswert empfinde: in der Vorlesung erklärt Limbeck, warum es so hilfreich ist, Griechisch und Hebräisch zu können, wenn man die Bibel liest: er erklärt es für Griechisch und das NT - und zwar hauptsächlich mit Hilfe des Satzes: „Das Reich Gottes ist da!“ (Mk 1,15), der wohl den Kern der Botschaft Jesu darstellt.

Die Einheitsübersetzung (und viele andere zitierte Übersetzungen) übersetzt "Das Reich Gottes ist nahe" - und Limbeck erklärt, dass das eigentlich die Botschaft entschärft und falsch wiedergibt, weil an dieser Stelle im griechischen Urtext der Aorist steht, eine bestimmte Perfektform, die einen andauernden Zustand beschreibt und nichts Abgeschlossenes.

 

"Wenn wir von dem ältesten Evangelium, dem Markusevangelium, ausgehen, dann enthalten die allerersten zwei Sätze, die von Jesus in griechischer Sprache überliefert werden, zwei Verbformen im Perfekt:

peplaerotai ho kairos kai aeggiken hae, basileia tou theou (Mk 1,15)

Beide Sätze enthalten (wenigstens zunächst) keinerlei Verständnisschwierigkeiten:

 

Das erste griechische Verb ploeroo heißt „voll machen, anfüllen, ausfüllen" und bezeichnet demnach im Perfekt Passiv den Zustand des Vollgemachten, das An- und Ausgefülltsein.

 

Das zweite griechische Verb eggizo heißt sich nähern, nahe kommen ". Im Perfekt bezeichnet es also den Zustand, der sich aus dem Sich - Nähern ergeben hat, also das Nahe-herangekommen-Sein, das Da-Sein!"

...

Nach den Regeln der griechischen Grammatik übersetzt lauten also die beiden ersten Sätze Jesu:

 

„Voll ist die Zeit und da ist die Herrschaft / das Reich Gottes." "

 

Limbeck schließt, dass theologische Überlegungen hinter diesen vorsichtigen (verfälschenden) Übersetzungen stehen:

 

"Nach einträchtiger ökumenischer Überzeugung der gegenwärtigen Exegese hatte Jesus den Anbruch der Gottesherrschaft verkündigt und durch sein Reden und Tun anfanghaft bewirkt!

Jesus ist hier gleichsam die Tür für den Einbruch der Gottesherrschaft in diese Welt. Jesus ist hier gleichsam die Initialzündung der Gottesherrschaft. Deshalb kann sie keineswegs schon generell da, sondern eben nur mit Jesus nahe gekommen, herbeigekommen sein."

 

Dann erläutert er, warum diese Auffassung auch aus anderen Gründen nicht haltbar ist und entwickelt (und begründet ausführlich) sein eigenes Verständnis von dem, was Jesus wollte:

"die Gegenwart im Zusammenhang mit der erwarteten positiven Zukunft nicht nur zu denken, sonden auch zu leben."

 

Er forderte die Menschen auf, darauf zu vertrauen, dass Gott will, dass wir "ohne irgendeine Minderung" in der Gegenwart leben und "pisteuete en toi euaggelioi": nicht „an das Evangelium zu glauben" wie es die Einheitsübersetzung glauben machen möchte, sondern "auf die frohe Botschaft zu vertrauen" wie es richtig übersetzt heißen müsste.“

 

Aus dieser Auffassung heraus versteht er das Leben Jesu als Umsetzung dieses Vertrauens: er sucht sich Menschen, Freunde, Freundinnen, mit denen er so leben kann, dass "Reich Gottes" erlebbar ist, dass zwischen ihnen wirklich "Reich Gottes" ist.

 

In diesem Zusammenhang kommt Limbeck dann auch auf den "reichen Jüngling" (Mk 10,17 ff) und meint, dass die Geschichte eigentlich abbrechen könnte nach der ersten Antwort Jesu:

 

"Wer all das tut, tut Gutes. Wer all das tut, gewinnt das ewige Leben. Damit war die Frage des Mannes beantwortet, er hätte also gehen können.

 

Es ist ganz wichtig, dass wir uns dies klar machen: An diesem Punkt könnte unsere Geschichte abbrechen. Der Mann hatte erfahren, was er wissen wollte. Dass die Geschichte dennoch weiterging - das lag nicht an Jesus, so als ob ihm eingefallen wäre, ja noch etwas sehr Wichtiges vergessen zu haben. Es lag an dem Mann, dass das Gespräch weiterging, denn

„er erwiderte Jesus: Meister, alle diese Gebote habe ich von Jugend an befolgt.¬“

Es ist als ob der Mann einwenden wollte: „Ja ist das alles? Ich habe das Gefühl, dass mir noch etwas fehlt. Die Gebote tun - das füllt einen doch nicht aus! Das kann doch nicht schon alles sein!¬

Da, in diesem Moment, veränderte sich Jesu Einstellung zu diesem Mann; denn genau und wörtlich übersetzt heißt es nun im Evangelium:

 

„Jesus aber, nachdem er ihn angesehen hatte, begann ihn zu lieben und er sagte ihm: Eines mangelt dir. Auf, verkaufe, was du hast und gib's den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir!"

Jesu Aufforderung an diesen Mann, alles zu verkaufen und ihm zu folgen - sie entsprang in diesem Fall einer plötzlichen Gefühlsregung, sie war der spontane Ausdruck einer aufbrechenden Zuneigung:

 

„nachdem er ihn angesehen hatte, begann er ihn zu lieben" (ernblepsas

Autoi aegapaesen auton).

 

Die Wiedergabe in der Einheitsübersetzung ist sprachlich völlig unmöglich: „und weil er ihn liebte, sagte er...". Besser die Luther¬übersetzung: „Jesus sah ihn an und gewann ihn lieb...".

So etwas wird nie mehr sonst und in keinem anderen Evangelium noch einmal von Jesus gesagt

 

„Er begann ihn zu lieben!" -„Er gewann ihn lieb!“

Nur wenn wir dies mitempfinden, können wir die Enttäuschung ahnen, die Jesus überfallen haben musste, als dieser Mann dann doch traurig und betrübt wegging;

„denn er hatte ein großes Vermögen!"

 

Und so, wie Jesu Einladung, doch mitzukommen, Ausdruck seiner Zuneigung war, so ist das Folgende nun der Ausdruck seiner tiefen Enttäuschung. Das, was nun kommt, ist kein abgeklärter theologischer Lehrsatz, sondern da kommt eine starke, schmerzliche Enttäuschung zu Wort:

 

„Da sah Jesus seine Jünger an und sagte zu ihnen: Wie schwer ist es für Menschen. die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen... Ja, meine Kinder, wie schwer ist es, in das Reich Gottes zu kommen. Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes kommt"

 

Hier spricht jemand, der einen möglichen Freund verloren hatte! Hier spricht jemand, der durch und durch Mensch war! Denn eigentlich hätte Jesus ja wissen müssen, dass man das alles so auch nicht sagen konnte; denn schließlich waren in seiner Jüngerschar auch Frauen, die ihn und seine Jünger mit ihrem Vermögen, mit ihrem Reichtum unterstützten (Lk 8,1-3). Da hatten Reiche durchaus in das Reich Gottes gefunden. Aber das konnte Jesus in diesem Moment nicht trösten.

Das aber bedeutet doch: Jesus war ganz offensichtlich ein Mensch, dessen Denken und Reden wesentlich auch von seinen Gefühlen abhängig war und mitbeeinflusst wurde. Aus diesem Grund war nicht nur er für die Schar seiner Jünger, sondern auch seine Jüngerschar für ihn von so großer Bedeutung. Auch sie ließ ihn die Wahrheit seines Evangeliums, seiner Verkündigung von der gegenwärtigen Gottesherrschaft erleben; denn sie war für ihn das schon gegenwärtig gewordene Gottesreich."

bearbeitet von Ennasus
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Hallo Ennasus,

gibt es so eine wörtlich übersetzte Bibel eigentlich zu kaufen oder welches ist die "wörtlichste" Übersetzung?

Herzliche Grüße

Erich

Hallo Erich, für das NT ist meines Wissens das Münchner NT die Übersetzung, die am nächsten am griechischen Text ist - das Deutsch ist durch die möglichst wörtliche Übersetzung aber ziemlich holprig.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Also tausend Dank Dir, Susanne! Da kann man mal sehen, wie wichtig es wäre, selber den Urtext lesen zu können - oder wenigstens eine möglichst getreue Übersetzung zu haben. Ich bin erstaunt, wie wenig man sich an dieser Stelle zumindest auf die Einheitsübersetzung stützen kann. Dass nach so vieler Zeit immer noch einer besser übersetzen und damit Licht in die Interpretation bringen kann, das ist doch ein Ding!

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Also tausend Dank Dir, Susanne!

 

:ninja:

 

Du musst dich bei Limbeck bedanken!

Aber es ist wirklich immer wieder neu beeindruckend und begeisternd, wie ganz anders man manches verstehen lernt, wenn man genauer hinschaut. Mir geht das auch so.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Hallo Ennasus,

gibt es so eine wörtlich übersetzte Bibel eigentlich zu kaufen oder welches ist die "wörtlichste" Übersetzung?

Herzliche Grüße

Erich

Interlinearübersetzung oder Münchener Neues Testament.
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Also tausend Dank Dir, Susanne! Da kann man mal sehen, wie wichtig es wäre, selber den Urtext lesen zu können - oder wenigstens eine möglichst getreue Übersetzung zu haben. Ich bin erstaunt, wie wenig man sich an dieser Stelle zumindest auf die Einheitsübersetzung stützen kann. Dass nach so vieler Zeit immer noch einer besser übersetzen und damit Licht in die Interpretation bringen kann, das ist doch ein Ding!

Das Problem an der EÜ und überhaupt bei Bibelübersetzungen im katholischen Bereich ist m.E. dass noch immer das Tridentinum nachwirkt, dass die Vulgata und nicht den griechischen Orginaltext authentisch gesetzt hat. Dadurch kommen viele Missdeutungen zu Stande.

 

NS Einen ganz interessante Geschichte findet man hier nämlich einen gegenüberstellung des griechischen lateinischen und deutschen Texts.

bearbeitet von wolfgang E.
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Gerlinde Blosche

Die Bedeutung des Wortes "vollkommen" im Hebräischen "Ungeteiltsein, dass jemand etwas ganz und ungeteilt tut", scheint mir auch sinnvoller im Blick auf die Erlösungstat Jesu.

Wie schon hier viele erwähnt haben gibt es keine menschliche sittliche "Vollkommenheit" und auch keine in jeder Hinsicht total perfekten Menschen.

Danke für Eure tiefgreifenden Beiträge!

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

×
×
  • Neu erstellen...