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Jenseitsvorstellung im AT


Gabriele

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Ich bin auf der Suche nach der Vorstellung vom Jenseits im Alten Testament, also in der Zeit vor Jesu Christi.

Mit der Suchfunktion wurde ich nicht fündig.

Kann mir jemand weiterhelfen?

 

Liebe Grüße, Gabriele

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Hallo Gabriele!

 

Mir schwebte vor, dass ich da noch einen ganzen Zusammenschrieb aus meiner Eschatologievorlesung hab (3 Seiten zum AT): Hier mal das Grundlegende von mir zusammengefasst, wenn du's ganz haben möchtest, kann ich's dir auch gerne mailen...

Also:

 

Im atl. Kanon gibts nur zwei Stellen, an denen ganz deutlich von persönlicher Auferstehung gesprochen wird: in den späten Schriften: Dan 12,2f; 2 Makk 7,9.14.22f. Die Erwartung einer Auferstehung aller Verstorbenen gibt es dagegen gar nicht, sondern die universale Auferstehungserwartung entsteht erst im zwischentestamentlichen Schrifttum. Es gibt sogar im AT eine Reihe von Texten, in denen eine über den Tod reichende Hoffnungsperspektive ganz ausgeschlossen wird, weil der Tod für Israel ein selbstverständliches, natürliches Ereignis ist: „alles hat seine Stunde…“ (Koh 3,1f.)

 

Andererseits äußern die atl. Beter aber auch unverhohlen Furcht und Entsetzen vor Tod und bitten JHWH um Bewahrung davor.

Das Menschenbild im AT ist dadurch geprägt, dass der Mensch nicht sterblicher Leib und unsterbliche Seele (griech. Vorstellung) ist, sondern von Gott aus Erde vom Ackerboden gebildet (Gen 2); dann wird ihm von Gott der Lebensatem eingehaucht, der jedoch NICHT gleich einer unsterblichen Seele ist Er ist nur für bestimmte Zeit von Gott verliehen und dementsprechend stirbt der Mensch als Ganzer, einen unsterblichen Teil des Menschen gibt es nicht.

Der Schrecken davor wird durch JHWH nicht gemildert, sondern das Gottesverständnis Israels verschärft diesen Schrecken noch, denn die "JHWH-Religion" ist eine ganz und gar diesseitsbezogene Religion: JHWH als Gott des Lebens hat mit der Sphäre des Todes nichts zu schaffen und somit trennt der Tod nicht nur von der Welt, sondern auch von JHWH.

 

Das heißt trotzdem nicht, dass Mensch nach dem Tod ganz zu existieren aufhört: es existiert vielmehr ein Schatten dieses Menschen (hebr. rephaim), aber diese Schattenexistenz gehört nicht mehr zur Sphäre des Lebens, deshalb ist sie nicht gleichzusetzen mit einem Weiterleben nach dem Tod. Aufenthaltsort dieser Schatten ist die Unter-/Schattenwelt (Scheol): ein Ort des Schreckens und der Finsternis, abgeschnitten von allem Leben,von JHWHs Zuwendung und Treue, „ein Land ohne Wiederkehr“ (Hiob 7,9f.) (nicht etwas Einzigartiges, vgl. auch Gilgameschepos)

 

Neben diesem gab es aber die Vorstellung eines völlig geglückten, erfüllten Lebens mit Gott (z.B. Abraham, Isaak), so dass der Tod nichts Erschreckendes mehr hatte: sie starben lebenssatt. Es konnte aber nicht verborgen bleiben, dass es sich hier um ein Ideal handelte, meistens kam der Tod zu früh.

 

Eine Änderung dieses Verständnisses kann man dann in Ps 73 langsam ausmachen: Ist das ganze Bemühen um Gerechtigkeit, das Richten nach den Geboten umsonst? Drei Aspekte werden hier zentral:

(1) Diese Frage ist ein Anlass, den JHWH-Glauben auszuweiten: Problematik, dass JHWH-treues Leben geglücktes Menschsein in Aussicht stellt: der Blick auf

die Realität straft das jedoch Lügen (Tun-Ergehen-Zusammenhang) und angesichts des Todes muss sich erweisen, dass allein Treue zu JHWH Heil und

Segen zu bringen vermag

(2) Die Feststellung, dass sich der Beter schwer tut, neue Hoffnungsperspektive genauer zu benennen, aber: sie vermag auch den Tod zu überdauern. Wie

die postmortale Gottesgemeinschaft zu denken ist, bleibt hier offen, es gibt nur bildhafte Umschreibungen

(3) Allein die Erfahrung Israels mit JHWH ermöglicht solche neuen Hoffnungsperspektiven über den Tod hinaus, denn JHWH hat sich in der Geschichte als

treuer und zuverlässiger Retter gezeigt

 

Hieraus erwächst die Aussage, dass JHWH sich auch in der Scheol als wirkmächtig erweisen kann und macht damit die Erwartung der Auferstehung der Toten möglich (vgl. Dan, 2 Makk)!

 

Dan 12,2f.:

- historischer Kontext: Erwartung des unmittelbaren Anbruchs des Gottesreiches und Beendingung der weltlichen Herrschaft (168-161 v. Chr.)

- nicht alle Menschen werden auferstehen, sondern nur die vielen, die sich in besonderer Weise hervorgetan haben: entweder, indem sie gesetzestreu waren,

oder abgefallen sind

--> Motiv: JHWH-Treue sollen belohnt werden, die anderen bestraft

 

Das Buch Daniel liegt damit ganz auf der Linie des Ps 49 und 73, allerdings werden auch Abgefallene miteinbezogen (Bestrafung), denn auch Scheol liegt im Machtbereich JHWHs. Hier gibt es die Vorstellung eines Erwachens, einer Wiederbelebung der Schatten: Auferstehung ist Wiederkehr in die Lebenswirklichkeit hinein als Ewiges Leben.

 

2 Makk 7,9.14.22f.:

Hier ist von einem „neuen ewigen Leben“ die Rede und wiederum geht es um die, die aufgrund der Treue zum Gesetz sterben, also wiederum nicht um eine universale Auferstehung. Das „Wie“ wird thematisiert: V.22f.: Erschaffung des Menschen und seine Entstehung im Mutterleib wird analog gesetzt zur Auferstehung: es ist ganz und gar Gotteswerk, Gott allein weiß „wie“

 

Weish 3,1-4, entstanden in jüdischer Diaspora im ägyptischen Alexandria im letzten vorchristlichen Jahrhundert

Hier wird der griechische Seelen- und Unsterblichkeitsgedanke aufgegriffen und versucht mit dem atl. Gedankengut in Einklang zu bringen. Die Hoffnung gründet in der Verbundenheit mit Gott und reicht über den Tod hinaus, denn „Gerechtigkeit ist unsterblich!“.

 

 

Soweit erst mal, ich hoffe, du kannst damit etwas anfangen!

bearbeitet von Simone
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Vielen herzlichen Dank, Simone, das ist genau das, was ich gesucht habe.

 

 

wenn du's ganz haben möchtest, kann ich's dir auch gerne mailen...

 

Ja, bitte. Aber keine Hektik, es hat Zeit.

 

Liebe Grüße, Gabriele

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Wie ist da Hes 37 einzuschätzen?

 

Das Hesekielbuch, zu großen Teilen verfasst wahrscheinlich in der Exilszeit (598 bis 539 v.u.Z) oder kurz danach, besteht aus drei großen Strängen (die allerdings an mehreren Stellen unterbrochen werden): den Unheilsverkündungen für Israel (bis Kapitel 24), dem Gericht über die anderen Völker (Kapitel 25 bis 32) und der Heilsverkündungen für Israel (ab Kapitel 33). Dabei korrespondieren die Heilsverkündungen jeweils mit der Androhung von Unheil.

 

Die Vision von der Wiederbelebung der toten Knochen Israels (Hesekiel 37, 1-14) bezieht sich auf den ersten Blick auf die Hoffnung der Heimkehr des Volkes Israel. Sie korrespondiert als Heilsverkündung mit der Unheilsverkündung in Kapitel 6 Vers 5 sowie 24, 4 f. und 10. Allerdings hat diese Vision eine Sonderstellung - zum einen, weil sich der eigentliche Visionsbericht von dem inneren Aufbau der anderen Visionen unterscheidet, zum anderen, weil das so genannte Disputationswort, also die Verse 11 bis 14, wie eine spätere Hinzufügung wirkt. In der Forschung ist umstritten, ob die gesamte Erzählung eine Metapher für die Hoffnung auf die Wiederherstellung Israels ist, oder ob sich dabei eine Vision von einer realen Auferstehung der Toten mit der Hoffnung auf ein Ende der Verbannung verbindet. In der Exegese wird inzwischen davon ausgegangen, dass es für diese Vision zwar einen Grundtext gibt, der aus der Exilszeit stammt, dass dieser Text dann aber mehrfach, bis in die Zeit der Makkabäer hinein, überarbeitet worden ist.

 

Alfons

 

Nachtrag

Also in einfacheren Worten gesagt: Hesekiels Vision von den verdorrten Gebeinen, die wieder fleischig und lebendig werden, meint mit großer Wahrscheinlichkeit die Hoffnung auf eine Rückkehr aus dem Babylonischen Exil. Es ist aber auch möglich, dass im 2. vorchristlichen Jahrhundert, zur Makkabäerzeit, die damals entstehenden Jenseitsvorstellungen verändernd in den Text eingeflossen sind.

bearbeitet von Alfons
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