Lucie Posted November 18, 2010 Report Share Posted November 18, 2010 Mein Sohn nimmt gerade in der Schule das Thema "Kirchentonarten" bzw. "Modi" durch. Das hat mich inspiriert, lange vergrabenes Schulwissen mit ein bisschen Googlen aufzubessern und eine kleine Sammlung bekannter Lieder anzulegen, an denen man sich beispielhaft die Chrakteristika der einzelnen Modi merken kann. Leider bin ich noch nicht sehr weit gekommen. Ein Beispiel für den dorischen Modus (Moll mit erhöhter Sexte): O Heiland, reiß die Himmel auf / herab, herab vom Himmel lauf... Ein Beispiel für den phrygischen modus (Moll mit verminderter Sekunde): O Haupt voll Blut und Wunden / voll Schmerz und voller Hohn... Stimmt das so? Und wer weiß weitere? Franciscus? Link to comment Share on other sites More sharing options...
Franciscus non papa Posted November 18, 2010 Report Share Posted November 18, 2010 DAS lied in authentischem dorisch ist sicher "christ ist erstanden" phrygisch ist auch: aus tiefer not lydisch fällt mir grad kein deutsches lied ein. Link to comment Share on other sites More sharing options...
aquisgranum Posted November 19, 2010 Report Share Posted November 19, 2010 Nun bitten wir den Heiligen Geist (GL 248). Link to comment Share on other sites More sharing options...
Rosario Posted November 19, 2010 Report Share Posted November 19, 2010 GL 248 "Nun bitten wir den Heiligen Geist" vermeidet ja gerade das h, insofern ist es eher pentatonisch ( bis auf das e in "Kyrieleis"). Ich glaube, im GL gibt es kein lydisches Lied. Eher kann man da mal nach Kehr- bzw. Halleluja-Versen im V. Ton suchen, z. B. das Halleluja 530,6 ist in Es-lydisch, weil da ja das a als Tritonus zu Es wirklich drin vorkommt. Aber insgesamt kann man wohl sagen, dass die lydische Tonart zuerst "gekippt" ist (in Richtung Dur-/Moll-Tonalität), weil der Tritonus zwischen der Finalis f und dem h eben ziemlich krass ist. Link to comment Share on other sites More sharing options...
Franciscus non papa Posted November 19, 2010 Report Share Posted November 19, 2010 stimmt, das h wurde sehr schnell zum b, vor allem im südlichen bereich. im germanischen choraldialekt wurde eher nach oben zum c alteriert. lydisch wird de facto sehr schnell zu F-Dur. Link to comment Share on other sites More sharing options...
Lucie Posted November 19, 2010 Author Report Share Posted November 19, 2010 Lydisch wird immer als "süß" bzw. "strahlend" beschrieben und es sei DIE Tonart für Marienlieder gewesen. Kennt Ihr vielleicht eines außerhalb des GL oder Vorgängerversionen der dort vertretenen Lieder? Hat das bewusst aufgenommen? Link to comment Share on other sites More sharing options...
Lucie Posted November 20, 2010 Author Report Share Posted November 20, 2010 das Halleluja 530,6 ist in Es-lydisch, weil da ja das a als Tritonus zu Es wirklich drin vorkommt. Ja, ein schönes Beispiel. Link to comment Share on other sites More sharing options...
Rosario Posted November 20, 2010 Report Share Posted November 20, 2010 (edited) Lydisch wird immer als "süß" bzw. "strahlend" beschrieben und es sei DIE Tonart für Marienlieder gewesen. Kennt Ihr vielleicht eines außerhalb des GL oder Vorgängerversionen der dort vertretenen Lieder? Hat das bewusst aufgenommen? Ich vermute, dass lydisch (also der V. und VI. Ton) erst dann als "süß" und "strahlend" empfunden wurden, als es schon de facto zu F-Dur geworden war. Das "Regina caeli" und das "Salve Regina" im GL z. B. sind solche De-facto-Dur-Antiphonen. Ich kenne wirklich keinen weit verbreiteten Gesang, bei dem das h erhalten geblieben ist. Im Graduale Romanum/Triplex und vor allem in den restituierten Fassungen gibt es das jedoch öfter. Aber das ist ja eigentlich kein Volksgesang. Der direkte Sprung f-h (der Tritonus), den Bernstein verwendet, ist mir allerdings in überlieferten Melodien noch nie begegnet, zumindest nicht als Sprung zum Grundton/Finalis hin. Der Tritonus kann mal in einer Melodie vorkommen, dann aber eher harmonisch in den Dominantseptakkord eingebettet. Unsere Gemeinde singt z. B. beim Lied "Ave Maria klare" (GL 581) abweichend von der GL-Fassung am Anfang b-g-es-a-f-b-b und damit einen wirklichen Tritonus zwischen es und a. Finde ich immer wieder verblüffend, aber ist ja - wie gesagt - voll harmonisch eingebettet und damit ein ganz anderer Fall als der lydische Bernstein-Tritonus. Edited November 20, 2010 by Rosario Link to comment Share on other sites More sharing options...
Lucie Posted November 22, 2010 Author Report Share Posted November 22, 2010 Herzlichen Dank für Eure Anmerkungen. Der Vollständigkeit halber noch ein mixolydisches Beispiel (da gibt es doch schon wieder einiges mehr) Dur mit verminderter Septime: veni creator spiritus, mentes tuorum visita, imple superna gratia, quae tu creasti pectora lat. oder dt. GL 240/241, EG 126, Eingestimmt 435/436 überall in F-mixolydisch oder eigentlich hypomixolydisch, da es ja unter den Grundton geht, korrekt? Link to comment Share on other sites More sharing options...
Franciscus non papa Posted November 22, 2010 Report Share Posted November 22, 2010 kleine septim muss es heissen. nur so am rande Link to comment Share on other sites More sharing options...
Lucie Posted November 23, 2010 Author Report Share Posted November 23, 2010 (edited) kleine septim muss es heissen. nur so am rande Ah, danke, aber was genau ist der Unterschied? Heißt "vermindert", dass sie normalerweise "groß" wäre, was aber bei diesem Modus nicht der Fall ist, da sie hier ja normalerweise klein ist? Dann gilt das auch für oben (mein Eingangsposting): große Sexte bei dorisch, kleine Sekunde bei phrygisch, oder? Edited November 23, 2010 by Lucie Link to comment Share on other sites More sharing options...
Franciscus non papa Posted November 23, 2010 Report Share Posted November 23, 2010 kleine septim muss es heissen. nur so am rande Ah, danke, aber was genau ist der Unterschied? Heißt "vermindert", dass sie normalerweise "groß" wäre, was aber bei diesem Modus nicht der Fall ist, da sie hier ja normalerweise klein ist? Dann gilt das auch für oben (mein Eingangsposting): große Sexte bei dorisch, kleine Sekunde bei phrygisch, oder? wenn in einer leiter oder einem modus ein ton höher oder tiefer gemacht wird durch vorzeichen, dann heisst das alteriert. für intervalle gilt: die prim, quart, quinte und oktav sind rein (also in einer durtonleiter zum beispiel) werden die vergrößert durch erhöhung des oberen tones oder durch erniedrigung des tiefern tones, dann sind sie übermäßg. werden sie verkleinert, dann sind sie vermindert. (das kann man auch zweimal machen, dann sind sie doppelt übermäßig oder doppelt vermindert) alle anderen intervalle sind entweder groß oder klein. werden diese vergrößert, dann werden sie von groß zu übermäßig, (oder natürlich von klein zu groß) werden sie verkleinert, dann werden sie von groß zu klein, bzw. vermindert. Link to comment Share on other sites More sharing options...
Franciscus non papa Posted November 23, 2010 Report Share Posted November 23, 2010 Dann gilt das auch für oben (mein Eingangsposting): große Sexte bei dorisch, kleine Sekunde bei phrygisch, oder? deswegen spricht man auch von der dorischen sexte oder der phrygischen sekunde. Link to comment Share on other sites More sharing options...
Lucie Posted November 23, 2010 Author Report Share Posted November 23, 2010 kleine septim muss es heissen. nur so am rande Ah, danke, aber was genau ist der Unterschied? Heißt "vermindert", dass sie normalerweise "groß" wäre, was aber bei diesem Modus nicht der Fall ist, da sie hier ja normalerweise klein ist? Dann gilt das auch für oben (mein Eingangsposting): große Sexte bei dorisch, kleine Sekunde bei phrygisch, oder? wenn in einer leiter oder einem modus ein ton höher oder tiefer gemacht wird durch vorzeichen, dann heisst das alteriert. für intervalle gilt: die prim, quart, quinte und oktav sind rein (also in einer durtonleiter zum beispiel) werden die vergrößert durch erhöhung des oberen tones oder durch erniedrigung des tiefern tones, dann sind sie übermäßg. werden sie verkleinert, dann sind sie vermindert. (das kann man auch zweimal machen, dann sind sie doppelt übermäßig oder doppelt vermindert) alle anderen intervalle sind entweder groß oder klein. werden diese vergrößert, dann werden sie von groß zu übermäßig, (oder natürlich von klein zu groß) werden sie verkleinert, dann werden sie von groß zu klein, bzw. vermindert. Aha, dann ist die dorische Sexte groß, die phrygische Sekunde klein, die lydische Quarte übermäßig und die mixolydische Septime klein? Link to comment Share on other sites More sharing options...
Franciscus non papa Posted November 23, 2010 Report Share Posted November 23, 2010 genau so ist es. immer das intervall von der finalis aus gerechnet. Link to comment Share on other sites More sharing options...
Rosario Posted November 24, 2010 Report Share Posted November 24, 2010 Wenn man die Kirchentonart heraushören will, kann man auch auf unsere Dur-/Moll-Hörbewohnheit zurückgreifen und jeweils eine Abweichung erkennen: dorisch: Moll mit großer Sexte phrygisch: Moll mit kleiner Sekunde lydisch: Dur mit übermäßiger Quarte mixolydisch: Dur mit kleiner Septime Link to comment Share on other sites More sharing options...
Franciscus non papa Posted November 25, 2010 Report Share Posted November 25, 2010 das geht schon, ist natürlich eigentlich der sache nicht gerecht. besser ist es, zu versuchen, sich in die modi einzufühlen, am besten sicher durch singen. meine schola singt mittlerweile die meisten stücke fast schon vom blatt. es ist eine ganz eigen art, sich darin zu bewegen... Link to comment Share on other sites More sharing options...
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