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Wie hängen Schuld und Scham zusammen?


Sam_Naseweiss

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Im Thread über Gottes Wille wird meines Erachtens viel durcheinander gebracht und mit einander verwechselt, woraus sich die Diskussion, wie dies meißt der Fall ist, auch nährt.

 

So findet dort, wie aber auch bei der kirchlichen Bewertung des Sexualverhaltens, eine Vermischung von Schuld und Scham statt.

 

Nun sind Schuld und Scham meiner Ansicht nach rein menschliche Eigenschaften, die Tieren fehlen.

Wobei ich hier Schuld im Sinne von Reue verstehe.

 

Die Frage, ob Homosexualität eine Sünde sei, hängt davon ab, ob sie gegen ein göttliches Verbot gerichtet ist, oder nicht.

Wobei ein göttliches Gebot kein willkürlicher Erlaß sein kann, sondern etwas ist, was sich aus der Ordnung Gottes ergibt.

Dies bedeutet, daß es irgendeinen höheren Sinn dafür geben müßte, daß z.B. Homosexualität bzw. die praktizierte Homosexualität oder auch bestimmte Sexualpraktiken zu meiden sind.

Wobei aber keine natürliche Gründe relevant sein können, was ich hier aber nur dann weiter ausführen will, wenn dies hinterfragt wird.

 

Das wir bezüglich manchen Sexualpraktiken oder sexuellen Neigungen mit einem Schamgefühl reagieren, verleitet dazu, diese auch moralisch zu verurteilen.

 

Daraus ergibt sich die Frage, ob Reue und Scham quasi die gleiche Sache sind oder ob sie unterschiedlich sind?

 

Handelt es sich um die gleiche Sache, dann ist amoralisch, was Scham hervorruft und dann könnten bestimmte Praktiken amoralisch sein, einfach weil wir dabei mehr Scham empfinden.

Das das Brechen von Tabus, daher das Tun von Dingen, die Schamgefühle hervorrufen, auch lustvoll sein kann, tut nur dann etwas zur Sache, wenn es sich gezeigt hat, daß Reue und Scham moralische Gefühle sind. Denn dann wäre eine Gesellschaft, in der die Scham abnimmt, per se auch unmoralischer.

 

Aus christlicher Sicht ist bezüglich der Gemeinsamkeit von Scham und Schuld die Vertreibung aus dem Paradies zentral.

Das Adam und Eva vom Baum der Erkenntnis zwischen Gut und Böse gegessen haben, offenbarte sich nämlich darin, daß sie Scham empfanden.

 

Als Atheist kann man durchaus akzeptieren, daß diese Geschichte zumindest ein Symbol darstellt, für einen Zusammenhang, den schon die Alten erkannt hatten. Nämlich für den Zusammenhang zwischen Scham und Moral.

Es scheint also so zu sein, daß Scham und Schuld, daher Sittlichkeit und Moral, im Grunde die gleiche Sache sein könnten, weil sie besondere Eigenschaften der Menschen sind und gemeinsam auftreten.

Für die Christen scheint der Zusammenhang auch naheliegend.

 

Tatsächlich gibt es aber auch Unterschiede zwischen Reue und Scham. So führt die Scham dazu, daß wir uns zurückziehen, daß wir etwas meiden wollen, während die Reue dazu führt, daß wir etwas wieder gut machen wollen und wir die Verzeihung suchen.

Während die Reue ein Verstoß gegen das Sollen begleitet, begleitet die Scham quasi ein Verstoß gegen das Sein.

Man schämt sich für seinen Körper, seine Nacktheit etc. Während man bereut, was man tut etc.

Nun kann es aber dazu kommen, daß jemand etwas tut, wofür er sich schämt und dann der Ansicht ist, daß es auch unmoralisch war, weil er sich ja schämt und diese führt dann dazu, daß etwas, was primär nur Scham hervorruft plötzlich auch mit einem Gefühl der Reue begleitet wird. Dies führt zur problematischen Situation, daß wir über ein Sein urteilen wie über ein Sollen.

 

Ist Scham und Schuld die Folge einer gemeinsamen Wurzel oder sind sie zwei Seiten der gleichen Sache?

 

Ich neige zur Ersterem und damit unterscheide ich zwischen Sittlichkeit und Moral.

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Als kurzen Einwurf:

Der Geschlechtsakt zweier amtlich korrekt verheirateter Eheleute (lassen wir ihn auch noch zum Zwecke der kinderzeugung geschehen, dann sind wir auf der völlig sicheren Seite) ist in keinem Fall irgendwie sündig, moralisch anstößig oder schlecht.

 

Warum würden diese Eheleute trotzdem Scham empfinden, wenn sie ihn vor Publikum vollziehen müssten?

 

Das spricht doch gegen einen direkten Zusammenhang von Scham und Schuld.

 

Werner

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Wenn ich mich recht erinnere, unterscheidet man in der Kulturanthropologie (grob gesagt) zwischen Scham- und Schuldkulturen, also zwei unterschiedlichen Weisen, mit gesellschaftlich unerwünschtem Verhalten bzw. Ansichten umzugehen.

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Scham tritt dann auf, wenn das äußere Bild (das sich jemand von mir macht) in Konflikt mit dem inneren Bild (das ich mir von mir mache oder machen möchte) in Konflikt gerät.

 

Ich schäme mich, wenn ich was falsch gemacht habe (womöglich sogar schuldig geworden bin) und befürchte, dass jemand daraus schließt, dass der ganze Mecky so ist. Es gibt Menschen, bei denen ich geradezu schamlos über bestimmte Fehler reden kann. Sie kennen mich sowieso, und wissen wie ich bin und dass diese Fehlerhaftigkeit nicht alles an mir ist.

 

Das Schämen vor Nacktheit tritt auch nur auf, so lange jemand sich seines äußeren Bildes noch nicht selbst sicher genug ist und er sich aus den Fremdbildern (neugierig, verächtlich, Anlass zu blöden Bemerkungen) was macht.

Babys kennen diese Scham noch nicht. Sie gehen schlicht davon aus, dass alles so in Ordnung ist, wie es eben ist.

Irgendwann erkennen sie, dass andere da was zu neugierigem Gucken, zum Grinsen und zum Vergleichen entdecken. Und dann schämen sie sich - besonders kurz vor der Pubertät. "Ich bin doch kein Zootier, das man beäugen kann."

 

Scham ist Angst vor dem Ausgesetzt sein. Ausgesetzt der wertenden Beurteilung.

Scham verstärkt sich durch Schuldgefühle. Denn hier legen sich die wertenden Beurteilungen so nahe. Und man ist dem gegenüber so entsetzlich schutzlos. Man ist so entsetzlich gefühls-manipulierbar (eine herzlose Kritik manipuliert z.B. via Vorwürfe ganz furchtbar mein Gefühlsleben. Man fühlt sich nur noch schlecht und fragt sich, ob man zur Gänze schlecht ist.)

 

Die Konzepte gegen die Scham setzten somit an folgenden Punkten an:

1. Verbergen. So, dass niemand mehr was sehen kann, was man wertend beurteilen könnte.

2. Selbstbewusstsein. Man steht dazu, wie man nun mal ist.

"Mir doch egal, wenn mich jemand nackt sieht. So was Außergewöhnliches gibt es da nicht zu sehen."

Oder: "Mir doch egal, wenn mein Fehler auffliegt. Jeder hat ein Recht auf seine Fehler."

3. Abwiegen von Verbergen/Öffnen und Selbstbewusstsein/Schwachsein. Das funktioniert, indem man Personenkreise unterscheidet.

Im Badezimmer nackt von seinem Ehepartner gesehen zu werden, juckt kaum jemandem. Der Ehepartner weiß sowieso, was ihn erwartet.

Auf dem FKK-Strand gesehen zu werden, juckt viele nicht. Es ist akzeptiert, dass ein Mensch nun mal so aussieht. Kein Anlass zur Neugier.

Dagegen ist der Gedanken, nackt auf dem belebten Marktplatz zu stehen, den meisten Leuten eher peinlich. Außer sie machen aus der Not eine exhibitionistische Tugend. Das führt zu ...

4. Akzeptanz bzw. Überspringen der Scham. Das führt dann in Richtung Selbstdarstellung. In manchen Fällen zu den Sonderfällen von (Seelen-)striptease oder Exhibitionismus oder Angeberei mit den eigenen Fehlern.

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Als kurzen Einwurf:

Der Geschlechtsakt zweier amtlich korrekt verheirateter Eheleute (lassen wir ihn auch noch zum Zwecke der kinderzeugung geschehen, dann sind wir auf der völlig sicheren Seite) ist in keinem Fall irgendwie sündig, moralisch anstößig oder schlecht.

 

Warum würden diese Eheleute trotzdem Scham empfinden, wenn sie ihn vor Publikum vollziehen müssten?

Ja. Daneben gibt es auch Dinge, für die viele Menschen sich schämen würden, wenn sie nur bekannt würden - ohne dass sie deswegen moralische Schuldgefühle hätten.

 

Ich denke, der Unterschied zwischen Scham und Schuld wird in dem Maße deutlich, wie die Moral von irrationalen Bestandteilen gereinigt wird.

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