Jump to content

Bibeldiskussion: Jael und Sisera (und Debora)


bluemarvin

Recommended Posts

bluemarvin

Hallo,

 

ich habe mit der Geschichte aus Richter 4 ein Problem:

 

Jabin unterdrückt (als Strafe Gottes) Israel. Nach 20 Jahren gibt die Richterin Debora dem Barak den Auftrag, gegen Jabins Feldherrn Sisera auszuziehen, da angeblich Gott dies geboten hat.

 

Da finde ich schon mal das entsprechende Gebot (d.h. Auftrag Gottes), auf das sich Debora bezieht, nicht in der Bibel. Das ist aber noch nicht so schlimm - vielleicht hat sie ja den Auftrag direkt von Gott bekommen, und formuliert nur etwas rätselhaft.

 

Richtig schlimm finde ich die Stelle, wo Jael, deren Mannes Haus in Frieden mit Jabin lebt, den erschöpften Sisera unter Vortäuschung der Gastfreundschaft, heimtückisch umbringt:

 

1. Die Gastfreundschaft ist ja zu der Zeit und in der Gegend fast "heilig" - und Jael bringt Sisera um.

2. Jael bringt Sisera trotz des Friedens zwischen beiden Häusern um.

3. Es wird nirgendwo erwähnt, dass Jael direkt von Gott, oder ggf. von Debora den Auftrag hat, Jael so heimtückisch zu morden - sie handelt also auf eigene Faust.

 

Ich finde die ersten beiden Punkte schon "heftig" und problematisch, selbst wenn es irgendwo einen Auftrag an Jael gäbe - ich muss da immer an die Ver(w)irrten denken, die im vermeintlichen Auftrag Gottes oder Allahs ohne Rücksicht auf Normen i.w.S. (z.b. ohne Rücksicht auf Zivilbevölkerung, insbes. Kinder) Attentate verüben oder sich in belebter Umgebung in die Luft sprengen. Aber wenn Jael dann auch noch ohne erkennbaren Auftrag handelt...

 

Wie seht Ihr das?

Link to comment
Share on other sites

Nachtigall

Hallo Bluemarvin,

ja, damit habe ich auch ein bisschen ein Problem. Aber das ganze AT ist voll von solchen Dingen, dass Gott den Auftrag gibt, irgendwelche bösen Heiden umzubringen. Auch bei Frauen wie Debora und Judith. Bei der Eroberung des gelobten Landes haben die Israeliten auch den Auftrag bekommen, sich das Land eigen zu machen und die Einheimischen zu vertreiben, und da wurde auch viel gemordet und geplündert. Es steht zwar in den 10 Geboten: Du sollst nicht morden, aber da hatten sie wohl einen Ausnahmeauftrag. Das kann ich auch nicht ganz verstehen.

Gott tötet auch selber, nicht nur Einzelne, sondern fast alle in der Sintflut, oder lässt sie krank werden. Da braucht mir keiner daherkommen und sagen, Gott würde Tod und Krankheit nicht wollen, derer gibt es nämlich viele, die mir das einreden wollten. Vielleicht will Er es ja auch gar nicht, sondern sieht sich durch diese Verderbtheit dazu gezwungen.

Da sehen wir eine andere Seite Gottes, nämlich die strafende und gerechte Seite. Er hat dabei nicht die Unschuldigen dran glauben lassen, sondern sich auf die verdorbene Menschheit konzentriert. Man muss das AT mal ganz lesen, das habe ich vor einigen Jahren mal gemacht. Ich bin mir vorgekommen wie im Horrorfilm, was die Heiden alles Schlimmes getrieben haben, alles an Verbrechen, was es heute auch gibt, nur dass es damals keine Massenmedien gab, die davon erfahren haben. Sodom und Gomorrha ist auch so ein Beispiel. Da wundert es mich dann wiederum nicht, dass Gott, der Herr über Leben und Tod ist, immer wieder mal richtig aufgeräumt hat. Darum haben auch die Juden solche umfangreichen und strengen Gebote bekommen, die sie eine Zeitlang gehalten haben, bis wieder der Einfluss der Heiden kam und sie diese bösen Spielchen wieder mitgemacht haben. Die Juden haben dann immer gewaltige Züchtigungen bekommen, damit sie wieder auf den rechten Weg finden konnten.

L. G. Nachtigall

Edited by Nachtigall
Link to comment
Share on other sites

bluemarvin

Hallo Nachtigall,

 

erstmal danke für Deinen langen Beitrag.

 

Mir geht es allerdings nicht um das Gottesbild im AT, und auch nicht in dieser Geschichte, sondern darum, dass Jael die Gastfreundschaft auf's Allerschlimmste verletzt, indem sie ihren Gast nicht schützt, sondern hinterrücks ermordet, und das auch noch ohne (erkennbare) Rechtfertigung aus Gottes Befehl.

 

Debora informiert zwar Barak am Anfang, dass der Ruhm einer Frau gehören wird, aber zu Jael sagt sie nichts.

 

Grüße,

Bluemarvin

Link to comment
Share on other sites

Aristippos
Mir geht es allerdings nicht um das Gottesbild im AT, und auch nicht in dieser Geschichte, sondern darum, dass Jael die Gastfreundschaft auf's Allerschlimmste verletzt, indem sie ihren Gast nicht schützt, sondern hinterrücks ermordet, und das auch noch ohne (erkennbare) Rechtfertigung aus Gottes Befehl.

Auf Gottes Befehl jemanden hinterrücks zu ermorden wäre gerechtfertigt?

Link to comment
Share on other sites

bluemarvin
Mir geht es allerdings nicht um das Gottesbild im AT, und auch nicht in dieser Geschichte, sondern darum, dass Jael die Gastfreundschaft auf's Allerschlimmste verletzt, indem sie ihren Gast nicht schützt, sondern hinterrücks ermordet, und das auch noch ohne (erkennbare) Rechtfertigung aus Gottes Befehl.

Auf Gottes Befehl jemanden hinterrücks zu ermorden wäre gerechtfertigt?

Das genau ist der Punkt, um den es mir nicht in erster Linie geht. Im AT (insbes. in den 5 Büchern Mose und in Josua) geschehen auf Gottes Geheiß auch viele andere Gräueltaten und schreckliche Dinge, so dass ich das nicht unbedingt bei dieser Geschichte diskutieren muss.

Link to comment
Share on other sites

Nachtigall
Mir geht es allerdings nicht um das Gottesbild im AT, und auch nicht in dieser Geschichte, sondern darum, dass Jael die Gastfreundschaft auf's Allerschlimmste verletzt, indem sie ihren Gast nicht schützt, sondern hinterrücks ermordet, und das auch noch ohne (erkennbare) Rechtfertigung aus Gottes Befehl.

Auf Gottes Befehl jemanden hinterrücks zu ermorden wäre gerechtfertigt?

Das genau ist der Punkt, um den es mir nicht in erster Linie geht. Im AT (insbes. in den 5 Büchern Mose und in Josua) geschehen auf Gottes Geheiß auch viele andere Gräueltaten und schreckliche Dinge, so dass ich das nicht unbedingt bei dieser Geschichte diskutieren muss.

Wie du siehst, hat hier jeder ein Problem, ob es dir nur um die paar Personen geht oder uns ums allgemeine. Es ist verwunderlich, aber wir müssen nicht alles verstehen, was Gott wie entscheidet. Ich lasse so etwas auf sich beruhen, weil ich keinen Sinn sehe, mich da so hineinzudenken, was ich eh nicht nachvollziehen kann. Ich habe im Leben gelernt, dass man vieles annehmen muss, ohne es zu verstehen.

Edited by Nachtigall
Link to comment
Share on other sites

Ja, das AT ist voll von Geschichten, in denen Menschen einen Auftrag von Gott erhalten, der zumindest aus heutiger Sicht zu fragwürdigen Handlungen führt.

 

Mir persönlich hilft hier immer, erst einmal die Perspektiven zu klären. Die Erzählungen des AT sind nicht vom Himmel gefallen, sie wurden von bestimmten Menschen in einer bestimmtem Situation zu einem bestimmten Zweck niedergeschrieben, gesammelt, bearbeitet und in den Kontext eines Buches der Bibel gestellt. Warum findet sich hier also eine solche Geschichte mit der erklärung, Gott habe sie verursacht.

Das Buch der Richter ist eine Zusammenstellung von Geschichten, die in vorköniglicher Zeit spielen. Aus historischer Perspektivekenne wir eine Reihe archäologischer Ausgrabungen. Diese können die Geschichten des Richterbuches weder plausibilisieren, noch ihnen widersprechen. Die Richtergeschichten kann man im historischen Kontext nicht verorten. Sie stehen da wie zeitlose Sagen, eingeordnet im Buch der Richter in den kontext einer theologischen Geschichtsdarstellung die bis in die Zeit des untergangs des Königreiches Juda reicht.

Aus dieser theologischen Perspektive ist die geschiche zwischen Gott und seinem Volk eher schwierig. Jedenfalls erklärt man den letztendlichen Untergang des Königtums damit, dass Israel immer wieder von seinem Gott abfällt und der sich letztendlich nicht mehr anders zu helfen weiß, als Israel seinem Schicksal zu überlassen. Das ist das Erklärungsmuster der sog. deuteronmistischen erzähler, die damit ihre zeitgenössische Situation nach dem Untergang Judas interpretieren. Und dieses Erklärungsmuster wird auch auf eine vorkönigliche Zeit angewandt.

Das hat dann zwei Folgen: zum einen findet man insgesamt dieses Schema: ist Israel Jahweh treu, dann geht es ihm gut, wenn nicht, dann lässt Jahweh es leiden. Zum anderen werden immer wieder einzelne Personen dargestellt, die den Willen Gottes in besonderer Weise ausführen. Sie stehen beispielhaft für besonders frommes und heldenhaftes Handeln in der Zeit der Unterdrückung. Und so erleben die autoren des Richterbuches auch ihre Zeit.

Das führt aber nicht zu einer besonders konsistenten Darstellung. Man will sein Volk auf eine besonders Jahwehtreue Haltung und auf ein Durchhalten im Glauben einschwören. Dabei verspricht man dem Leser, dass Gott das eigene Volk retten wird. Es gibt in dieser Darstellung keine gesamthafte Perspektive und auch nicht die Idee eines umfassenden Menschenrechtes. Gott ist nur gerecht zu seinem eigenene Volk, die anderen mögen sich um sich selbst kümmern.

Wir haben hier eine Perspektive aus einer bestimmten Zeit, die später im AT auch revidiert wird. Es gehört aber zur Eigenart des AT, dass man nicht immer alles Ältere Widersprechende beseiteigt. man lässt es stehen.

Link to comment
Share on other sites

Ich finde es richtig und wichtig, DASS diese verschiedenen Bilder von Gott im AT enthalten sind und auch bleiben- und dass darüber diskutiert wird. Auch und gerade über die krummen Zeilen, auf denen Gott /angeblich) gerade geschrieben hat.

Edited by mn1217
Link to comment
Share on other sites

×
×
  • Create New...