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Färbt der Raum ab?


Flo77

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Ein für mich seltsames Phänomen am Rande:

 

In modernen Gemeindeverbänden gibt es ja in der Regel mehrere Kirchengebäude aus verschiedenen Epochen. Vielleicht bildet sich sogar in einem solchen Verband die Pfarrgeschichte des ganzen Gebiets ab mit mittelalterlicher Urpfarrei, den Rektoraten und dann zur Pfarrei erhobenen Filialen aus der Gründerzeit bzw. der industriellen Revolution und nicht zuletzt den "Flüchtlingsgemeinden", die nach dem zweiten Weltkrieg entstanden.

 

In einem solchen Verband herrschen natürlich unterschiedliche demographische Gegebenheiten. Die Nachkriegssiedlungen sind heute oft vielfach überaltert und die Quartiere werden wie eh und je von unterschiedlichen Milieus besetzt.

 

Nun sehen die meisten "Pastoralpläne" der Bistümer ja keine Missionstätigkeit vor sondern gehen eher davon aus Standorte aufzugeben - in der Regel (so mein Eindruck) trifft das vorallem die nach 1950 errichteten Kirchen, die schon von außen eher einen "profanen" Eindruck machen und aufgrund ihrer Architektur (Beton, weite, stützenfreie Räume, offenes Raumkonzept) vermutlich einfacher für andere Zwecke zu verwenden sind.

 

Wohin orientieren sich aber die Gläubigen (von denen ja immer gedacht wird, daß sie sich bewusst für Kirche entscheiden), wenn ihnen die Gemeindekirche nicht durch episkopalen Ukas genommen wird, sondern quasi die natürliche Dynamik berücksichtigt wird?

 

Und wer bestimmt diese Dynamik?

 

Klar, Familien werden sich tendenziell eher zu den Gemeinden orientieren, in denen das Angebot an Kinder- und Familiengottesdiensten größer ist. Jugendliche werden sich vermutlich eher an einen Messstandort halten, der in der Jugendarbeit seinen Schwerpunkt hat.

 

Aber wie bekommt eine Kirche einen Zielgruppenschwerpunkt?

 

Nur durch das Pastoralkonzept, das einer bestimmten Zielgruppe eine Kirche quasi zuweist? Oder muss doch erst mal das Interesse vorhanden sein? Und welche Rolle spielt dabei eigentlich die Architektur?

 

Kann hier noch jemand meine Beobachtung bestätigen, daß sich heute das Angebot insbesondere für Familien vorallem an Kirchen konzentriert, die die 100 schon gepackt haben, weil die Leute sich unabhängig von Wohnort und Schule vorallem dorthin orientieren?

 

Ist das eine Art "Sehnsucht" nach der "guten alten Zeit" oder hat das nur ästhetische Gründe?

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GermanHeretic
Ist das eine Art "Sehnsucht" nach der "guten alten Zeit" oder hat das nur ästhetische Gründe?

Was heißt "nur"? Ästhetik ist in der religiösen Praxis sehr wichtig.

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Ich denke, der allerhäufigste Grund bei der "Kirchengebäudewahl" ist die Gewohnheit. Man geht dahin, wo man immer schon hingegangen ist - und wehe, irgendjemand versucht, einem das liebgewonnene Kirchengebäude zu nehmen!!!

(Das kann soweit gehen, daß Gemeindemitglieder eine "Notkirche", die eigentlich nur eine Übergangslösung war, erhalten wollen obwohl sie bauartbedingt nach einigen Jahrzehnten nur noch abbruchreif ist und eine Renovierung widersinnig.)

 

Wenn man umzieht und die alte Gemeinde nicht mehr erreichbar ist, dann dürfte bei der Wahl der Wahlgemeinde wichtig sein, wo man für sich ansprechende Angebote findet, wo man aufgenommen wird und nicht an der "Wehrmauer" der Alteingesessenen scheitert und wo einem der Priester am besten gefällt. Bei der Suche nach der nächsten Kirche könnte dabei allenfalls das Problem auftreten, daß man einen modernen Bau beim Vorbeifahren nicht als Kirche wahrnimmt.

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Die Nachkriegssiedlungen sind heute oft vielfach überaltert und die Quartiere werden wie eh und je von unterschiedlichen Milieus besetzt.

 

...

 

Kann hier noch jemand meine Beobachtung bestätigen, daß sich heute das Angebot insbesondere für Familien vorallem an Kirchen konzentriert, die die 100 schon gepackt haben, weil die Leute sich unabhängig von Wohnort und Schule vorallem dorthin orientieren?

Wenn heutzutage die Gemeinden in Nachkriegskirchenbauten am wenigsten lebendig scheinen kann das mehrere Ursachen haben:

 

Wie Du schon gesagt hast: Teilweise sind die Gemeinden da überaltert; die Leute, die da vor vierzig, fünfzig Jahren mit kleinen Kindern hingezogen sind und die Gemeinde aufgebaut haben wohnen da immer noch - aber eben keine Kinder mehr. Wenn dann noch die "Platzhirsche" in der Gemeinde immer an ihren "Ämtern und Pöstchen" festgehalten haben und nie mal die Jüngeren rangelassen haben, dann "stirb" diese Gemeinde mit ihren Gründugnsmitgliedern aus.

 

Möglicherweise waren die Neugründungen der Nachkriegszeit auch zu optimistisch. Mit volkskirchlichen Strukturen wären sie noch zu füllen gewesen, für eine Wahlgemeinde sind sie aber zu groß. Dann kann es sein, daß sich manche gemeindliche Aktivitäten zentrieren - und die Kirche im Zentrum ist meist eine der älteren.

 

Das Bistum Essen stand im Zuge seiner Strukturreform vor der Aufgabe, eine ganze Reihe von Kirchengebäuden aufzugeben. Dazu gab es Informationen im Netz, die ich jetzt leider nicht mehr finde. Aus dem Kopf heraus: Auswahlkriterien waren z.B. auch die historische Bedeutung von Kirchenbauten und teilweise uralte rechtliche Bedingungen, die an konkreten Pfarrkirchen hingen; beides bewahrt eher die älteren Kirchen.

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Wenn man umzieht und die alte Gemeinde nicht mehr erreichbar ist, dann dürfte bei der Wahl der Wahlgemeinde wichtig sein, wo man für sich ansprechende Angebote findet, wo man aufgenommen wird und nicht an der "Wehrmauer" der Alteingesessenen scheitert und wo einem der Priester am besten gefällt.
Hätte ich auch vermutet. Ebenso, daß Gottesdienstzeiten eine Rolle spielen.

 

Wenn man allerdings eh nur 2 oder drei Priester hat, die in den Gemeinden abwechselnd zelebrieren fällt ein Punkt schon mal weg.

 

Auch die Gottesdienstzeiten scheinen nur bedingt Auswirkungen zu haben (Familienmessen um 9h finde ich z.B. sehr früh - scheinen aber zu funktionieren, auch wenn der Hauptgottesdienst erst nach 10:30 anfängt...). Vorausgesetzt die Kirche passt architektonisch.

 

Bleiben noch "Aufnahme" und "Wehrmauer" - laienhaft würde ich sagen, daß sich dieses Problem nur selten stellt.

 

Wer nur zur Messe geht und sonst kein Interesse an der Gemeindearbeit hat, seinen Lebensmittelpunkt ganz woanders sieht und froh ist, "wenn's läuft", dem werden die "Wehrmauern" egal sein. Und in meinem pessimistischen Realismus denke ich, daß das nicht wenige sind.

 

Entsprechend ist auch die "Aufnahme" eine relative Sache. Dem Einen reicht es, wenn er Sonntags ein paar Gesichter immer wieder sieht und man sich grüßt, der Nächste braucht ein paar warme Worte und der Dritte die Einladung zum Hauskreis und zur Hausmesse - es dürfte Künste des "Establishments" kosten, bei neuen Gesichtern den richtigen Ton zu treffen...

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Sind die älteren Kirchen nicht in aller Regel die zentraler gelegenen, die auch gut verkehrlich angebunden sind?

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Sind die älteren Kirchen nicht in aller Regel die zentraler gelegenen, die auch gut verkehrlich angebunden sind?
Das hängt von der Stadtplanung ab - in dem Fall, den ich im Hinterkopf habe, trifft das nur teilweise zu.
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Ich denke, der allerhäufigste Grund bei der "Kirchengebäudewahl" ist die Gewohnheit. Man geht dahin, wo man immer schon hingegangen ist

 

für mich nicht. für mich ist Kirche immer Wahlheimat (vgl. hierzu gern: Wollbold, Andreas: Kirche als Wahlheimat).

 

abgesehen davon: meine - momentan immer noch - Lieblingskirche (Zitat stammt nicht von mir, sondern aus einer Predigt des damaligen Pfarrers)

 

"brennt im Schnitt allle fünfzig Jahre ab. Bis dahin ist noch Zeit - also: machen Sie sich keine Sorgen."

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Ich denke, der allerhäufigste Grund bei der "Kirchengebäudewahl" ist die Gewohnheit. Man geht dahin, wo man immer schon hingegangen ist

 

für mich nicht. für mich ist Kirche immer Wahlheimat (vgl. hierzu gern: Wollbold, Andreas: Kirche als Wahlheimat).

 

abgesehen davon: meine - momentan immer noch - Lieblingskirche (Zitat stammt nicht von mir, sondern aus einer Predigt des damaligen Pfarrers)

 

"brennt im Schnitt allle fünfzig Jahre ab. Bis dahin ist noch Zeit - also: machen Sie sich keine Sorgen."

 

Aber sicher ist Kirche Wahlheimat. Herr Wollbold läßt seinen Schäfchen ja auch keine andere Wahl...

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Die Kirche (ich meine das Gotteshaus) meiner Kindheit ist um 1960 ein Opfer des damals "bilderstürmenden" Pfarrers geworden, der auch einen neuen Altar und neue Bankreihen ohne Mittelgang einrichten ließ. Lediglich das Kreuz in der Vierung blieb.

 

Ich habe von da an diese Kirche gemieden. Inzwischen wurde (so zwischen 2006 und 2010) generalsaniert und restauriert. Die Kirche hat viel von ihrem alten Charme (neoromanisch) zurückbekommen. Trotzdem fühle ich mich dort nicht wieder heimisch und ziehe bei den Besuchen in meiner "alten Heimat" eine der modernen Kirchen vor, wo ich mich in den entsprechenden Pfarrgemeinden immer daheim fühle.

Es macht nicht (allein?) der Bau. Ein Problem ist auch, dass die Gemeinde trotz des Generationswechsels (einst junge Familien, jetzt vorwiegend ältere Leute) lebendig ist. (Das hängt auch, aber nicht nur am Pfarrer.)

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In unserem Pfarrverbund gibt es acht Kirchen, überwiegend Nachkriegsarchitektur, teils wirklich grottenhässlich. Und ich diese modernen, wohnortnahen Kirchen werden tatsächlich überwiegend von alten Menschen aufgesucht, die eben in dieser Gemeine alt geworden sind. Wenn die Besucherzahlen dort altersbedingt weiter sinken, wird man sicher die eine oder andere davon aufgeben.

 

Eine der älteren, architektonisch ansprechenderen Kirchen wird recht besucht, wobei ich nicht sagen kann, ob es nur an der Architektur liegt oder auch daran, dass es die mit Abstand größte Gemeinde im Verbund ist. Die Messteilnehmer sind altersmäßig gemischter als in den anderen Kirchen, aber eine deutliche Überalterung ist natürlich auch hier feststellbar.

 

Es sind schon Tendenzen erkennbar, neue Veranstaltungen eher in dieser Kirche anzubieten, jüngere Leute eher dorthin zu ziehen, sicher auch, damit die anderen Kirchen mittelfristig aufgegeben werden können, ohne dass es zu allzu großen Reibungsverlusten kommt. Letztlich muss man die Leute beizeiten daran gewöhnen, dass sie ggf. etwas weiter fahren müssen zur Kirche. Wenn die fußläufige Entfernung allzu selbstverständlich ist, funktioniert eine Umgewöhnung nur noch schwer.

 

Die Wehrmauern würde ich allerdings auch nicht unterschätzen, aber die hängen meist weniger mit der Altersstruktur oder der Architektur zusammen, sondern mit der Grundstimmung in der Gemeinde. Und ich glaube, dass es unter den regelmäßigen Messbesuchern unterm Strich nur wenige gibt, die gar kein Bedürfnis nach Zugehörigkeit haben, sondern nur unbehelligt an der Messe teilnehmen wollen. Man muss ja nicht gleich n zig Gremien aktiv sein, aber gekannt, gegrüßt, bei längerem Fehlen vermisst zu werden, gibt vielen doch ein schönes Gefühl von Zugehörigkeit. Und Gemeinschaft lebt ja auch davon, dass die Anonymität aufgebrochen wird.

 

Gruß,

 

Avila

 

 

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