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Hagar und Ismael


WMayer

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Ich bin da auf eine Stelle in der Genesis gestoßen (worden), aus der ich nicht ganz schlau werde. Es geht um Kapitel 21, so etwa ab Vers 9. Weiter vorne ist zu lesen, dass Abraham und seine Frau Sara trotz fortgeschrittenen Alters keine Kinder, vor allem keinen Sohn, hatten. Abraham hatte dann, mit Einverständnis seiner Frau, deren Magd Hagar geschwängert. Sie gebar ihm einen Sohn, Ismael.

Später ist Sara dann doch noch Schwanger geworden mit dem Sohn Isaak. Sie forderte Abraham alsbald auf, die Magd Hagar mit ihrem Kind wegzuschicken, denn Isaak sollte der einzige legitime Sohn und Erbe Abrahams sein.

Abraham tat schweren Herzens, wie ihm befohlen (das Patriachat war wohl noch nicht so fest verankert, Ehefrauen hatten durchaus auch noch was zu sagen). Er stattete Hagar mit Lebensmittel und Wasser aus und schickte sie fort in die Wüste. Irgenwann ging das Wasser zu Ende. Hagar warf ihr Kind unter einen Strauch und setzte sich in einiger Entfernung von dem Knaben hin und weinte bitterlich. Und auch der Kleine schrie.

Aber welcher Kleine? Abraham war bei der Geburt Ismaels 86 Jahre alt und bei der Geburt von Isaak 100 Jahre. Das heißt also, dass das Kind, das seine Mutter unter den Strauch geworfen hatte, zu diesem Zeitpunkt schon 14 Jahre alt war.

Wie kann das angehen?

Ich bin in einer Facebookgruppe damit konfrontiert worden, in der sich auch viele Moslems tummeln. Und für den Moslem ist der Koran von Gott Wort für Wort Mohammed mitgeteilt worden. Er ist deshalb völlig widerspruchslos und irrtumsfrei, sagen die Moslems.

Ich könnte jetzt damit kommen, dass wir die Bibel doch etwas anders verstehen als die Moslems den Koran. Ich könnte auch den jüdischen Religionswissenschaftler Pinchas Lapide zitieren mit den Worten: "Sie können die Bibel wörtlich nehmen, oder Sie können sie ernst nehmen."

Aber ich würde mich für Unterstützung bei dieser Frage doch sehr freuen.

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Danke für die umfangreiche Antwort. Die Einheitsübersetzung schreibt in der entsprechende Passage "Kind". In anderen Übersetzungen steht an dieser Stelle Knabe oder Junge, in einer franzöisischen Übersetzung garçon, also Junge oder Knabe.

Heute gehen die gläubigen Moslems meist davon aus, dass der Koran in jeder Beziehung Gottes Wort ist. Im Mittelalter war man da wohl schon mal weiter gewesen. Man betrachtete ihn zwar auch als das Wort Gottes, aber niedergeschrieben von einem Menschen in der Sprache der Menschen der damaligen Zeit, und man müsse die Texte stets neu interpretieren. Damals stand in islamischen Ländern die Wissenschaft in hoher Blüte.

Heute will man von einer Neuinterpretation nichts mehr wissen. Das merkt man auch am wissenschaftlichen Leben in den arabischen Ländern.

Einige haben das wohl schon erkannt. Bei Youtube entdeckte ich mal die Predigt eines ägyptischen Immams, der seine Glaubensgenossen der Faulheit und Trägheit beschuldigte. Er forderte sie auf, mal zu überlegen, welche Teile ihres Autos in einem islamischen Land produziert worden sind. Und seine Antwort "Nicht eine einzige Schraube".

Mir scheint, dass sich in weiten Kreisen des Islams die saudi-arabische Auslegung durchgesetzt hat.

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Der Islam steht vor der Aufgabe, theologisch das nachzuholen, was das Christentum bereits weitgehend geleistet hat, nämlich sich kritisch mit dem Text und den Inhalten seiner heiligen Schrift auseinander zu setzen, ohne sich dabei vom Verbot einer anderen als der wortwörtlichen Interpretation knebeln zu lassen. [...] Und ich halte es für die Entwicklung dieser Religion für dringend notwendig.

Du weißt, wie lange das beim Christentum gedauert hat? Und bei einigen ist es bis heute nicht angekommen. Bist du sicher, daß die islamische Welt oder die Welt insgesamt soviel Zeit hat?

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Der Islam steht vor der Aufgabe, theologisch das nachzuholen, was das Christentum bereits weitgehend geleistet hat, nämlich sich kritisch mit dem Text und den Inhalten seiner heiligen Schrift auseinander zu setzen, ohne sich dabei vom Verbot einer anderen als der wortwörtlichen Interpretation knebeln zu lassen. [...] Und ich halte es für die Entwicklung dieser Religion für dringend notwendig.

 

 

Du weißt, wie lange das beim Christentum gedauert hat?

 

Beim Christentum wurden die wichtigsten Ideen, auf denen die heutige Forschung basiert, ganz grob zwischen 1850 bis 1950 entwickelt, mit Vorläufern natürlich, wie Reimarus. Aber der Islam muss ja nicht ganz von vorn anfangen. Wenn der Grill erst einmal erfunden ist, dauert es bis zum T-Bone-Steak nicht mehr lang. Man sollte allerdings davon absehen, die Köche zu erschlagen.

 

Und bei einigen ist es bis heute nicht angekommen.

Nicht nur bei einigen. Bei vielen, leider.

 

Bist du sicher, daß die islamische Welt oder die Welt insgesamt soviel Zeit hat?

 

Gibt es eine Alternative?

 

 

Alfons

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Beim Christentum wurden die wichtigsten Ideen, auf denen die heutige Forschung basiert, ganz grob zwischen 1850 bis 1950 entwickelt, mit Vorläufern natürlich, wie Reimarus. Aber der Islam muss ja nicht ganz von vorn anfangen. Wenn der Grill erst einmal erfunden ist, dauert es bis zum T-Bone-Steak nicht mehr lang. Man sollte allerdings davon absehen, die Köche zu erschlagen.

Moslems erschlagen niemanden - es sei, sie hätten ihn denn! ;) Das Wissen steht zur Verfügung, aber damit Wissen etwas ausrichtet, muß es Köpfe haben, in denen es ankommt, die davon einen angemessenen Gebrauch machen wollen und können. Am einen fehlt es so sehr wie am anderen.

 

 

Bist du sicher, daß die islamische Welt oder die Welt insgesamt soviel Zeit hat?

Gibt es eine Alternative?

 

Was man tun kann? Ich sehe nicht, daß überhaupt etwas getan wird, schon gar nicht in die von dir erhoffte Richtung. Was passieren wird? Nun, wir wissen nicht, was passieren wird. Insgesamt stehen die Zeichen schlecht für die islamische Welt. Sie sind im Moment dabei, jeden Zug zu verpassen, dessen Abfahrt sie nicht verhindern können.

 

Eine Religion zu reformieren, in einer Zeit, in der Religionen eher dabei sind, Wagenburgen zu bauen gegen die pöse, säkulare Welt? Wohl kein besonders geeigneter Zeitpunkt; davon, daß so etwas normalerweise Generationen braucht, ganz abgesehen. Soviel Zeit wird ihnen der Rest der Welt (und damit meine ich nicht abgehalfterte Imperien wie USA oder Europa, sondern Indien oder China, die beide nicht im Rufe stehen, besonders islamfreundlich zu sein) vermutlich nicht geben.

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Teil 1:

Ismael, der Sohn von Abram und Hagar, war bei der Szene, die in Genesis 21, 8-20 geschildert wird, 13 oder 14 Jahre alt. Das geht eindeutig aus dem Zusammenhang hervor (Genesis 16, 16: Und Abram war sechsundachtzig Jahre alt, als ihm Hagar den Ismael gebar). Die Vertreibung der Hagar im 21. Kapitel wird tatsächlich so geschildert, als sei ihr Kind noch ein Baby: Ismael wird auf den Schultern getragen, Ismael schreit und weint. Aber sein Alter wird dort nicht genannt. Einziger Hinweis ist das Wort des Engels, der zu Haggar sagt (Vers 18): "Nimm den Knaben und führe ihn an deiner Hand." Das ist mit einem Baby schwer möglich.

 

Wäre ich ein Evangelikaler, würde ich jetzt nach einer konkretistischen Erklärung suchen. Ich würde zum Beispiel sagen: In jenen barbarischen Zeiten gab es den Brauch, dass jemand, der aus seinem Stamm ausgestoßen wurde, nur das mitnehmen durfte, was er auf seinen Schultern tragen konnte. (So etwas soll ja auch in der deutschen Geschichte vorgekommen sein, wenn man der Sage von den Weibern von Weinsberg glauben darf.) Deshalb legte Abraham seiner Haggar einen Wasserschlauch um die Schultern und setzte ihr auch das 13-jährige Kind noch oben drauf: Nur was du tragen kannst, darfst du mit dir nehmen in die Wüste. Und schon ist der Fall gelöst. Oder, anderer Ansatz: Ismael war verkrüppelt und konnte gar nicht laufen. Dann war die Rettung durch den Engel am Schwurbrunnen eine doppelte und die Aufforderung "Führe den Knaben an deiner Hand" zugleich eine Heilung. (Viel wahrscheinlicher ist allerdings, dass die Erzählungen in Genesis 16 und Genesis 21 unabhängig voneinander überliefert und dann literarisch miteinander verbunden wurden).

 

Weder in meiner Einheitsübersetzung, Schlachter noch Luther trägt Hagar Ismael auf den Schultern. Das steht da nicht. Mit keinem Wort.

 

Das Wort 'yeled' dagegen kann mit Kind bis Jüngling übersetzt werden, auch Josef wird bespielsweise in Gen 37,30 so bezeichnet.

 

 

 

Allerdings könnte es sich dabei auch um einen völlig normalen 14jährigen gehandelt haben, der einfach nur stinkfaul ist?

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Teil 1:

Ismael, der Sohn von Abram und Hagar, war bei der Szene, die in Genesis 21, 8-20 geschildert wird, 13 oder 14 Jahre alt. Das geht eindeutig aus dem Zusammenhang hervor (Genesis 16, 16: Und Abram war sechsundachtzig Jahre alt, als ihm Hagar den Ismael gebar). Die Vertreibung der Hagar im 21. Kapitel wird tatsächlich so geschildert, als sei ihr Kind noch ein Baby: Ismael wird auf den Schultern getragen, Ismael schreit und weint. Aber sein Alter wird dort nicht genannt. Einziger Hinweis ist das Wort des Engels, der zu Haggar sagt (Vers 18): "Nimm den Knaben und führe ihn an deiner Hand." Das ist mit einem Baby schwer möglich.

 

Wäre ich ein Evangelikaler, würde ich jetzt nach einer konkretistischen Erklärung suchen. Ich würde zum Beispiel sagen: In jenen barbarischen Zeiten gab es den Brauch, dass jemand, der aus seinem Stamm ausgestoßen wurde, nur das mitnehmen durfte, was er auf seinen Schultern tragen konnte. (So etwas soll ja auch in der deutschen Geschichte vorgekommen sein, wenn man der Sage von den Weibern von Weinsberg glauben darf.) Deshalb legte Abraham seiner Haggar einen Wasserschlauch um die Schultern und setzte ihr auch das 13-jährige Kind noch oben drauf: Nur was du tragen kannst, darfst du mit dir nehmen in die Wüste. Und schon ist der Fall gelöst. Oder, anderer Ansatz: Ismael war verkrüppelt und konnte gar nicht laufen. Dann war die Rettung durch den Engel am Schwurbrunnen eine doppelte und die Aufforderung "Führe den Knaben an deiner Hand" zugleich eine Heilung. (Viel wahrscheinlicher ist allerdings, dass die Erzählungen in Genesis 16 und Genesis 21 unabhängig voneinander überliefert und dann literarisch miteinander verbunden wurden).

 

Weder in meiner Einheitsübersetzung, Schlachter noch Luther trägt Hagar Ismael auf den Schultern. Das steht da nicht. Mit keinem Wort.

 

Das Wort 'yeled' dagegen kann mit Kind bis Jüngling übersetzt werden, auch Josef wird bespielsweise in Gen 37,30 so bezeichnet.

 

 

 

Allerdings könnte es sich dabei auch um einen völlig normalen 14jährigen gehandelt haben, der einfach nur stinkfaul ist?

 

Martin Buber übersetzt: "Abraham stand frühmorgens auf, nahm ein Brot und einen Schlauch Wassers und gab es Hagar - legte es auf ihre Schulter - samt dem Kind und schickte sie fort."

 

Edit: Gerade gefunden: Da steht einiges dazu.

bearbeitet von Ennasus
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Ich habe die Frage auch in einem anderen Forum gestellt. Dort wurden mir Screenshots von Keil und Delitzsch, Kommentar zum Alten Testament, als Antwort gepostet.

https://dl.dropboxusercontent.com/u/20920122/1.png

 

und

https://dl.dropboxusercontent.com/u/20920122/2.png

Ich glaube, dass dies des Rätsels Lösung ist. Wir haben wohl sehr wenig Ahnung von den Verhältnissen im Orient vor fast 4000 Jahren.

Wenn ich ganz gehässig wäre, hätte ich ja bestreiten können, dass Abraham und die anderen Urväter in der Bibel historische Personen sind. Selbst die Existenz von Mose und der Auszug aus Ägypten ist ja historisch nicht belegt.

bearbeitet von WMayer
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"Allerdings könnte es sich dabei auch um einen völlig normalen 14jährigen gehandelt haben, der einfach nur stinkfaul ist?"

Stinkfaul glaub ich nicht, aber durch Wassermangel völlig erschöpft. Seine Mutter schleppte ihn an der Hand durch die Wüste und ließ ihn schließlich im Schatten eines Strauches fallen.

Was in der Erzählung steht, ist durchaus realistisch.

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Wenn ich ganz gehässig wäre, hätte ich ja bestreiten können, dass Abraham und die anderen Urväter in der Bibel historische Personen sind.
Was sollte daran gehässig sein?
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Wenn ich ganz gehässig wäre, hätte ich ja bestreiten können, dass Abraham und die anderen Urväter in der Bibel historische Personen sind.

 

Noch böser: Darauf bestehen, dass nur der Quelltext der Bibel in Hebräisch und Griechisch verbal inspiriert ist, und alle Übersetzungen für ungenau und nicht zitierfähig erklären.

 

:popcorn:

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הָגָר שָׂם עַל-שִׁכְמָהּ, וְאֶת-הַיֶּלֶד oder עַל-שִׁכְמָהּ, וְאֶת-הַיֶּלֶדהָגָר שָׂם.

 

Ich hätte nicht mal gewusst, wie ich das tippen soll! Geschweige denn, was ich da tippe.

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Weder in meiner Einheitsübersetzung, Schlachter noch Luther trägt Hagar Ismael auf den Schultern. Das steht da nicht. Mit keinem Wort.

 

So einfach ist es nicht.

 

Jetzt muss ich doch in der Fachliteratur buddeln. Du bist es schuld, Higgs!

 

Es gibt Übersetzungen, in denen setzt Abraham seinen ersten Sohn eindeutig der verstoßenen Hagar auf die Schulter (Septuaginta deutsch, Menge, Grünewald-Bibel). In anderen geschieht das eindeutig nicht (Allioli, Einheitsübersetzung). Und in wieder anderen Übersetzungen wird es unentschieden gelassen (Buber-Rosenzweig).

 

Wie kommt das? Es kommt daher, dass der Text von Genesis 21 Vers 14 unterschiedlich überliefert worden ist. Nach Ansicht mancher Kommentatoren wurde bei einer redaktionellen Bearbeitung ein Halbsatz umgestellt. Dadurch heißt es entweder הָגָר שָׂם עַל-שִׁכְמָהּ, וְאֶת-הַיֶּלֶד oder עַל-שִׁכְמָהּ, וְאֶת-הַיֶּלֶדהָגָר שָׂם. Dem entsprechend kann übersetzt werden „legte es Hagar auf die Schulter, dazu den Knaben“ oder „setzte den Knaben Hagar auf die Schulter“ (ich hoffe, das ist korrekt, ich kann kein Hebräisch und muss mich hier auf die Literatur verlassen).

 

Nach Ansicht mancher Kommentatoren* ist die zweite Variante die ursprüngliche. Sie entspricht auch dem griechischen Text der Septuaginta, den ich in deutscher Übersetzung vorliegen habe: „Abraham aber stand am Morgen auf und nahm Brote und einen Schlauch mit Wasser und gab es Hagar und er setzte ihr auch das Kind auf die Schulter und er schickte sie weg.“

 

Der eigentliche Grund der Differenz liegt aber tiefer. Nach heutigem Stand der Forschung gilt als wahrscheinlich, dass die beiden Erzählungen in Genesis 16 und Genesis 21 eine Doppel-Überlieferung sind. Beide berichten von der Entfernung Hagars aus dem Haus Abrahams in die Wüste. Der knappe Befehl zur Rückkehr in Genesis 16, 9 wäre dann eine nachträgliche redaktionelle Klammer: Hagar muss zu Abraham zurückkehren, damit die Geschichte in Genesis 21 funktioniert.

 

Früher wurden die beiden Erzählungen dem Jahwisten (Kapitel 16) und dem Elohisten (Kapitel 21) zugerechnet; diese Unterscheidung hat sich überholt. Nach neuerer Forschung entstand die Erzählung von der Vertreibung Hagars und ihres Sohnes Ismael etwa 600 v.u.Z, also kurz vor der Exilszeit, während die „Flucht Hagars“ älteren Ursprungs ist.

 

Alle diese Überlegungen sind aber, um mein Bild von weiter oben aufzugreifen, wie die Suche nach den Malschichten und möglichen Fehlern in einem Bild von Hieronymus Bosch: sicherlich spannend, aber wichtiger ist doch das Bild selber mit seinen Figuren, seinen Allegorien und seiner Symbolik.

 

Deshalb ist es für mich theologisch sinnvoller, wenn Ismael in der Vertreibungs-Perikope Kapitel 21 ein kleines Kind ist und kein 13-Jähriger oder gar 17-Jähriger, wie aus der später hinzugefügten priesterschriftlichen Chronologie (Gen. 16,16) errechnet werden kann. Durch die „alte“ Formulierung, dass Abraham den Sohn auf Hagars Schulter setzt, wird deutlich, dass hier einer Frau auf Gottes Weisung hin alles aufgebürdet wird. Dass sie es allein zu tragen hat. Es ist der gleiche Gott, der Hagar verheißt, sie werde zur Stamm-Mutter von zwölf Stämmen – eine Väterverheißung, die hier eigentlich eine Mutter-Verheißung ist.

 

So verstanden lässt sich die Vertreibung Hagars und Ismaels parallel zur Geschichte von Abraham und Isaak lesen. Abraham packt Hagar ihren Sohn und damit das Schicksal der verheißenen zwölf Stämme auf. Und Abraham packt seinem Sohn Isaak das Holz für das Feuer auf, auf dem Isaak dann selber geopfert werden soll. Beiden Erzählungen gemeinsam ist die typische Verbindung von göttlicher Zumutung und göttlicher Errettung. Nur dass Abraham tatsächlich mit dem Messer ausholt, während Hagar ihr Kind verlässt, einen Bogenschuss weit, um sein Sterben nicht ansehen zu müssen.

 

Alfons

 

 

* Alttestamentler Claus Westermann, zitiert bei Andreas Michel: Theologie aus der Peripherie, S. 303: „Ismael ist in Genesis 21 ein Kind, während er nach 17 Vers 25 etwa 16 Jahre alt war. Ein Tradent hat versucht, zu harmonisieren, indem er das Objekt הַיֶּלֶד umstellt, um so zu vertuschen, dass Abraham der Hagar den Jungen auf die Schulter hebt; wenn das Kind schon 16 Jahre alt ist, geht das nicht gut. Ein ungeschickter Versuch der Harmonisierung.“

 

 

Hallo Alfons,

 

dem kann man so folgen. Auch der sprachlichen Analyse, wobei auch der Septuagintatext schon eine Korrektur sein oder oder auf einer solchen basieren könnte, um das schwierige Verständnis der Erzählung im jetzigen Zusammenhang aufzulösen.

 

Du hast ja in Deiner Abhandlung etwas als selbstverständlich vorausgesetzt, was ganz anders in der dem Eingangspost zugrundeliegenden Diskussion diskutiert wurde.

 

Du argumentierst zurecht auf der Ebene der Erzählung. D.h. Du sprichst nicht darüber, ob es sich hier um ein historisches Geschehen handelt. So scheint aber die Diskussion über diese Stellen gelaufen zu sein. Da wird behauptet, so und so könne es nicht gewesen sein , und vermutlich ist deshalb die Bibel im Unrecht. Da es aber in fundamentalistischen Diskussionen eh meist nur darum geht, die eigenen Vorurteile zu stärken, werden auch diese Argumente kaum verfangen.

 

Die Ebene der Erzählung reflektiert aber nicht die Zeitverhältnisse der erzählten Zeit, sondern die der Verfasser. Gerade in der Abrhamserzählung finden sich extrem viele Hinweise darauf, dass sie eher die Verhältnisse um 600 (mit Bearbeitungen noch später) als um 1200 v. Chr.widerspiegelt: beispielsweise gab es keine Kamele vor 1.000 v. Chr. als Nutztiere, der geographische Begriff Chaldäa war in der Bronzezeit unbekannt und auch den Zusammenhang von Ur und Haran kenne wir erst aus neubabylonischer Zeit: da waren diese beiden Städte Hauptverehrungsstätten des Mondgottes.

 

Auch die theologische Komponente, dass Gott einem etwas abverlangt, dass man tun müsse im Vertrauen auf ihn, auch wenn man es selbst nicht versteht, ist ein Thema, das frühestens kurz vor dem Exil in Babylon aufkam. Hier in dieser Zeit entsteht die Idee des Monotheismus und der orthodoxen Verehrung Jahwes. Die Aufgtabe des Volkes ist es, Jahwe genau so zu verehren, sonst geht es ihm schlecht, wie das Schicksal des Nordreiches zeigt. Das babylonische Exil ist ein Strafgericht Gottes, aus dem Israel aber irgendwann gerettet wird. Dann wird es auch die Notwendigkeit verstehen.

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Ich bin da auf eine Stelle in der Genesis gestoßen (worden), aus der ich nicht ganz schlau werde. Es geht um Kapitel 21, so etwa ab Vers 9. Weiter vorne ist zu lesen, dass Abraham und seine Frau Sara trotz fortgeschrittenen Alters keine Kinder, vor allem keinen Sohn, hatten. Abraham hatte dann, mit Einverständnis seiner Frau, deren Magd Hagar geschwängert. Sie gebar ihm einen Sohn, Ismael.

 

Später ist Sara dann doch noch Schwanger geworden mit dem Sohn Isaak. Sie forderte Abraham alsbald auf, die Magd Hagar mit ihrem Kind wegzuschicken, denn Isaak sollte der einzige legitime Sohn und Erbe Abrahams sein.

 

Abraham tat schweren Herzens, wie ihm befohlen (das Patriachat war wohl noch nicht so fest verankert, Ehefrauen hatten durchaus auch noch was zu sagen). Er stattete Hagar mit Lebensmittel und Wasser aus und schickte sie fort in die Wüste. Irgenwann ging das Wasser zu Ende. Hagar warf ihr Kind unter einen Strauch und setzte sich in einiger Entfernung von dem Knaben hin und weinte bitterlich. Und auch der Kleine schrie.

 

Aber welcher Kleine? Abraham war bei der Geburt Ismaels 86 Jahre alt und bei der Geburt von Isaak 100 Jahre. Das heißt also, dass das Kind, das seine Mutter unter den Strauch geworfen hatte, zu diesem Zeitpunkt schon 14 Jahre alt war.

 

Wie kann das angehen?

 

Ich bin in einer Facebookgruppe damit konfrontiert worden, in der sich auch viele Moslems tummeln. Und für den Moslem ist der Koran von Gott Wort für Wort Mohammed mitgeteilt worden. Er ist deshalb völlig widerspruchslos und irrtumsfrei, sagen die Moslems.

 

Ich könnte jetzt damit kommen, dass wir die Bibel doch etwas anders verstehen als die Moslems den Koran. Ich könnte auch den jüdischen Religionswissenschaftler Pinchas Lapide zitieren mit den Worten: "Sie können die Bibel wörtlich nehmen, oder Sie können sie ernst nehmen."

 

Aber ich würde mich für Unterstützung bei dieser Frage doch sehr freuen.

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Du schreibst leider nicht, inwiefern du in der Facebook-Gruppe damit konfrontiert wurdest und was die Muslime dort dazu gesagt haben.

Zur Ergänzung: Genau dieser Stelle ist im Islam anders:

Sarai gab Ibrahim Hagar zur Frau, weil sie selbst kinderlos war. Als diese jedoch dann ein Kind hat, wird sie eifersüchtig (weil sie selbst noch keines hat), und Ibrahim bringt Haga mit Ismail in die Wüste, weil ihm das außerdem so von Allah befohlen wird. Ismail ist zu diesem Zeitpunkt noch ein Kind. > Der Widerspruch ist nicht gegeben.

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