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Wider das Uneigentliche


Cyraßir

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Hallo Forumianer,

 

da keine Vorstell-Artikel auffindbar waren, stelle ich einfach (m)eine Geschichte ein, die die Erfahrungen vieler Jahre stark karikierend komprimiert:

 

 

 

Betrachtungen

 

 

Über das Eigentliche läßt sich nichts aussagen...

 

...aber das "Uneigentliche" begegnet mir so oft hier, aber anscheinend muß man den halben Weg zur Neunzig hinter sich haben, um bestimmte Undinge auch formulieren zu können.

 

Denn heute ging ich auf meinem Heimweg von der Arbeit beim Umsteigen über den Alex(anderplatz für alle Nichtberliner mit Googlemapskenntnissen) und war erstaunt, daß dort wieder "irgendsoein" Markt war... nach Weihnacht, Ostern und anderen "Gelegenheiten", wurde zum wie vielten Male eigentlich schon wieder Spiel, Spaß, geistiges Getränk und Konsum feil geboten.

 

Dabei ging mir dieser Satz über das Eigentliche nicht aus dem Sinn und ich sah genauer hin (gewann eine Menge an Muse und der benötigten Zeit weil die Tram nicht fuhr) und mir fiel auf, daß sich hier ganz viel dieses Uneigentlichen anfand. Dieses welches vor allem von sich selbst zeugt, sich in vielerlei Äußerlichkeiten verkündigt und viel Lebensraum und -zeit von Menschen okkupiert. Oder werfen sie beides ihm zum Fraße vor? Es geht dabei anscheinend vielmehr um die Darstellung der eigenen individuell (temporär der permanent) herausgeputzten Körperlichkeit. Vielfach begegneten mir verblichene und im Rand sich auflösende Tätowierungen, entstellend wirkender Körperschmuck aber vor allem volle, übervolle ja pralle Einkaufstaschen und mir unbekannte Modelabel, Ein agiles Rennen und eine erstaunliche Geschäftigkeit umgeben einen dort laufend, Kinder werden von Eltern hinterhergeschliffen und unter der Belohnungsaussicht auf ein Essen bei Donalds McBurger geduldig gehalten - es ist Monatsanfang.

 

Aber setzt man sich einen Moment in die Sonne läßt seine überfüllte Tram fahren und schaut genauer hin, so entpuppt sich das ganze als kaum verhüllte Leere: Männer sitzen auf Treppen und ihre Füße rücken immer weiter auseinander, um stets weitere Einkäufe zu behüten und starren dabei auf ihren Handybildschirm Smartphonedisplay. ´(Statistisch gesehen verbringen Menschenmännchen 20 - 30 Stunden ihres Lebens damit, auf das shoppende Weibchen zu warten.) Aber der Konsumrausch verfliegt schon allzu kurz hinter der Ladentüre und die Leute treten fast auf ihre eigenen Mundwinkel, schwer bepackt mit einem neuen Schwung nutzlosen Zeugs in Tragetaschen und glitzernden Lacktütchen stehen sie blinzelnd in der Sonne.

 

Wenn ich den Blick über die Geschichter ziehen lasse und mir die Wohnungen vorstelle, so befindet sich dort im zentralen Wohnraum - an der Stelle an der wir in Herculaneum Hausaltäre ausgruben - die allseits "vorgeschriebene" Glotze und den Göttern des Konsums wird in über vierzig Berliner Shoppingcentern gehuldigt, was die Kreditkarte hergibt. Mir erscheint es wie ein Wegrennen in dieses Uneigentliche - in eine werbegesteuerte Konsumwelt, die aus der Unerfüllbarkeit ihrer eigenen Versprechen ihren eigenen Nachschub gebiert. Denn Besitz ist sichtbarer als Sein - gegen diese dann auftretenden Zweifel gibt es tief im Limbischen System ein einfaches Lösungsverfahren: "Mehr!" - kannst Du mit einer Tatze kein Loch graben, so nimm die zweite dazu. Macht Dich ein geleertes Portemonnaie am Shoppingsamstag nicht glücklich, dann mußt Du einfach am nächsten Wochenende mehr kaufen bis die Kreditkarte aufraucht und Deine Kleiderstange durchbricht oder Dein Schuhregal unter der Last der angehäuften Paare resigniert und kollabiert - heute begegnete mir eine Frau mit zwei prallgefüllten Pandoraarmbändchen - unterwegs ein drittes zu kaufen? Wenn ich mir ansehe, was man für die teuer erstandenen "Beads" im Edelmetallankauf dann bekommt wird einem schwummrig So zwischen 200-1000% Marketingaufschlag genehmigt sich der Hersteller gegenüber dem realen börsennotierten Materialwert á la Tageskurs. Mit diesem Eindruck steige ich in meine Tram und sinniere weiter angesichts der aufgestauten Autofahrer an denen ich in der Nachmittagssonne vorbeischleiche.

 

Wenn Du dann immer noch zu viel nachdenkst, dann geht es mit aufgestylten Freunden, die immer gut drauf sind zur Partymeile und es wird gefêtêt bis der Arzt kommt, auch weil das Flatratetrinken auch nur preiswert ist. Der Rausch verfliegt, gegen den Kater gibt es Pharmazie, der nächste Event steht an und es geht weiter im Karussell der Eitelkeiten.

 

Nun irgendwann um drei oder vier Uhr leert sich am Wochenende der Alex dann doch und kann einen Moment durchatmen - die Kehrmaschinen fegen die Reste weg, die schon x-mal von den Rentnern durchkämmt wurden, die auf die Pfandflaschen angewiesen sind. Die johlenden Gruppen haben sich in ihre durchgestylten Wohnungen auf Privatpatries oder in Ausnüchterungszellen zurückgezogen - einige erwachen in einigen Tagen dann in Krankenhausbetten, weil die Kumpels den Notarzt über das Zeug, das man gemeinsam einwarf "beschwindelten". Den Tag über Energydrinks für den Alltag - am Wochenende dann Partydrogen und Koks gegen die stets lauernde Langeweile oder die verteufelte Müdigkeit und zum Abschluß ein Hanfpfeifchen zum Abchillen. Am Montag gibt es dann für den Herren eine Creme unter die Augen, um die Ringe zu verdecken, die eigentlich einmal ein körperliches Warnsignal waren - heute signalisieren sie nur noch Schwäche und eine ungenügende Fähigkeit mitzuhalten - also weg damit.

 

Und ich sehe mich selbst wieder inmitten dieses Tumults und dieser gleichzeitigen Niedergeschlagenheit stehen und gehe unter von Hagens plastinierten Körpern und "Marichens Rache" hinweg am Neptunbrunnen (in dem der Müll der Nacht zwischen den Fontainen trudelt) weiter zum "Rentnerpaar" - bei ihnen unter den Bäumen ist der dämmernde Tag kaum auszumachen. Wie auf dem Rückweg vom Gründonnerstagshochamt schaue in die bärtigen Gesichter von Marx und Engels und sie können mir meinen stummen Vorwurf nicht parieren, daß sie den Menschen die Religion und die Hoffnung nahmen - aber nur die Partei als Surrogat ließen, die angeblich ja immer Recht hatte. Sieht man heute sich die vor einem viertel Jahrhundert erst abgehalfterten Rituale und den überbetonten Ernst der Kader an in den verschwommenen Bildern von Parteitagen und Aufmärschen in den auf uns überkommenen Konserven, so wirkt vieles schon sehr aufgesetzt, egozentrisch und zugleich selbstherrlich. Aber keiner tat etwas für sich - es ging ja nur um die Partei, die in leninschem Geist und von Stalin geschweißt da stand wie in Block. Und welche sich dann über die Menschen hergemacht hat, ihr Leben bestimmte und sie erbarmungslos vor sich her durch die Geschichte trieb...

 

Und ich erinnere mich an das den Dialog aus Johannes 14:

 

I Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich!

II Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich euch dann gesagt: Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten?

III Wenn ich gegangen bin und einen Platz für euch vorbereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin.

IV Und wohin ich gehe - den Weg dorthin kennt ihr.

V Thomas sagte zu ihm: Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie sollen wir dann den Weg kennen?

VI Jesus sagte zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich.

 

Und irgendwie kommen mir diese Menschen vor die den Alex bevölkern, als suchten sie einen Durchlaß durch eine Mauer, einen Weg aus ihrem Dilemma und statt zu suchen, sich phlegmatisch fast fatalistisch ergeben in ihr Schicksal oder wie Goethe es im Wertherbrief vom 22.Mai so trefflich formulierte - "(...); da man sich die Wände zwischen denen man gefangen sitzt mit bunten Gestalten und lichten Aussichten bemalt" und dann nicht mehr merkt, daß man gefangen ist, sieht man doch den fotorealistisch aufgepinselten Horizont aus Konsum und im Esoterikshop simplifiziertem Pseudobuddismus ... und die Angebote sind reichlich vorhanden, die Jnhalte modulierbar nach persönlichem Bedarf und emotionaler Gemengelage...

 

Aber wo stehen wir als Kirche, als Katholiken? Wenn schon der Erzbischof anläßlich des Konzertes des Chores des Sixtina in seinem Grußwort bemerkte, daß wir nicht mehr nur ausgeblendet, sondern sogar angegriffen werden? Sollen wir dann den Missionsbefehl doch noch umsetzen? Und wenn lautet die Frage ganz klar auch wie?

 

Aber die verblichenen Tattoos, die Falten sind da - ewige Jugend schafft Photoshop für das Facebookprofil - aber korrigiert wird es aber aber vom Spiegel und der verkündet eine unangenehme Wahrheit:

 

 

http://www.fotos-hochladen.net/view/spiegel6nb9rtwuel.jpg

 

 

 

Doch die Endlichkeit des Lebens hat für uns keine Schrecknis, denn wie verkündigt die Präfation der Verstorbenen so klar an uns:

 

Tuis enim fidélibus, Dómine, vita mutátur, non tóllitur

Denn deinen Gläubigen, o Herr, wird das Leben gewandelt, nicht genommen.

...und dann gehe ich am gefälschten Stadtschloß vorbei der Kuppel von St.Hedwig entgegen und die Frage, was zu tun ist gegen das Uneigentliche beschäftigt mich immer noch.

 

...und mit dieser Frage komme ich nun auf Euch zu.

 

 

Herzliche Grüße und Segenswünsche aus der Diaspora sendet Euch,

 

 

Cyraßir

bearbeitet von Cyraßir
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was zu tun ist gegen das Uneigentliche beschäftigt mich immer noch.

 

Ich treffe öfter Leute, die im Uneigentlichen leben, meist in einer Situation, die einen längeren Beratungsprozeß begründen. Ich glaube nur mit der Kommunikation im Einzelfall kann man die Fröhlichkeit des Lebens im Eigentlichen vermitteln. In einzelnen Fällen hat das geholfen, vermeintliche Probleme als Scheinprobleme zu entlarven.

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