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Theologie in der Krise?


nannyogg57

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Genau die Unterscheidung ist nun aber die Aufgabe eines Seelsorgers oder Katecheten (So wie im weltlichen Bereich die des Lehrers): Was muss ich vermitteln und was kann ich guten Gewissens verschweigen?

 

Die Aufgabe des höheren Lehramtes ist es, dafür Richtlinien zu erstellen. Im weltlichen Bereich wären das die Kultusbehörden.

 

Die Aufgabe eines Seelsorgers oder Katecheten besteht aber momentan gar nicht in der Vermittlung theologischer Ergebnisse.

Leite einmal einen Abend mit Erstkommunionkatechetinnen. Wenn Du den Auftrag gibst: "Bitte vermitteln Sie den Kindern die Transsubstanziationslehre!" wirst Du erst ausgelacht ... und dann stehst Du nach kurzer Zeit ohne Katechetinnen da. Die Theologie ist nicht einmal den Vermittlern vermittelbar.

 

Das sind alles völlig sinnlose Vorgehensweisen. Für das Thema: "Jesus kommt zu mir, kommt in mich hinein, wirkt in mir, heilt und heiligt mich, verändert mich und stärkt meinen Glauben!" hat die Transsubstanziationstheologie überhaupt nichts zu bieten. Außerdem sind deren Grundlagen höchst zweifelhaft und von Kant längst unter den Füßen weggezogen.

 

Wenn im Messbuch "Maria" steht, dann steht mit großer Wahrscheinlichkeit gleich dabei, dass sie Jungfrau war. Die theologischen Grundlagen dafür werden nirgends im Messbuch erklärt oder vermittelt. Ein gigantischer Spalt zwischen der theologischer Bedeutung und der liturgischen Praxis tut sich auf. Und die Theologie der Jungfräulichkeit Mariens ist ja selbst wieder schon eine hochkomplexe Sache, von der man sich fragen kann, ob sie überhaupt wert ist, angemessen vermittelt zu werden. Am besten bekommt man Jungfrau-Ideale noch im Islam vermittelt, wo sich zumindest die martyriumswilligen Märtyrer auf die erwarteten 72 Jungfrauen so richtig freuen.

 

Also erklärt man das "Theothokos". Es geht also um eine Aussage über Jesus Christus. Aha. Und diese Aussage über Jesus wird über Maria abgehandelt. Man spricht von Maria, meint aber nicht Maria, sondern zielt auf die Gottmenschlichkeit Jesu ab, von der die Gemeinde aber auch nur schemenhafte Vorstellungen hat. Zur Jungfräulichkeit hat die Gemeinde ein eher gespaltenes Verhältnis. Nicht jeder Zeitgenosse der heutigen Zeit kann damit überhaupt etwas anfangen, geschweige denn etwas Religiöses.

 

Und die Theologen? Da gibt es tausend verschiedene Lehrmeinungen. Welche von denen soll man denn vermitteln? Die traditionell-katholische? Oder nicht besser eine aktuell weltverseuchte, die dem "Zeitgeist" entspricht, aber religiös gar nicht viel zu bieten hat.

 

Das ganze Vermittlungsdenken halte ich für zweifelhaft, ebenso wie das Umsetzungs-Denken. Das ist nicht original. Da wird immer "aus Verständlichkeitsgründen" manipuliert. Wenn Theologie nicht die Wirkung hat, mich beim Reflektieren meines Glaubens zu unterstützen (fides quaerens intellectus), so dass ich hinterher automatisch vermittelnd wirke (also ohne diese Umsetzungs-Taktik), dann ist mir schon klar, warum die Glaubensweitergabe nicht funktionieren kann.

 

Die Voraussetzung der Wirkung, die du einforderst, ist erst einmal die Bereitschaft, sich mit dem Glauben tiefer auseinanderzusetzen als es für den Durchschnittskatholiken nötig und üblich ist. Die Gemeinde, in der alle durch vollständige Reflexion des Glaubens tief überzeugte Katholiken sind, ist ebenso ein unerreichbares Ideal wie eine Gesellschaft ohne jede Gewalt, ohne jede Diskriminierung usw.

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Die Lehrer, die ich hatte, haben aber immer darauf hingewiesen, dass sie vereinfachen ("wir vernachlässigen jetzt also den Luftwiderstand" etc.), während die theologischen Vereinfachungen meines Erachtens in der Regel wie die absolute Wahrheit vermittelt werden. Nur wer hartnäckig dranbleibt, erfährt das überhaupt erst.

Das mit dem vernachlässigten Luftwiderstand ist ein gutes Beispiel.

 

Für ganz viele Berechnungen ist der Luftwiderstand nämlich wirklich vernachlässigbar. Die ollen newtonschen Regeln sind nämlich praktisch sehr oft anwendbar und haben Praxisbezug, auch wenn man den Luftwiderstand oder relativitätstheoretische Betrachtungen vernachlässigt.

 

Und die Menschwerdung und Auferstehung Christi haben für einen Katholiken keinerlei praktische Bedeutung?

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Die Lehrer, die ich hatte, haben aber immer darauf hingewiesen, dass sie vereinfachen ("wir vernachlässigen jetzt also den Luftwiderstand" etc.), während die theologischen Vereinfachungen meines Erachtens in der Regel wie die absolute Wahrheit vermittelt werden. Nur wer hartnäckig dranbleibt, erfährt das überhaupt erst.

Das mit dem vernachlässigten Luftwiderstand ist ein gutes Beispiel.

 

Für ganz viele Berechnungen ist der Luftwiderstand nämlich wirklich vernachlässigbar. Die ollen newtonschen Regeln sind nämlich praktisch sehr oft anwendbar und haben Praxisbezug, auch wenn man den Luftwiderstand oder relativitätstheoretische Betrachtungen vernachlässigt.

 

Und die Menschwerdung und Auferstehung Christi haben für einen Katholiken keinerlei praktische Bedeutung?

 

Doch schon.

Aber die vielen und widersprüchlichen theologischen Erklärungen spielen dabei die geringste Rolle.

 

Gerade in diesem Bereich (Menschwerdung und Auferstehung Christi) versagt die Theologie auffällig. Zum Teil, weil sich dieser Bereich der Theologie (und dem menschlich Erforschbaren) prinzipiell entzieht. Zum Teil, weil die theologischen Erklärungen oftmals abstrus sind - je nach Theologe.

 

Ich halte die traditionelle Theologie in diesem Bereich für anmaßend. Theologisch-wissenschaftliche Aussagen für diese Glaubensanker? Ein Theologe, der solches versucht, kann nur Schiffbruch erleiden. Und ich halte diesen Schiffbruch für Wort des lebendigen Gottes.

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Die Lehrer, die ich hatte, haben aber immer darauf hingewiesen, dass sie vereinfachen ("wir vernachlässigen jetzt also den Luftwiderstand" etc.), während die theologischen Vereinfachungen meines Erachtens in der Regel wie die absolute Wahrheit vermittelt werden. Nur wer hartnäckig dranbleibt, erfährt das überhaupt erst.

Das mit dem vernachlässigten Luftwiderstand ist ein gutes Beispiel.

 

Für ganz viele Berechnungen ist der Luftwiderstand nämlich wirklich vernachlässigbar. Die ollen newtonschen Regeln sind nämlich praktisch sehr oft anwendbar und haben Praxisbezug, auch wenn man den Luftwiderstand oder relativitätstheoretische Betrachtungen vernachlässigt.

 

Und die Menschwerdung und Auferstehung Christi haben für einen Katholiken keinerlei praktische Bedeutung?

 

Doch schon.

Aber die vielen und widersprüchlichen theologischen Erklärungen spielen dabei die geringste Rolle.

 

Gerade in diesem Bereich (Menschwerdung und Auferstehung Christi) versagt die Theologie auffällig. Zum Teil, weil sich dieser Bereich der Theologie (und dem menschlich Erforschbaren) prinzipiell entzieht. Zum Teil, weil die theologischen Erklärungen oftmals abstrus sind - je nach Theologe.

 

Ich halte die traditionelle Theologie in diesem Bereich für anmaßend. Theologisch-wissenschaftliche Aussagen für diese Glaubensanker? Ein Theologe, der solches versucht, kann nur Schiffbruch erleiden. Und ich halte diesen Schiffbruch für Wort des lebendigen Gottes.

 

Gut, was ist die Lösung?

Kompletter Verzicht auf die Theologie, da die wesentlichen Aspekte des Glaubens ohnehin wissenschaftlich nicht erforschbar sind?

Oder der Traum von einer Theologie, die eine komplette, unanfechtbare und für jeden verständliche Darstellung des christlichen Glaubens liefert?

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Das Problem der westlichen (die östliche ist da, soweit ich das jedenfalls erkennen kann, ziemlich anders) Theologie ist, dass sie versucht, aus sich eine Wissenschaft im naturwissenschaftlichen Sinn zu machen.

Sie versucht, alles irgendwie rational und mit Logik anzugehen, sie hält es für unmöglich, auch mal zu sagen "das ist nicht erklärbar, nur glaubbar"

 

Das hat dann zwei Effekte:

Erstens eine schlimme "Verkopfung" des "offiziellen" Glaubens, mit dem sich nur noch ausgewählte "Wissenschaftler" befassen (können), die dann auch nur unter ihresgleichen diskutieren wollen und können.

 

Zweitens wird der "Volksglaube" völlig Leuten überlassen, die mit abstrusen bis offen abergläubischen Vorstellungen das Bedürfnis der Menschen nach Mysterium und Transzendenz bedienen. Das ganze Erscheinungsunwesen ist nicht von ungefähr ein fast rein römisches Phänomen.

 

Tut mir leid, als Außenstehender ein so düsteres Bild zeichnen zu müssen, aber es ist tatsächlich meine Sicht der Dinge.

 

Werner

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Ein neues Verständnis von Theologie wäre wünschenswert.

Grob skizzierte Merkmale:

Ein wenig demütiger, also ohne den Anspruch, wissenschaftliche Aussagen über Gott machen zu können.

Theologie im Dienstverständnis: Dienst daran, den Menschen Wege zum Glauben vorzustellen.

 

Theologie des Glaubens. Statt einer (anmaßenden) Behauptungslieferung über Gott müsste eine Klarheit über das diskutiert werden, was ein Gläubiger beim Vorgang des Glaubens tut.

 

Es geht also weniger um ein Objekt des Glaubens (Aussagen, an die ich glaube - oder auch Gott, an den ich glaube), sondern um eine Reflexion des Glaubensgeschehens.

 

Ich will auch nicht auf die Theologie verzichten. Ich kritisiere die Ergebnisse der Theologie lediglich, wenn sie sich als Lösung präsentieren, wo sie eigentlich keine Lösung haben. Ich finde die Ergebnisse der historisch-kritischen Exegese gar nicht mal als schlecht. Zum Teil sind sie sehr anregend. Wenn man allerdings meint, man könne durch eine gute Exegese den Glauben stützen, gleitet mir diese Theologie zu offensichtlich in ein Ausredengehabe ab. Durch die beste Exegese werden wir keine wissenschaftlich fundierte Erkenntnis über Gottes Taten und seinen Willen erlangen. Durch die beste Trinitätstheologie werden wir keinen besser und wissenschaftlich fundierteren Glauben fördern, als durch viele andere Gottesvorstellungen. Stattdessen kaprizieren wir uns auf Aussagen, die wir eh nicht machen können und riskieren sogar Glaubenskriege für solche Anschauungen, weil jemand anderes mit einer anderen Theologie zu anderen Ergebnissen kommt.

 

Stattdessen ginge es viel mehr um die Frage, wie man Menschen etwas geben kann, was ihren Glauben stärkt, belebt und in eine gute Richtung (gut für sie selbst, für andere Menschen und für den Rest der Welt) lenkt.

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"Bruder" muss im Hebräischen bzw. Aramäischen nicht notwendigerweise der Sohn des gleichen Vaters und der gleichen Mutter sein, sondern kann auch Halbbruder, Cousin usw. sein.

Im Aramäischen gibt es unterschiedliche Bezeichnungen für den Bruder der Mutter, den Bruder das Vaters, den Mann der Schwester der Mutter und den Mann der Schwester des Vaters. Auf Deutsch heißt das alles "Onkel".

Ebensolches gilt für die deutschen Tanten, Vettern und Basen.

"Bruder" ist auf Aramäisch genau das: Ein Bruder.

Dass mit "Bruder" die halbe Verwandtschaft gemeint gewesen sein könnte, ist zwar eine beliebte Erklärung, allerdings eine ziemlich abwegige. Man sollte sich mal eine bessere einfallen lassen.

 

Werner

Dann hatte also Abimelech 70 leibliche Brüder?

 

Nb.: Ich hätte kein Problem damit, wenn Maria und Josef gemeinsame Kinder hätten.

Nun muss ich dir aber sicher nicht die Bedeutung der Zahl 70 in der Bibel erklären, oder?

 

Werner

Mir nicht.

Dem Durchschnittskatholiken, der sagt "Aber das steht doch da", vielleicht schon,.

Und dem "liberalen" Theologen, der sagt, wenn man mit der Bibel so beliebig umgehen dürfte, dann müsste das auch für die Auferstehung gelten, möglicherweise auch.

Das Problem mit der Auferstehung hat man aber auch, wenn die namentlich genannten Brüder gar keine sind. Dann ist die Auferstehung ja vielleicht auch keine.

 

Werner

Richtig. Gilt aber für die Zahlen 70 und 40 genauso.

 

Praktisch sage ich über die Brüder und Schwestern Jesu folgendes: Von ihrer Existenz wird berichtet; die Brüder werden in mindestens einem Evangelium mit Namen genannt.

Für die weitere Entwicklung des Christentums scheint keiner von ihnen eine Rolle gespielt zu haben. Daher muss man sich mit ihnen ebensowenig beschäftigen wie mit der wirklichen Zahl der Söhne Gideons.

Jesus war wirklich Mensch, ob er nun Geschwister hatte oder nicht. Das ist, was zählt.

Nein, nicht ganz: Die leibliche Verwandtschaft zu Jesus spielt im Christentum keine Rolle - im Unterschied zum jüdischen Priesteramtsverständnis.

 

Wäre Jesus dagegen nicht auferstanden, dann wäre er letztlich ein gescheiterter Idealist gewesen, wie viele andere auch. Es gäbe keine Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod und sinnvoll wäre es ausschließlich, im diesseitigen Leben möglichst glücklich zu werden.

Nun, der Herrenbruder Jakobs spielt im NT sehr wohl eine Rolle. Leider versteckt ihn die Theologie gerne vor den einfachen Leuten. Da entstehen ja nur blöde Fragen.

 

Und dafür fehlt mir das Verständnis.

 

Weil wir z. B. keinesfalls damit das Fass aufmachen wollen, warum die Auferstehung ein ganz wichtiger Teil des Bekenntnisses ist und was konkret Christen sich da eigentlich erhoffen. Das können wir nicht erklären.

 

Da arbeiten wir lieber mit hohlen Phrasen, die kein Leben in sich haben.

 

Zum Glück habe ich SchülerInnen, die lassen mir so was nicht durchgehen. Als Theologin bin ich in einer ersten Klasse genau dort, wo ich hingehöre. Und ich bin froh, dass ich studiert habe und Rede und Antwort stehen kann oder es halt immer wieder lernen muss.

 

Mir ist es wurscht, ob Jakobus Jesu Onkel oder Cousin oder Halbbruder oder Bruder war. Aber dass Jesus so einen Typen in der Verwandtschaft hatte, wirft einiges Licht auf seine Familie.

 

Sorry, dass du ihn nicht kennst. Beschwer dich bei dem Theologen, der für dich zuständig ist.

 

Vereinfachung und Unehrlichkeit sind nicht dasselbe.

 

Und hier ein Fremdwort aus der Religionspädagogik: Elementarisieren ist das Zauberwort.

bearbeitet von nannyogg57
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Ein neues Verständnis von Theologie wäre wünschenswert.

Grob skizzierte Merkmale:

Ein wenig demütiger, also ohne den Anspruch, wissenschaftliche Aussagen über Gott machen zu können.

Theologie im Dienstverständnis: Dienst daran, den Menschen Wege zum Glauben vorzustellen.

 

Theologie des Glaubens. Statt einer (anmaßenden) Behauptungslieferung über Gott müsste eine Klarheit über das diskutiert werden, was ein Gläubiger beim Vorgang des Glaubens tut.

 

Es geht also weniger um ein Objekt des Glaubens (Aussagen, an die ich glaube - oder auch Gott, an den ich glaube), sondern um eine Reflexion des Glaubensgeschehens.

 

Ich will auch nicht auf die Theologie verzichten. Ich kritisiere die Ergebnisse der Theologie lediglich, wenn sie sich als Lösung präsentieren, wo sie eigentlich keine Lösung haben. Ich finde die Ergebnisse der historisch-kritischen Exegese gar nicht mal als schlecht. Zum Teil sind sie sehr anregend. Wenn man allerdings meint, man könne durch eine gute Exegese den Glauben stützen, gleitet mir diese Theologie zu offensichtlich in ein Ausredengehabe ab. Durch die beste Exegese werden wir keine wissenschaftlich fundierte Erkenntnis über Gottes Taten und seinen Willen erlangen. Durch die beste Trinitätstheologie werden wir keinen besser und wissenschaftlich fundierteren Glauben fördern, als durch viele andere Gottesvorstellungen. Stattdessen kaprizieren wir uns auf Aussagen, die wir eh nicht machen können und riskieren sogar Glaubenskriege für solche Anschauungen, weil jemand anderes mit einer anderen Theologie zu anderen Ergebnissen kommt.

 

Stattdessen ginge es viel mehr um die Frage, wie man Menschen etwas geben kann, was ihren Glauben stärkt, belebt und in eine gute Richtung (gut für sie selbst, für andere Menschen und für den Rest der Welt) lenkt.

Da sind wir prinzipiell gar nicht so weit voneinander entfernt.

 

Ich sehe hier lediglich die wissenschaftliche Theologie, das Lehramt und die Katechese als drei ziemlich voneinander getrennte Felder. Wer in einem davon (zumindest hauptberuflich) tätig ist, sollte auch die Problemfelder der beiden anderen kennen, vor allem aber die Grenzen seines eigenen.

 

Ein Beispiel aus der Trinitätstheologie:

Für die Katechese ist wichtig, dass Gott in Jesus Mensch geworden ist - und damit nicht mehr ein unendlich ferner und unbegreiflicher Gott ist; dass Gott dies aus Liebe zu uns Menschen getan hat und dass wir zu ihm sprechen dürfen, wie Kinder zu ihren Eltern.

Was nun genau der Unterschied zwischen "wesensgleich" und "wesensähnlich" ist und mit welchen Worten das Verhältnis zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist am Besten zu beschreiben ist, gehört nun in die akademische Theologie - für die meisten Menschen ist es weniger wichtig; wer wissenschaftlichen Anspruch erhebt, muss sich damit auseinandersetzen - möglicherweise mit dem Resultat, dass eine endgültige Klärung unmöglich ist.

Das Lehramt muss hier sinnvolle Grenzen setzen: Was sollte jeder Katholik glauben? Worüber verbietet sich die Diskussion?

Hierhin gehört die Frage, wie wichtig das Jungfernhäutchen Mariens oder die schmerzfreie Geburt für den Glauben wirklich ist.

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"Bruder" muss im Hebräischen bzw. Aramäischen nicht notwendigerweise der Sohn des gleichen Vaters und der gleichen Mutter sein, sondern kann auch Halbbruder, Cousin usw. sein.

Im Aramäischen gibt es unterschiedliche Bezeichnungen für den Bruder der Mutter, den Bruder das Vaters, den Mann der Schwester der Mutter und den Mann der Schwester des Vaters. Auf Deutsch heißt das alles "Onkel".

Ebensolches gilt für die deutschen Tanten, Vettern und Basen.

"Bruder" ist auf Aramäisch genau das: Ein Bruder.

Dass mit "Bruder" die halbe Verwandtschaft gemeint gewesen sein könnte, ist zwar eine beliebte Erklärung, allerdings eine ziemlich abwegige. Man sollte sich mal eine bessere einfallen lassen.

 

Werner

Dann hatte also Abimelech 70 leibliche Brüder?

 

Nb.: Ich hätte kein Problem damit, wenn Maria und Josef gemeinsame Kinder hätten.

Nun muss ich dir aber sicher nicht die Bedeutung der Zahl 70 in der Bibel erklären, oder?

 

Werner

Mir nicht.

Dem Durchschnittskatholiken, der sagt "Aber das steht doch da", vielleicht schon,.

Und dem "liberalen" Theologen, der sagt, wenn man mit der Bibel so beliebig umgehen dürfte, dann müsste das auch für die Auferstehung gelten, möglicherweise auch.

Das Problem mit der Auferstehung hat man aber auch, wenn die namentlich genannten Brüder gar keine sind. Dann ist die Auferstehung ja vielleicht auch keine.

 

Werner

Richtig. Gilt aber für die Zahlen 70 und 40 genauso.

 

Praktisch sage ich über die Brüder und Schwestern Jesu folgendes: Von ihrer Existenz wird berichtet; die Brüder werden in mindestens einem Evangelium mit Namen genannt.

Für die weitere Entwicklung des Christentums scheint keiner von ihnen eine Rolle gespielt zu haben. Daher muss man sich mit ihnen ebensowenig beschäftigen wie mit der wirklichen Zahl der Söhne Gideons.

Jesus war wirklich Mensch, ob er nun Geschwister hatte oder nicht. Das ist, was zählt.

Nein, nicht ganz: Die leibliche Verwandtschaft zu Jesus spielt im Christentum keine Rolle - im Unterschied zum jüdischen Priesteramtsverständnis.

 

Wäre Jesus dagegen nicht auferstanden, dann wäre er letztlich ein gescheiterter Idealist gewesen, wie viele andere auch. Es gäbe keine Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod und sinnvoll wäre es ausschließlich, im diesseitigen Leben möglichst glücklich zu werden.

Nun, der Herrenbruder Jakobs spielt im NT sehr wohl eine Rolle. Leider versteckt ihn die Theologie gerne vor den einfachen Leuten. Da entstehen ja nur blöde Fragen.

 

Und dafür fehlt mir das Verständnis.

 

Weil wir z. B. keinesfalls damit das Fass aufmachen wollen, warum die Auferstehung ein ganz wichtiger Teil des Bekenntnisses ist und was konkret Christen sich da eigentlich erhoffen. Das können wir nicht erklären.

 

Da arbeiten wir lieber mit hohlen Phrasen, die kein Leben in sich haben.

 

Zum Glück habe ich SchülerInnen, die lassen mir so was nicht durchgehen. Als Theologin bin ich in einer ersten Klasse genau dort, wo ich hingehöre. Und ich bin froh, dass ich studiert habe und Rede und Antwort stehen kann oder es halt immer wieder lernen muss.

 

Mir ist es wurscht, ob Jakobus Jesu Onkel oder Cousin oder Halbbruder oder Bruder war. Aber dass Jesus so einen Typen in der Verwandtschaft hatte, wirft einiges Licht auf seine Familie.

 

Sorry, dass du ihn nicht kennst. Beschwer dich bei dem Theologen, der für dich zuständig ist.

 

Vereinfachung und Unehrlichkeit sind nicht dasselbe.

 

Und hier ein Fremdwort aus der Religionspädagogik: Elementarisieren ist das Zauberwort.

 

Ups, Jakobus habe ich tatsächlich vergessen.

 

Dennoch bleibe ich bei meiner Aussage: Jesus hatte offenbar kein völlig spannungsfreies Verhältnis zu seiner Familie; die familiäre Nähe zu Jesus ist nicht das, worauf es ankommt - sonst hätte der Herrenbruder sich auch unter den Aposteln befinden müssen und Paulus keinefalls gegen ihn irgendetwas durchsetzen dürfen.

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sonst hätte der Herrenbruder sich auch unter den Aposteln befinden müssen und Paulus keinefalls gegen ihn irgendetwas durchsetzen dürfen.

Jakobus war doch ein Apostel! Edit: Anscheinend doch nicht. Aber nix genaues weiß man nicht.

Und Paulus hat sogar gegen Kephas etwas durchgesetzt, und trotz der Rolle, die ihm die römische Tradition zugedacht hat.

 

Werner

bearbeitet von Werner001
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Für den Gläubigen wäre es allenfalls ein Halbbruder. Nebenbei: hätte dieser Halbbruder nach orientalischer Sitte nicht nach der Himmelfahrt Jesu die Versorgung Marias übernehmen müssen?

Achtung, nicht ernstgemeint.

 

ich "spiele" jetzt mal den Theologen. Ich kann sowas, habe ich gelernt.

 

Also, kam, wenn Du das Neue Testament gelesen hättest, wäre Dir doch wohl klar, dass in der christlichen Gemeinde dafür die Diakone zuständig waren.

 

Lies die Bibel! Da bekommst Du alle Antworten.

 

so. Ende nicht ernstgemeint.

 

ich habe da mehrere böse Sachen gemacht:

 

1) Böse Unterstellung. ich habe kam so ganz nebenbei (nebenbei ist wichtig, niemals direkt!) unterstellt, dass er niemals in der Bibel liest.

 

2) ich habe kam die Bibel sozusagen "um die Ohren gehaut". Und mich aus dem Gespräch zurückgezogen. Ich muß nicht persönlich etwas dazu sagen.

 

-------------

 

hallo kam,

 

ich hoffe, Du nimmst mir das nicht übel :)

 

Nein, nehme ich nicht übel. Auch deine Vermutung, daß ich selten Bibel lese, ist richtig. Sonntags laß ich mir häppchenweise vorlesen. Und wenn ich selber lese, dann gern die Sprüche Salomonis.

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die familiäre Nähe zu Jesus ist nicht das, worauf es ankommt

Ich weiß, dass Wikipedia keine zitierfähige Quelle ist, aber vielleicht kann einer der Experten bestätigen oder widerlegen was ich im Abschnitt über Simeon, den Nachfolger des Herrenbruders Jakobus als Leiter der Jerusalemer Gemeinde, gefunden habe:

Hegesippus, der im 2. Jahrhundert lebte, nennt ihn einen Sohn des Klopas, Simeon bar Kleophas (שמעון בר קלופא) der ein Bruder des biblischen Josef gewesen ist. Damit wäre Simeon ein Vetter Jesu. Simeon wurde allerdings auch mit dem „Herrenbruder“ Simon aus Mk 6,3 EU identifiziert. In jedem Fall dürfte seine Verwandtschaft zu Jesus eine Rolle gespielt haben, als nach der Steinigung von Jakobus dem Gerechten (um 62), der der Jerusalemer Urgemeinde vorstand und selbst als „Bruder des Herren“ bezeichnet wurde, ein Nachfolger gesucht wurde.

 

Werner

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Zum Thema Notwendigkeit der Theologie als Wissenschaft habe ich mit großem Gewinn ein schmales Buch von Heinrich Schmidinger gelesen, er ist Professor an der Uni Salzburg: "Hat Theologie Zukunft? Ein Plädoyer für ihre Notwendigkeit".

 

Schmidinger weist auf die Zerreißprobe hin, in der theologische Wissenschaft steht. Während die Gemeinschaft der Wissenschaften fordere, dass Theologie wie alle anderen Wissenschaften auch die allgemeinen Kriterien der Wissenschaftlichkeit erfüllt, betrachte die (katholische) Kirche Theologie als Teil ihrer Verkündigung und erwarte dementsprechend, dass sie ihre Lehre lehramtskonform und unverkürzt weiter gibt. Theologie habe aber langfristig nur dann Zukunft, wenn sie sich im Kreis aller Wissenschaften interdisziplinär bewährt und ihre gesellschaftliche Bedeutung auch wahrnimmt. Das allerdings müsse die Kirche dann auch wollen.

 

Zitat: "Daraus folgt, dass Theologie im Rahmen der staatlichen Universitäten nicht alleine und nicht primär als Bestandteil der kirchlichen Verkündigung begriffen bzw. hinsichtlich der bloßen Weitergabe der kirchlichen Lehre definiert werden kann. Vielmehr hat sie sich von dem her zu positionieren, was sie an Fragen und Problemen mit den anderen Wissenschaften teilt und was sie zugleich unersetzlich zur Lösung derselben in wissenschaftlicher Weise beizutragen vermag." (S. 85)

Alfons

bearbeitet von Alfons
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sonst hätte der Herrenbruder sich auch unter den Aposteln befinden müssen und Paulus keinefalls gegen ihn irgendetwas durchsetzen dürfen.

Jakobus war doch ein Apostel! Edit: Anscheinend doch nicht. Aber nix genaues weiß man nicht.

Und Paulus hat sogar gegen Kephas etwas durchgesetzt, und trotz der Rolle, die ihm die römische Tradition zugedacht hat.

 

Werner

 

Edit zum Edit: der römische Heiligenkalender setzt Jakobus den Herrenbruder und Jakobus den Jüngeren gleich, weil der Herr ja keinen Bruder haben darf und der jüngere Jakobus garantiert nicht Jesu Bruder war. Danach ist der Herrenbruder-Jakobus dann also doch Apostel gewesen.

Tja, ist halt alles nicht so einfach.

 

Werner

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Für den Gläubigen wäre es allenfalls ein Halbbruder. Nebenbei: hätte dieser Halbbruder nach orientalischer Sitte nicht nach der Himmelfahrt Jesu die Versorgung Marias übernehmen müssen?

Achtung, nicht ernstgemeint.

 

ich "spiele" jetzt mal den Theologen. Ich kann sowas, habe ich gelernt.

 

Also, kam, wenn Du das Neue Testament gelesen hättest, wäre Dir doch wohl klar, dass in der christlichen Gemeinde dafür die Diakone zuständig waren.

 

Lies die Bibel! Da bekommst Du alle Antworten.

 

so. Ende nicht ernstgemeint.

 

ich habe da mehrere böse Sachen gemacht:

 

1) Böse Unterstellung. ich habe kam so ganz nebenbei (nebenbei ist wichtig, niemals direkt!) unterstellt, dass er niemals in der Bibel liest.

 

2) ich habe kam die Bibel sozusagen "um die Ohren gehaut". Und mich aus dem Gespräch zurückgezogen. Ich muß nicht persönlich etwas dazu sagen.

 

-------------

 

hallo kam,

 

ich hoffe, Du nimmst mir das nicht übel :)

 

Nein, nehme ich nicht übel. Auch deine Vermutung, daß ich selten Bibel lese, ist richtig. Sonntags laß ich mir häppchenweise vorlesen. Und wenn ich selber lese, dann gern die Sprüche Salomonis.

 

ja, und danke, kam.

Aus den Sprüchen Salomonis habe ich mir meinen Trau-Text gewünscht, und bekommen.

 

Alles hat seine Zeit.

 

Tanzen und Lachen,

 

hat seine Zeit.

 

Steine sammeln,

und Steine werfen, hat seine Zeit.

 

usw.

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sonst hätte der Herrenbruder sich auch unter den Aposteln befinden müssen und Paulus keinefalls gegen ihn irgendetwas durchsetzen dürfen.

Jakobus war doch ein Apostel! Edit: Anscheinend doch nicht. Aber nix genaues weiß man nicht.

Und Paulus hat sogar gegen Kephas etwas durchgesetzt, und trotz der Rolle, die ihm die römische Tradition zugedacht hat.

 

Werner

 

Edit zum Edit: der römische Heiligenkalender setzt Jakobus den Herrenbruder und Jakobus den Jüngeren gleich, weil der Herr ja keinen Bruder haben darf und der jüngere Jakobus garantiert nicht Jesu Bruder war. Danach ist der Herrenbruder-Jakobus dann also doch Apostel gewesen.

Tja, ist halt alles nicht so einfach.

 

Werner

 

Warum kann der jüngere Jakobus nicht Jesu Bruder gewesen sein?

 

Beim älteren (den auch manche mit dem "Herrenbruder" der Apostelgeschichte identifizieren) ist die Sache klar: Sohn des Zebedäus, also nicht des Josef.

Über den jüngeren Jakobus erfährt man sonst kaum etwas.

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die familiäre Nähe zu Jesus ist nicht das, worauf es ankommt

Ich weiß, dass Wikipedia keine zitierfähige Quelle ist, aber vielleicht kann einer der Experten bestätigen oder widerlegen was ich im Abschnitt über Simeon, den Nachfolger des Herrenbruders Jakobus als Leiter der Jerusalemer Gemeinde, gefunden habe:

Hegesippus, der im 2. Jahrhundert lebte, nennt ihn einen Sohn des Klopas, Simeon bar Kleophas (שמעון בר קלופא) der ein Bruder des biblischen Josef gewesen ist. Damit wäre Simeon ein Vetter Jesu. Simeon wurde allerdings auch mit dem „Herrenbruder“ Simon aus Mk 6,3 EU identifiziert. In jedem Fall dürfte seine Verwandtschaft zu Jesus eine Rolle gespielt haben, als nach der Steinigung von Jakobus dem Gerechten (um 62), der der Jerusalemer Urgemeinde vorstand und selbst als „Bruder des Herren“ bezeichnet wurde, ein Nachfolger gesucht wurde.

 

Werner

 

Die Namen Jakob und Simon scheinen damals einigermaßen häufig gewesen zu sein. Es gab etwa:

- Simon Petrus

- Simon, den Zeloten

- Simon, der als Bruder Jesu bezeichnet wird

- Simon, bei dem Jesus zum Essen eingeladen war

- Simon von Zyrene, der das Kreuz für Jesus trug

und noch den uralten Simeon bei der Beschneidung Jesu.

 

Es handelt sich hier mit absoluter Sicherheit nicht nur um eine einzige Person.

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Jesus hatte offenbar kein völlig spannungsfreies Verhältnis zu seiner Familie

 

das kann man laut sagen.

 

Diese Hochzeit zu Kana.

 

erstmal hat er seiner Mama gesagt: "Jetzt halt mal endlich Deinen Mund".

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Zum Thema Notwendigkeit der Theologie als Wissenschaft habe ich mit großem Gewinn ein schmales Buch von Heinrich Schmidinger gelesen, er ist Professor an der Uni Salzburg: "Hat Theologie Zukunft? Ein Plädoyer für ihre Notwendigkeit".

Die Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Theologie wird auch kein vernünftiger Gläubiger bezweifeln. Allein schon Irenäus von Lyon hat die Forderung aufgestellt, dass Heilswirklichkeit und Schöpfungswirklichkeit zusammenkommen müssen - sonst landen wir nämlich beim gnostischen Demiurgen, der diese Welt getrennt vom gnostischen Gott aufbaut. Wissenschaft ist die Erfassung der Realität. Wer so etwas nicht will, soll sich in die Abteilung für Obskurantismus, Okkultismus und magisches Denken zurückziehen - und diese Abteilung ist überfüllt von spinnerten Illusionisten, die der Realität auf jede nur denkbare Weise entfleuchen wollen.

 

Aber damit ist nicht gesagt, dass Wissenschaftlichkeit das einzige Kriterium ist. Wissenschaftlichkeit ist für Theologie ein notwendiges, aber keineswegs ein hinreichendes Kriterium.

Ein weiteres Kriterium, nach dem ich Theologie beurteile (ob sie was taugt oder nicht) wäre menschliche Authentizität - also ein Erfassen des ganzen Menschen samt seiner Widersprüchlichkeit, seiner Hoffnung, seines Strebens nach ... oh je! Jetzt fehlen mir die Worte. Das Streben kann ich sowohl selbst spüren, wie auch bei anderen beobachten. Aber das Ziel des Strebens ist nicht wirklich benennbar. Eudaimonia? Aber das ist ein schwammiger Begriff.

 

Feuerbach hat einen interessanten Aspekt beleuchtet mit seiner Forderung, aus Theologen Anthropologen zu machen. Jepp! Eine gute Anthropologie ist absolut von Nöten. Und das bedeutet, dass man eine Entscheidung treffen muss, die nicht wissenschaftlich herleitbar ist. Anthrophologie im Sinne Machiavellis? Oder im Sinne Hitlers mit Rasseneinteilung? Oder im Sinne ... tausend Möglichkeiten. Da ist eine Entscheidung nötig. Und diese Entscheidung kann nicht nüchtern-wissenschaftlich vorgenommen werden.

 

"Macht Theologen zu Anthrophologen!" ... Ich würde Feuerbach gerne antworten: "Aber bitteschön! Das haben wir Christen doch geradezu vorbildlich. Anthrophologie Jesu. Und diese Anthropologie Jesu kommt eben nicht ohne einen vertrauenden Ausgriff auf Gott aus. Einen solchen Lebensstil, wie ihn sich Jesus geleistet hat, kann man sich ohne Vertrauen auf einen rechtfertigenden und belohnenden Gott gar nicht wirklich leisten - auch wenn dies sicherlich nicht jedem engagierten Draufgänger bewusst ist."

 

Glaube im christlichen Sinne ist sehr wohl eine Anthropologie ... allerdings mit einer Vorentscheidung. Diese Vorentscheidung ist nicht ergebnisoffen, sondern ist die Prämisse. Dies wird christlicher Theologie natürlich als unwissenschaftlich ausgelegt. Wie schön, dass andere Anthropologien (wie z.B. die behavioristische) keine solche Prämissen macht. Da gackern doch die Hühner. Der wahre Unterschied zur christlichen Anthropologie und Philosophie (ja ... die gehört auch mit ins Boot des Kriterienkataloges) ist, dass die christliche Anthropologie ihre Prämisse klar benennt: Es handelt sich um eine Anthropologie Jesu. Oh Skandal! Oh böser, böser Skandal.

 

Allerdings muss man hier durchaus erwähnen, dass nicht jede christliche Anthropologie eine jesusfundierte ist. Man kann sich stattdessen auch einer biblischen, aber völlig jesusentfremdeten Anthropologie bedienen. Zum Beispiel: "Der Mensch ist da, um den biblischen Gesetzen zu gehorchen." und "wer dies nicht tut ist nicht nur schlecht, sondern er muss auch bestraft werden". Beispiele hierzu lassen sich in der Geschichte der Theologen genügend finden. Vielleicht sind die Theologen, die solchen Anthropologien folgen, die Mehrheit. Dann wäre Feuerbachs Postulat natürlich sehr sinnvoll. Ich nehme an, dass er mit "Anthropologen" eine humanistische Ausprägung der Anthropologie vor Augen hatte. Sein Satz verliert an Glanz, wenn man die Prämissen (die er ja nicht benennt) auf folgende Weise benennt: "Macht Theologen zu nazi-mäßigen Anthropologen" oder zu Ku-Klux-Klan-Anthropologen oder zu sonst was. Ich nehme an, das wäre Feuerbach total wider den Strich gegangen. Aber dummerweise hat er seine Prämissen nicht benannt. Er hat nur gesagt "Anthropologen", so als ob ihm jegliche Anthropologie lieb wäre.

 

Mit der Voraussetzung der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus haben wir Christen Feuerbachs Forderung nicht nur erfüllt, sondern sogar überholt. Allerdings nur theoretisch: In der Praxis wurde nämlich Theologie keineswegs durchgängig als Anthropologie im Sinne Jesu betrieben. Und "Anthropologie Jesu" ist angesichts der historischen Unbestimmbarkeit Jesu natürlich auch schwammig. Oder sie ist weit und offen. Je nach Sichtweise. Punktgenau ist ja auch ziemlich eng, sozusagen punkt-eng, und ein (mathematischer) Punkt hat überhaupt keine Breite oder Weite.

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Was Martin Luther, dessen Schriften ein Drittel aller gedruckter Schriften des gesamten 16. Jahrhunderts umfassen, zu einem besonderen Theologen machte: Er hatte was zu sagen, er fühlte sich der Wahrheit verpflichtet, er betrieb seine Theologie existentiell, er erneuerte sein Fach damit.

 

Vorher waren Theologen eine Lachnummer für Humanisten und irrelevant für so ungefähr jeden, vom Papst bis zum einfachen Mann hinunter.

 

Und bei Letzterem habe ich ein Dejavu mit unserer Zeit.

 

Seine Autorität bezog er exakt daraus, dass er Theologe war, und in dieser Verantwortung als Theologe ging er in den Konflikt um den Ablasshandel, dann um weitere Missstände in der Kirche, dann in die Reformation.

 

Und was er sagte schien wohl Relevanz zu haben, daneben war er aber auch ein guter Seelsorger.

 

Was Hans Küng sagt, hat Relevanz, leider verpfrimmelt er sich gerne in Theologensprech, ihm fehlt die seelsorgerliche Dimension.

 

Es müssen wohl beide Dimensionen zusammenkommen.

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Ich habe bei der heutigen Theologie wachsend das Gefühl, dass sie eher wiederkäuend, als emergent ist.

Deshalb ist sie bei aller Korrektheit ihrer Aussagen letztlich immer langweilig. Es ergeben sich kaum neue Perspektiven, sondern es wird fleißig das wiedergegeben, was in der Bibel, bei den Kirchenvätern, in der Ethik, Humanwissenschaft etc. schon längst vorweggenommen ist. Tucholsky hat sich schon darüber lustig gemacht, dass die Kirche wie so ein Hundchen hinter den Beinen seines Herrchens her liefe und von Zeit zu Zeit "ich auch, ich auch" kläffe. Momentan kläfft sie kräftig dem Humanismus hinterher und beansprucht, sich für Freiheit und Menschenrechte eingesetzt zu haben, längst bevor die Humanisten dies taten. Sehr zweifelhaft.

 

Wirkliche Neuentwürfe, die über "die üblichen Verdächtigen" im profanen Bereich hinausgehen, sind in der Theologie Mangelware. Und wehe ein Theologe versucht mal so was. Dem ergeht es, wie Drewermann: Zur Sau gemacht von einer theologischen Nulpe wie Degenhart, dann verbittert und verprellt und zum Schluss noch über seine Verbitterung und Verprelltheit beschimpft. Bei aller Fragwürdigkeit der drewermannschen Thesen: Da hat sich die Kirche (wieder mal) was durch die Lappen gehen lassen. Ein weiteres Schlachtopfer auf der langen und schwer besudelten Schlachtbank der Tradition. Und klar: Er ist natürlich selber schuld. Wirklich, das ist er natürlich. Jeder ist der verantwortliche Dirigent seines Schicksals und immer selber schuld. Jesus war ja auch selber schuld daran, dass er gekreuzigt wurde. Aber das Ergebnis bleibt für die Kirche und die Theologie: Was durch die Lappen gegangen. Daran kann man dann auch mit prima gerechtfertigten Verweisen auf die Eigenschuld Drewermanns nichts ändern.

 

Die ganze Panik, man könne sich zu sehr an "die Welt" angleichen hat einen üblen Kern: Wer nämlich selbst nicht zu bieten hat, muss geradezu zwangsläufig auf Mauern zurückgreifen gegenüber einer florierenden Welt, die am laufenden Band echte Neuigkeiten zu bieten hat. Da ist Neid im Spiel. Da steht die eigene Identität auf dem Spiel: Man kann sich nicht mehr über die eigene Lebendigkeit definieren, sondern ist auf eine Identität angewiesen, die sich durch Abgrenzung aufbaut. "Ich bin Nicht-Welt!" Und da man ja auch gut sein will, muss man eben die ganze florierende profane Welt kleinreden, um ein wenig besser wegzukommen. Total verweltlicht, die Welt. Da muss man doch mal vor warnen.

 

Eine nicht-emergente Theologie ist auf die Dauer langweilig. Sie hat den Kontakt zu den sich dauernd entwickelnden Prozessen verloren. Und das wird dann als Lebensferne, als Antiquiertheit und fruchtloser Vergangenheitsorientierung und Leblosigkeit wahrgenommen - nicht ganz zu unrecht. Und Weltanpassung ist ja tatsächlich keine Lösung, und auch kein Ersatz für eigene Emergenz.

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Was nun genau der Unterschied zwischen "wesensgleich" und "wesensähnlich" ist und mit welchen Worten das Verhältnis zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist am Besten zu beschreiben ist, gehört nun in die akademische Theologie - für die meisten Menschen ist es weniger wichtig; wer wissenschaftlichen Anspruch erhebt, muss sich damit auseinandersetzen - möglicherweise mit dem Resultat, dass eine endgültige Klärung unmöglich ist.

 

Er wird bei dieser Auseinandersetzung - so er redlich denkt - zu denselben Ergebnissen kommen, wie die Denker vergangener Zeiten. Die waren ja nicht doof.

 

Aber wozu soll man sich überhaupt mit diesen ollen Unterscheidungen belasten? Da springt mir viel, viel zu wenig heraus. Allein schon Deine Perspektive, dass in diesem Denksystem eine endgültige Klärung nicht möglich ist, wirkt auf mich furchtbar düster. Viel Aufwand, bis man diese Diktion erst mal begriffen hat. Und dann? Der ganze Aufwand war entbehrlich. Wie erheiternd.

 

Ich fand das Studium dieser ollen Diktionen früher recht interessant ... aber wo geht es weiter? Es gibt Menschen, die haben ganz ohne Verständnis von Christologie und Trinitätslehre einen Glauben, ein Gottvertrauen, eine Hingabefähigkeit ans Leben, die Welt und die Mitmenschen, vor dem ich mit schlackernden Ohren stehe. Und oftmals sind diese glaubensstarken Menschen völlig unbeleckt von Theologie, von Bibel und von Gottesdiensten. Und da frage ich mich: Wozu der ganze Aufwand? Offensichtlich gibt es Wege zum Glauben, die fernab von den üblichen Pfaden liegen. Das wäre doch mal ein interessantes Terrain, woran sich Theologen üben könnten.

 

In einer Welt, in der immer mehr Menschen sich als "nichtreligiös" oder sogar als "ungläubig" empfinden, hopst mir an den unvermutetsten Stellen der Glaube über den Weg - bei genau solchen Menschen, die sich nicht religiös oder theologisch prägen. Wie sind die zu ihrer Festigkeit im Glauben gekommen? Die setzen sich zum Teil selbst-schonungslos für andere Menschen oder gute Anliegen ein, als hätten sie ein zweites Leben irgendwo in der Jackentasche. Wie kommen sie dazu? Wie rechtfertigen sie ihren Harakiri-Lebensstil vor sich selbst? Wieso sind sie gerade in Glaubensstärke gelegentlich Theologen, Priestern und Kirchgängern voraus? Wie machen die das?

 

Konstantin Wecker hat so einen Irrsinns-Satz von sich gegeben:

"Komm, wir brechen morgen aus,

und dann stellen wir uns gegen den Wind!

Nur die Götter geh'n zugrunde,

wenn wir endlich gottlos sind!"

 

Na, so ein Gottvertrauen will ich auch mal haben. Lebenszugewandtes Gottvertrauen in der lauthals deklarierten und postulierten Gottlosigkeit. Konstantin hat vor einiger Zeit dann sein Buch herausgebracht "Mönch und Krieger" (oder so). Über Spiritualität. Oho, da ist ihm wohl was bewusst geworden. Theologie beschäftigt sich kaum mit solchen Phänomenen. Aber gerade in solchen Entwicklungsprozessen liegt viel Potential. Und man kann solche Phänomene doch tadellos wissenschaftlich abklopfen - allerdings nicht mit der Form von Theologie, wie sie üblicherweise betrieben wird.

bearbeitet von Mecky
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sonst hätte der Herrenbruder sich auch unter den Aposteln befinden müssen und Paulus keinefalls gegen ihn irgendetwas durchsetzen dürfen.

Jakobus war doch ein Apostel! Edit: Anscheinend doch nicht. Aber nix genaues weiß man nicht.

Und Paulus hat sogar gegen Kephas etwas durchgesetzt, und trotz der Rolle, die ihm die römische Tradition zugedacht hat.

 

Werner

 

Edit zum Edit: der römische Heiligenkalender setzt Jakobus den Herrenbruder und Jakobus den Jüngeren gleich, weil der Herr ja keinen Bruder haben darf und der jüngere Jakobus garantiert nicht Jesu Bruder war. Danach ist der Herrenbruder-Jakobus dann also doch Apostel gewesen.

Tja, ist halt alles nicht so einfach.

 

Werner

 

Warum kann der jüngere Jakobus nicht Jesu Bruder gewesen sein?

 

Beim älteren (den auch manche mit dem "Herrenbruder" der Apostelgeschichte identifizieren) ist die Sache klar: Sohn des Zebedäus, also nicht des Josef.

Über den jüngeren Jakobus erfährt man sonst kaum etwas.

 

Weil sein (des jüngeren Jakobus) Vater Alphäus heißt.

 

Werner

bearbeitet von Werner001
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Jakob Herrenbruder ist wohl eher ein früher Karrierist, der sich der Bewegung nach dem Tod des berühmten Verwandten anschloss und aufgrund der Verwandtschaft eine "angemessene" Position einnahm.

 

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Szene mit Maria und Johannes unter dem Kreuz. Anscheinend hatte sich die Madonna ja bereits so weit von ihrer Familie entfremdet, daß sie von dieser Seite keine Unterstützung mehr erwarten konnte.

 

Inwiefern Jakob Josephson sich in seinem Amt als "Herrenbruder" da wieder seiner familiärer Pflichten erinnert hat, wird ja leider nicht berichtet.

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