Ministrantenschlingel Posted December 19, 2016 Report Share Posted December 19, 2016 Grüß Gott liebes Forum, meine Frage stelle ich absichtlich etwas naiv um besser herausarbeiten zu können, was mich beschäftigt. In dem o. g. Abschnitt aus dem Lukasevangelium wird die Situation geschildert, als dem Zacharias vom Erzengel Gabriel die Botschaft von der Geburt des heiligen Johannes überbracht wird (vollständiger Text siehe unten). Der Text ist voll von Freude, Zuversicht und Hoffnung. Als aber Zacharias den Engel fragt, woran er erkennen kann, daß seine Botschaft wahr ist, da schlägt die Stimmung plötzlich um und der Engel kündigt ihm an, daß er stumm werden würde, weil er seinen Worten nicht geglaubt hat. Der gute Zacharias hat ja nur gefragt und nicht gesagt, daß er nicht glauben würde. Und mal ehrlich, wenn heute zu einem von uns ein Engel sprechen würde, wäre das nicht Grund genug Fragen zu stellen. Warum also wegen einer m. E. berechtigten Frage diese harsche Reaktion, die so ganz im Gegensatz zum Tenor dieses Textes steht? Hat jemand von Euch eine Erklärung für diesen Sachverhalt? Bestimmt gibt es eine exegetische Antwort auf meine Frage. Warum aber ist der Text an dieser Stelle so sperrig, so schwierig? Gruß vom Mnistrantenschlingel Hier nun der Text: Die Verheißung der Geburt des Täufers 5 Zur Zeit des Herodes, des Königs von Judäa, lebte ein Priester namens Zacharias, der zur Priesterklasse Abija gehörte. Seine Frau stammte aus dem Geschlecht Aarons; sie hieß Elisabet.2 6 Beide lebten so, wie es in den Augen Gottes recht ist, und hielten sich in allem streng an die Gebote und Vorschriften des Herrn. 7 Sie hatten keine Kinder, denn Elisabet war unfruchtbar, und beide waren schon in vorgerücktem Alter. 8 Eines Tages, als seine Priesterklasse wieder an der Reihe war und er beim Gottesdienst mitzuwirken hatte, 9 wurde, wie nach der Priesterordnung üblich, das Los geworfen, und Zacharias fiel die Aufgabe zu, im Tempel des Herrn das Rauchopfer darzubringen.3 10 Während er nun zur festgelegten Zeit das Opfer darbrachte, stand das ganze Volk draußen und betete. 11 Da erschien dem Zacharias ein Engel des Herrn; er stand auf der rechten Seite des Rauchopferaltars. 12 Als Zacharias ihn sah, erschrak er und es befiel ihn Furcht. 13 Der Engel aber sagte zu ihm: Fürchte dich nicht, Zacharias! Dein Gebet ist erhört worden. Deine Frau Elisabet wird dir einen Sohn gebären; dem sollst du den Namen Johannes geben. 14 Große Freude wird dich erfüllen und auch viele andere werden sich über seine Geburt freuen. 15 Denn er wird groß sein vor dem Herrn. Wein und andere berauschende Getränke wird er nicht trinken und schon im Mutterleib wird er vom Heiligen Geist erfüllt sein. 16 Viele Israeliten wird er zum Herrn, ihrem Gott, bekehren. 17 Er wird mit dem Geist und mit der Kraft des Elija dem Herrn vorangehen, um das Herz der Väter wieder den Kindern zuzuwenden und die Ungehorsamen zur Gerechtigkeit zu führen und so das Volk für den Herrn bereit zu machen. 18 Zacharias sagte zu dem Engel: Woran soll ich erkennen, dass das wahr ist? Ich bin ein alter Mann und auch meine Frau ist in vorgerücktem Alter. 19 Der Engel erwiderte ihm: Ich bin Gabriel, der vor Gott steht, und ich bin gesandt worden, um mit dir zu reden und dir diese frohe Botschaft zu bringen. 20 Aber weil du meinen Worten nicht geglaubt hast, die in Erfüllung gehen, wenn die Zeit dafür da ist, sollst du stumm sein und nicht mehr reden können bis zu dem Tag, an dem all das eintrifft. 21 Inzwischen wartete das Volk auf Zacharias und wunderte sich, dass er so lange im Tempel blieb. 22 Als er dann herauskam, konnte er nicht mit ihnen sprechen. Da merkten sie, dass er im Tempel eine Erscheinung gehabt hatte. Er gab ihnen nur Zeichen mit der Hand und blieb stumm.4 23 Als die Tage seines Dienstes (im Tempel) zu Ende waren, kehrte er nach Hause zurück. 24 Bald darauf empfing seine Frau Elisabet einen Sohn und lebte fünf Monate lang zurückgezogen. Sie sagte: 25 Der Herr hat mir geholfen; er hat in diesen Tagen gnädig auf mich geschaut und mich von der Schande befreit, mit der ich in den Augen der Menschen beladen war. Quote Link to comment Share on other sites More sharing options...
Popular Post Alfons Posted December 21, 2016 Popular Post Report Share Posted December 21, 2016 (edited) Die Stummheit des Zacharias ist, kurz gesagt, einer der vielen Verweise in der Täufer-Legende auf das Alte Testament, in diesem Fall auf Hesekiel. Vieles deutet darauf hin, dass der Verfasser des Lukas-Evangeliums eine ihm schriftlich vorliegende, primär also selbständige Erzählung aus dem Kreis der Täufer-Sekte seiner Jesus-Erzählung vorangestellt und mit der Weissagung der Geburt Christi verknüpft hat. Rudolf Bultmann hat bereits 1921 in seiner „Geschichte der synoptischen Tradition“ darauf hingewiesen, dass die Vorgeschichte des Täufers ursprünglich mit großer Wahrscheinlichkeit keine Beziehung zu einem kommenden Messias hatte. „Vielmehr galt der Täufer als Wegbereiter Gottes selbst“, wie sich aus den Versen 14 bis 17 ergibt. „Möglicherweise waren die Täufererzählungen sogar älter als die parallel gestalteten und auf den Täufer Bezug nehmenden Jesuserzählungen“, meint Paul-Gerhard Müller in seiner Lukas-Exegese (Stuttgarter Kleiner Kommentar zu den Evangelien, S.440). Zwei Lebensgeschichten schriftstellerisch miteinander zu verknüpfen war in der antiken Literatur ein Kunstgriff, dessen Ziel keinesfalls darin bestand, eine der beiden Figuren abzuwerten. Im Gegenteil sollten „durch den Vergleich beide Figuren in ihren Besonderheiten profiliert werden“, wie Dietrich Rusam in seiner Lukas-Exegese (in: Ebner/Schreiber, Einleitung in das Neue Testament) anmerkt. Solche Parallel-Viten finden sich besonders bei Plutarch. Die Legende von der Weissagung der Geburt des Täufers ist stärker noch als andere lukanische Erzählungen mit Hinweisen auf das Alte Testament verwoben. Gezeigt werden soll, dass der Täufer in der Tradition der Tora und der Propheten steht. Die lange Unfruchtbarkeit der Mutter nimmt Bezug auf z.B. Richter 13 und die Abraham-Erzählung in der Genesis. Dass bei gottgewirkten Geburten und Berufungen der Name bereits von Gott festgesetzt wird, ist ein Topos (Ismael und Isaak in der Genesis, Immanuel in Jesaja, Joschija in 1. Könige). Der Hinweis, dass der neue Prophet sich nicht an Wein berauschen wird, verweist auf Numeri 6,3 und Richter 13,7. Das prophetische Wirken wie Elija stammt aus Maleachi 3, 23 f., die Kinderlosigkeit der Täufer-Eltern trotz großer Frömmigkeit und kultisch tadellosen Lebens erinnert an die Hanna-Erzählung in 1. Samuel 1. Und so weiter. In diese bewusste Gestaltung von Parallelen zu Erzählungen und Weissagungen im Ersten Testament fällt auch das Verstummen des Zacharias. Dieses Verstummen ist vordergründig als Strafe geschildert dafür, dass Zacharias eine Bestätigung für die durch den Engel Gabriel überbrachte Verheißung verlangt. Tatsächlich aber steht es in der Tradition vieler alttestamentarischer Beschreibungen göttlicher Gesichte bzw. der Berührungen durch die Hand Gottes (im Internet-Lexikon Wibilex gibt es einen erhellenden Artikel dazu, Stichwort „Audition“). Gerade um diesen Zusammenhang deutlich zu machen ist im Lukas-Evangelium die Szene breit geschildert. Paul-Gerhard Müller weist darauf hin: „Nach 1. Chronik 24,10 gibt es 24 Priesterabteilungen, die zwei- oder dreimal jährlich eine Woche lang Tempeldienst hatten. Nach Losentscheid fällt Zacharias diese ehrenvolle Aufgabe zu, das bei Tagesanbruch und am Nachmittag übliche Rauchopfer darzubringen.“ Für maximale Aufmerksamkeit ist also garantiert, als Zacharias verstummt, gerade während sich im Tempelvorhof das Volk drängt und auf den abschließenden Segen aus Numeri 6 wartet, den heute noch jeder Jude und jeder Christ kennt: „Der Herr segne und behüte dich...“. Als Zacharias schließlich erscheint und nur Handzeichen machen kann, ist – das will die Legende hier deutlich machen – jedem in der frommen Menge klar, dass diesem Priester Gott begegnet ist. Gerade so, wie Hesekiel verstummte, als er zum Propheten berufen wurde: „Ich will dir die Zunge an deinem Gaumen kleben lassen, dass du stumm wirst. (…) Wenn ich aber mit dir reden werde, will ich dir den Mund auftun.“ Alfons Edited December 21, 2016 by Alfons 6 Quote Link to comment Share on other sites More sharing options...
Popular Post Alfons Posted December 28, 2016 Popular Post Report Share Posted December 28, 2016 Der Eröffner dieses Threads scheint, seinem biblischem Thema Zacharias folgend, verstummt zu sein. Haaaallo! Ministrantenschlingel! Vielleicht hat ihm aber auch nur die lebhafte Debatte die Sprache verschlagen. Sei's drum. Ich wollte, das Schicksal des Zacharias betreffend, noch etwas anfügen, das mehr die möglichen Auslegungen der Perikope betont. Die Kurzfassung wieder vorweg: In der Geschichte vom Verstummen des Zacharias geht es, wenn man sie als Symbol-Geschichte begreift, in einer ersten Schicht um männliche Impotenz und in einer zweiten Schicht um den Gegensatz von gesetzestreuer Frömmigkeit einerseits und liebendem Vertrauen andererseits. Erste Schicht Die Ankündigung der Geburt des Johannes im Lukas-Evangelium lässt sich auch als eine Symbol-Geschichte lesen. Eigentlich lässt sie sich nur als Symbol-Geschichte verstehen, denn, wie schon Eugen Drewermann sagt: „Immer wieder mutet es erstaunlich an, mit welch einem psychologischen Gespür Legenden imstande sind, in symbolischen Andeutungen Aussagen zu formen, die über historische Tatsachen wenig oder überhaupt nichts kundtun, dafür aber Grundwahrheiten des Lebens vermitteln […] (Drewermann, Lukas I, S.59). Grundwahrheiten des Lebens – dass es darum geht, wird schon durch die Häufigkeit ähnlicher „Mythen von der Geburt eines Helden“ (so der Titel eines Buches von Otto Rank über diese antiken Erzählungen) deutlich: die betagten Eltern, die bisherige Kinderlosigkeit, die Weissagung durch einen Engel oder gleich durch Gott selber – all das sind immer wieder auftauchende Details, die nicht nur dazu da sind, das Außergewöhnliche der Heldengeburt zu betonen, sondern die auch psychologische Bedeutungen haben. Im Vordergrund steht dabei das Motiv der Unfruchtbarkeit. Und das meint natürlich: Unfruchtbarkeit der Frau. Zum Beispiel bei der Abraham-Sara-Geschichte in Genesis. In jenen biblischen Zeiten (und in manchen Kulturen gilt das bis in die Neuzeit hinein) war Kinderlosigkeit für eine Frau etwas Grauenhaftes, ein Fluch der Götter – einziger Wert der Frau neben ihrer Arbeitskraft war ja ihre Fähigkeit, Kinder zu gebären, vorzugsweise männliche Kinder. Dies nicht zu können nahm ihr die wichtigste Aufgabe, nahm ihr den Lebenssinn. Männer hatten es da einfacher. Sie konnten, wie Abraham, einfach eine ihrer Sklavinnen schwängern, um doch Kinder zu zeugen. In Abrahams Fall war es die Dienerin Hagar. In der Legende von der Geburt des Johannes kommt nun aber ein neues Motiv hinzu. Hier steht nicht die Verzweiflung der Elisabet im Fokus, sondern der Zweifel des Zacharias. Nämlich der Zweifel an seiner eigenen Virilität. In der Mythologie stehen Stimme und Sprache oft für Lebendigkeit und das Liebenkönnen, Stummheit hingegen für Impotenz und Tod, argumentiert Ernest Jones in „Die Empfängnis der Jungfrau Maria durch das Ohr“ (abgedruckt in: Zur Psychoanalyse der christlichen Religion, S.91). Der Priester Zacharias zweifelt also an seinem eigenen Vermögen, ein Kind zeugen zu können. Er, der sich streng an alle religiösen Regeln hält – und viele dieser Regeln haben mit einer Abwertung der Sexualität als etwas Unreinem zu tun – ist nicht in der Lage, Sexualität als Ergebnis von Vertrauen und Liebe zu sehen. Eugen Drewermann schildert (im 1.Band seiner Lukas-Exegese) Zacharias als einen Mann, „der als Priester korrekt und zuverlässig vor Gott seine Pflichten zu erfüllen sucht, der aber selbst nicht lebt und sich außerstande zeigt, Leben weiterzugeben“ (S.65). Wenn man die Stummheit in dieser mythologischen Darstellung mit „Impotenz“ übersetzt, lässt sich das Verstummen auch als Jus talionis verstehen: von der Strafe ist auf die Art der „Schuld“ zu schließen. Zweite Schicht So, wie sexuelle Störungen – Sigmund Freud lässt grüßen – ein Hinweis auf seelische Konflikte sein können, die tiefer liegen, so kann auch hinter der Symbolik in den antiken Heldengeburtsmythen noch eine tiefer greifende Symbolik verborgen sein. Und das ist, denke ich, hier der Fall. Dargestellt wird der Gegensatz von korrekt-frommen Leben, das den Menschen verdorren lässt, und fruchtbringendem Vertrauen, das neues Leben wachsen lässt, oder besser: die Entwicklung von dem einen hin zu dem anderen. Im Buch Tobit wird, nebenbei erwähnt, eine ähnliche Entwicklung geschildert. Zacharias findet in dem Moment die Sprache wieder – und Sprache steht in Mythen für Leben und Liebe – , in dem er wirklich glauben kann, dass etwas gut geworden ist, und dass es um Liebe geht und nicht um Gesetzestreue um jeden Preis. Deshalb ist „Fürchte dich nicht!“ das erste, was der Engel sagt. Nicht Angst löst das seelische Problem des Zacharias, sondern das Vertrauen. Aber es ist gar nicht so leicht, plötzlich Vertrauen zu lernen. Und so verstummt Zacharias, sprachlos vor der neuen Zumutung. Die Botschaft wird gleich doppelt übermittelt. Wie soll das Kind heißen, das hier angekündigt wird? Jochanan, sagt der Engel. Jo'chanan – das bedeutet „Jahwe hat sich erbarmt“ oder „Der Herr ist gnädig“. Da wird nicht nur der künftige Täufer Johannes angekündigt, da wird auch etwas angekündigt, was in dem unfruchtbar-frommen Priester selber heranwächst, ein geistiges Kind, sozusagen. Um auch hier Drewermann zu zitieren: „Gott hat sich erbarmt – das ist die Mitteilung, die an jeden Einzelnen ergehen müsste, um ihn aus seiner Versagerrolle, aus seiner Niedergedrücktheit, aus seiner versteckten Depression herauszuführen; das ist der Name, auf dem Zacharias bestehen wird und der ihm schließlich seine [...] Sprachfähigkeit zurückgeben wird“ (Drewermann, Lukas S. 68). So wie Paulus später blind werden musste, um die Welt im Licht der Gnade Gottes neu sehen zu können – auch das ist ein von Drewermann stammender Gedanke – so „ist dieses kostbare Wort vom Erbarmen Gottes offenbar nur zu erkaufen um den Preis einer längeren Zeit des Verstummens“. Hinter der Legende von der Ankündigung der Geburt des Täufers stehen also, symbolisch betrachtet, eine Absage und eine Zusage. Eine Absage an die Vorstellung, entscheidend sei das Bemühen, den Willen Gottes korrekt, regelkonform und gesetzestreu erfüllen. Und eine Zusage dessen, was wirklich entscheidend ist: leben zu dürfen ohne Gegenleistung, geliebt zu werden ohne Bedingung. Alfons 4 Quote Link to comment Share on other sites More sharing options...
Popular Post Ennasus Posted December 28, 2016 Popular Post Report Share Posted December 28, 2016 (edited) Als Frau möchte ich gerne noch etwas anfügen .Ich finde es sehr spannend, was Alfons geschrieben hat. Ich selbst bin noch gar nie auf die Idee gekommen, darüber nachzudenken, warum Zacharias und Elisabeth konkret unfruchtbar waren. Der Gedanke, dass das mit Sexualität bzw. männlichem Zweifel an der eigenen Potenz zu tun haben könnte, ist mir noch nie in den Sinn gekommen.Mir selbst sind in diesem Zusammenhang auch noch andere Gedanken wichtig, die ich von Veronica Gradl gelernt habe.Sie passen aber gut zu Alfons´ Posting. Und außerdem zu Weihnachten. Die Geschichte von der Ankündigung und der Geburt des Vorläufers Jesu steht bei Lukas - der ja "der Reihe nach" aufschreiben will, "was sich unter uns ereignet und erfüllt hat", sinnvollerweise ganz am Beginn seines Evangeliums. Lukas beschreibt mit diesem Anfang in ganz genauen Bildern genau das, was geschehen muss, dass Jesus geboren werden kann. (Und was in jedem Menschen geschehen muss, in dem etwas Neues werden soll.) Das Lukasevangelium beginnt also damit, dass Zacharias am Altar steht und "das Räucheropfer darbringt".Rauch und Räuchern hat in der Bibel immer mit Gefühlen zu tun. Dabei geht es nicht um den Rauch an sich - sondern um etwas anderes: Jeder Beginn einer neuen Entwicklung ist auf die Intensität des Fühlens angewiesen. E-motionen sind das, was uns in Bewegung bringt, was uns motiviert und unser Gehirn darauf vorbereitet, uns auf neues Lernen, auf Veränderung einzulassen. Insofern ist es nur zu richtig, dass für JHWH, der ein Gott des Werdens ist, solche Rauchopfer "ein lieblicher Geruch" sind.Das Rauchopfer des Zacharias ist nun ein Rauchopfer, das stellvertretend für das ganze Volk zur Verehrung JHWHs gebracht wird.Alles in dieser Szene ist auf dieses Verehren des Größeren hin versammelt, mit aller Präsenz, mit aller Kraft des Fühlens und Denkens - sowohl "das ganze Volk", das draußen steht und betet, als auch Zacharias selbst: Sogar sein Name sagt das. Die Wortwurzel "sacha" hat zu tun mit erinnern, gedenken, nachdenken, bei sich bewegen. Sie findet sich zum Beispiel auch im ersten Psalm wieder als Sinnen, Murmeln, mit ganzem Wesen versammelt Sein.In diese dichte Atmosphäre der Hingabe erscheint ihm der Engel und sagt ihm, dass er das so lang ersehnte und erbetene Kind bekommen soll. Es soll Johannes heißen. Alfons hat eh schon darauf hingewiesen - auch dieser Name ist ein sprechender Name: "chanan" heißt günstig sein, gnädig sein, geneigt sein. Ich glaube nun, dass es nicht nur darum geht, dass Gott gnädig ist, sondern es muss auch das eigene Herz "gnädig" werden, sich zu etwas neigen, zulassen, dass man etwas lieb hat. Wer nicht selbst eine Ahnung davon in sich trägt, was Zuneigung, was Liebe ist, den wird diese Botschaft, dass Gott Liebe ist, gar nicht erreichen können.Jedenfalls: So eine Ahnung davon, dass das, was da heranwachsen soll, mit Liebhaben, mit tiefer Liebe zu zu tun hat, scheint ganz überwältigend in Zacharias aufgetaucht zu sein.Spannend finde ich, dass der Engel "auf der rechten Seite des Altars" erscheint. Rechts hat mit Nachdenken, mit Verstand zu tun. Es ist auch das nur zu richtig: Für jemanden, der sein ganzes Leben im Bemühen verbracht hat, alles richtig und korrekt zu machen, alle Gesetze zu erfüllen, und der sicher war, dass es das ist, was Gott von ihm will, für den ist es auch Denk-Arbeit, so einer überwältigenden Gefühlsregung und Vorahnung zu trauen. Da muss ja alles, was man bisher verstanden hattte, noch einmal neu gedacht, neu verstanden werden. Dass einen das eine Zeitlang zum Verstummen bringen kann (Das, was man früher geredet und gesagt hat, stimmt ja nicht mehr! Liebe hat nichts mit Leistenmüssen und Angst vor dem Falschmachen zu tun.) - scheint mir ganz richtig. Wer mir auch noch wichtig ist in diesem Zusammenhang, ist Elisabet.Auch sie stammt aus der Priesterkaste, beide gehören zu Aaron. Aaron ist der Bruder des Mose - er ist der, der Sprache zur Verfügung hat, der das Geschehen im Innern eines Menschen schon bewusst in Worte fassen und sagen kann. Auch Elisabet ("Gott ist die Fülle, die Segensfülle") ist/hat eine solche Aaron-Funktion - sie kriegt das alles ganz klar mit und kann aussprechen, was Zacharias noch sprachlos macht: "Mein Gott hat geholfen, er hat gnädig auf mich geschaut".Während dessen geschieht in Nazareth auch bei Maria das Wunder: Es beginnt auch in ihr etwas völlig Neues heranzuwachsen, das sie noch gar nicht erfassen kann. Maria hat ihre Berufung gehört, angenommen und bejaht - aber nun muss noch etwas geschehen: Der werdende Jochanan und seine Mutter haben jetzt eine wirklich wichtige wegbereitende Funktion: Es kommt zur Begegnung zwischen den beiden Frauen und in Elisabet "hüpfte das Kind in ihrem Leibe". Dass das Liebhaben auch im Bewusstsein aufhüpft und voll Freude ja zu diesem Neuen sagt, das ist wichtig! Es geschieht so oft, dass etwas in einem Menschen neu werden möchte, aber nicht "erkannt" wird. Und weil es nicht bewusst werden kann, weil es nicht ins Wort gebracht werden kann, vergeht es einfach wieder. Edited December 28, 2016 by Ennasus 5 Quote Link to comment Share on other sites More sharing options...
Alfons Posted December 28, 2016 Report Share Posted December 28, 2016 Ich glaube nun, dass es nicht nur darum geht, dass Gott gnädig ist, sondern es muss auch das eigene Herz "gnädig" werden Das ist, finde ich, ein sehr wichtiger Gedanke. Danke dafür! Zu dem ganzen Komplex der Zacharias-Geschichte habe ich noch zwei Nachträge, die ich gestern aus dem Entwurf meines vorigen Postings gestrichen hatte. Ich hänge sie jetzt hier einfach mal an. Nachtrag 1 Mich fasziniert ja der Gedanke, dass in der Legende von der Ankündigung der Täufer-Geburt, neben ihrem unbestreitbar symbolischen Gehalt, auch die Existenz einer eigenständigen, von der Jesus-Bewegung unabhängigen Täufer-Gemeinde durchschimmert. Karl Heinrich Rengstorff (in „Das Evangelium nach Lukas“, S. 17) verortet diese Gemeinde um etwa das Jahr 50 u.Z. in Ephesus. Schließlich führen ja auch die heute noch existierenden Mandäer ihren Glauben auf Johannes den Täufer zurück. Ich halte es für möglich, dass sich hier sogar eine Auseinandersetzung zwischen dem Judentum und den Johannes-Nachfolgern abspiegelt. Denn die Erzählung konstruiert einen scharfen Gegensatz zwischen Vater und Sohn. Der Vater Zacharias ist gesetzesfromm, dem Tempeldienst verpflichtet, er hantiert, angetan mit den vorgeschriebenen Gewändern, mit allen wichtigen und vorgeschriebenen Riten im wichtigsten Gebäudes des Judentums, dem Tempel, und bringt dort das rituelle Rauchopfer. Zugleich ist er aber verstummt und kann nicht einmal den Priestersegen, einen der wichtigsten Texte des Judentums, sprechen. Der Sohn nun wird als komplettes Gegenbild geschildert: Ein Asket, gekleidet in eine Art Kamelhaardecke, sein Gotteshaus ist die Wüste, er ist sprachmächtig, überzeugend, wortgewaltig. Faszinierend finde ich nun aber, dass diese Erzählung zwar die Unterschiede, aber nicht die Ähnlichkeit zwischen Vater Zacharias (vor der Geburt des Johannes) und Sohn Johannes sieht. Nämlich die Ähnlichkeit in der Vorstellung von Frömmigkeit: Zacharias und seine Frau Elisabet „hielten sich in allem streng an die Gebote und Vorschriften des Herrn“, womit die 613 Ge- und Verbote aus der Tora gemeint sind. Ihr Sohn Johannes ersetzt die starren äußeren Regeln durch eine nicht minder rigorose moralische Selbstzensur und durch Drohungen mit dem kommenden Gericht. Nachtrag 2 Abschließend noch ein eher skurriles Detail. Der Name Zacharias ist ja lediglich die griechische Form des hebräischen Sacharja. Der ist besonders als einer der kleinen Propheten im Ersten Testament bekannt: Sacharja, Sohn des Barachja. Da liegt es natürlich nahe, zu schauen: Gibt es Parallelen zwischen dem alttestamentarischen Sacharja und dem neutestamentlichen Zacharias? Antwort: Ja, aber nicht sehr beeindruckend. In einer der Visionen des Propheten Sacharja geht es um die Segnung des Hohenpriesters Josua und die hoffnungsfrohe Zukunft der kommenden Priesterschaft. Das ließe sich schon auf den Vater des Täufers Johannes beziehen. Erstaunlich ist aber etwas anderes. Im Matthäus-Evangelium (parallel und kürzer auch bei Lukas), und zwar in der großen Rede Jesu wider die Schriftgelehrten und Pharisäer, wird über den Tod des „Zacharias, Sohn Barachjas“ berichtet: „...auf dass über euch komme all das gerechte Blut, das vergossen ist auf Erden, von dem Blut des gerechten Abel bis auf das Blut des Zacharias, des Sohnen Barachjas, welchen ihr getötet habt zwischen Tempel und Altar“ (Matth. 23, 35). Nun steht allerdings im Ersten Testament nichts über den Tod dieses Propheten Sacharja. Weder in dem Sacharja-Buch selber noch anderswo. In 2. Chronik 24, 20 f. allerdings wird berichtet über einen Propheten namens Sacharja, Sohn des Priesters Jojada. Dieser Prophet wurde auf Befehl des Königs Joasch gesteinigt „im Hof des Hauses des Herrn“. Das muss dann aber, wenn die Vatersnamen stimmen, ein anderer Sacharja gewesen sein – der Name kommt in der Bibel an die 20 mal vor. Neutestamentler neigen zu der Ansicht, Matthäus habe die beiden Propheten, den Sacharja aus 2. Chronik und den Sacharja des Sacharja-Buches, verwechselt. Ich halte es allerdings (Achtung, nagelneue Theorie, soeben erfunden!) auch für möglich, dass es im jüdischen Volksglauben des ersten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung eine Legende gab, nach der Sacharja, Sohn des Barachja und einer der zwölf kleinen Propheten, diesen Aufsehen erregenden Tod gefunden hatte: erschlagen zu werden ausgerechnet dort, wo keine Gewalttat geschehen darf. Dass sich Legenden wenig um das scheren, was schriftlich überliefert ist, wissen Christen ja aus ihrem eigenen Glauben: Wo in der Bibel steht etwas von den heiligen drei Königen Caspar, Melchior und Balthasar? Wo in den kanonischen Evangelien steht etwas von Anna und Joachim, den Eltern der Maria? Für die Verwechslung durch Matthäus oder vielleicht auch durch einen späteren Übersetzer oder Glossator spricht allerdings ein Ereignis, das Flavius Josephus im vierten Band seines Jüdischen Krieges berichtet: Dass ein frommer Jude namens Zacharias ben Bareis von Zeloten in einem Scheinprozess zum Tod verurteilt, „mitten im Tempel“ getötet und dann in eine Schlucht geworfen worden sei. Das Ganze etwa im Jahr 70 u.Z. und damit zeitlich nah an der Abfassung des Matthäus-Evangeliums. Alfons Quote Link to comment Share on other sites More sharing options...
Flo77 Posted December 28, 2016 Report Share Posted December 28, 2016 Dieser Prophet hätte dann aber über 100 Jahre als gewesen sein müssen, da die Ehe von Elisabeth und Zacharias "lange" kinderlos geblieben war und Johannes aber immer noch älter als Jesus gewesen sein soll. Geht man von Jesu Geburt im Jahr 4 v.Chr. aus und Johannes' Geburt spätestens um 6/5v. Chr. muss Zacharias zur Zeitenwende bereits mind. 30 oder noch älter gewesen sein. Quote Link to comment Share on other sites More sharing options...
Alfons Posted December 28, 2016 Report Share Posted December 28, 2016 Dieser Prophet hätte dann aber über 100 Jahre als gewesen sein müssen, da die Ehe von Elisabeth und Zacharias "lange" kinderlos geblieben war und Johannes aber immer noch älter als Jesus gewesen sein soll. Geht man von Jesu Geburt im Jahr 4 v.Chr. aus und Johannes' Geburt spätestens um 6/5v. Chr. muss Zacharias zur Zeitenwende bereits mind. 30 oder noch älter gewesen sein. Völlig richtig. Es gibt auch, glaube ich, niemanden, der nahelegt, dass der im Jüdischen Krieg von den Zeloten verurteile Zacharias ben Bareis identisch war mit Zacharias, dem Vater des Johannes (sofern es den überhaupt als historische Person gegeben hat). Wohl aber gab es gelegentlich die Theorie, dass der in Matthäus 23, 35 erwähnte Zacharias ben Barachja und der Zacharias ben Bareis des Josephus ein und dieselbe Person waren. Argument war, dass sowohl Barachias als auch Bareis der gleiche Name, nämlich Baruch, sei. Im LThK wird diese Annahme zurück gewiesen, dort geht man (beim Stichwort Zacharias) davon aus, dass Matthäus die beiden Propheten (Zacharias ben Barachja und Zacharias ben Jojada) verwechselt habe. Das Geschehen im Jüdischen Krieg könnte aber, schon aufgrund der Namensähnlichkeit, zu der Verwechslung durch Matthäus oder einen späteren Schreiber beigetragen haben. Alfons Quote Link to comment Share on other sites More sharing options...
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