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Evangelium vom 19. Dezember 2016 (Lk 1,5-25)


Ministrantenschlingel

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Ministrantenschlingel

Grüß Gott liebes Forum,

 

meine Frage stelle ich absichtlich etwas naiv um besser herausarbeiten zu können, was mich beschäftigt. In dem o. g. Abschnitt aus dem Lukasevangelium wird die Situation geschildert, als dem Zacharias vom Erzengel Gabriel die Botschaft von der Geburt des heiligen Johannes überbracht wird (vollständiger Text siehe unten). Der Text ist voll von Freude, Zuversicht und Hoffnung. Als aber Zacharias den Engel fragt, woran er erkennen kann, daß seine Botschaft wahr ist, da schlägt die Stimmung plötzlich um und der Engel kündigt ihm an, daß er stumm werden würde, weil er seinen Worten nicht geglaubt hat. Der gute Zacharias hat ja nur gefragt und nicht gesagt, daß er nicht glauben würde. Und mal ehrlich, wenn heute zu einem von uns ein Engel sprechen würde, wäre das nicht Grund genug Fragen zu stellen. Warum also wegen einer m. E. berechtigten Frage diese harsche Reaktion, die so ganz im Gegensatz zum Tenor dieses Textes steht?

 

Hat jemand von Euch eine Erklärung für diesen Sachverhalt? Bestimmt gibt es eine exegetische Antwort auf meine Frage. Warum aber ist der Text an dieser Stelle so sperrig, so schwierig?

 

Gruß vom Mnistrantenschlingel

 

Hier nun der Text:

 

Die Verheißung der Geburt des Täufers

5 Zur Zeit des Herodes, des Königs von Judäa, lebte ein Priester namens Zacharias, der zur Priesterklasse Abija gehörte. Seine Frau stammte aus dem Geschlecht Aarons; sie hieß Elisabet.2
6 Beide lebten so, wie es in den Augen Gottes recht ist, und hielten sich in allem streng an die Gebote und Vorschriften des Herrn.
7 Sie hatten keine Kinder, denn Elisabet war unfruchtbar, und beide waren schon in vorgerücktem Alter.
8 Eines Tages, als seine Priesterklasse wieder an der Reihe war und er beim Gottesdienst mitzuwirken hatte,
9 wurde, wie nach der Priesterordnung üblich, das Los geworfen, und Zacharias fiel die Aufgabe zu, im Tempel des Herrn das Rauchopfer darzubringen.3
10 Während er nun zur festgelegten Zeit das Opfer darbrachte, stand das ganze Volk draußen und betete.
11 Da erschien dem Zacharias ein Engel des Herrn; er stand auf der rechten Seite des Rauchopferaltars.
12 Als Zacharias ihn sah, erschrak er und es befiel ihn Furcht.
13 Der Engel aber sagte zu ihm: Fürchte dich nicht, Zacharias! Dein Gebet ist erhört worden. Deine Frau Elisabet wird dir einen Sohn gebären; dem sollst du den Namen Johannes geben.
14 Große Freude wird dich erfüllen und auch viele andere werden sich über seine Geburt freuen.
15 Denn er wird groß sein vor dem Herrn. Wein und andere berauschende Getränke wird er nicht trinken und schon im Mutterleib wird er vom Heiligen Geist erfüllt sein.
16 Viele Israeliten wird er zum Herrn, ihrem Gott, bekehren.
17 Er wird mit dem Geist und mit der Kraft des Elija dem Herrn vorangehen, um das Herz der Väter wieder den Kindern zuzuwenden und die Ungehorsamen zur Gerechtigkeit zu führen und so das Volk für den Herrn bereit zu machen.
18 Zacharias sagte zu dem Engel: Woran soll ich erkennen, dass das wahr ist? Ich bin ein alter Mann und auch meine Frau ist in vorgerücktem Alter.
19 Der Engel erwiderte ihm: Ich bin Gabriel, der vor Gott steht, und ich bin gesandt worden, um mit dir zu reden und dir diese frohe Botschaft zu bringen.
20 Aber weil du meinen Worten nicht geglaubt hast, die in Erfüllung gehen, wenn die Zeit dafür da ist, sollst du stumm sein und nicht mehr reden können bis zu dem Tag, an dem all das eintrifft.
21 Inzwischen wartete das Volk auf Zacharias und wunderte sich, dass er so lange im Tempel blieb.
22 Als er dann herauskam, konnte er nicht mit ihnen sprechen. Da merkten sie, dass er im Tempel eine Erscheinung gehabt hatte. Er gab ihnen nur Zeichen mit der Hand und blieb stumm.4
23 Als die Tage seines Dienstes (im Tempel) zu Ende waren, kehrte er nach Hause zurück.
24 Bald darauf empfing seine Frau Elisabet einen Sohn und lebte fünf Monate lang zurückgezogen. Sie sagte:
25 Der Herr hat mir geholfen; er hat in diesen Tagen gnädig auf mich geschaut und mich von der Schande befreit, mit der ich in den Augen der Menschen beladen war.
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Ich glaube nun, dass es nicht nur darum geht, dass Gott gnädig ist, sondern es muss auch das eigene Herz "gnädig" werden

 

 

Das ist, finde ich, ein sehr wichtiger Gedanke.

Danke dafür!

 

 

 

Zu dem ganzen Komplex der Zacharias-Geschichte habe ich noch zwei Nachträge, die ich gestern aus dem Entwurf meines vorigen Postings gestrichen hatte. Ich hänge sie jetzt hier einfach mal an.

 

Nachtrag 1

 

Mich fasziniert ja der Gedanke, dass in der Legende von der Ankündigung der Täufer-Geburt, neben ihrem unbestreitbar symbolischen Gehalt, auch die Existenz einer eigenständigen, von der Jesus-Bewegung unabhängigen Täufer-Gemeinde durchschimmert. Karl Heinrich Rengstorff (in „Das Evangelium nach Lukas“, S. 17) verortet diese Gemeinde um etwa das Jahr 50 u.Z. in Ephesus. Schließlich führen ja auch die heute noch existierenden Mandäer ihren Glauben auf Johannes den Täufer zurück.

 

Ich halte es für möglich, dass sich hier sogar eine Auseinandersetzung zwischen dem Judentum und den Johannes-Nachfolgern abspiegelt. Denn die Erzählung konstruiert einen scharfen Gegensatz zwischen Vater und Sohn. Der Vater Zacharias ist gesetzesfromm, dem Tempeldienst verpflichtet, er hantiert, angetan mit den vorgeschriebenen Gewändern, mit allen wichtigen und vorgeschriebenen Riten im wichtigsten Gebäudes des Judentums, dem Tempel, und bringt dort das rituelle Rauchopfer. Zugleich ist er aber verstummt und kann nicht einmal den Priestersegen, einen der wichtigsten Texte des Judentums, sprechen. Der Sohn nun wird als komplettes Gegenbild geschildert: Ein Asket, gekleidet in eine Art Kamelhaardecke, sein Gotteshaus ist die Wüste, er ist sprachmächtig, überzeugend, wortgewaltig. Faszinierend finde ich nun aber, dass diese Erzählung zwar die Unterschiede, aber nicht die Ähnlichkeit zwischen Vater Zacharias (vor der Geburt des Johannes) und Sohn Johannes sieht. Nämlich die Ähnlichkeit in der Vorstellung von Frömmigkeit: Zacharias und seine Frau Elisabet „hielten sich in allem streng an die Gebote und Vorschriften des Herrn“, womit die 613 Ge- und Verbote aus der Tora gemeint sind. Ihr Sohn Johannes ersetzt die starren äußeren Regeln durch eine nicht minder rigorose moralische Selbstzensur und durch Drohungen mit dem kommenden Gericht.

 

Nachtrag 2

 

Abschließend noch ein eher skurriles Detail. Der Name Zacharias ist ja lediglich die griechische Form des hebräischen Sacharja. Der ist besonders als einer der kleinen Propheten im Ersten Testament bekannt: Sacharja, Sohn des Barachja. Da liegt es natürlich nahe, zu schauen: Gibt es Parallelen zwischen dem alttestamentarischen Sacharja und dem neutestamentlichen Zacharias? Antwort: Ja, aber nicht sehr beeindruckend. In einer der Visionen des Propheten Sacharja geht es um die Segnung des Hohenpriesters Josua und die hoffnungsfrohe Zukunft der kommenden Priesterschaft. Das ließe sich schon auf den Vater des Täufers Johannes beziehen.

 

Erstaunlich ist aber etwas anderes. Im Matthäus-Evangelium (parallel und kürzer auch bei Lukas), und zwar in der großen Rede Jesu wider die Schriftgelehrten und Pharisäer, wird über den Tod des „Zacharias, Sohn Barachjas“ berichtet: „...auf dass über euch komme all das gerechte Blut, das vergossen ist auf Erden, von dem Blut des gerechten Abel bis auf das Blut des Zacharias, des Sohnen Barachjas, welchen ihr getötet habt zwischen Tempel und Altar“ (Matth. 23, 35).

 

Nun steht allerdings im Ersten Testament nichts über den Tod dieses Propheten Sacharja. Weder in dem Sacharja-Buch selber noch anderswo. In 2. Chronik 24, 20 f. allerdings wird berichtet über einen Propheten namens Sacharja, Sohn des Priesters Jojada. Dieser Prophet wurde auf Befehl des Königs Joasch gesteinigt „im Hof des Hauses des Herrn“. Das muss dann aber, wenn die Vatersnamen stimmen, ein anderer Sacharja gewesen sein – der Name kommt in der Bibel an die 20 mal vor. Neutestamentler neigen zu der Ansicht, Matthäus habe die beiden Propheten, den Sacharja aus 2. Chronik und den Sacharja des Sacharja-Buches, verwechselt. Ich halte es allerdings (Achtung, nagelneue Theorie, soeben erfunden!) auch für möglich, dass es im jüdischen Volksglauben des ersten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung eine Legende gab, nach der Sacharja, Sohn des Barachja und einer der zwölf kleinen Propheten, diesen Aufsehen erregenden Tod gefunden hatte: erschlagen zu werden ausgerechnet dort, wo keine Gewalttat geschehen darf. Dass sich Legenden wenig um das scheren, was schriftlich überliefert ist, wissen Christen ja aus ihrem eigenen Glauben: Wo in der Bibel steht etwas von den heiligen drei Königen Caspar, Melchior und Balthasar? Wo in den kanonischen Evangelien steht etwas von Anna und Joachim, den Eltern der Maria?

 

Für die Verwechslung durch Matthäus oder vielleicht auch durch einen späteren Übersetzer oder Glossator spricht allerdings ein Ereignis, das Flavius Josephus im vierten Band seines Jüdischen Krieges berichtet: Dass ein frommer Jude namens Zacharias ben Bareis von Zeloten in einem Scheinprozess zum Tod verurteilt, „mitten im Tempel“ getötet und dann in eine Schlucht geworfen worden sei. Das Ganze etwa im Jahr 70 u.Z. und damit zeitlich nah an der Abfassung des Matthäus-Evangeliums.

 

Alfons

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Dieser Prophet hätte dann aber über 100 Jahre als gewesen sein müssen, da die Ehe von Elisabeth und Zacharias "lange" kinderlos geblieben war und Johannes aber immer noch älter als Jesus gewesen sein soll.

 

Geht man von Jesu Geburt im Jahr 4 v.Chr. aus und Johannes' Geburt spätestens um 6/5v. Chr. muss Zacharias zur Zeitenwende bereits mind. 30 oder noch älter gewesen sein.

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Dieser Prophet hätte dann aber über 100 Jahre als gewesen sein müssen, da die Ehe von Elisabeth und Zacharias "lange" kinderlos geblieben war und Johannes aber immer noch älter als Jesus gewesen sein soll.

 

Geht man von Jesu Geburt im Jahr 4 v.Chr. aus und Johannes' Geburt spätestens um 6/5v. Chr. muss Zacharias zur Zeitenwende bereits mind. 30 oder noch älter gewesen sein.

 

Völlig richtig. Es gibt auch, glaube ich, niemanden, der nahelegt, dass der im Jüdischen Krieg von den Zeloten verurteile Zacharias ben Bareis identisch war mit Zacharias, dem Vater des Johannes (sofern es den überhaupt als historische Person gegeben hat). Wohl aber gab es gelegentlich die Theorie, dass der in Matthäus 23, 35 erwähnte Zacharias ben Barachja und der Zacharias ben Bareis des Josephus ein und dieselbe Person waren. Argument war, dass sowohl Barachias als auch Bareis der gleiche Name, nämlich Baruch, sei. Im LThK wird diese Annahme zurück gewiesen, dort geht man (beim Stichwort Zacharias) davon aus, dass Matthäus die beiden Propheten (Zacharias ben Barachja und Zacharias ben Jojada) verwechselt habe. Das Geschehen im Jüdischen Krieg könnte aber, schon aufgrund der Namensähnlichkeit, zu der Verwechslung durch Matthäus oder einen späteren Schreiber beigetragen haben.

 

Alfons

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