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Bruch der Tradition eher der Normalfall in der Kirche?


Frank

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Zu letzt las ich den sehr spannenden Historienroman „Die Henkerstochter und der Teufel von Bamberg“ von Oliver Pötzsch.
Ein vermeintlicher Werwolf geht in Bamberg um reisst wahllos Männer und Frauen während der Schongauer Henker Jakob Kuisl, mit Familie, seinen Bruder Bartholomäus zu dessen Hochzeit in Bamberg besuchen. Wie sich herausstellt ist der vermeintliche Werwolf der einzige Nachfahre einer Patrizier-Familie die bei der grossen Hexenverfolgung in Bamberg nahezu ausgelöscht wurde.
Ein sehr spannendes und – wie die gesamte Henkerstochterreihe - sehr gut recherchiertes Buch . Sehr lesenswert.

Im stöbern nach Informationen zum Bamberger Malefiz-Haus stiess ich auf dieses Youtube-Video. Interessant dabei: Bis ins 13.Jhdt wurde der Glaube an Hexen, an Schadzauber eher als heidnischer Aberglaube abgelehnt. Bis dann Thomas von Aquin, Ende des 13Jhdts behauptet Hexentaten könnten mit Hilfe des Teufels tatsächlich ausgeführt werden. Galt man bis dahin als Ketzer wenn man an die Existenz von Hexen glaubte, wendet sich nun das Blatt. Die Inquisition, die zunächst Ketzer zum rechten Gauben führen sollte wurde nun zunehmend damit beauftragt Hexenverfolgungen durchzuführen. (Min. 7:20 – 13:40)
Glaubt man Wikipedia hat zwar die „Hexenbulle“ „Summis desiderantes affectibus“ von Papst Innozenz VII zwar den Ausbruch des Hexenwahns, z. B. In Italien, verhindert, jedoch lieferte sie die Rechtfertigung der Hexenverfolgung z. B. In Deutschland.
Wenn auch die mörderischen Verfolgungswellen in der frühen Neuzeit, in der die meisten Justiz-Morde geschahen, durch die „weltliche Macht“ durchgeführt wurden, haben wir hier doch den Traditionsbruch von „Hexe? Aberglaube!“ zu „Hexe? Brennt sie!“
Zur Rolle der Kirche beim Ende der Hexenverfolgungen hab ich nichts herausgefunden, jedoch haben wir aller spätestens bei der Vergebungsbitte Johannes Paul II, 2000, den nächsten Wandel in der Tradition. Wobei ich diese Vergebungsbitte eher als Sichtbaren „Eckstein“ betrachten möchte, die Ablehnung der Hexenverfolgungen war da schon längst „common sense“
Nach dem ich hier nicht die Hexenverfolgung diskutieren möchte, sondern die Frage ob der Traditionsbruch oder eher „Traditionswandel“ der Normalfall der Kirchengeschichte war, kann man das Ende so schwammig stehen lassen, denke ich.

Den ersten Traditionsbruch sehen wir schon in der Apostelgeschichte (Apg 15) als die noch junge Kirche, auf dem Apostelkonzil, mit der jüdischen Tradition brach und nun eine eigenständige Religion wurden. Hätte es das Apostelkonzil nicht gegeben, wären wir Christen immer noch eine jüdische Sekte.

Wenn es stimmt, das mit VatII ein Bruch in der Tradition der Kirche stattgefunden hat – was man an den Thesen zur Religionsfreiheit oder der Reform der Liturgie zweifelsohne diskutieren kann – dann ist dies kein Unikum in der Geschichte der Kirche.

Wenn mit Amoris Laetitia ein Traditionsbruch bei der Frage der Unauflöslichkeit der Ehe stattgefunden haben sollte – auch das kann man diskutieren – dann ist der Vorgang dem Wandel den ich bei den Hexen skizzierte nicht unähnlich: Aus einem strengen „auf gar keinen Fall“ macht PP Franziskus ein barmherziges „kommt darauf an“

Das abreißen von Traditionssträngen, der Wandel und mit unter auch der Bruch von Traditionen, ist in der Kirchengeschichte ein so oft vollzogener Vorgang, das es eher etwas normales darstellt.
Diese Behauptung möchte ich hier zur Debatte stellen.

bearbeitet von Frank
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Da es bereits in der Apostelgeschichte Uneinigkeiten gab, ist es m.E. nicht angebracht, z.B. die Vorgänge um Hexenverbrennungen und die Überwindung dieses Aberglaubens als "Traditionsbruch" darzustellen. Es gab ja sogar eine Zeit lang einen Streit unter Theologen, ob Indianer eine unsterbliche Seele haben. In einer Kirchengeschichte stand zu dem Hexenaberglauben folgender Satz:

 

Der ganze Wahn ist als traurige Verirrung der Menschheit zu charakterisieren, die vielfache Wurzeln gehabt hat.

 

Daher sehe ich hier keinen "Taditionsbruch".

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Ich denke auch, daß "Traditionsbruch" zum Wesen der Kirche dazugehört.

 

Es heißt ja nicht umsonst (und ganz richtig) Ecclesia semper refomanda (die Kirche muß sich ständig erneuern). Die Welt ändert sich beständig ("macht euch die Erde untertan" hat vielfältige Folgen...) und damit muß auch die Kirche 'mit der Zeit gehen' wenn sie nicht zu einem Relikt der Vergangenheit verkommen will. Dabei müssen sich dann gelegentlich auch Dinge ändern, die (sehr) lange Bestand hatten - also Traditionen gebrochen werden. Nicht ständig, nicht vorschnell, aber immer wieder.

 

 

 

PS.: Die "Cautio Criminalis" des Jesuiten Friedrich Spee trug entscheidend zum Ende des Hexenwahns in Deutschland bei.

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Mit der cautio criminalis hätte er sich aber fast selbst die Zehen verbrannt.

 

Ansonsten kann man sagen: Je nachdem, was man unter "Tradition" versteht, besteht eine Tradition der Kirche darin, dass sie Traditionen bricht.

 

Der Sinn der Tradition liegt m.E. in der Weitergabe des Glaubens, der von einer Generation (oder auch von einem Volk) zur nächsten (oder zum nächsten Volk) weiter gegeben wird.

Mission wäre damit ein Teil der Tradition.

 

Da sich der Glaube aber verschiedener Inhalte, Riten, Geschichten, Weltbilder bedienen kann, sind die Erscheinungsbilder des Glaubens aber je nach Zeit, Ort und Kultur sehr unterschiedlich.

 

Wenn man allein schon die Schöpfungsvorstellungen im Zusammenhang mit dem jeweiligen Weltbild anschaut.

Biblisch hatte man das Weltbild einer Pizzascheibe, untendran Säulen, obendran eine Art Käseglocke als Himmel. Und in diesem Weltbild hat jemand, zu dessen täglicher Erfahrung der 7-Tage-Rhythmus gehörte, dann geschrieben, dass diese Welt von einem supergutwilligen und menschenfreundlichen Gott geschaffen worden sein muss. Hätte ich in der damaligen Zeit vielleicht auch so beschrieben.

 

Daraus hat sich dann eine Asche-Tradition gebildet. Man hat die Weltbild-Aussagen (sozusagen die Asche) als eine von Gott offenbarte Tatsache gesehen. Und daran hatte man sich im Sinne eines Fürwahrhalteglaubens zu halten. Das eigentliche religiöse Feuer (das Staunen über und Lieben des supergutwilligen und menschenfreundlichen Gottes) hat man weitgehend unter den Teppich gekehrt. Weitergegeben wurde (als notwendiges Kriterium für Rechtgläubigkeit) die Asche. Und folgerichtig konnte man auch bei Zuwider-Glauben zu Asche verbrannt werden.

 

Dann (Anfänge bereits in der Antike) wurde das alte Weltbild aber immer obsoleter. Im Zeitalter der Astronomie und Raumfahrt wurde es schließlich lächerlich.

Wenn man überhaupt etwas tradieren wollte, musste man sich von der Asche befreien.

Und - guckeda! - auf diese Weise kommt man wieder zum Feuer. Und dies zu tradieren rentiert sich allemal. Besonders, wenn man es von der Asche befreit hat.

 

Heutzutage weist ein Astrophysiker Harald Lesch darauf hin, dass der Standort der Erde ein gewaltiger Glücksfall ist. Und er fragt nach, woher denn solches Glück kommen mag.

Klar, sagt er, Steven Weinbergs Argument ("hätten wir nicht solches Glück, gäbe es niemanden, der dieses Glück bestaunen könnte.") ist korrekt.

Dennoch kann man angesichts eines solchen, lebensermöglichenden Glücks ins Wundern, Staunen und sogar ins Anbeten geraten. Und womöglich hinter diesem Glück einen Schöpfer erahnen, der allerdings weder Pizzascheibe noch Käseglocke noch Säulen geschaffen hat, sondern uns vor ein staunenswertes Geheimnis stellt.

 

Selbstverständlich war der Wechsel des Weltbildes ein gewaltiger Traditionsbruch. Und zusammen mit anderen Traditionsbrüchen (besonders durch die Erkenntnisse Darwins angeregt) ist es gelungen, eine neue Tradition zumindest in Anfängen zu gründen. Fertig sind wir damit noch lange nicht.

 

Dieser gigantische und sehr folgenschwere Traditionsbruch zog andere Traditionsbrüche nach sich. Der Fürwahrhalteglaube ist zumindest nicht mehr alternativlos. Auch kirchlich. Sachen, die im 19. Jahrhundert zu glauben befohlen waren (bei Nichtbefolgung: Siehe syllabus errorum), wurden dann auf dem 2. Vaticanum sogar bestritten. Ganz klar ein Traditionsbruch sondersgleichen. Gott sei Dank!

 

Man muss sich heutzutage entscheiden. Will man die Asche? Will man Aussagen per Willenskraft für wahr halten? (Jaja, weil es der Papst XY so gesagt hat oder Kardinal Schlagmichtot)

Oder will man glauben?

Glaubst Du schon, oder hältst Du immer noch fürwahr - per Dekret?

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Interessant finde ich in diesem Zusammenhang noch die Aussage, die Kirche könne, da sie durch den hl. Geist geleitet ist, in der Gesamtheit der Gläubigen/ als Ganzes nicht irren.

 

Da stellt sich für mich die Frage. Wer gehört zu diesem "Ganzes", das sich nicht irren kann? Wenn alle, die ein Dogma nicht glauben, aus der Kirche ausgeschlossen werden, ist dieses Kriterium zwar formal, nicht aber dem Sinn nach erfüllt. (Bsp.: Arianismus, Reformation, ...)

 

Andererseits scheint auch das Konzept "Alle die sich der Kirche zugehörig fühlen sind es auch" schwierig zu sein, weil es ja mindestens den kleinsten gemeinsamen Nenner des Glaubens an Jesus geben muss. Und dann geht die Diskussion los, was ist denn noch kleinster gemeinsamer Nenner, wer ist Jesus, was bedeutet er...? Und dann sind wir wieder am Anfangspunkt der Frage. Nämlich woher denn die Entscheidung über den kleinsten gemeinsamen Nenner fällt.

 

Was aber soll dann diese Aussage, wenn noch nicht mal so ganz klar ist, wer denn die Kirche als Ganzes ist, die sich nicht irren kann.

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Aus der Aussage, dass die Kirche nicht fehlgehen kann, kann man sowieso nicht so viel herausholen. Das Meiste ist Besserwisserei und Rechhaberei.

 

Dabei ist der Grundsatz auf den ersten Blick elementar. Selbstverständlich ist die Kirche der Überzeugung, dass der Weg, den sie lehrt, der richtige ist. Was auch sonst?

Soll die Kirche verlautbaren, dass der von ihr gelehrte Weg in die Irre führt?

Kein vernünftiger Mensch kommt auf die Idee, sich einer Gruppe anzuschließen, die von sich selbst nicht überzeugt ist.

 

Aber anscheinend fühlen sich viele dazu berufen, diesen gesunden Grundsatz noch hochgradig zu verbrämen.

 

Das ganze Problem kommt zustande durch die Unterschiedlichkeit der kirchlich gelehrten Wege. Das geht schon in biblischen Zeiten los. Paulus lehrt nicht dasselbe, wie Matthäus und Johannes sieht dies alles noch mal anders. Unterschiedlichkeit. Die Unterschiedlichkeit führt zu Spannungen. Und dann geht es irgendwann um Rechtgläubigkeit. Wie bei Highlander: Es kann nur einen geben. Schon Paulus kämpft gegen Irrlehrer. Johannes distanziert sich endlos von den Juden. Es kommen gnostische Einflüsse ... und schon wieder muss man sich abgrenzen.

 

Wenn einem so gar kein anderes Argument für die eigene Position einfällt, dann muss der Heilige Geist herhalten. Der biegt dann alles wieder zurecht - so behauptet man zumindest.

Dummerweise behaupten dies natürlich alle Parteien. Jeder vereinnahmt den Heiligen Geist gerne und häufig.

 

Die katholische Kirche hat natürlich Recht. Sagen die Katholen.

Die evangelische Kirche hat natürlich Recht. Sagen die evangelischen Kirchen.

Nein, die Orthodoxie hat Recht - steckt sogar im Namen "orthodox". Sagen die orthodoxen Kirchen.

Und alle berufen sich auf das Evangelium, die Bibel, den Heiligen Geist und Gott.

 

Einem Katholiken wird auf diese Weise von allen Nichtkatholiken erklärt, er sei auf dem falschen Weg.

Einem Protestanten wird auf diese Weise von allen Nichtprotestanten erklärt, der sei auf dem falschen Weg.

"Nein!" - "Doch!" - "Nein!" - "Doch!" - "Dann hock ich mich eben unter den Tisch!" Man könnte an eine Kindergartenszene denken.

 

Und hinter diesen ursprünglichen kirchlichen Unverträglichkeiten steht die Person Jesu.

Da hat das Ganze angefangen. Er hat wahrschleinlich jüdischstämmige und griechischstämmige in seinen engsten Kreis der Apostel aufgenommen. Und dann brauchte man gleich mal 4 Evangelien (voller Widersprüche und Unklarheiten) um ihn zu beschreiben. So ist das eben, wenn man sich einer Person anschließt - und nicht einem mathematischen Prinzip.

 

Liebe Theresa, ich befürchte, dass Du auf Deine Fragen keine Antwort bekommen wirst. Oder genauer: 1000 Antworten. Dann kannst Du Dir eine aussuchen.

bearbeitet von Mecky
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Ich habe die Quelle nicht an der Hand - aber ich schätze diese Deutung der kirchlichen Unfehlbarkeit sehr: Unfehlbarkeit bedeutet, dass die Kirche ihr Ziel - das Reich Gottes - unfehlbar erreichen wird. Ganz gleich, welche Um- und Abwege sie auch einschlagen wird, ihr ist ein Beistand verheißen, der sie am Ende zum Ziel führen wird.

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