Jump to content

Historische vs. psychologische Bibelauslegung


Aleachim

Recommended Posts

vor 11 Minuten schrieb Frank:

Ich frag mal ganz Laienhaft:

Kann es sein das Jesus, als Wanderprediger, ein in seiner Zeit so gewöhnliche Figur, wie heute C-Promis, war, das nicht viel an Berichten -sieht man mal von der Bibel ab - aufgeschrieben wurde, so dass man nie über "Wahrscheinlich gabs ihn, aber nix genaues weiss man nicht"* hinauskommen wird?

 

Ja. Das muss man, wenn man ehrlich bleiben will, zugeben. Die außerchristlichen Quellen, die gerne zitiert werden (Testimonium Flavianum, Tacitus etc.) sind dürftig und alles andere als zeitgenössisch.

 

Dass Jesus, selbst unter den Juden, nicht die Beachtung erfuhr, die ihm zukam, ist kein Geheimnis. Er kam in sein Eigentum doch die Seinen erkannten ihn nicht. Außerhalb dieser rein innerjüdischen Perspektive war das nochmal reduziert.

 

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Du hast mich in einem Punkt erwischt, Marcellinus. Tatsächlich ist der Antrieb in meiner Frage nach dem "historischen" Jesus, das mit den Anführungsstrichen wäre so ein Ding, das Stegemann übrigens vorschlägt, aber meistens bin ich zu faul dazu, ist auch eine inhaltliche Suche.

Das ist natürlich nicht so optimal, aber so ganz objektiv sind die Wenigsten. Dir glaube ich es, du hast aber auch noch nie hier eine der Pistolengeschichten der A&As über Jesus hier zum Besten gegeben. Welche auch nicht objektiv sind.

Was nicht ganz richtig ist, ist, dass du Theologie und Geschichtswissenschaft gegeneinander abgrenzt. Kirchengeschichte ist ein ziemlich wichtiges Fach in der katholischen Theologie und man kann es nicht vermeiden. Und Exegeten sind gerne archäologisch unterwegs. Unser Prof. für AT z.B. war ganze Semester irgendwo in Ägypten um Steine auszubuddeln.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Was für Geschichtsquellen gibts denn überhaupt so zum 1. Jahrh. nach Christus? Mal als Vergleich, denn dass meine Suche nach Quellen zu so bedeutsamen Personen wie Pontius Pilatus nicht so ergiebig war, erwähnte ich bereits. Für eine Biographie würde das wohl nicht reichen. 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 8 Minuten schrieb Frank:

Ich frag mal ganz Laienhaft:

Kann es sein das Jesus, als Wanderprediger, ein in seiner Zeit so gewöhnliche Figur, wie heute C-Promis, war, das nicht viel an Berichten -sieht man mal von der Bibel ab - aufgeschrieben wurde, so dass man nie über "Wahrscheinlich gabs ihn, aber nix genaues weiss man nicht"* hinauskommen wird?

 

Nun, Wanderprediger gab es damals sicherlich reichlich, und es ist auch nicht von allen etwas überliefert. Allerdings wurden die auch nicht an Kreuze genagelt. Wanderprediger waren den Römern schlicht egal. Anders war es mit Aufrührern, und da reichte schon die Selbstbezeichnung als "König der Juden" für ein Todesurteil, übrigens ohne große Debatte, und ohne irgendwelchen Einfluß von jüdischer Seite, weder positiv noch negativ.

 

vor 9 Minuten schrieb Frank:

*Ich geh jetzt mal von "Wahrscheinlich gabs ihn" aus, weil ich es mir nicht vorstellen kann - immer noch Laienhaft gedacht - das ein Bericht über einen Menschen, nicht mal eine Generation nach dessen Tod aufgeschrieben, total gefaked ist. Zu mal Menschen bereit waren für diesen Menschen und dessen Botschaft, in den Tod zu gehen.

 

Das mit dem "in den Tod gehen" war auch die vollkommene Ausnahme, und setzte voraus, daß man sich selbst anzeigte. So schreibt Tertullian, ein christlicher Schriftsteller des 2./3. Jh., es seien überhaupt erst im Jahre 180 Christen hingerichtet worden, und der Kirchenschriftsteller Origines schreibt in der Mitte des 3. Jh., daß "nur wenige und leicht zu zählende Christen um ihres Glaubens willen getötet worden seien". Erst im 4. Jh., als die Christen schon nicht mehr verfolgt wurden, begann man Märtyrerlegenden zu sammeln.

 

Aber es geht (zumindest mir) nicht darum, zu behaupten, die biblischen Geschichten seien allesamt erfunden. Es ist nur einfach so, daß man nicht einmal für die vorgeblich "historischen" Schildungen außerbiblischen Belege findet (von den übernatürlichen will ich hier gar nicht reden). Glauben kann man das alles natürlich durchaus, und es als Glaubenszeugnisse der damaligen Zeit werten ebenfalls, denn das waren sie ja. Nur sollte man diese Schilderungen nicht "historisch" nennen, denn das sind sie nicht.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 38 Minuten schrieb nannyogg57:

Was für Geschichtsquellen gibts denn überhaupt so zum 1. Jahrh. nach Christus? Mal als Vergleich, denn dass meine Suche nach Quellen zu so bedeutsamen Personen wie Pontius Pilatus nicht so ergiebig war, erwähnte ich bereits. Für eine Biographie würde das wohl nicht reichen. 

 

Jetzt kommt die Standardantwort: Das kommt drauf an. Wenn Du Dich über Rom im 1. Jh. informieren willst, gibt es einen - im Vergleich - reichhaltigen Fundus. Von Kalenden und Fasten über Konsularslisten und Aufzeichnungen der Priesterkollegien bis hin zu veritablen Geschichtswerken römischer Gelehrter. 

 

In den Provinzen stellt sich die Suche nach Geschichtszeugnissen ungleich schwerer dar. Wenn wir mal Israel (Provinz IVDAEA) zugrunde legen, dann dürften wohl noch am ehesten die Epigraphik und andere Realien etwas hergeben. Vgl. deinen "Stein" mit der Inschrift des Pilatus oder den freigelegten Palast des Herodes. Was hebräische Quellen aus dieser Zeit angeht bin ich überfragt. Ob beispielsweise der Sanhedrin Gerichtsakten führte, die erhalten sind, weiß ich aus dem Stegreif nicht. Jedenfalls dürfte Jesus von Nazareth dort kaum auftauchen.

 

Die römischen Quellen beschäftigen sich mit Christus eigentlich erst wirklich, als seine Anhänger sich in der Gesellschaft - aus Sicht Roms negativ - bemerkbar machten. Da sind dann Gerichtsprotokolle u.ä. erhalten. Allerdings mit gehörigem Abstand zum historischen Meister.

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

bearbeitet von Studiosus
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 27 Minuten schrieb nannyogg57:

Du hast mich in einem Punkt erwischt, Marcellinus. Tatsächlich ist der Antrieb in meiner Frage nach dem "historischen" Jesus, das mit den Anführungsstrichen wäre so ein Ding, das Stegemann übrigens vorschlägt, aber meistens bin ich zu faul dazu, ist auch eine inhaltliche Suche.

Das ist natürlich nicht so optimal, aber so ganz objektiv sind die Wenigsten. Dir glaube ich es, du hast aber auch noch nie hier eine der Pistolengeschichten der A&As über Jesus hier zum Besten gegeben. Welche auch nicht objektiv sind.

 

Ich habe nicht nur ein Buch über den "historischen" Jesus gelesen, in denen immer wieder und mit guten Gründen darauf hingewiesen wurde, daß, selbst wenn es einen historischen Jesus gegeben haben sollte, der vor 2000 Jahren über diese Erde wandelte, er heute unwiederbringlich verloren ist, es sei denn jemand erfindet eine Zeitmaschine. Aber anstatt es dann dabei zu belassen, wird dann den vielen einander widersprechenden Theorien noch eine weitere hinzugefügt. Ich möchte bei diesem Spiel nicht mitspielen. Man kann sich, namentlich als Außenstehender, nur lächerlich machen.

 

 

vor 37 Minuten schrieb nannyogg57:

Was nicht ganz richtig ist, ist, dass du Theologie und Geschichtswissenschaft gegeneinander abgrenzt. Kirchengeschichte ist ein ziemlich wichtiges Fach in der katholischen Theologie und man kann es nicht vermeiden. Und Exegeten sind gerne archäologisch unterwegs. Unser Prof. für AT z.B. war ganze Semester irgendwo in Ägypten um Steine auszubuddeln.

 

Ohne Zweifel gibt es Kirchenhistoriker, die nach wissenschaftlichen Standards arbeiten, wie es auch Historiker gibt, die eher Geschichtsphilosophie betreiben. Und die Geschichtswissenschaft ist noch nicht die theoretisch-empirische Wissenschaft, die sie sein müßte, um längerfristig gültige Ergebnisse zu erzielen.

 

Gerade deshalb erscheint es mir wichtig, das eine vom anderen zu unterscheiden, Theologie als ein akademisches Fach, das auf einem Glaubensbekenntnis beruht, und die Geschichtswissenschaft, die als theoretisch-empirische Wissenschaft einem methodischen Naturalismus verpflichtet ist.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Was das Sanhedrin betrifft: Man weiß zeitgenössisch nur, was Josephus schreibt. Die ersten weiteren Quellen sind 2.Jahrh. (Talmud).

bearbeitet von nannyogg57
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ja, der Talmud kam mir als erstes in den Sinn. Aber der ist, wie Du richtig sagst, etwas später dran, und trägt schon eine gewisse apologetische Tendenz in sich bzw. versucht die Abgrenzung vom Christentum und dem messianischen Anspruch Christi. Die bekannte Polemik, Jesus sei ein mamzer gewesen, entstammt dieser Tradition.

 

Saluti cordiali,

Studiosus. 

bearbeitet von Studiosus
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 4 Minuten schrieb Studiosus:

Ja, der Talmud kam mir als erstes in den Sinn. Aber der ist, wie Du richtig sagst, etwas später dran, und trägt schon eine gewisse apologetische Tendenz in sich bzw. versucht die Abgrenzung vom Christentum und dem messianischen Anspruch Christi. Die bekannte Polemik, Jesus sei nicht Sohn Gottes, sondern Ergebnis des (unfreiwilligen) Kontakts Mariens mit einem (römischen) Soldaten, findet sich dort.

 

Saluti cordiali,

Studiosus. 

 

Steht im Babylonischen Talmud nicht auch die Idee, Jesus sein nicht von den Römern gekreuzigt, sondern von den Juden gesteinigt worden, und zwar zu Recht: wegen Gotteslästerung?

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 7 Minuten schrieb Marcellinus:

 

Steht im Babylonischen Talmud nicht auch die Idee, Jesus sein nicht von den Römern gekreuzigt, sondern von den Juden gesteinigt worden, und zwar zu Recht: wegen Gotteslästerung?

 

Möglich, könnte aber auch im Midrash stehen oder deutlich später sein. Jedenfalls scheidet als objektive Quelle der Talmud eher aus, da er von einem zutiefst polemischen Ansatz gegen das Christentum dominiert wird.

 

Deshalb würde ich eher römische Quellen bevorzugen, die nicht in diesen Streit zwischen "Geschwisterreligionen" verwickelt sind. Vorneuzeitliche jüdische Quellen über die Person Jesu sind in etwa so objektiv wie die mittelalterlichen Berichte über jüdische Brunnenvergiftung. Gerade weil sie sich so nahe stehen können sie nicht gerecht übereinander urteilen.

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

bearbeitet von Studiosus
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 12 Minuten schrieb Studiosus:

 

Möglich, könnte aber auch im Midrash stehen oder deutlich später sein. Jedenfalls scheidet als objektive Quelle der Talmud eher aus, da er von einem zutiefst polemischen Ansatz gegen das Christentum dominiert wird.

 

Deshalb würde ich eher römische Quellen bevorzugen, die nicht in diesen Streit zwischen "Geschwisterreligionen" verwickelt sind. Vorneuzeitliche jüdische Quellen über die Person Jesu sind in etwa so objektiv wie die mittelalterlichen Berichte über jüdische Brunnenvergiftung. Gerade weil sie sich so nahe stehen können sie nicht gerecht übereinander urteilen.

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

 

Ich fand diese Info bei Peter Schäfer, und der sprach vom Babylonischen Talmud, und erklärte dies doch eher mutige These mit der relative Ferne zum damals schon christlichen Rom. Im Jerusalemer Talmud finde man daher soetwas nicht, obwohl die Autoren beider Werke offenbar in Kontakt standen.

 

Für den Historiker sind natürlich solche Auseinandersetzungen durchaus interessant. Gerade zum Thema "Geschwisterreligionen" findet sich übrigens bei Schäfer etwas: The Jewish Jesus: How Judaism and Christianity Shaped Each Other. Allerdings habe ich das Buch nicht gelesen, sondern nur ein längeres Interview mit ihm gesehen.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ich habe gerade versucht, mich ein wenig in die römische Geschichtsschreibung einzulesen und in die Quellenlage für das 1.Jahrh.n.Chr.

 

Seneca, Plinius und Paulus sind da historisch ganz weit vorn. Immerhin haben wir sie im O-Ton. Josephus, Tacitus, leider nur teilweise im Rennen, und was gibt es da noch so an Quellen?

 

Hat das 1. Jahrh. überhaupt stattgefunden oder können wir das canceln?

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 2 Minuten schrieb nannyogg57:

Ich habe gerade versucht, mich ein wenig in die römische Geschichtsschreibung einzulesen und in die Quellenlage für das 1.Jahrh.n.Chr.

 

Seneca, Plinius und Paulus sind da historisch ganz weit vorn. Immerhin haben wir sie im O-Ton. Josephus, Tacitus, leider nur teilweise im Rennen, und was gibt es da noch so an Quellen?

 

Hat das 1. Jahrh. überhaupt stattgefunden oder können wir das canceln?

 

Nach wieviel Minuten "Einlesen" kommst du zu dieser Frage?

 

Historische Laien immer wieder unterhaltsam findend .................... Marcellinus :D

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

War ja nur so eine Idee ...

 

Also, belehre mich. Was gibt es für Quellen aus dem 1. Jahrh., Meister (das musste jetzt sein)?

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 30 Minuten schrieb nannyogg57:

War ja nur so eine Idee ...

 

Also, belehre mich. Was gibt es für Quellen aus dem 1. Jahrh., Meister (das musste jetzt sein)?

 

 

Ja, das habe ich mir wohl zu Recht eingefangen. ;) Nun, Tacitus und Plinius hast du schon genannt. Seneca ist nicht wirklich ein Geschichtsschreiber. Dann hätten wir noch Titus Livius, Sueton und Cassius Dio. Flavius Josephus wollen wir nicht vergessen. Schließlich Dionysios von Halikarnassos. Dann noch Plutarch mit seine Biographien, und erwähnen möchte ich schließlich auch Ammianus Marcellinus, auch wenn er mehr über die späteren Zeiten schreibt. Meinst du, daß das erst mal reicht?

 

P.S.: das waren nur die schriftlichen Quellen. Daneben gibt es eine Fülle von archäologischen Quellen. Aber das ist ein eigenes Thema. Da empfiehlt sich ein Besuch des Römisch-Germanischen Museums in Köln.

bearbeitet von Marcellinus
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Cassius Dio und Ammianus Marcellinus sind keine Leute aus dem 1. Jahrh. nach Christus.

 

Dionysios schreibt z.B. was aus längst vergangenen Zeiten und ist offensichtlich eine wichtige, da einzige Quelle, die punischen Kriege werden genannt.

 

Erfreulich, dass es ihn gibt. Nun gilt aber in der Geschichtswissenschaft doch eine gewisse Skepsis gegenüber Quellen. Gehen wir davon aus, dass der gute Dionysios selbst Quellen zur Verfügung hatte. Die wir aber nicht haben.

 

Gut, man hat die Archäologie. Man hat eventuell bei Cicero oder sonst wo Stellen, die die Darstellung des Dionysios unterstützen. Geben wir ihm eine Chance.

 

In der Exegese ist der Mehrfachbeleg durch verschiedene Quellen fast schon zwingend. Bloß weil Markus irgendetwas schreibt, nimmt man nicht gleich an, dass es so war.

 

Die Evangelisten haben verschollene Quellen benutzt, das ist, wieder einmal, höchst wahrscheinlich.

 

Insgesamt gesehen sehe ich derzeit nur wenig gut belegte Leute fürs 1. Jahrh. n. Chr. Die römischen Kaiser und meine persönliche, recht kurze Liste: Seneca, Plinius und Paulus.

 

Und irgendwie schaut Jesus im Vergleich zu anderen historischen Fakten gar nicht mehr so schlecht aus.

 

Möchtest du meine Meinung ändern, Marcellinus?

 

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Außerdem darf ich anmerken, dass auch bei Griechen und Römern nicht alles Gold ist, was glänzt. Hinsichtlich der Quellenlage versteht sich. Der oben aufgeführte Plutarch schreibt in seinen Bioi Paralleloi beispielsweise über mythische Gestalten (z.B. Lykurg) als seien es selbstverständlich historische Personen. Es geht ihm auch weniger um historische Fakten als um die Darstellung von Charaktereigenschaften griechischer und römischer "Persönlichkeiten", die er gegenüberstellt. Ähnlich problematisch Livius. Was wir an römischen Gründungsmythen (Aitiologien) haben, stammt zu großen Teilen aus seinem Werk (kapitolinische Wölfin, Romulus und Remus etc.). Also alles mit Vorsicht genießen. Und Sueton ist in erster Linie ein - teilweise recht tendenziöser - Klatschreporter, der sich in seinen Kaiserviten ausgiebig mit den sexuellen Vorlieben der Caesaren und Augusti und sonstigen physischen und charakterlichen Macken befasst. Das kann interessant sein, überbewerten sollte man es nicht.

 

Außerdem darf man nicht verkennen, dass diese Kulturen eine deutlich andere Vorstellung von "historischer Wirklichkeit" hatten, als der moderne Mensch.

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

bearbeitet von Studiosus
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 9 Minuten schrieb nannyogg57:

Und irgendwie schaut Jesus im Vergleich zu anderen historischen Fakten gar nicht mehr so schlecht aus.

 

Möchtest du meine Meinung ändern, Marcellinus?

 

Könnte ich das denn? Ich denke, nicht. Das liegt vor allem daran, daß wir über ganz verschiedene Dinge reden. Ich rede über die Geschichte von Menschen, du über Übernatürliches, und obwohl du das weißt, nennst du beides ohne Unterscheidung "historische Fakten". Du suchst Bestätigung für deinen Glauben, mich interessieren einfach historische Zusammenhänge. Wenn ich meine Meinung ändere, habe ich einfach meine Meinung geändert. Wenn du deine Meinung in dieser Sache änders, verlierst du mal eben deinen Glauben. Kannst du in dieser Sache deine Meinung ändern?

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 1 Minute schrieb Studiosus:

Außerdem darf ich anmerken, dass auch bei Griechen und Römern nicht alles Gold ist, was glänzt. Hinsichtlich der Quellenlage versteht sich. Der oben aufgeführte Plutarch schreibt in seinen Bioi Paralleloi beispielsweise über mythische Gestalten (z.B. Lykurg) als seien es selbstverständlich historische Personen. Es geht ihm auch weniger um historische Fakten als um die Darstellung von Charaktereigenschaften griechischer und römischer "Personen", die er gegenüberstellt. Ähnlich problematisch Livius. Was wir an römischen Gründungsmythen (Aitiologien) haben, stammt zu großen Teilen aus seinem Werk (kapitolinische Wölfin, Romulus und Remus etc.). Also alles mit Vorsicht genießen. Und Sueton ist in erster Linie ein - teilweise recht tendenziöser - Klatschreporter, der sich in seinen Kaiserviten ausgiebig mit den sexuellen Vorlieben der Caesaren und Augusti befasst. Das kann interessant sein, überbewerten sollte man es nicht.

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

 

Das sind aber nun keine neuen Erkenntnisse. ;) Auf Lykurg habe ich selbst hingewiesen als Beispiel für eine fiktive Person, die das ganze Altertum für eine historische gehalten hat. Aber darum geht es hier nicht. NIcht einmal um die Frage, ob es eine historische Person namens Jesus gegeben hat. Denn dieser Jesus ist für Gläubige ja keine historische Person im Sinne dieses Wortes. Es ist (ohne sich jetzt in die Tiefen der Christologie zu verlieren) eine übernatürliche Person, für die man aber reklamiert, daß sie eine historische gewesen sei. Und um das Ganze noch zu toppen, eine Person, für die es außer den Zeugnissen von Gläubigen keine historischen Belege gibt.

 

Was es dagegen gegeben hat, ist eine christliche Bewegung (noch lange bevor man sie Kirche nennen konnte), die sich selbst erst im Laufe von Jahrhunderten eine Vorstellung von diesem Jesus/Christus erarbeitet hat. Das ist das einzige, was für einen Historiker spannend ist. Bei dieser Forschung stehen wir noch am Anfang, auch weil diese Forschungen natürlich dem Gründungsmythos besonders der kath. Kirche in die Quere kommen. Auch wieder ein Beitrag zum Verhältnis zwischen Wissenschaft und Religion. ;)

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Da bin ich - allerdings nur was die historische Person Jesu angeht - deiner Meinung.

 

Die sogenannte Leben Jesu-Forschung halte ich, gerade im Zusammenspiel mit der historisch-kritischen Exegese, für einen verfehlten, mit der Dogmatik kaum zu vereinbarenden, Ansatz.

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 10 Minuten schrieb Marcellinus:

Denn dieser Jesus ist für Gläubige ja keine historische Person im Sinne dieses Wortes.

 

Zumindest Theologen unterscheiden durchaus zwischen der historischen Person Jesus und dem geglaubten Christus. Und diese beiden kann man durchaus auseinanderhalten.

 

Und die Texte des Neuen Testamentes kann man zwar auch als Glaubensurkunden lesen, aber man kann sie auch als historische Quellen heranziehen, mit denen man dann alles das machen muss, was man mit anderen historischen Quellen eben auch macht. So kommt man zu einer zugegebenermaßen immer noch recht lückenhaften Geschichte der frühen Christen, der Gemeindebildung und eben auch den wenigen Dingen, die man zur Person Jesu als historisch gesichert annimmt.

 

Es sind zweifelsohne Texte von Gläubigen - was sie aber als historische Quellen nicht entwertet. Man entschuldige den Vergleich - auch aus den (Tage-)Büchern von Joseph Goebbels und Rudolph Hess kann man historische Informationen über den Nationalsozialismus gewinnen, auch wen hier die weitere Quellenlage besser ist.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 38 Minuten schrieb Marcellinus:

Denn dieser Jesus ist für Gläubige ja keine historische Person im Sinne dieses Wortes. Es ist (ohne sich jetzt in die Tiefen der Christologie zu verlieren) eine übernatürliche Person, für die man aber reklamiert, daß sie eine historische gewesen sei. Und um das Ganze noch zu toppen, eine Person, für die es außer den Zeugnissen von Gläubigen keine historischen Belege gibt.

 

Doch, natürlich ist er eine historische Person im Sinne dieses Wortes. Zu 100%. Zwar auch zu 100% übernatürlich, aber das ganze Menschsein ist existentiell wichtig.

 

Übrigens hat Josephus Flavius auch was über ihn geschrieben (wenn auch sehr wenig). Und der war definitiv kein Christ.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 11 Minuten schrieb rorro:

 

Doch, natürlich ist er eine historische Person im Sinne dieses Wortes. Zu 100%. Zwar auch zu 100% übernatürlich, aber das ganze Menschsein ist existentiell wichtig.

 

Übrigens hat Josephus Flavius auch was über ihn geschrieben (wenn auch sehr wenig). Und der war definitiv kein Christ.

 

Eine Person mit 200% mag theologisch Sinn machen, historisch ist das reine Esoterik. Was Flavius Josephus betrifft, er war nicht nur kein Christ, er war Jude. Daher gibt es gute Gründe, genau diese Zeilen nicht für authentisch zu halten. Was übrigens keine Ausnahme wäre. Gerade christliche Überlieferung ist mit Vorsicht zu genießen. Man denke nur an die "Konstantinsche Schenkung" oder die zahlreichen Märtyrerlegenden.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Gerade eben schrieb Marcellinus:

 

Eine Person mit 200% mag theologisch Sinn machen, historisch ist das reine Esoterik. Was Flavius Josephus betrifft, er war nicht nur kein Christ, er war Jude. Daher gibt es gute Gründe, genau diese Zeilen nicht für authentisch zu halten. Was übrigens keine Ausnahme wäre. Gerade christliche Überlieferung ist mit Vorsicht zu genießen. Man denke nur an die "Konstantinsche Schenkung" oder die zahlreichen Märtyrerlegenden.

 

Nun, Du bewertest die Quellen damit aber nicht wirklich historisch - Du bist voreingenommen. Da ich selber historisch promoviert habe, glaube ich sagen zu dürfen, daß das nicht wissenschaftlich ist.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Join the conversation

You can post now and register later. If you have an account, sign in now to post with your account.

Gast
Auf dieses Thema antworten...

×   Du hast formatierten Text eingefügt.   Formatierung jetzt entfernen

  Only 75 emoji are allowed.

×   Dein Link wurde automatisch eingebettet.   Einbetten rückgängig machen und als Link darstellen

×   Dein vorheriger Inhalt wurde wiederhergestellt.   Clear editor

×   You cannot paste images directly. Upload or insert images from URL.

×
×
  • Neu erstellen...