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Fixierungen


Chrysologus

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Das Bunderverfassungsgericht hat die Hürden für Fixierungen neu definiert: klick

 

Auch wenn damit die juristische Frage geklärt ist (und die Richter an den Betreuungsgerichten sich freuen werden, nun ab 6 Uhr des Morgens dienstbereit sein zu müssen), so stellt sich mir die theologische-ethische Frage, ob, wann und wie es erlaubt sein kann, einen Menschen ans Bett zu fesseln.

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Das zum Einen. Zum anderen sollte aber auch diskutiert werden, in welchen Fällen eine Fixierung (oder die Verabreichung starker Psychopharmaka) ethisch geboten ist und eine Unterlassung größeren Schaden anrichtet: Link

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vor 25 Minuten schrieb OneAndOnlySon:

 

Verstehe ich das richtig? Man darf (in Berlin) einen Psychotiker nicht mit Antipsychotika behandeln, wenn er "nur" fremdgefährdend ist?

Welchen Hintergrund hat das denn?

 

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Man muss hier zum unterscheiden zwischen einer Behandlung mit sedierender Nebenwirkung und einer Behandlung mit dem Ziel der Sedierung. Das letztere ist eine freiheitsentziehende Maßnahme (FEM), das erstere nicht. Dass das letztere ebenso genehmigungspflichtig ist wie mechanische Maßnahmen, das halte ich für richtig, hier sind wir meien ich besser aufgestellt als die Briten.

 

Einen Psychotiker gegen seinen Willen mit Antipsychotika zu behandeln ist eine sogenannte Zwangsbehandlung, deren Grenzen nach einem anderen Urteil des BVerfG absurd eng geregelt hat. Die Bundesländer haben das dann in ihren PsychKGs diese Regeln weiter ausformuliert, mit noch absurderen Folgen, wie etwa in Berlin.

 

So darf man in den meisten Bundesländern mittlerweile auch wieder zwangsbehandeln, das reicht vom Untermischen der Medikamente ins Essen über das Vorlügen betreffs des Inhaltes (Vitamine nimmt der Psychotiker eventuell noch ein), sanften Druck entschlossener Pfleger bis hin zur 7-Punkt-Fixierung, damit die Nasensonde drin bleibt. Aber - und hier sponn der Gesetzgeber - man darf das nur zur Behandlung der Anlaßerkrankung der Einweisung. Ich darf also den Psychotiker zwangsweise mit Antipsychotika thearpieren, ich darf ihm aber nicht gegen seinen Willen den eingewachsenen und hochentzündeten Zehnagel behandeln, selbst dann nicht, wenn eine Sepsis droht. Ich muss dann warten, bis er sich nicht mehr wehren kann - dann ist es aber meist zu spät. Ärzte und rechtliche Betreuer stehen dann vor einem Dilemma, entweder eine Körperverletzung zu begehen oder ihn im Wahn sterben zu lassen.

 

Ich nehem an, dass die Berliner Regelung sehr zurückhaltend ist - die öffentliche Sicherheit ist mit der Einweisung gewährleistet, die Sicherheit der Pfleger und Mitpatienten mit der Fixierung, weitere Schritte werden dann eben nicht mehr zugelassen, weil da kein Bedarf besteht. Juristisch-abstrakt kann man so argumentieren, aber ich halte das für ethisch falsch.

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Ich sehe da noch ein Problem: wenn der sich einbildet von Aliens umgebracht zu werden und sich daher gewalttätig wehrt, dann darf ich ihn zwar fixieren (was es für ihn ja wohl verschlimmert, wenn er den Aliens jetzt hilflos ausgesetzt ist), aber Medikamente, die ihm (hoffentlich)  die Aliens samt Angst nehmen, darf ich ihm nicht geben. Also, man darf sich schützen, aber nicht auf die für den Patienten sanftere Form. Kein sehr befriedigendes Ergebnis (auch wenn man es umgehen kann).

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Was mich ganz praktisch umtreibt: wer darf eigentlich die Knochen hinhalten, damit das umgesetzt wird?

Sowohl meine Frau hat auf der Neuro gearbeitet als auch meine Schwägerin arbeitet in einem ehem. Landeskrankenhaus (privatisiert, schließlich sind schon die neormen Kosten der Psychatrie dem Stuerzahler nicht zuzumuten.)

Bei meiner Frau gab es einen Fall, da wurde die Fixierung erst erlaubt, als der zuständige Richter angegriffen wurde - wie oft vorher das Personal verletzt wurde, war bis dahin uninteressant.

Bei meiner Schwägerin ist es so, dass die laufend vorkommenden Bisse, ausgerenkten Finger, entzündete Kratzwunden nicht offiziell dokumentiert werden dürfen - wäre ja ein Berufsunfall.

Es wird nur ins Verbandsbuch geschrieben, das im Fall von Ansprüchen kurzerhand "entsorgt" werden dürfte.

 

Ich finde den Anspruch des Verfassungsgerichtsurteils eigentlich gut - aber leider fragt niemand ernsthaft nach, auf wessen Kosten das dann am Ende geht. Eigentlich fände ich es langfristig nämlich wünschenswert, wenn auch die Schwestern und Pfleger ein Recht auf körperliche Unversehrheit hätten.

 

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Die dezidiert theologische Fragestellung ist mir bei diesem Thema noch nicht aufgegangen. Ethisch ja, aber theologisch?

 

Vielleicht könnte dieselbe etwas näher ausgearbeitet werden.

 

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 7 Minuten schrieb Studiosus:

Die dezidiert theologische Fragestellung ist mir bei diesem Thema noch nicht aufgegangen. Ethisch ja, aber theologisch?

 

Kurzes Stichwort: Moraltheologie, spezielle Moral. Simpel gefragt: Darf ich das oder nicht?

 

vor 13 Minuten schrieb Shubashi:

Was mich ganz praktisch umtreibt: wer darf eigentlich die Knochen hinhalten, damit das umgesetzt wird?

 

Umsetzung in welchem Sinne: Den Betroffenen zu fixieren (denn in der Regel wird der sich ja nicht still auf Bettchen legen, nur weil es eine richterliche Anordnung gibt. Würde er genau das aber tun, dann dürfte ich ihn kaum fixieren, weil er ja gut  führbar ist.

 

Ansonsten sehe ich schon, dass FEM manchmal nötig sind. Manchmal auch nicht, ich verweigere regelmäßig entsprechende - allerdings seltene - Wünsche nach FEM von Heimen oder Angehörigen, weil der Betroffene stürzen könnte. Und ich werde kiebig, wenn deutlich wird, dass es in erster Linie um eine Arbeitserleichterung des Personals und damit um eine Kostensenkung geht. Dass ein dementer Mensch herumläuft, damit muss ein entsprechendes Heim leben. Und dass der sich auf dem Flur entkleidet, das ist unschön, aber kein Grund für eine FEM. In Heimen kann man die oft umgehen, wenn man zu anderen Maßnahmen greift: Pflegebetten, die man weit nach unten fahren kann, damit der Einlieger nicht so tief fallen kann. Hüftprotektoren, die den Hüftknochen schützen etc. @Frank wird da mehr sagen können. Aber darum geht es dir ja nun nicht.

 

Aber das BVerfG hat ja nun Fixierungen nicht verboten, es hat lediglich den Richtervorbehalt betont, was ich für so schlecht nicht halte. Es ist hier und da schon ein K(r)ampf, manchen (meist älteren) behandelnden Ärzten das Halbgottdasein etwas auszutreiben und sie daran zu erinnern, dass es Genehmigungserfordernisse gibt. Denn neben der richterlichen Anordnung nach PsychKG gibt es auch die gerichtliche Genehmigung analoger Einwilligungen durch den rechtlichen Betreuer, der dann Herr des Verfahrens ist. Das heißt konkret, dass ich (oder ein Kollege) dann in die FEM einwilligen darf, nicht muss, ich aber dann auch engmaschig nachschauen gehe, wie es dem Betroffenen geht, ob die Dokumentation korrekt ist und ob der Bedarf noch besteht.

 

Was die Station deiner Schwägerin angeht - wenn ich die gerichtliche Zustimmung zu einer FEM nach BGB beantrage und der zuständige Richter das ablehnt, dann würde ich auch zum Landgericht gehen und das überprüfen lassen. Es klingt allerdings so, als hätte das Haus die FEM nicht so gerne, nicht, weil es da ein Problem mit der Menschenwürde hätte, sondern weil FEMs (1) unschön aussehen und (2) teuer sind. Wenn die keinen Wachsaal haben, dann muß da ständig ein Pfleger daneben sitzen und den Betroffenen so gut es geht begleiten. Also beruhigen, zu trinken geben, eine Bettpfanne reichen, kratzen und was er noch alles nicht selbst kann. Wer jemals Entspannungsübungen gemacht hat, der kennt das Phänomen, dass es an den unmöglichsten Stellen zu kribbeln beginnt.

 

Theologisch sehe ich hier die Menschenwürde ebenfalls betroffen - die Würde des Betroffenen ebenso wie die der Personals. Denn das muss die FEM ja auch aushalten.

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vor 19 Minuten schrieb Studiosus:

Die dezidiert theologische Fragestellung ist mir bei diesem Thema noch nicht aufgegangen. Ethisch ja, aber theologisch?

 

Vielleicht könnte dieselbe etwas näher ausgearbeitet werden.

 

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

 

Ob man das theologisch fassen kann, weiss ich nicht. Mir stößt nur auf, dass hier anscheinend nur nach dem Prinzip gefragt wird, nicht aber nach der konkreten Umsetzbarkeit.

Dass man neue Richterstellen schafft und das sogar gleich (im Urteil?) erwähnt, erscheint mir da sonderbar, die riskieren allenfalls unangenehme Arbeitszeiten. Dass aber unbedingt genug Stellen geschaffen werden müssen, um einen konkret Gefährdenen oder Gefährdeten ohne Fixierung von gefährlichen Dingen und Taten abhalten zu können scheint wieder so ein irrelevantes Geschwätz für Sonntagsreden zu sein.

Um es mal anders zu fassen: hier steht in meinen Augen die weiterhin selbstverständliche Erwartung hinter dem Urteil, dass Pflegenden mit ganz selbstverständlicher erwarteter "Selbstlosigkeit" (das auf Pflegeberufe immer noch projezierte christliche Ideal) eine überaus schwierige Situation noch schwieriger gemacht wird - egal ob sie dabei riskieren,schwer verletzt zu werden. Als Mindestmaß hätte man in so einem Urteil auch reflektieren müssen, ob so etwas realistischerweise auch umzusetzen und zu erwarten ist.

Richterstellen müssen komischerweise geschaffen werden - ausreichende Pflegerstellen sind höchstens wünschenswert.

Da wird für mich der "christliche" Grundsatz verletzt, das vor Gott ein Pfleger soviel wert sein sollte wie ein Richter und ich erstmal an die gedacht hätte, die solche Urteile unter eigener Gefahr aushalten müssen.

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vor 5 Minuten schrieb Chrysologus:

 

Kurzes Stichwort: Moraltheologie, spezielle Moral. Simpel gefragt: Darf ich das oder nicht?

 

 

 

 

Gut, das kann man so betrachten. Für mich wäre das in erster Linie eine medizinethische bzw. forensisch-psychiatrische Fragestellung. Wenn man über die Menschenwürde - die in ihrer säkularen Gestalt nicht Bestandteil der klassischen Moraltheologie ist - argumentiert, kommt man vielleicht da hin zu sagen, es handele sich auch um eine theologische Frage. Strikt ausgelegt würde ich allerdings dabei bleiben, dass moraltheologische Urteile an die Quellen der Offenbarung - als exklusivem Wegweiser vom Glauben getragener Moral - rückgebunden sein müssten. Insofern sehe ich hier eher eine ethische, allenfalls noch moralphilosophische, Konstellation.

 

 

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

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vor 6 Minuten schrieb Chrysologus:

 

Kurzes Stichwort: Moraltheologie, spezielle Moral. Simpel gefragt: Darf ich das oder nicht?

 

 

Umsetzung in welchem Sinne: Den Betroffenen zu fixieren (denn in der Regel wird der sich ja nicht still auf Bettchen legen, nur weil es eine richterliche Anordnung gibt. Würde er genau das aber tun, dann dürfte ich ihn kaum fixieren, weil er ja gut  führbar ist.

 

Ansonsten sehe ich schon, dass FEM manchmal nötig sind. Manchmal auch nicht, ich verweigere regelmäßig entsprechende - allerdings seltene - Wünsche nach FEM von Heimen oder Angehörigen, weil der Betroffene stürzen könnte. Und ich werde kiebig, wenn deutlich wird, dass es in erster Linie um eine Arbeitserleichterung des Personals und damit um eine Kostensenkung geht. Dass ein dementer Mensch herumläuft, damit muss ein entsprechendes Heim leben. Und dass der sich auf dem Flur entkleidet, das ist unschön, aber kein Grund für eine FEM. In Heimen kann man die oft umgehen, wenn man zu anderen Maßnahmen greift: Pflegebetten, die man weit nach unten fahren kann, damit der Einlieger nicht so tief fallen kann. Hüftprotektoren, die den Hüftknochen schützen etc. @Frank wird da mehr sagen können. Aber darum geht es dir ja nun nicht.

 

Aber das BVerfG hat ja nun Fixierungen nicht verboten, es hat lediglich den Richtervorbehalt betont, was ich für so schlecht nicht halte. Es ist hier und da schon ein K(r)ampf, manchen (meist älteren) behandelnden Ärzten das Halbgottdasein etwas auszutreiben und sie daran zu erinnern, dass es Genehmigungserfordernisse gibt. Denn neben der richterlichen Anordnung nach PsychKG gibt es auch die gerichtliche Genehmigung analoger Einwilligungen durch den rechtlichen Betreuer, der dann Herr des Verfahrens ist. Das heißt konkret, dass ich (oder ein Kollege) dann in die FEM einwilligen darf, nicht muss, ich aber dann auch engmaschig nachschauen gehe, wie es dem Betroffenen geht, ob die Dokumentation korrekt ist und ob der Bedarf noch besteht.

 

Was die Station deiner Schwägerin angeht - wenn ich die gerichtliche Zustimmung zu einer FEM nach BGB beantrage und der zuständige Richter das ablehnt, dann würde ich auch zum Landgericht gehen und das überprüfen lassen. Es klingt allerdings so, als hätte das Haus die FEM nicht so gerne, nicht, weil es da ein Problem mit der Menschenwürde hätte, sondern weil FEMs (1) unschön aussehen und (2) teuer sind. Wenn die keinen Wachsaal haben, dann muß da ständig ein Pfleger daneben sitzen und den Betroffenen so gut es geht begleiten. Also beruhigen, zu trinken geben, eine Bettpfanne reichen, kratzen und was er noch alles nicht selbst kann. Wer jemals Entspannungsübungen gemacht hat, der kennt das Phänomen, dass es an den unmöglichsten Stellen zu kribbeln beginnt.

 

Theologisch sehe ich hier die Menschenwürde ebenfalls betroffen - die Würde des Betroffenen ebenso wie die der Personals. Denn das muss die FEM ja auch aushalten.

 

Tut mr leid, da hat sich etwas mit meiner Antwort an Studiosus überschnitten.

Ich bin eigentlich nicht gegen das Urteil - weil ich eben auch die Gefahr sehe, dass nur aus Bequemlichkeit oder Arbeitsersparnis fixiert würde.

Nur widerspreche ich hier mal, weil in meinen Augen im Urteil zuwenig gefragt wird, wie das Recht derjenigen bewertet wird, gegen die sich evtl. Gewalt richtet.

Ich sehe da die Schutzwürdigkeit des Kranken nicht höher an als die seiner potentiellen Opfer - nur ist der Kranke im Zweifelsfalls viel schwächer als die Institution, der er ausgeliefert ist.

Allerdings ist in der Zeit des massiven Pflegemangels auch das Personal eigentlich unzumutbaren Verhältnissen ausgesetzt - warum ordnet also ein Gericht an, Richterstellen zu schaffen statt sich endlich einmal dafür einzusetzen, dass z.B. wirklich soviel Personal da sein MUSS, um z.B. auf eine FEM ohne Eigengefährdung verzichten zu können.

(Wenn ich von meiner Schwägerin höre, dass sie z.B. tlw. im Wochentakt verletzt wird, könnte ich Wutanfälle über die Zustände kriegen, die sowas achselzuckend hinnehmen.)

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vor 7 Stunden schrieb Chrysologus:

 

So darf man in den meisten Bundesländern mittlerweile auch wieder zwangsbehandeln, das reicht vom Untermischen der Medikamente ins Essen über das Vorlügen betreffs des Inhaltes (Vitamine nimmt der Psychotiker eventuell noch ein), sanften Druck entschlossener Pfleger bis hin zur 7-Punkt-Fixierung, damit die Nasensonde drin bleibt. Aber - und hier sponn der Gesetzgeber - man darf das nur zur Behandlung der Anlaßerkrankung der Einweisung. Ich darf also den Psychotiker zwangsweise mit Antipsychotika thearpieren, ich darf ihm aber nicht gegen seinen Willen den eingewachsenen und hochentzündeten Zehnagel behandeln, selbst dann nicht, wenn eine Sepsis droht. Ich muss dann warten, bis er sich nicht mehr wehren kann - dann ist es aber meist zu spät. Ärzte und rechtliche Betreuer stehen dann vor einem Dilemma, entweder eine Körperverletzung zu begehen oder ihn im Wahn sterben zu lassen.

Kurze Verständnisfrage: dürfen gerichtlich bestellte Betreuer keiner sinnvollen oder wenigstens notwendigen medizinischen Behandlung zustimmen, die im mutmaßlichen Interesse des Betroffenen ist, die der aber gerade wegen Wahnvorstellungen nicht korrekt einschätzen kann? Das dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten ein hoher Stellenwert zugestanden wird finde ich im Prinzip gut. 

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Gerade eben schrieb Shubashi:

Ich sehe da die Schutzwürdigkeit des Kranken nicht höher an als die seiner potentiellen Opfer - nur ist der Kranke im Zweifelsfalls viel schwächer als die Institution, der er ausgeliefert ist.

Ich denke, genau das begründet den höheren Schutzbedarf des Kranken - der aber nicht absolut ist.

vor 1 Minute schrieb Shubashi:

Allerdings ist in der Zeit des massiven Pflegemangels auch das Personal eigentlich unzumutbaren Verhältnissen ausgesetzt - warum ordnet also ein Gericht an, Richterstellen zu schaffen statt sich endlich einmal dafür einzusetzen, dass z.B. wirklich soviel Personal da sein MUSS, um z.B. auf eine FEM ohne Eigengefährdung verzichten zu können.

Das kann schon eine Folge eines solchen Urteils sein. Wenn man etwa (nun wieder im Pflegebereich) eine FEM ablehnt, weil ein Niederflurbett und Protektoren als ausreichend erscheinen, dann hat man gegenüber der Pflegekasse und dem Sozialleistungsträger weit bessere Argumente an der Hand, dass die die Mehrkosten übernehmen müssen. Und man kann auch gegenüber der wirtschaftlichen Leitung des Hauses besser und erfolgreicher argumentieren, das gilt auch in der Psychiatrie. Da müssen Betreuer und Richter es dann auch aushalten, den Buhmann zu geben.

vor 6 Minuten schrieb Shubashi:

Wenn ich von meiner Schwägerin höre, dass sie z.B. tlw. im Wochentakt verletzt wird, könnte ich Wutanfälle über die Zustände kriegen, die sowas achselzuckend hinnehmen.

Auch das wird sich erst dann ändern (meine Prognose), wenn ein Pfleger schwerst verletzt wird und man den Arbeitgeber in Regress nimmt.

vor 20 Minuten schrieb Shubashi:

Dass man neue Richterstellen schafft und das sogar gleich (im Urteil?) erwähnt, erscheint mir da sonderbar, die riskieren allenfalls unangenehme Arbeitszeiten.

Naja, die haben die Kollegen an den Betreuungsgerichten ohnehin - als mich der Richter im Fall meines Nicht-Asylanten abends um 19:30 und am nächsten Morgen um 7:45 anrief (das Krankenhaus hatte da einiges verbraselt,  das Wort "Freiheitsberaubung" stand im Raum), da habe ich schon spontan die Frage gestellt, ob er im Gericht übernachte. Am Wochenende macht das dann der Bereitschaftsrichter, das wird wohl spannend werden, denn die kennen das Metier oft gar nicht.
Ich erinnere mich an eine solche Anhörung, in der mein Klient (verhaftet wegen Handtaschenraubes) nach kurzer Besprechung mit mir berichtete, er höre Stimmen, die ihm diese Tat befohlen hätten, ihn aber auch zur Tötung anderer Menschen aufforderten. Der Richter war recht jung, arbeitete überlicherweise am Familiengericht und wußte von PsychKG, Unterbrimngungs- und Betreuungsrecht nichts. Ich war auch noch nicht so lange dabei, es war dann ganz gut, dass der Leitende Oberstaatsanwalt Dienst hatte und das in die richtigen Bahnen (sprich: keine JVA sondern Forensik) lenkte.

vor 4 Minuten schrieb Moriz:

Kurze Verständnisfrage: dürfen gerichtlich bestellte Betreuer keiner sinnvollen oder wenigstens notwendigen medizinischen Behandlung zustimmen, die im mutmaßlichen Interesse des Betroffenen ist, die der aber gerade wegen Wahnvorstellungen nicht korrekt einschätzen kann? Das dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten ein hoher Stellenwert zugestanden wird finde ich im Prinzip gut. 

Wenn der Klient geschäftsunfähig ist, dann dürfen wir das, es sei denn, der Klient hätte dem in geschäftsfähiger Zeit klar widersprochen. Das gibt es, ist aber sehr selten, und bezieht sich dann meist auf sehr klar benannte Medikamente.

Wenn es um FEM geht, dann benötige ich dafür die gerichtliche Genehmigung (§1906 BGB), die meine Entscheidung jedoch nicht ersetzt. Und wenn die Behandlung ein erhebliches Risiko für den Patienten mit sich bringt, auch dann muss ich mir die Einwilligung genehmigen lassen - das kann bis hin zur Erfordernis eines kompletten Gutachtens reichen, geht aber in der Praxis meist recht schnell, da der Richter den Klienten dann schon kennt. Im Zweifel telefoniert man kurz mit dem Richter und legt das Problem dar, und wenn der dann meint, es gehe ohne Einwilligung auch, dann bittet man ihn um einen Aktenvermerk. Der ist schließlich besser versichert.

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vor 12 Minuten schrieb Shubashi:

Nur widerspreche ich hier mal, weil in meinen Augen im Urteil zuwenig gefragt wird, wie das Recht derjenigen bewertet wird, gegen die sich evtl. Gewalt richtet.

Ich sehe da die Schutzwürdigkeit des Kranken nicht höher an als die seiner potentiellen Opfer - nur ist der Kranke im Zweifelsfalls viel schwächer als die Institution, der er ausgeliefert ist.

Eine Gratwanderung. Selbstverständlich dürfen die Pfleger sich selbst und ihre Kollegen schützen. Notwehr erlaubt alle nötigen Maßnahmen - dazu gehört aber eben nicht langanhaltende Fixierung. Jedenfalls nicht ohne Richter.

 

Zitat

Allerdings ist in der Zeit des massiven Pflegemangels auch das Personal eigentlich unzumutbaren Verhältnissen ausgesetzt - warum ordnet also ein Gericht an, Richterstellen zu schaffen statt sich endlich einmal dafür einzusetzen, dass z.B. wirklich soviel Personal da sein MUSS, um z.B. auf eine FEM ohne Eigengefährdung verzichten zu können.

Ich vermute: Die Richter kennen ihre Kollegen und haben schon mal vorsorglich erwartbare Einwände entkräftigt.

Andrerseits gehört die nötige Personalausstattung nicht explizit in ein solches höchstrichterliches Urteil. Implizit steht natürlich drin, daß die nötigen Recourcen vorgehalten werden müssen, für die Gerichte sogar explizit. Wenn demnächst jemand wegen Personalmangel unrechtmäßig fixiert wird, dann könnte bei einer Klage der Träger der Einrichtung ein Problem bekommen.

Ich finde es im Prinzip gut, wenn (höchste) Richter nicht zu genau nach der Umsetzbarkeit ihrer Urteile fragen. Die Einhaltung von Recht und Würde darf nicht an zu beschränkten Finanzmittelns scheitern. Da ist dann die Phantasie der Fachleute vor Ort gefragt.

 

 

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vor 31 Minuten schrieb Studiosus:

Gut, das kann man so betrachten. Für mich wäre das in erster Linie eine medizinethische bzw. forensisch-psychiatrische Fragestellung. Wenn man über die Menschenwürde - die in ihrer säkularen Gestalt nicht Bestandteil der klassischen Moraltheologie ist - argumentiert, kommt man vielleicht da hin zu sagen, es handele sich auch um eine theologische Frage. Strikt ausgelegt würde ich allerdings dabei bleiben, dass moraltheologische Urteile an die Quellen der Offenbarung - als exklusivem Wegweiser vom Glauben getragener Moral - rückgebunden sein müssten. Insofern sehe ich hier eher eine ethische, allenfalls noch moralphilosophische, Konstellation.

Setze an die Stelle der Menschenwürde die Gottebenbildlichkeit des Menschenm, dann sind wir in der Theologie und vermeiden Fehlschlüsse, die sich aus der Verwendung desselben Wortes für womöglich unterschiedliche Dinge ergeben. Da gibt es ein schönes Fremdwort dafür, das mir gerade entfallen ist.

Moraltheologie muss Antworten auf Fragen geben, die gestellt werden. Gerade in der medizinischen Ethik habe wir einiges an Fragen, auf die sich in den Quellen der Offenbarung keine Antworten finden können, eben weil diese Themen komplett unbekannt waren.

"Macht, was ihr wollt" ist da sicher keine hilfreiche Antwort.

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vor 4 Minuten schrieb Chrysologus:

Wenn der Klient geschäftsunfähig ist, dann dürfen wir das, es sei denn, der Klient hätte dem in geschäftsfähiger Zeit klar widersprochen. Das gibt es, ist aber sehr selten, und bezieht sich dann meist auf sehr klar benannte Medikamente.

Wenn es um FEM geht, dann benötige ich dafür die gerichtliche Genehmigung (§1906 BGB), die meine Entscheidung jedoch nicht ersetzt. Und wenn die Behandlung ein erhebliches Risiko für den Patienten mit sich bringt, auch dann muss ich mir die Einwilligung genehmigen lassen - das kann bis hin zur Erfordernis eines kompletten Gutachtens reichen, geht aber in der Praxis meist recht schnell, da der Richter den Klienten dann schon kennt. Im Zweifel telefoniert man kurz mit dem Richter und legt das Problem dar, und wenn der dann meint, es gehe ohne Einwilligung auch, dann bittet man ihn um einen Aktenvermerk. Der ist schließlich besser versichert.

Mit anderen Worten: Geschäftsfähige Patienten dürfen selbst entscheiden (gut so!), bei beeinträchtigten Patienten entscheidet der Bertreuer, ggf. zusammen mit einem Richter. Der eingewachsene Zehennagel düfte bis Montag Zeit haben; für die schwerwiegende Brandverletzung reicht wohl, wie bei jedem bewußtlosen Unfallopfer, zunächst die mutmaßliche Einwilligung des Betroffenen.

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vor 12 Minuten schrieb Chrysologus:

 Da gibt es ein schönes Fremdwort dafür, das mir gerade entfallen ist.

 

 

Homonymie oder Äquivokation?

 

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 6 Minuten schrieb Moriz:

Mit anderen Worten: Geschäftsfähige Patienten dürfen selbst entscheiden (gut so!), bei beeinträchtigten Patienten entscheidet der Bertreuer, ggf. zusammen mit einem Richter. Der eingewachsene Zehennagel düfte bis Montag Zeit haben; für die schwerwiegende Brandverletzung reicht wohl, wie bei jedem bewußtlosen Unfallopfer, zunächst die mutmaßliche Einwilligung des Betroffenen.

Ganz genau: Klare Erkenntnis und freier Wille binden absolut. Als Betreuer muss ich dann alles zulässige tun, diesen freien Willen auch zu ermöglichen. Wenn du deinen eingewachsenen und vereitereten Zehennagel lieber in Weihwasser baden willst als den Chirurg daran zu lassen, und um die Risiken weißt, dann ist das deine Entscheidung. So wei du auch rauchen oder trinken darfst, und auch an der Besteigung der Eiger Nordwand darf ich dich nicht hindern, auch wenn mir deine Vorerfahrungen an der Kletterwand auf dem Spielplatz und die vollständige DSammlung aller Louis Trenker Filme als nicht ausreichend erscheinen mögen.

In anderen Fällen kann der Betreuer entscheiden, der Richter muss diese Entscheidung punktuell genehmigen - wenn er sie genehmigt hat, dann darf ich so entscheiden, muss das aber nicht.

Bei unfällen wird ggf. erst mal behandelt und dann gefagt, klar.

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vor 17 Minuten schrieb Studiosus:

 

Homonymie oder Äquivokation?

 

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

 

Sehr schön, zwei neue Worte gelernt und eine aspektreiche Diskussion ohne Streit.

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vor 4 Stunden schrieb Studiosus:

 

Gut, das kann man so betrachten. Für mich wäre das in erster Linie eine medizinethische bzw. forensisch-psychiatrische Fragestellung. Wenn man über die Menschenwürde - die in ihrer säkularen Gestalt nicht Bestandteil der klassischen Moraltheologie ist - argumentiert, kommt man vielleicht da hin zu sagen, es handele sich auch um eine theologische Frage. Strikt ausgelegt würde ich allerdings dabei bleiben, dass moraltheologische Urteile an die Quellen der Offenbarung - als exklusivem Wegweiser vom Glauben getragener Moral - rückgebunden sein müssten. Insofern sehe ich hier eher eine ethische, allenfalls noch moralphilosophische, Konstellation.

 

 

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

Nicht jeder, der zu mir sagt: Her, Her! wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt (Mt 7,21).

 

Die Moraltheologie bemüht sich darum, hier Feldforschung zu betreiben und es geht in diesem Thread ums rechte Handeln.

 

 

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vor 38 Minuten schrieb nannyogg57:

Nicht jeder, der zu mir sagt: Her, Her! wird in das Himmelreich kommen

 

Das stimmt. Diese idiomatische Aufforderung ist - verbis sic stantibus - auch ziemlich unhöflich. 

 

Außerdem habe ich nur geschrieben, dass diese Fragestellung meiner Ansicht nach nicht unbedingt moraltheologischer Natur ist, sondern ebenso gut (oder besser) von anderen, nicht-theologischen Disziplinen erörtert werden könnte. Diese persönliche Meinung wird man mir - auch bei abweichender Einschätzung - wohl zugestehen, hoffe ich. So viel Fairness muss schon sein, sonst kann man Diskussionen auch gleich aufstecken.

 

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

 

 

 

bearbeitet von Studiosus
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