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Stemmildts Nachgespräche (und Stefans natürlich)


sstemmildt

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Hallo Sven,

 

es war nicht meine Absicht, die Frage ständig zu variieren. Wenn das bei Dir so angekommen ist, tut mir das leid. Es lag aber nicht in meiner Absicht.

 

Wir sind insofern in der Situation von zwei Physikern: Ich behaupte, ich hätte ein bestimmtes Teilchen entdeckt. Damit die Eigenschaften dieses Teilchens sich in ein schlüssiges Weltbild einfügen lassen, habe ich nun einen gewissen Erklärungsaufwand zu treiben.

 

Exakt!

 

Du behauptest jetzt zweierlei: Erstens, das Teilchen existiert nicht, zweitens, mein Weltbild - selbst wenn dieses Teilchen existierte - sei unschlüssig, weil die Eigenschaften dieses Teilchens von meinem Weltbild nicht erklärt werden könnten.

 

Nicht ganz. Ich behaupte, das Teilchen exitiert nicht, weil aus seiner Existenz ein unschlüssiges Weltbild folgt.  

 

Die erste Frage können wir nicht mit der zweiten vermischen. Du kannst mein Weltbild nicht auf Schlüssigkeit prüfen, indem Du weiter darauf rekurrierst, daß es das Teilchen nicht gebe.

 

Es wird doch wohl noch erlaubt sein, die Alternativen miteinander zu vergleichen.  

 

Auch die Tatsache, daß Dein Weltbild "ökonomischer" sei, weil es ohne die Annahme eines solchen Teilchens auskomme, ist irrelevant.

 

 

Das sehe ich zwar anders, aber egal, ich lasse mein ockhamsches Rasiermasser mal stecken.

 

Denn dieses Teilchen ist ja gerade keine Hilfsannahme, die mein Weltbild erklären soll, sondern die Existenz des Teilchens selbst - die ich aufgrund meiner Experimente als

gegeben annehme - soll in ein Weltbild eingefügt werden.

 

OK, lass uns hier ansetzen.

 

Wenn wir also die Theodizee-Debatte führen, mußt Du für diese Diskussion felsenfest dabei bleiben, daß es einen gütigen Gott gibt und Widersprüche aufzeigen. Daß Du das ganze ohne Gott einfacher erklären kannst, ist unbestritten und trivial.

 

Einverstanden.

 

Ist die Welt besser denkbar? Nun, ich will mach nicht wiederholen, deshalb nur kurz: Nein, sie ist es nicht. Eine bessere Welt, in der Leiden schlechthin nicht existierte, wäre auch ohne jede Freiheit.

 

Na gut, dann sollten wir uns wohl mal über die Freiheit unterhalten. Dazu müsstest Du erst einmal definieren, was Du exakt mit Freiheit meinst. Und dann müsste man mal schauen, ob es Freiheit in dieser oder jener Form, z.B. eine Freiheit des Willens überhaupt gibt. So ganz selbstverständlich kann man Freiheit nämlich nicht mehr voraussetzen.

 

Gruß

Stefan

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Lieber Stefan,

 

ich hatte nicht vermutet, daß du absichtlich Verwirrung stiftest. Deshalb laß uns weitermachen.

 

Ich behaupte, das Teilchen existiert nicht, weil aus seiner Existenz ein unschlüssiges Weltbild folgt.

Nur - damit wir das sinnvoll diskutieren können, muß zunächst für den Prozeß der Prüfung die Ausgangshypothese (die Existenz eines gütigen, allmächtigen Schöpfergottes) wie einbetoniert fest stehen bleiben. Erst, wenn wir die Prüfung abgeschlossen haben und ein Ergebnis feststeht (und mag diese auch erst von unseren Kindes-Kindeskindern gefunden werden - Nathan, Du erinnerst Dich sicher, Germanist, der Du bist), können wir dieses Kriegstheater verlassen. Außerhalb dieses Schauplatzes - dieser Debatte - können wir gerne "Alternativen miteinander vergleichen", innerhalb würde es die Diskussion verunmöglichen.

 

Dein Ockhamsches Rasiermesser ist auch nur deshalb irrelevant, weil Du mich auf "meinem Terrain" angreifst, mit der Theodizeefrage Gott als Hypothese dieser Debatte voraussetzt. In jeder anderen Debatte darfst Du es gerne zücken.

 

Nun, Du hast mich aufgefordert, Freiheit als Begriff zu definieren. Das tue ich gerne und gebe gleich noch ein paar Erläuterungen und Behauptungen dazu. Vorab jedoch eines: ich weiß nicht, ob meine ad-hoc-Definitionen in allen Konstellationen verwendbar sind. Es kann sein, daß ich mich diesbezüglich von Dir belehren lassen muß; ich werde dann neue Definitionen einführen. Ich werde mich aber bemühen, das offen zu tun, um Mißverständnisse zu vermeiden. Ich verzichte auch bewußt darauf, eine Definition des Begriffes einzuführen, die jede mögliche alltagssprachliche Verwendung abdeckt, sondern beziehe diesen Begriff lediglich auf Menschen. Es mag sein - das wird ggf. noch zu prüfen sein -, daß diese Definition auch für andere Bereiche tauglich ist, zunächst bezieht sie sich aber lediglich darauf, weil ich denke, daß das für den Gegenstand unserer Debatte ausreicht.

 

1.) Definition: Freiheit ist ein Zustand des Menschen, in dem er aufgrund der begrenzten Erkenntnis seiner Situation verschiedene Alternativen zukünftiger Entwicklungen bewertet und daraufhin sein Verhalten ausrichtet.

 

2.) Behauptung: Der Mensch kann solche Bewertungen vornehmen. Dabei ist er potentiell autonom, praktisch werden seine Entscheidungen aber von bestimmten, seine Freiheit damit einschränkenden Einflüssen überlagert, etwa Gewohnheiten, Ängsten, Begehrlichkeiten etc. Darüber hinaus kann er auf verschiedene Weise daran gehindert oder darin behindert werden, sein Verhalten nach seinen Entschlüssen auszurichten.

 

3.) Behauptung: Es ist im Menschen angelegt (er ist so be- oder geschaffen), in diesem Sinne frei zu sein. Wenn seine Fähigkeit, Entschlüsse zu fassen oder umzusetzen, durch innere oder äußere Umstände eingeschränkt wird, ist dies ein Eingriff in den Kern des Selbstgefühls des betreffenden Menschen. Dabei kann diese Einschränkung als solche bewußt werden (als Gefühl von Unterdrückung); es kann aber auch sein, daß sie als völlig richtig und wünschenswert angesehen wird, dann aber dennoch zur Ursache von Leiden wird (etwa als Neurose).

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Zitat von Stefan am 15:26 - 8.Februar.2002

 

was soll das werden? Eine Lernzielkontrolle?

 

Nur ein dezenter Hinweis darauf, dass ich meine Postings als gut verständlich ansehe, eben weil sie kurz und komprimiert gehalten sind. Damit gebe ich meinem Gegenüber auch Raum an Interpretationsfreiheit, mein Gesprächsangebot.

 

Torsten

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Hallo Sven,

 

hat etwas gedauert mit der Antwort, sorry. Da ich heute nicht allzuviel Musse habe, nur ein kleiner Einwand:

 

1.) Definition: Freiheit ist ein Zustand des Menschen, in dem er aufgrund der begrenzten Erkenntnis seiner Situation verschiedene Alternativen zukünftiger Entwicklungen bewertet und daraufhin sein Verhalten ausrichtet.

 

Das ist eine recht vorsichtige Definition, da sie die Freiheit schon durch zwei Faktoren beschneidet: Erkenntnis und Situation.

 

Das heisst: Eine Entscheidung, die sich meiner Erkenntnis entzieht, kann ich nicht treffen. Eine Entscheidung, die sich meinen Möglichkeiten entzieht, kann ich nicht verwirklichen.

 

Interessant erscheint mir vor allem der zweite Aspekt, da das Leiden (das ja mit der Freiheit begründet werden soll) durchaus die Freiheit einschränken kann, oder sogar prinzipiell einschränkt.

 

Daher müssten wir folgendes annehmen: Gott lässt Leid zu, weil er die Menschen nicht in ihrer Freiheit einschränken möchte. Gott schränkt die Menschen aber in ihrer Freiheit ein, wenn er Leid zulässt.

 

Falls Dir meine Gedankensprünge zu abwegig vorkommen, beschwere Dich ruhig.

 

Gruß

Stefan

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Ich beschwere mich gar nicht. Ich bin sogar dankbar, denn das gibt mir Gelegenheit zur Klarstellung: die Begrenztheit menschlicher Erkenntnis ist zwar de facto gegeben; ob sie aber in diesem Zusammenhang überhaupt bedeutsam ist, bin ich mir gar nicht mehr sicher. Aus der Definition könnte sie also u.U. auch gestrichen werden.

 

Aber darauf kommt es m.E. nicht an, eben weil die menschliche Erkenntnis tatsächlich stets begrenzt ist, so daß die Definition so oder so in der Diskussion keine anderen Ergebnisse zeitigt.

 

Richtig ist, daß ich eine Entscheidung nicht treffen kann, von der mir nicht bekannt ist, ob sie ansteht. Beispiel: Der Ritt über den Bodensee aus der Ballade: Weil er sich verirrt hatte, wußte der Reiter nicht, daß er eine Entscheidung - etwa anzuhalten, vorsichtiger zu reiten, abzusteigen oder einen Umweg um den See zu nehmen - hätte treffen können.

 

Auch kann ich eine Entscheidung nicht umsetzen, wenn dies jenseits meiner Möglichkeiten liegt.

 

So weit, so gut - was Du damit aber in Bezug auf die Theodizee-Frage sagen willst, ist mir unklar.

 

Denn Freiheit bedeutet ja nicht, jede Entscheidung fällen und umsetzen zu können, sondern nur, Alternativen zukünftiger Entwicklungen bewerten und mich danach verhalten zu können. Das heißt nicht, daß ich immer jede solcher möglichen Entscheidungen treffe, das heißt vor allem aber, daß ich die Alternativen vernünftig bewerte. Wenn ich mein Verhalten auf eine Alternative hin ausrichte, die ich mangels Fähigkeit nicht umsetzen kann, habe ich meine Freiheit selbstverständlich ausgeübt - ob ich das vernünftig getan habe, ist eine andere Frage.

 

Daß ich nicht alles kann (u.a. auch in bestimmten Situationen weniger kann als in anderen, etwa weil ich verletzt bin) führt doch erst dazu, daß es verschiedene Alternativen von unterschiedlichem Wert gibt. Könnte ich alles, brauchte ich mich doch kaum zu entscheiden.

 

Du hast m.E. den Fehler gemacht, Freiheit mit "Unbeschränktheit" gleichzusetzen. Denn nur die "Unbeschränktheit" wird eingeschränkt, wenn ich, etwa weil ich Leid erfahre, eine bestimmte Handlungsalternative, die ein anderer - oder ich in einer anderen Situation - ohne weiteres umsetzen könnte, nicht realisieren kann. Das aber entspricht nicht nur meiner Definition von Freiheit nicht, sondern m.E. nicht einmal dem allgemeinen Sprachgebrauch.

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Zitat von sstemmildt am 3:06 - 11.Februar.2002

 

Du hast m.E. den Fehler gemacht, Freiheit mit "Unbeschränktheit" gleichzusetzen. Denn nur die "Unbeschränktheit" wird eingeschränkt, wenn ich, etwa weil ich Leid erfahre, eine bestimmte Handlungsalternative, die ein anderer - oder ich in einer anderen Situation - ohne weiteres umsetzen könnte, nicht realisieren kann. Das aber entspricht nicht nur meiner Definition von Freiheit nicht, sondern m.E. nicht einmal dem allgemeinen Sprachgebrauch.

 

Hallo Sven,

 

nein, den Fehler habe ich nicht gemacht. Ich bin von Deiner Definition von Freiheit ausgegangen und habe sie etwas weiter gesponnen.

 

Das widerspricht übrigens ganz und gar nicht dem allgemeinen Verständnis von Freiheit. Ein Leiden schränkt mich im Vergleich zu anderen Menschen in meinen Möglichkeiten, aber auch in den Möglichkeiten, die ich selber ohne dieses Leiden wahrnehmen könnte.

 

Hinzu kommt: Ich erlebe bewusst, dass diese Einschränkung meiner Freiheit mich in meinen Möglichkeiten behindert, ich erlebe also neues Leid.

 

Moment... wo bin ich jetzt?

 

Leid als Voraussetzung für Freiheit ...nicht erlebte Freiheit als Ursache für Leid...Leid als Ursache für nicht wahrgenommene Möglichkeiten...

 

Wäre nett, wenn Du den Knoten entwirren könntest.

 

Gruß

Stefan

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Zur Definition "Freiheit" empfehle ich das philosophische Wörterbuch, welches es geschafft hat, den Begriff mit äußerst wenigen Worten zu definieren:

 

"Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit"

 

Für diejenigen, denen Thorstens Postings etwas rätselhaft sind, bitte ich, obige Worte mal aufzudröseln. Ihr werdet ein paar Stunden zu tun haben...

 

Nachdem ich hier die Postings gelesen habe, drängt sich bei mir der Verdacht auf, dass allein die Frage "Muss Gott diese 3xA Eigenschaften haben" schon akzeptiert habt. Bei mir drängt sich aber die Frage auf, warum man den Gottesbegriff überhaupt mit diesen Eigenschaften beladen will.

 

Aus meiner Sicht ist dies eine rein menschliche Einstellung, Gott auf den höchstmöglichen Thron zu packen. Gott scheint wohl kein "richtiger Gott" mehr zu sein, wenn er eben nicht allmächtig, allwisend und allgütig ist. Wenn er auch nicht alles kann und alles weiß (genau wie wir), er uns nach seinem Ebenbild erschuf, dann scheint nur die Schöpfung selbst und die Macht Gottest an sich uns von Gott zu trennen. Um diese Anmassung zu vermeiden, möchten wir Gott gerne mit Eigenschaften ausstatten, die wir garantiert nie besitzen werden, rein göttliche Eigenschaften eben.

 

Nur: Braucht das Gottesbild dies wirklich? Und muss Gott wirklich so sein, wie wir uns das gerne schön reden? Ich glaube nicht.

 

Implizieren wir diese "3xA"-Eigenschaften, so erhalten wir einen Gott, an dessen Existenz und seine Schöpfung Anforderungen gestellt werden, die mit der Erfahrung aus der Wirklichkeit kollidieren, eben jene Fragen, die ihr beiden so herrlich aufgeworfen habt.

 

Ohne diese 3xA-Eigenschaften hätten wir zwar nur einen "ganz normalen" Gott, aber dessen eingeschränkte Handlungsfreiheit doch mehr Sinn machen.

 

Denn warum sollte ein allwissender Gott die Schöpfung und das "Experiment Mensch" überhaupt starten, wenn er das Ergebnis längst kennt? Wenn Gott alles weiss, warum macht er dann Fehler?

 

Statt Gott Eigenschaften zuzusprechen, die er vielleicht nie bessen hat, sollte man ihm mal endlich Eigenschaften zuweisen, die man ihm immer abgesprochen hat, weil sie der Heiligkeit eines solchen Wesens Schaden zufügen könnte:

 

Gott hat Humor!

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>"Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit"

 

Für diejenigen, denen Thorstens Postings etwas rätselhaft sind, bitte ich, obige Worte mal aufzudröseln. Ihr werdet ein paar Stunden zu tun haben...<

 

Wenn man es selber herleitet, ist es immer einfacher zu verstehen. Dann besteht ja noch die Gefahr, sich mit seiner Interpretation lächerlich zu machen. Wer will sich hier im Forum schon diese Blöße geben? Da greift man doch lieber den Standpunkt des anderen an, und nimmt selber keinen ein. So ungefähr läuft's. Schade.

 

-----

 

Man bleibt zwangsläufig bei dem Begriff Notwendigkeit stehen. Den versucht man mit Inhalt zu füllen. Notwendigkeit von oder für was? Dann Einsicht. Das darüber klar werden, welche Position ich gegenüber dem Inhalt einnehme, mit dem ich die Notwendigkeit erfüllt habe, um von Freiheit zu sprechen.

 

Die Notwendigkeit von Leid und dem, was ihm gegenüber steht. Was steht dem Leid gegenüber?

Die Freiheit? Das ergibt Probleme angesichts der Definition. Die Folge ist ein Rumgegurke in der Argumentation.

 

Die Notwendigkeit von etwas und dem, was ihm gegenüber steht. Wofür ist beides notwendig?

Will man sich einer der beiden Positionen anschließen oder eine Position einnehmen, aus der man beides betrachten kann und somit die Notwendigkeit nie aus den Augen verliert?

 

Was ist etwas und was steht ihm gegenüber? Was sind wir als Menschen in der Lage zu differenzieren? Erkennen wir die Notwendigkeit von beidem für eines? Bei welcher Position rede ich von Freiheit?

 

NAME

 

PS: >Gott hat Humor!<

 

Jenseits von Gut und Böse.

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Nein Torsten, weder wollte ich Dich angreifen, noch mich drücken, eine eigene Interpretation abzuliefern... ;)

 

Freiheit bedeutet in nuce, tun und lassen zu können, was man möchte. Allerdings schiebt uns die Notwendigkeit, gewisse Dinge zu tun und zu lassen, in unserer Freiheit einen Riegel vor. Ich bin z.B. nicht frei, entscheiden zu können, wann und ob ich atme oder nicht.

 

Freiheit wird dann zu wahren Freiheit, wenn ich selbst einsehe, dass gewisse Handlungen meinerseits Reaktionen hervorrufen, die ich ev. nicht gutheissen kann. Wenn ich z.B. in meiner Freiheit meinen Nachbar erschlage, muss ich mich nicht wundern, wenn dessen Verwandte mich ebenfalls erschlagen.

 

Die letztendliche Konsequenz ist, dass ich des anderen Leuten Freiheit ebenso respektieren muss, wie meine eigene, um diese behalten und leben zu können. Im Grunde genommen läuft alles auf den Kant'schen kategorischen Imperativ hinaus, auch wenn der nun wirklich nicht immer der Weisheit letzter Schluss ist.

 

Aber wir kommen vom Thema ab. Wollen wir nicht lieber den beiden lausen? ;)

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Zitat von CavemanHamburg am 13:58 - 12.Februar.2002

 

 

Nachdem ich hier die Postings gelesen habe, drängt sich bei mir der Verdacht auf, dass allein die Frage "Muss Gott diese 3xA Eigenschaften haben" schon akzeptiert habt. Bei mir drängt sich aber die Frage auf, warum man den Gottesbegriff überhaupt mit diesen Eigenschaften beladen
will
.


 

Hallo Caveman,

 

an dem Punkt waren wir ja schon. Einen irgendwie gearteten Gott muss man nicht auf diese Weise hinterfragen, kann man auch gar nicht. Das Gottesbild des Christentums läuft aber mehr oder weniger auf einen 3xA-Gott hinaus. Es ist zwar denkbar, dass auch Christen ein anderes Gottesbild haben, dann hängt aber die christliche Heilslehre ziemlich unmotiviert in der Gegend herum.

 

Gruß

Stefan

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Lieber Stefan,

 

hier besteht ein ganz grundlegendes Mißverständnis:

 

Du führst in die Definition der Freiheit ein, daß damit ein "mehr" an Möglichkeiten verbunden sein müsse. Du sagst, ein Leiden schränke mich in meinen Möglichkeiten ein, das wiederum reduziert meine Freiheit.

 

Das hat mit meiner Definition gar nichts zu tun - und zwar weder positiv noch negativ. Du wirst festgestellt haben, daß meine Definition das Wort "Möglichkeiten" nicht enthält. Tatsächlich ergibt sich aus meinen Erläuterungen und bisherigen Beiträgen sogar, daß eine Einschränkung des Möglichen sogar Bedingung von Freiheit sei. Hätte der Mensch unbegrenzte "Möglichkeiten", wäre er unfrei, weil es für ihn keine relevante Entscheidung mehr geben könnte.

 

Hierzu gilt aber auch ein Umkehrschluß nicht: ein Weniger an Möglichkeiten bedeutet nicht mehr Freiheit. Meine Definition betrifft nicht die Skalierung von Freiheit, unter welchen Umständen ich mehr oder weniger Freiheit empfinde -, also die Freiheit zu mehr Möglichkeiten, sondern die Bedingungen der Möglichkeit von Freiheit (ach ja, die gute alte Transzendentalphilosophie... ). Ich darf daran erinnern: ich habe in Bezug auf das Theodizee-Problem das Leid auch nur in diesem Sinne als Argument gebracht.

 

Beide Aspekte haben nur in ganz bestimmten Situationen miteinander zu schaffen. Diese Zusammenhänge - eben empirische, situative - sind aber eben nicht definitionsrelevant.

 

Selbstverständlich wird die Freiheit, den Willen zu betätigen, aber auch den Willen überhaupt zu bilden, durch eine Beschränkung der Möglichkeiten hierzu eingeschränkt - etwa, wenn einem der Arm gelähmt ist oder ihn eine psychische Krankheit behindert.

 

Umgekehrt geben solche Begrenzungen - nicht jede einzelne für sich, aber die Tatsache, daß es solche überhaupt gibt - erst die Möglichkeit, den Begriff Freiheit sinnvoll mit Leben zu erfüllen. Eine Freiheit zu allem ist als solche nicht mehr wahrnehmbar.

 

Auch und gerade das Leid, das durch die Beschränkung der "Freiheit zu allem" entsteht, macht ja die Entscheidungen, die dann zu fällen sind, bedeutsam: Entscheide ich mich, gegen eine solche Beschränkung vorzugehen (durch die Heilung von Krankheiten, die Abschaffung eines diktatorischen Regimes, aber auch durch ein rechtsstaatlich zustandegekommenes und durchgesetztes Gesetz) und nehme dafür vielleicht kürzer- oder längerfristige andere Beschränkungen für mich oder andere in Kauf (etwa durch Strafverfolgung, politischen Terror, Umweltschäden oder Ausbeutung)? Entscheide ich mich dafür, eine Beschränkung - etwa fehlendes Talent, körperliche Behinderung, der zu erwartende Tod - anzunehmen und mein Leben darauf einzustellen, dafür, mit meinem Schicksal zu hadern oder dafür, sie zu beseitigen, auch wenn die Erfolgsaussichten nach menschlichem Ermessen minimal sind?

 

Freiheit ist nur dann erlebbar, wenn sie Einschränkungen erfährt. Das macht die Einschränkungen nicht "gut", es macht sie notwendig. Welche Einschränkungen hingenommen werden müssen und welchen begegnet wird (ja stets auch wieder durch Hingabe von Möglichkeiten - und sei es die freie Verfügung über den Tag, die der Arzt beschränken muß, wenn er sich dem Dienstplan seines Krankenhauses unterwirft), das sind Entscheidungen, die treffen zu können Freiheit bedeutet.

 

(Geändert von sstemmildt um 12:15 - 13.Februar.2002)

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Hallo Sven,

 

wenn ich Dich richtig verstehe, zielst Du auf den klassischen Dualismus ab: Das Gute ist nicht möglich ohne das Böse, Freiheit ist nicht möglich ohne Unfreiheit. Damit wir uns nicht in Definitionsfragen verlieren, kannst Du das

"ist nicht möglich" auch durch "nicht erfahrbar" ersetzen.

 

Deine These: Ohne die Möglichkeit, unfrei zu sein, könnte ich Freiheit nicht  als solche erfahren. Wäre meine Freiheit nicht durch äussere Umstände  beschränkt, hätte ich keine Vergleichsmöglichkeit. Oder in Deinen Worten: Freiheit ist nur dann erlebbar, wenn sie Einschränkungen erfährt.

 

Da stellt sich natürlich die Frage, ob es notwendig ist, Freiheit zu erleben  bzw. Unfreiheit erlebt zu haben, um frei zu sein. Wir müssen ja auch nicht  alle erst einmal gestorben sein, um uns lebendig zu fühlen. Wir müssen auch

nicht unbedingt erfahren, was krank sein ist, um uns gesund zu fühlen. Wir  können vielleicht den "positiv" konnotierten Zustand (Freiheit, Leben, Gesundheit) anders erleben, intensiver erleben, wenn wir das Gegenteil erfahren haben, aber das ist keine Voraussetzung, um von diesem Zustand zu

profitieren. Ich muss nicht blind gewesen sein, um ein "richtiger" Sehender zu  werden (im streng denotativen Sinn). Ich muss nicht taub gewesen sein, um besser zu hören.

 

Genausowenig muss meine Frau todkrank sein, damit ich mich dafür entscheide, ihr zur Seite zu stehen. Selbst wenn die Entscheidung, meine eigenen Interessen für einen todkranken Menschen hinten an zu stellen irgendwie folgenreicher, ja gewichtiger erscheint - es ist und bleibt nur eine Entscheidung. Es handelt sich streng gesehen sogar um eine weniger freie Entscheidung, da  ein moralischer Druck auf mir lastet, ein sozialer Zwang oder auch nur mein

schlechtes Gewissen. Ich kenne da ein Beispiel aus meinem eigenen Umfeld: Eine Frau hat sich dazu entschlossen, ihren Mann zu verlassen. Nun ist diese Frau nicht gerade mutig, sie wartet auf den richtigen Augeblick. Der Zeitpunkt

trifft aber nicht ein. Srarrdessen kommt er eines Tages mit der Botschaft "Ich bin todkrank" nach hause.

 

Jetzt erzähl mir bitte nicht, dass Freiheit bedeutet, hier eine Entscheidung zu treffen, treffen zu müssen. Es handelt sich nämlich um den schlimmsten Fall

von Freiheit, ja sogar um das schlimmere Gegenteil von Freiheit, als die Zwangslage: Das Dilemma.

 

Ja, Du hast recht: Es gibt wirklich wichtige Entscheidungen - manche sind aber so wichtig und folgenreich, dass wir sie gar nicht bewältigen können. Unser  Gewissen - also unserer innerer Sensor für das Leid anderer  - macht uns einen

Strich durch die Rechnung.  

 

Gruß

Stefan

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Hi Sven,

 

eben beim Surfen entdeckt:

 

Ende 1997 durften sich die Bewohner Mittelitaliens fragen, was denn mit Gott los sei. Wenn die Erde ausgerechnet an Franz von Assisis Wirkungsort bebt, und Gott es zuläßt, daß gleich zwei Priester von der herabstürzenden Kirchendecke ins Jenseits befördert werden, darf man sich fragen, ob sich für die Toten das jahrelange Beten ausgezahlt hat. Wären sie nicht Kirchen- sondern Staatsdiener geworden, sie wären noch unter uns. Hört Gott nicht auf das Beten? Oder gibt es ihn gar nicht? Und wenn es ihn gibt, wo ist er?

 

http://www.morgenwelt.de/wissenschaft/9904-gott-d.htm

 

Gruß

Stefan

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Josef Steininger

Ich bin durchaus der Meinung, daß da der Himmel seinen Unwillen kundgegeben hat über die neue Bedeutung, die Assisi erlangt hat als "Stadt des interreligiösen Dialogs".

 

(Uiii - jetzt aber schnell in Deckung ...)

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Lieber Stefan,

 

ich will gar nicht auf einen Dualismus, also ein Gegensatzpaar, hinaus. Um es ganz einfach zu machen: Beschreibe doch bitte ein Quadrat ohne Seiten, eine Kreisfläche ohne Umkreis.

 

Natürlich muß ich nicht blind gewesen sein, um sehen zu können. Aber gerade das Sehen ist ein gutes Beispiel: ich "sehe" durch Kontraste. Stehe ich vor einer einfarbigen Wand, die mein ganzes Sichtfeld ausfüllt, sehe ich in Wahrheit nichts. Würde das Licht alles gleich durchdringen oder von allem gleich reflektiert werden, ebenfalls.

 

Genauso bin ich nicht frei, wenn mich nichts aufhält, wenn mir nichts droht, mir kein Leiden begegnen kann. Dann ist jede Richtung, in die ich mich wenden könnte, gleich viel wert.

 

Sicher - dafür muß es keine Katastrophen geben. Es muß dafür nicht die Möglichkeit geben, daß ich mir den Hals breche. Dafür würde es genügen, daß ich mir den Zeh stoße. Doch würde das für meine Begriffe wenig ändern. Eine Welt, in der das größte Leid in einem angestoßenen Zeh besteht, wäre nicht weniger von Verzweiflung erfüllt als unsere. Denn das ist die Welt eines Kleinkindes, dem die Eltern jede ernsthafte, "erwachsene" Bedrohung fernhalten. Für das Kleinkind aber ist der angestoßene Zeh ein Anlaß, seine Welt zusammenbrechen zu sehen und schier zu verzweifeln.

 

Was Dein Beispiel des Verlassens der Frau betrifft: sie zu verlassen, wenn sie nicht krank ist, ist keine Entscheidung aus größerer Freiheit heraus, sondern nur aus vermeintlich größerer Beliebigkeit. Du scheinst zu meinen, daß ein Mensch frei sei, wenn seine Handlungen so wenig wie möglich Bedeutung haben, damit er ja bloß nicht in eine "Zwangslage" gerät. Nur ist der "Zwang" in der Zwangslage nicht der, sich in einer bestimmten Weise zu entscheiden, sondern nur, sich überhaupt zu entscheiden. Kein sozialer Zwang, kein moralischer Druck kann die Freiheit der Entscheidung überhaupt nur betreffen. Man kann sich das einreden. Man kann sich selbst vorlügen, daß man ja gar nicht anders habe entscheiden können. Aber in Wahrheit ist man nach wie vor genauso frei in der Entscheidung. Nur ist der "Preis", um den es geht, höher geworden.

 

Während der Mann meint, die gesunde Frau problemlos zu verlassen können, muß er mehr berücksichtigen, wenn seine Frau erkrankt ist. Aber so oder so erlebt er die Konsequenzen seiner früheren Entscheidung, mit dieser Frau zusammenzukommen, sie nicht früher verlassen zu haben etc. In jeder dieser früheren Entscheidungen war die Möglichkeit der jetzigen Situation schon enthalten. Wäre es - rein theoretsich - ausgeschlossen, daß seine Frau je in Not geraten könnte: welche Bedeutung hätte dann seine frühere Entscheidung gehabt? War seine frühere, schwärmerische Erklärung, er wolle bei ihr bleiben und mit ihr alt werden, wirklich nur dahingesagt?

 

Es ist die Tatsache, daß unsere Entscheidungen schwere Folgen haben können, die ihnen Bedeutung verleiht. Wie empfindest Du es, wenn man das, was Du sagst, auch wenn Du es ernst meinst, als leichtfertiges Gerede abtut? Ich empfinde das als beleidigend, weil ich es als Teil meines Menschseins begreife, daß das, was ich entscheide, auch ernst gemeint ist, daß ich auch bereit bin, die Konsequenzen dessen zu tragen. Auch ich bin natürlich froh, wenn ich nicht auf die Probe gestellt werde. Aber ich kann es mir nur als hohl, leer und bedeutungslos, als unaussprechlich schrecklich vorstellen, wenn meine Entscheidungen beliebig wären.

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Hallo Sven,

 

ich antworte mal Portionsweise.

 

Eine Welt, in der das größte Leid in einem angestoßenen Zeh besteht, wäre nicht weniger von Verzweiflung erfüllt als unsere.

 

Fiktives Interview mit einem Microsoft-Obermacker:

 

F: Trotz anderslautender Pressemitteilungen, sind ihre Produkte noch immer nicht stabil. Zwar wurden hier und da einige altbekannte Bugs beseitigt, aber dafür sind neue Fehler und Sicherheitsmängel aufgetreten.

 

A: Ja, wir könnten natürlich mehr Manpower und Geld in die Verbesserung unserer Produkte stecken. Aber das würde eigentlich kaum etwas ändern. Die Kunden sind nie zufrieden.

 

F: Wie meinen Sie das?

 

A: Für unsere Begriffe würde es wenig ändern, wenn unsere Software fehlerfrei wäre. Mit einem Betriebssystem, das nur zweimal im Jahr Schluckauf hat, wären die meisten Kunden nicht glücklicher, als mit unserem, das bekanntermassen regelmässig abstürzt und erhebliche Sicherheitslücken hat. Nicht, dass sie mich falsch verstehen. Die Zufriedenheit unserer Kunden hat höchste Priorität. Es ist jedoch aus marktwirtschaftlichen Gründen nicht sinnvoll, dieses Ziel über bessere und sicherere Produkte erreichen zu wollen. Wie gesagt; wäre unsere neueste Windowsversion so zuverlässig wie ein Mercedes oder ein BMW, unsere Kundschaft wäre nicht weniger von Verzweiflung erfüllt als jetzt.

 

F: Mit anderen Worten, Sie vertrösten Ihre Kunden weiterhin auf nachfolgende Versionen ihrer Software?

 

A: Nein, so habe ich das nicht gesagt.

 

F: Darauf läuft es aber hinaus.

 

A: Nein, schauen Sie mal. Wir können unsere Kunden doch nicht zu ihrem Glück zwingen. Andererseits sind wir als Innovationsträger aber verpflichtet, neue und bessere Technologien zu entwickeln. Daher dürfen wir den Kunden nicht in seiner Entscheidung einengen, auf neueste Entwicklungen zurückzugreifen. Wäre Windows 3.0 schon ein fehlerfreies Produkt gewesen, hätten wir vielen Kunden eine wesentliche Experience vorenthalten, da viele gar nicht das Bedürfnis gehabt hätten, neuere Betriebssystem-Versionen zu verwenden.

 

F: Also sind die Fehler gewollt?

 

A: So würde ich das nicht formulieren. Wären die vorhandenen Fehler beseitigt, würden sich die Kunden über andere Dinge beschweren, z.B. die Form oder Farbe der Fensterrahmen.  Ein Betriebsystem, dessen einziger Makel darin besteht, dass es hässliche Icons hat, würde genauso viel Unmut erregen, wie eines, das die Arbeit mehrerer Wochen durch einen Fehler im Dateisystem vernichtet.

 

F: Glauben Sie das wirklich?

 

A: Lassen Sie es mich so formulieren: Stehe ich vor einer einfarbigen Wand, die mein ganzes Sichtfeld ausfüllt, sehe ich in Wahrheit nichts. Würde das Licht alles gleich durchdringen oder von allem gleich reflektiert werden, ebenfalls. Genauso bin ich nicht frei, wenn mich nichts aufhält, wenn mir nichts droht, mir kein Systemfehler begegnen kann. Dann ist jede Richtung, in die ich mich wenden könnte, gleich viel wert.

 

F: Bitte?

 

A: Sicher - dafür muss es keinen kompletten Systemabsturz geben geben. Es muss dafür nicht die Möglichkeit geben, dass mir Excel die gesamte Buchhaltung zerschreddert. Dafür würde es genügen, dass mir die Postion des Startmenüs nicht gefällt. Doch würde das für meine Begriffe wenig ändern.

 

F: Lässt sich daraus das schlechte Image ihres Unternehmens ableiten?

 

A: Schlechtes Image? Laut von uns durchgeführten Umfragen ist Microsoft durchaus beliebt. Wir werden von Kunden nur so mit positiven Attributen überhäuft.

 

F: Die da lauten?

 

A: Allmächtig, allgütig, allwissend, ...

 

F: Vielen Dank für das Gespräch.

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Lieber Stefan,

 

schönes Beispiel. Aber leider stützt es Deine Position nicht.

 

Den der MS-Obermacker hätte vollkommen recht, wenn es darum ginge, die User glücklich zu machen. Denn ein fehlerfrei funktionierendes System würde keinen User zu einem glücklichen Menschen machen. Es wäre nützlicher, um Arbeiten zu erledigen, damit hätte es sich aber auch schon.

 

Um einmal ein anderes Beispiel zu bringen: Ein funkelnagelneues, mangelfreies Auto langwelt einen passionierten Bastler zu Tode. Der will einen Oldtimer, den er aufbauen kann, an dem er jedes Wochendende herumschrauben kann.

 

Aber beides trifft das Problem natürlich nicht. Der Kern ist, daß wir, so wie wir sind, Dinge brauchen, an denen wir uns entscheiden müssen. Wie schon einmal gesagt: das sieht man am deutlichsten an den Leuten, die der Meinung sind, sich unter dünnem Gleitschirmgewebe in ein Tal stürzen, durch glühende Kohlen laufen oder einen reißenden Gebirgsbach längs durchwaten zu sollen. Diesen Leuten ist m.E. nicht klar, daß es durchaus genug gibt, woran man sich zu beweisen hat, so schaffen sie sich ihr Leid selbst.

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Hab eure Diskussion fleißig gelesen und sag mal

etwas brutal, daß da nahezu  kein Gedanke drin

ist, den wir nicht schon mit den  A+Alern in unserem

Kollegen-und Freundeskreis durchgekaut hätten.

 

Mit dem gleichen Mißerfolg, übrigens, Sven.

 

Es werden immer die gleichen Fragen gestellt, die

gleichen Behauptungen behauptet, wir geben  die gleichen Antworten wie Sven das tut. In Variationen.

 

Unser hochbegabter und studierter Pastor sagt: "Es

geht einfach nicht. Der Ungläubige wird immer den letzten

Satz haben wollen und der Gläubige wird sich letzten

Endes auf seine innere Gewißheit zurückziehen."

Man kommt nicht zueinander und das muß auch so

sein.

DAs gehört zum Wesen der beiden Systeme.

Sie sind entgegengesetzt und können sich nicht

begegnen.

 

Mir gefällt aber ein Gedanke, Sven, den Du äusserst.

Muß denn der User glücklich sein und unter welchen

Bedingungen darf der User glücklich sein.

Stellt er,der User,  die Bedingungen

 selber oder sagt der gütige und allmächtige Gott,

was Seine  Bedingungen sind. Also, Er, der geschaffen hat,

behauptet schlicht und ergreifend, Er wisse, was Er für

Seine Schöpfung für Eckdaten festgelegt hat.

 

 

Sagt also der Mensch, das Geschöpf, dies und das wäre etwas, was

ich mir unter Glück vorstelle - also auf jeden Fall schon

mal die Abwesenheit von Leid -

oder sagt Gott selber,

was aus Seiner Sicht zu einer

VOLLKOMMENEN und glücklichen  Welt gehört .

Leid offensichtlich auch nicht,

denn das wird ja deutlich

postuliert, daß auch Gott das Leid nicht will und im Paradies

absolut abgeschafft hat. Tod ist dann auch erledigt.

 

Was also ist dann dieses hier, was wir sehen.

Ist es bereits die Welt, die Gott wollte oder sind

wir erst auf dem Weg dahin.

Die Bibel gibt klare Antworten: Es gibt zwei Reiche.

Eines nennt die Bibel "Welt" , das andere nennt sie

"Reich Gottes."

Regiert wird die Welt von dem "Fürst dieser Welt".

Nicht von Gott also, dennoch gibt es da eine Oberhoheit,

die Gott sich nicht nehmen läßt. Gott greift ein oder Gott

greift nicht ein. Gott schickt sogar Leid im AT - schon

mal gesehen? Warum tut ER das?

Meistens begründet Er es, mit einem "weil ihr.... das uns

das getan habt oder unterlassen habt ...usw.

 

Was sagst du, Sven?

 

Ausserdem gilt auch: "Wer Mich gesehen hat, hat den Vater gesehen."

DAs sagt Jesus. Er heilt, er liebt, ja ER

erweckt Tote und Er weint über das Leid.

Mehrfach,wenn ich das recht in ERinnerung habe.

Will Gott also Leid?

Warum opfert sich Jesus, wenn nicht, um Gnade zu bringen und Heilung von Leid?

 

gruss, jeru

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Hallo allerseits,

 

also die Theodizee-Debatte ist ja ein weites Feld, wie man an diesem (guten) Thread recht eindrucksvoll sieht. Ich hatte mich früher ja auch recht ausführlich mit unserem alten Freund werner agnosticus (wo steckt der eigentlich ?) über diese Thematik unterhalten, und dabei sind auch mehr oder weniger tiefschürfende philosophische Beiträge dabei rumgekommen.

 

@jeru: den "Mißerfolg" einer Diskussion sehe ich nun nicht in der Weise, wie Du es darlegst. Selbstverständlich gehts nicht darum, jemanden zu "bekehren", und ich denke, die allermeisten sind sich bewußt darüber, daß dies nicht innerhalb einer Diskussion funktionieren kann.

 

Eine Diskussion dient vielmehr dazu, die Positionen klarer herauszuarbeiten, und ich würde den "Mißerfolg" nicht am "Endergebnis" festmachen, sondern das Produktive einer solchen Debatte liegt im Prozeß des Darlegens und Herausarbeitens.

 

@all: Das Interessante an der Theodizee liegt ja gerade darin, daß sie nicht erkenntnistheoretisch und logisch einwandfrei ist, sondern daß gerade ihre logischen Unebenheiten uns immer wieder neu dazu herausfordern, die Begriffe wie Freiheit, Wissen, Macht und Güte neu zu überdenken.

 

viele Grüße

 

Olli

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Hallo Sven,

 

ich habe mir diesen Thread nach langer Zeit mal wieder durchgelesen. So mit etwas Abstand zur Devatte muss ich leider sagen, dass Du hier den Pudding gespielt hast, der sich nicht an die Wand nageln lassen will. Alles, was ich so unter Leid verstehe, fällt nicht unter die Definition des Leides, das Gott zulassen muss, um uns eine Freiheit zu ermöglichen, die natürlich nichts mit dem zu tun hat, was man so landläufig unter Freiheit versteht. Man kann natürlich so lange an den Definitionen schrauben, bis sie ins Konzept passen.

 

Gruß

Stefan

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Lieber Stefan,

 

Dein Beitrag bestürzt mich - nein, er macht mich unsagbar zornig. Ich weiß nicht im mindesten, wie ich diesen - aus meiner Sicht sehr schwerwiegenden - Vorwurf verdienen würde.

 

Wo "schraube" ich an Definitionen? Wenn Dir meine Definitionen nicht passen, gib mir Deine - ich werde mich mit großer Begeisterung daran halten. Ich werde Dir nicht einmal Vorwürfe machen, wenn Du Deine Definitionen nachbessern mußt, weil Du sie in der ersten Version nicht klar genug formuliert haben solltest. Denn ich weiß, daß das mir selbstverständlich ebenso geht, so daß auch ich ab und zu nachbessern muß.

 

Ich habe die Begriffe, die ich verwendet habe, definiert. Ich lasse mich an diesen Definitionen auch festhalten - d.h., wenn ich davon abweichen muß, weil ich sie als unzweckmäßig erkenne, wenn sie also nicht das aussagen, was ich "eigentlich" meinte, tue ich das offen und ausdrücklich, in einem Akt des demonstrativen Rückzuges. Bislang habe ich das aber im Rahmen dieser Diskussion noch nicht getan, sondern lediglich im Rahmen der nach wie vor stehenden Definition diese erläutert. Da die Definition auch einen Begriff betrifft, den ich für meine Argumentation verwende - und nicht Du für Deine -, dürfte das wohl auch legitim sein. Wenn Dich irgendetwas an dem Begriff stört, weil Du ihn aus Deiner Sprachgewohnheit anders verstehst, benenne ich ihn gerne um: wenn es Dir lieber ist, heißt das, was ich bisher "Freiheit" genannt habe, ab sofort "Rhabarberkuchen" oder irgendwie anders - Du kannst es Dir gerne aussuchen. Was auf dem Etikett steht, ist mir herzlich wurscht; Laut- oder Buchstabenfolgen haben keine Auswirkung auf das, was ich sagen will.

 

Ein Vorwurf wie der Deine betrifft die Fundamente jeder Diskussion überhaupt. Sollte er begründet sein, müßte ich allerdings sehr prinzipiell an meiner Art zu diskutieren arbeiten müssen. Ich möchte daher darum bitten, daß Du diese Kritik konkret machst.

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Nur mal so als Anregung. Ich bin neu hier, aber ich habe alles gelesen oder überflogen, aber eines ist mir aufgefallen:

 

Die Christen sagen, eine Welt ohne Leiden und ohne freien Willen zugleich sei nicht möglich.

 

Das steht in einem fundamentalen Widerspruch zu einer anderen zentralen Glaubensaussage - hier kann etwas nicht stimmen.

 

Nämlich, wenn das Argument stimmt, dass eine Welt ohne Leiden und freien Willen nicht möglich ist, dann gibt es auch kein Paradies und keine fleischliche Auferstehung (laut katholischem Glaubensbekenntnis).

 

Dann wäre das Paradies nur eine Neuauflage dieser Welt mit allem Leiden. Oder die Menschen im Paradies wären nur stumpfsinnige Marionetten. Wenn aber das Paradies möglich ist, dann wäre Gott eben doch in der Lage, alles Leid abzuschaffen. Schlagartig.

 

Eure Haltung dazu ist höchst widersprüchlich (das kommt davon, wenn man nicht bis zum Ende denkt). Ihr fühlt Euch als Christen motiviert, weil Ihr auf das Paradies hofft. Aber hier erzählt Ihr uns, dass es kein Paradies geben kann.

 

Was denn nun?

 

Habt Ihr nicht in Euren Diskussionen bewiesen, dass Eure Haltung zum Paradies höchst irrational ist? Das es nicht geben kann, wonach Ihr Euch sehnt? Wenn es das nicht gibt, warum handelt Ihr dann als Christen? Wozu der Aufwand?

 

Wenn Ihr handelt, um die Hölle zu vermeiden, dann kämpft Ihr bloß gegen NOCH MEHR Leid an. Und dann nennt Ihr diesen Gott auch noch gut oder gütig!

 

Eure Diskussion um Willensfreiheit etc. ist sinnlos. Denn Ihr glaubt nicht, was Ihr sagt, oder Ihr sagt nicht, was Ihr glaubt. Und solange Ihr Gott im Spiel habt werdet Ihr Euch nur in Widersprüche verstricken, die umso schlimmer werden, je konkreter Ihr werdet. Eure Position ist denkunmöglich. Aus denkunmöglichen Positionen wird nichts gutes, wenn man daraus seine Handlungsanleitung bezieht. Und damit haben wir einen Teil des Bösen in der Welt schon erklärt ...

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Lieber Volker,

 

auch aus katholischer Sicht meinen Respekt - mal ein Argument, das ich so noch nicht gehört habe.

 

Aber natürlich - als hättest Du es nicht geahnt - kann ich das so nicht stehenlassen.

 

Die Christen sagen, eine Welt ohne Leiden und ohne freien Willen zugleich sei nicht möglich. Das steht in einem fundamentalen Widerspruch zu einer anderen zentralen Glaubensaussage - hier kann etwas nicht stimmen.

 

Nämlich, wenn das Argument stimmt, dass eine Welt ohne Leiden und freien Willen nicht möglich ist, dann gibt es auch kein Paradies und keine fleischliche Auferstehung (laut katholischem Glaubensbekenntnis).

 

Dann wäre das Paradies nur eine Neuauflage dieser Welt mit allem Leiden. Oder die Menschen im Paradies wären nur stumpfsinnige Marionetten. Wenn aber das Paradies möglich ist, dann wäre Gott eben doch in der Lage, alles Leid abzuschaffen. Schlagartig.

Nun , zunächst der erste Einwand - zugegeben, ein scheinbar nur formaler: "Paradies", das ist eben nicht "Welt". Eigenschaften von "Welt" - etwa die, nicht gleichzeitig Freiheit und Abwesenheit von Leid beinhalten zu können - müssen deshalb nicht auch für das "Paradies" zutreffen. Der Unterschied zwischen "Paradies" und "Welt" ist fundamental - wir können nicht davon ausgehen, daß irgendetwas von dem, was im einen gilt, im anderen noch gilt. Das macht ja jede Aussage über das, was "Paradies" überhaupt ist, so fruchtlos, wenn sie nicht völlig abstrakt bleibt; deshalb gerade können auch wir Christen uns das Paradies gar nicht recht vorstellen. Mehr dazu am Schluß.

 

Eure Haltung dazu ist höchst widersprüchlich (das kommt davon, wenn man nicht bis zum Ende denkt).

Nun, das werden wir ja noch sehen...

 

Ihr fühlt Euch als Christen motiviert, weil Ihr auf das Paradies hofft.

Nein, das ist so nicht richtig. Genauer gesagt, das stimmt so nicht für alle - und es stimmt insbesondere nicht für die "offizielle" Lehre. Sicher, es gibt Christen, die sich aus der Verheißung des Paradieses die Motivation für dieses und jenes, für ein anständiges Leben und vieles andere mehr, ziehen. Aber das für das Christentum zu verallgemeinern, bedeutet, die (berechtigte) Kritik an Fehlverständnissen einer Sache mit der Charakterisierung der Sache selbst zu verwechseln.

 

Ich fühle mich "als Christ motiviert", weil ich der Überzeugung bin, daß das, was ich glaube, wahr ist. Dem liegt insoweit ein Erkenntnisakt zugrunde. Ich bin nicht deshalb Christ - und verhalte mich nicht deshalb danach -, weil mir eine Belohnung versprochen wird. Das wäre ja auch ein sinnloser Zirkelschluß: wenn ich nicht daran glaubte, glaubte ich auch nicht an Verheißungen oder Warnungen daraus; nichts davon könnte mich also dazu motivieren, zu glauben.

 

Weil ich das aber für wahr halte, wäre eine Haltung, die sich nicht daran ausrichtet, schon an sich unvernünftig. Wie kann ich an etwas glauben, mich aber nicht danach richten? Daß mir danach etwas wundervolles verheißen wird, ist gewissermaßen nur das "Sahnehäubchen" darauf. Es ist zwar umgekehrt auch konstitutiver Teil des Glaubens. Aber es motiviert mich nicht zum Christsein. Übrigens gilt diese Verheißung nicht nur mir, sondern nach dem Glauben der katholischen Kirche, aber auch dem der meisten anderen Christen, jedem, der mit aufrichtigem Herzen die Fragen seines Lebens stellt und zu beantworten sucht, sei er nun Christ, Muselmann, Jude oder Atheist. Also könnte ich auch durchaus Atheist sein und würde die gleiche "Belohnung" empfangen. Wofür ist das dann noch Belohnung oder Motivation? Jedenfalls nicht dafür, Christ zu sein.

 

Lediglich weil ich eben einmal überzeugt bin, daß dieser Glaube wahr ist, kann ich nicht Atheist bleiben wollen. Ausschließlich deshalb, weil ich lügen würde, wenn ich behauptete, weiterhin kein Christ zu sein.

 

Aber hier erzählt Ihr uns, dass es kein Paradies geben kann.

Nein, wir erzählen Euch, daß es hier kein Paradies geben kann - dieser Unterschied im Satzbau ist das Entscheidende. Aber ich will die Spannung aufrechterhalten...

 

 

 

Habt Ihr nicht in Euren Diskussionen bewiesen, dass Eure Haltung zum Paradies höchst irrational ist? Das es nicht geben kann, wonach Ihr Euch sehnt? Wenn es das nicht gibt, warum handelt Ihr dann als Christen? Wozu der Aufwand?

Nun, viele Christen haben eine sehr irrationale Haltung zum "Paradies". In manchen Fällen sage ich dazu: gottseidank, in anderen Fällen sage ich: leider. Rationalität ist eine sehr schöne Sache - weil meine Intuition ein recht schwach entwickeltes Pflänzchen ist, ist sie sogar fast das einzige, was mir bleibt. Und ich fahre damit nicht schlecht im großen und ganzen. Aber man kann intuitiv ebenso völlig richtig wie völlig falsch liegen. Und so liegen manche Christen - ohne jede rationale Überlegung - mit ihrer Sicht davon, was "Paradies" ist, nach meiner Überzeugung und der der Kirche) völlig richtig - andere hingegen völlig daneben.

 

Wenn Ihr handelt, um die Hölle zu vermeiden, dann kämpft Ihr bloß gegen NOCH MEHR Leid an. Und dann nennt Ihr diesen Gott auch noch gut oder gütig!

Und da ist wieder diese Fehlvorstellung. Aber auch hier verweise ich für die Details auf das Ende.

 

Eure Diskussion um Willensfreiheit etc. ist sinnlos. Denn Ihr glaubt nicht, was Ihr sagt, oder Ihr sagt nicht, was Ihr glaubt. Und solange Ihr Gott im Spiel habt werdet Ihr Euch nur in Widersprüche verstricken, die umso schlimmer werden, je konkreter Ihr werdet. Eure Position ist denkunmöglich. Aus denkunmöglichen Positionen wird nichts gutes, wenn man daraus seine Handlungsanleitung bezieht. Und damit haben wir einen Teil des Bösen in der Welt schon erklärt ...

Tja, das wäre eine hübsche Erklärung, wenn Deine Begründung - die vermeintliche "Denkunmöglichkeit" und der Widerspruch zwischen "glauben" und "sagen" - zutreffen würde.

 

Aber nun Butter bei die Fische...

 

Zunächst, damit wir uns nicht völlig mißverstehen. Beim "Heil" und beim "Paradies" geht eigentlich um eines: um Gottesnähe. Dahinter steht der Glauben, daß Gott das "Gute" und "Richtige", die Liebe schlechthin ist. Wenn ich bei Gott bin, bin ich "richtig", dann bin ich da, wo ich hingehöre. Dann ist für mich "alles gut". Das ist "Paradies". Umgekehrt ist "Hölle" eben die völlige Trennung von Gott, die den ganzen Menschen betreffende Abkehr von allem was gut ist, von der Liebe.

 

Wir sind - so unsere, der Christen, Überzeugung - geschaffen worden, und zwar als Menschen mit eigener Fähigkeit, Entschlüsse zu fassen und uns danach zu verhalten (unter anderem das ist mit "Gottesebenbildlichkeit" gemeint). Weil das so ist, weil diese Fähigkeit eine anthropologische Grundkonstante ist, ist es uns auch gemäß, diese Fähigkeit auszuleben - also, frei zu sein.

 

Zu dieser Fähigkeit gehört es auch, daß wir uns gegen Gott entscheiden können, also gerade nicht die Nähe, sondern den Abstand zum schlechthin Guten und Richtigen zu suchen. Und zu dieser Fähigkeit gehört auch, daß wir Ereignissen ausgesetzt sind, an denen wir unsere Freiheit "ausprobieren" können, also an denen wir Entscheidungen treffen können, um mit ihren Konsequenzen zu leben. Und diese Konsequenzen sind auch eine wichtige Voraussetzung dafür, daß wir unsere Freiheit überhaupt erleben können, denn Entscheidungen, die keine Konsequenzen haben, sind keine - in einem Zustand völliger Kaskoversicherung gibt es keine Freiheit, weil jede Entscheidung bedeutungslos wird.

 

Wenn ich auf das Gute und Richtige hinstrebe - was Du ja vermutlich auch tun wirst -, dann strebe ich auf Gott hin, auf die Vereinigung mit ihm, auf das "Paradies". Das Problem ist lediglich, daß ich das "hier und jetzt" nicht ganz hinbekomme. Im Menschen steckt Fehlbarkeit - das wirst Du ja wohl nicht bestreiten: errare humanum est. Aus christlicher Sicht ist das die Kehrseite der menschlichen Freiheit: weil wir von Gott getrennt sind, ist unser Urteil unsicher, sind wir auch dort, wo wir eigentlich genau wissen, was richtig wäre, von Interessen und kurzfristigen Wünschen bewegt, die uns gegen bestes Wissen und Gewissen handeln lassen.

 

Deshalb kommt Gott uns entgegen - durch Jesus Christus. Die Darlegungen dazu erspare ich Dir und mir zunächst.

 

Der entscheidende Punkt ist ein anderer: die endgültige Aufhebung dieser Trennung - und der Weg ins "Paradies" - bedarf eines freien Entschlusses. Ist dieser aber einmal vollzogen, hat "Freiheit" ihre Bedeutung verloren. Denn ist man mit dem "Guten" und "Richtigen" schlechthin vereint - wie könnte man dann noch etwas anderes wollen? Diese völlige Verbindung bedeutet ja nichts anderes, als daß man in diesem Moment auch selbst vollständig sieht, was gut und richtig ist (Du erinnerst Dich: "das Antlitz Gottes schauen" - das bedeutet das nämlich). Und das bedeutet auch, daß alles von mir abfällt, was ich vorher an Zweifeln und Unsicherheiten hatte.

 

In dieser völligen Verbindung dann auch zu bleiben, das ist keine Folge einer Bindung an die Fäden eines Marionettenspielers (hat also nichts mit Unfreiheit zu tun), sondern eine ganz selbstverständliche und vernünftige Verhaltensweise: wo ich mich zu Hause fühle, wo ich "richtig" bin, da bleibe ich.

 

Eine letzte Frage bleibt noch: warum hat Gott uns überhaupt in das Problem unseres "hiesigen" Lebens gestürzt? Hätte er uns nicht gleich von Anfang an "bei sich", also in dieser paradiesischen Vereinigung behalten können?

 

Er hat uns als Freie erschaffen. Die Fähigkeit, uns von ihm lossagen zu können, ist ein schon begrifflich notwendiger Aspekt dieser Freiheit. Notwendig zur Freiheit ist auch unsere Fähigkeit, uns nicht nur selbst entschließen, sondern auch eigene Erkenntnisse gewinnen und danach handeln zu können. Der Akt der Schöpfung "als Freie" bestand also auch darin, daß er uns aus seiner Hand gegeben hat, daß wir im Wortsinne von Gott emanzipiert wurden. Emanzipation besteht aber immer auch darin, daß Verbindungen gekappt werden.

 

Warum er uns als entscheidungsbefähigte Menschen erschaffen hat, als Menschen, die frei leben müssen, um überhaupt leben zu können, das weiß ich nicht. Aber, um die Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten:

 

Er hat mich und Dich so erschaffen. Wir sind durch unser Freisein mehr als durch irgendetwas anderes bestimmt. Hätte er uns nicht frei erschaffen, wären wir nicht wir. Wir wären andere - fundamental andere. "Wir" wären in Wahrheit gar nicht erschaffen worden, sondern etwas ganz anderes.

 

Und jetzt meine Frage: hätte uns er lieber nicht erschaffen sollen? Sondern nur diese anderen, die eben nicht "wir" wären?

 

Das ist meiner Meinung nach die Antwort auf die Theodizee-Frage: wäre die Welt so, daß ich keinem Leid ausgesetzt bin, wäre ich völlig unfrei. Sollte ich darunter nicht mehr leiden als unter allem, was mir in diesem Leben überhaupt begegnen kann, müßte ich ein völlig anderer sein, also in Wahrheit gar nicht existieren, sondern ein anderer an meiner Stelle, dem absolute Unfreiheit nichts ausmacht. Ich würde also gar nicht existieren.

 

Gibt es irgendein Leid auf der Welt, das mir begegnen könnte, das so schwer wiegt, daß ich gar nicht existieren wollte - und damit ist nicht gemeint, daß ich lieber sterben würde, als dieses Leid weiter zu ertragen, sondern daß ich niemals existiert hätte?

 

Nun, dazu kann ich nur sagen: nein.

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Hallo Volker!

 

Wirklich clever, Dein Argument.

Aber es hat einen Fehler ... da beißt sich die Katze nämlich in den Schwanz.

 

Du stellst Dir von vornherein das Leben im Paradies offensichtlich schon als eine Neuauflage des jetzigen Lebens vor. Mit der gleichen Freiheit wie hier.

 

Die Vorstellungen vom Leben nach dem Tod sind aber anders - zumindest hat sich Jesus dies anders vorgestellt. Er legt grundsätzlich darauf Wert dass JETZT die Zeit ist, die Freiheit zu nutzen. In den meisten Passagen über das ewige Leben hat er genaugenommen ganz konkrete Situationen und Handlungsmaxime für die Jetztzeit vor Augen: Lebe JETZT so, dass du es in Ewigkeit verantworten kannst.

Als man ihm einen Widerspruch aufdrängen wollte (Beispiel von einer Frau die mehrmals geheiratet hat ... wessen Frau wird sie im Himmel sein?), weist er sogar darauf hin: Es wird alles anders sein, als hier. Was später kommt weiß man nämlich nicht. Man kann nur glauben, dass etwas kommt.

 

Der Glaube an das ewige Leben entspringt nämlich nicht irgendeinem konkreten Wissen. Er ist eine Lebensüberzeugung, dass alles gut ist und alles gut wird und dass alles seine "Richtigkeit", seinen Sinn hat.

 

Das Leben nach dem Tod wird auch als "Vollendung" gesehen: Das, was wir hier mit unserer jetzigen Freiheit an Persönlichkeit aufgebaut haben, wird sich dann verewigen.

 

Wenn man nicht mehr voraussetzt, dass das Leben nach dem Tod so wie das jetzige ist, dann wird klar: Wir brauchen JETZT die Freiheit. Ob wir sie nach dem Tod noch haben, ist eine andere Frage.

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