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Schwarz-Weiß-Malerei


duesi

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Ich musste in letzter Zeit über diese Thematik nachdenken und möchte einmal eine These vertreten, von der ich denke, dass sie sehr viel Widerspruch erzeugen wird.

 

Jesus ist ein Schwarz-Weiß-Maler.

 

Zur Einführung einmal folgende zwei Geschichten aus dem realen Leben:

 

In der Nazizeit wurde ein Gefangener vor folgende perverse Wahl gestellt: Entweder müsste er ein Kind erschießen oder die Wachen würden 20 Kinder erschießen. In der Hoffnung, damit die 20 Kinder zu retten, erschoss er ein Kind.

 

In der Nazizeit wurde eine Frau, die einige Juden bei sich versteckte, von einem Wehrmachtsoldaten entdeckt. Er drohte ihr, dass er sie verraten würde, wenn sie nicht ein sexuelles Verhältnis mit ihm anfangen würde. Sie ging darauf ein und schließ regelmäßig mit ihm, bis die NS-Zeit vorbei war. Die versteckten Juden überlebten

 

Diese Geschichten vermitteln uns folgenden Eindruck: Dass es im realen Leben oft nicht die richtige Entscheidung geben würde. Entscheidungen, die wir treffen müssen, sind oft sehr kompliziert. Manchmal gibt es anscheinend nur die Wahl zwischen schlecht und weniger schlecht. Das Leben ist nicht schwarz-weiß, sondern oft grau. 

 

Je mehr ich mich mit der heiligen Schrift beschäftige, desto mehr habe ich den Eindruck, dass Jesus offenbar anderer Meinung ist oder war. "Seid vollkommen, wie auch euer himmlischer Vater vollkommen ist"; "Der gute Baum bringt gute Früchte und der schlechte Baum bringt schlechte Früchte. Der gute Baum kann nicht schlechte Früchte bringen und der schlechte Baum kann nicht gute Früchte bringen"; "wenn dein Auge Licht ist, wird auch der ganze Leib Licht sein. Wenn dein Auge finster ist, wie groß muss die Finsternis sein?" "Euer Ja sei ein ja, euer nein sei ein nein, was darüber ist, ist vom Bösen"

 

Das sind jetzt nur einige exemplarische Beispiele, ohne sie jetzt historisch-kritisch nach möglichen Quellen sortiert zu haben. Aber selbst wenn nicht alles auf den historischen Jesus zurückgehen sollte, scheint mir, dass Jesus an die Existenz von schwarz und weiß geglaubt hat.

 

Wenn wir Jesus ernst nehmen, scheint mir, dass wir es ernst nehmen müssen, dass es Dinge gibt, die gut, vollkommen, richtig und heilig sind. Und dass es andere Dinge gibt, die böse, falsch und gottlos sind. Eben weiß und schwarz. Und dass es dazwischen keinen Graubereich gibt. Natürlich kann es in persönlichen Entscheidungen einen Graubereich an Nützlichkeitsabwägungen geben. Und auch in anderen Bereichen. Aber nicht, was die Moral angeht. Entweder etwas ist in Übereinstimmung mit Gottes Gebot. Dann ist es gut, vollkommen, richtig und heilig. Oder etwas ist im Widerspruch zu Gottes Gebot. Dann ist es böse, falsch und gottlos. Eben schwarz oder weiß. Licht oder Finsternis.

 

Versteht mich nicht falsch! Ich möchte hier nicht dafür plädieren, dass ich wüsste, was weiß und was schwarz wäre. Dass es in dem zu verorten wäre, was die Kirche schon immer gelehrt hätte oder in dem, was die Bibel unfehlbar lehren würde. Darum geht es mir nicht. Mir geht es ganz grundsätzlich um die Feststellung, dass es richtig und falsch, weiß und schwarz als absolute Kriterien gibt. Zumindest wenn man Jesus ernst nimmt. Und dass es eine wichtige Lebensaufgabe für uns ist, das eine von dem anderen zu unterscheiden, wenn wir Jesus nachfolgen wollen.

 

Wenn ich die Verkündigung der letzten Jahre Revue passieren lassen, ist dieser Gedanke absolut unzeitgemäß. Immer wieder wird von Priestern in den Gottesdiensten betont, es würde nicht nur schwarz und weiß geben, sondern auch Graubereiche. Wenn ich an die Anfeindungen denke, als ich mich in diesem Forum kritisch und forschend nach der Frage der Sündhaftigkeit homosexueller Handlungen auseinandergesetzt habe, gab es viele Anfeindungen, dass ich mich doch um meinen eigenen Dreck scheren sollte, weil es mich nicht persönlich betrifft. Das entspricht genau der modernen Denkweise, die alles dem persönlichen Gewissen des einzelnen überlassen will und sogar den bloßen Versuch, Handlungen in moralische absolute Kategorien einzuordnen, für verwerflich hält. Immanuel Kanth ist zwar für Philosophen interessant. Aber der Anspruch, absolute moralische Kriterien aufrichten zu wollen, wie Immanuel Kanth das versucht hat, ist absolut gegen den Zeitgeist. Allerdings war Immanuel Kanth damit meiner Meinung nach voll auf Linie mit Jesus, wie er uns in den Evangelien begegnet. 

 

Jeder Versuch, moralische Kategorien von schwarz und weiß, richtig und falsch, aufzurichten, wird heute als illegitime Einmischung in das persönliche Gewissen des einzelnen gebrandmarkt. Und als Bevormundung. Das ist nicht im Sinne Jesu. Jesus hat Menschen durchaus bevormundet und bewertet.

 

Auf das erste genannte Beispiel oben, dass ich mal bei Robert Spaemann gelesen habe, kann man, denke ich, klar sagen, dass der Gefangene falsch gehandelt hat. Er war nicht für die 20 Kinder verantwortlich, die er meinte, gerettet zu haben. Er ist für das eine Kind verantwortlich, dass er erschossen hat. Er ist ein Mörder geworden und hat ein unschuldiges Kind erschossen. Das war böse, falsch und gottlos. Auch wenn seine Motive absolut edel und nachvollziehbar sind.

 

Bei dem zweiten Beispiel finde ich es etwas schwieriger, falsch und richtig zu unterscheiden.

 

Nochmal die zusammenfassende These:

 

Es gibt im moralischen Bereich keine Graubereiche. Nur falsch und richtig. Licht und Finsternis. Auf der einen Seite heilig, gerecht und gut. Auf der anderen Seite gottlos, ungerecht und böse. Zumindest wenn man Jesus folgt.

 

Und nun fröhliches Zerfleischen!

 

 

 

bearbeitet von duesi
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Es gibt Dinge,die sind schwarz oder weiß und  es gibt Dinge,da gibt es einen Graubereich.

Und es gibt Entscheidungen, wie die oben genannten,da gibt es kein richtig. Egal, was man tut, man macht sich schuldig.

bearbeitet von mn1217
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Ich halte das Gerede von dem Graubereich mittlerweile für eine Kapitulation. Natürlich gibt es schwierige Entscheidungen. Und auch sehr schwierige Entscheidungen. Und natürlich kann sich auch jemand, der nach bestem Wissen und Gewissen um das richtige bemüht war, sich von Gott gehalten wissen, auch wenn er schuldig wird.

 

Ich denke, die Freiheit, Gebote zu übertreten, haben wir immer. Aber die Freiheit, sich für das Gute und Richtige zu entscheiden, braucht eine Gewissensschulung. Indem wir nicht mehr darüber reden, welche Entscheidungsmöglichkeiten es in den genannten Fällen gibt, mit denen man sich nicht schuldig machen würde, führt zu dem allgemeinen Eindruck, dass es diese auch nicht gibt. Und diesen Eindruck hast du offenbar auch. "Egal, was man tut, man macht sich schuldig." Indem wir die Menschen bei bekannten oder hypothetischen Entscheidungsmöglichkeiten bei keiner Entscheidungsmöglichkeit frei sprechen, eröffnen wir uns selbst auch für schwierige Situationen keinen Weg, richtig zu handeln. Die Frage nach dem moralisch Richtigen ist in der öffentlichen Diskussion weitgehend verstummt. Das ist meiner Meinung nach Fatalismus und Resignation. Ich kann mich an eine Predigt erinnern, in der ein Priester sagte "wer etwas erreichen will, muss bereit sein, sich die Hände schmutzig zu machen". Natürlich hat er damit auch wahres zum Ausdruck gebracht. Aber die unterschwellige Botschaft ist eine Ermutigung dazu, Gebote zu übertreten, wenn es einem höheren Zweck dient. Und dadurch entsteht ein Eindruck der Unausweichlichkeit. Das führt meiner Meinung nach eben nicht zu einer größeren Mündigkeit und zu einer größeren Eigenverantwortung. Sondern es raubt uns den Kompass und die Orientierung im Leben. Und führt in schwierigen Situationen zu Überforderung und Depression.

 

Ich glaube mittlerweile, dass es in jeder Situation Entscheidungsmöglichkeiten gibt, mit denen wir keine Gebote übertreten brauchen. Ich finde, dass das eine absolut befreiende Botschaft ist. Es steht natürlich auf einem anderen Blatt, dass wir diese Entscheidungsmöglichkeiten nicht immer erkennen können. Und selbst wenn wir sie erkennen, haben wir nicht immer die Kraft, uns für sie zu entscheiden. Das paulinische und augustinische Prinzip von der sündigen Natur, der wir nicht vollständig entfliehen können, ist eine Realität. Aber jede mögliche Handlung ist entweder moralisch falsch oder moralisch richtig. Es gibt nichts dazwischen.

bearbeitet von duesi
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vor einer Stunde schrieb duesi:

Aber jede mögliche Handlung ist entweder moralisch falsch oder moralisch richtig. Es gibt nichts dazwischen.

 

Was für ein aufgeblasener Unfug!

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vor einer Stunde schrieb duesi:

Aber jede mögliche Handlung ist entweder moralisch falsch oder moralisch richtig. Es gibt nichts dazwischen.

Es gibt auch falsche Handlungen, die dennoch richtig sind. Stichwort: Prinzip der Doppelwirkung.

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vor 39 Minuten schrieb gouvernante:

Es gibt auch falsche Handlungen, die dennoch richtig sind. Stichwort: Prinzip der Doppelwirkung.

Ich habe mal den Wikipedia-Artikel dazu gelesen. Ich halte dieses Prinzip durchaus für legitim. Bloß würde ich nicht von "falschen Handlungen" sprechen. Da ist von moralisch guten und von moralisch schlechten Folgen die Rede. Aber meiner Meinung nach kann es keine moralisch guten "Folgen" oder moralisch schlechte "Folgen" geben. Die Folgen sind weder moralisch noch unmoralisch. Nur Handlungen und Motive können moralisch bewertet werden. Aber "Folgen" haben keine moralische Kategorie. Die Idee, dass "Folgen" moralisch bewertet werden könnten, entstammt einer utilitaristischen Nützlichkeitsethik. Ich halte es beispielsweise weder für moralisch gut noch für moralisch schlecht, wenn bei einem Erdbeben 5000 Menschen sterben. Was nicht heißt, dass ich mit diesen Menschen kein Mitgefühl hätte. Wenn aber jemand gezielt ein Erdbeben mit einer unterirdischen atomaren Sprengung auslösen würde, um 5000 unschuldige Menschen zu töten, wäre das moralisch schlecht. Nicht aufgrund der Folgen, sondern aufgrund der Absicht. Wenn im Gegensatz dazu eine legitime staatliche Autorität gezielt 5000 Menschen töten würde, weil es zwingende Beweise dafür geben würde, dass diese 5000 Menschen gemeinsam einen Staatsstreich planen würden und eine Verhaftung nicht möglich wäre, würde ich das wiederum für moralisch gut halten. Wenn aber nach einer unterirdischen atomaren Sprengung versehentlich 5000 Menschen bei einem Erdbeben sterben, ist das weder moralisch gut noch moralisch schlecht, auch wenn es von Menschen verursacht wurde, solange es keine zwingenden Beweise dafür gibt, dass die Folgen absehbar waren und in Kauf genommen wurden.

 

Es sind jedoch in allen genannten Fällen Handlungen, die entweder moralisch richtig sind oder die moralisch falsch sind. Mir fällt kein Beispiel ein, wo eine Handlung falsch und dennoch richtig wäre.

 

Ich kann mich an eine schwierigere Diskussion über die Bombenangriffe auf deutsche Städte am Ende des zweiten Weltkriegs erinnern. Da wurden ja gezielt Brandbomben auf Zivilisten geworfen, um die Bevölkerung zu demoralisieren und den Rückhalt für die Nazi-Regierung zu durchbrechen. Da gab es tatsächlich Diskutanten, die dieses Terror-Bombardement für moralisch gerechtfertigt hielten, um den Krieg schneller zu beenden, was ich definitiv nicht so sehe. Aber auch hier nichts, was man zugleich falsch und richtig nennen könnte.

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vor 16 Minuten schrieb duesi:

Aber auch hier nichts, was man zugleich falsch und richtig nennen könnte.

 

Nein, sondern etwas, was mit Moral überhaupt nichts zu tun hat.

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Ein langer und ausladender Eingangspost, der sich eigentlich auf die Frage herunterbrechen lässt, die gerade für die katholische Moraltheologie heute zur Nagelprobe (man erinnere sich an die dubia der vier Kardinäle) zu werden scheint: Gibt es Dinge, besser: Handlungen, die intrinsece bona aut mala (in sich gut oder schlecht) sind?

 

 

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 2 Minuten schrieb Marcellinus:

 

Nein, sondern etwas, was mit Moral überhaupt nichts zu tun hat.

Natürlich sagt es etwas über die moralische Verfasstheit der britischen Entscheidungsträger aus, als sie die britischen Bomber mit Brandbomben ausgerüstet haben, anstatt gezielt militärische deutsche Ziele anzugreifen. Wenn es wenigstens einen strategischen Vorteil gebracht hätte und das Leben britischer Soldaten sowie britische Ressourcen geschont hätte und das Potential hätte, kriegsentscheidend zu sein, könnte man zumindest darüber diskutieren.

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vor 13 Minuten schrieb Studiosus:

Ein langer und ausladender Eingangspost, der sich eigentlich auf die Frage herunterbrechen lässt, die gerade für die katholische Moraltheologie heute zur Nagelprobe (man erinnere sich an die Dubia der vier Kardinäle) zu werden scheint: Gibt es Dinge, besser: Handlungen, die intrinsece bona aut mala (in sich gut oder schlecht) sind?

 

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

Gibt es zu dieser Fragestellung eigentlich schriftliche Verlautbarungen von Heiligen oder Seligen oder von lehramtlicher Seite?

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vor 36 Minuten schrieb duesi:

Gibt es zu dieser Fragestellung eigentlich schriftliche Verlautbarungen von Heiligen oder Seligen oder von lehramtlicher Seite?

 

Das Zeugnis von Seligen und Heiligen ist, ungeachtet der persönlichen Ehrwürdigkeit der Personen und ihres Vorbildcharakters, nicht notwendigerweise verbindlich. Wer sich unter den Heiligen als Systematiker im Bereich der Moral hervorgetan hat ist zweifelsohne der Hl. Alphons Maria von Liguori. Aber auch hier: keine allgemein verbindliche Gültigkeit.

 

Daher sind lehramtliche Dokumente das Mittel der Wahl. Dort finden sich, allerdings eher thematisch, denn systematisch aufbereitet, die entsprechenden Äußerungen. Im angesprochenen Fall der dubia beispielsweise in Familiaris consortio und Veritatis splendor.

 

Auch der Katechismus kann, dank der Fundstellen, zu einem ersten Überblick dienen. Die alten Moralmanuale im Stile Dominikus Prümmers oder Heribert Jones sind eher aus der Mode gekommen. Manch einer hat vielleicht noch Härings 'Das Gesetz Christi' im Regal.

 

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 16 Minuten schrieb duesi:

Natürlich sagt es etwas über die moralische Verfasstheit der britischen Entscheidungsträger aus, als sie die britischen Bomber mit Brandbomben ausgerüstet haben, anstatt gezielt militärische deutsche Ziele anzugreifen. Wenn es wenigstens einen strategischen Vorteil gebracht hätte und das Leben britischer Soldaten sowie britische Ressourcen geschont hätte und das Potential hätte, kriegsentscheidend zu sein, könnte man zumindest darüber diskutieren.

 

Es war Krieg, und Krieg hat mit Moral nichts zu tun, sondern nur mit Gewinnen. Moral ist etwas für das tägliche Leben. Im Krieg ist sie im wahrsten Sinne des Wortes außer Kraft. Das Verhalten des britischen Bomberkommandos hatte dazu eine Vorgeschichte, die Bombadierung britischer Städte durch die Deutschen. Rücksichtnahme auf den Feind aus vermeintlich moralischen Gründen wäre von der britischen Öffentlichkeit wohl nicht verstanden worden.

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@Studiosus; @rorro:

Danke für die Tipps. Ich habe hohen Respekt sowohl vor lehramtlichen Äußerungen als auch vor Heiligenmeinungen und lasse mich gerne von beidem inspirieren. Dort wo die Systematisierung den Weg zum Dogma gefunden hat, vertraue ich natürlich dem Wehen des heiligen Geistes in seiner Kirche. Aber wo sie das nicht hat, möge es man mir nicht als Arroganz ansehen, dass ich heiligen Menschen einen höheren Zugang zur göttlichen Wahrheit zutraue als offiziellen Systematisierungen, denen ich zwar respektvoll, aber mit einer zumindest vergleichsweise größeren Skepsis gegenüberstehe. Die Äußerungen von Päpsten und Bischöfen sind für mich eher Dinge, die für mein praktisches Tun relevant sind als für meinen Glauben. Die ich also eher im Gehorsam annehme als im Glauben. Wenn ich Ende des 11. Jahrhunderts gelebt hätte, hätte ich mich vermutlich aus Gehorsam am Aufruf Urbans zum ersten Kreuzzug beteiligt, auch wenn mein Glaube mir aus der Retroperspektive sagt, dass es ein schlechter Aufruf war.

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vor 33 Minuten schrieb Marcellinus:

 

Es war Krieg, und Krieg hat mit Moral nichts zu tun, sondern nur mit Gewinnen. Moral ist etwas für das tägliche Leben. Im Krieg ist sie im wahrsten Sinne des Wortes außer Kraft. Das Verhalten des britischen Bomberkommandos hatte dazu eine Vorgeschichte, die Bombadierung britischer Städte durch die Deutschen. Rücksichtnahme auf den Feind aus vermeintlich moralischen Gründen wäre von der britischen Öffentlichkeit wohl nicht verstanden worden.

Ich weiß, dass es deiner Ansicht nach keine absolute Moral gibt, sondern nur Moral als gesellschaftliche Konvention. Aber selbst wenn man Moral als gesellschaftliche Konvention auffasst, ist es keine Erfindung des Christentums, moralische Kriterien für den Krieg aufzustellen. Schon die heidnischen Römer haben sich mit der Lehre vom Bellum Justum befasst. Und es gab ganz klare Regeln, wann ein Krieg moralisch gerechtfertigt war und wann nicht und was im Krieg erlaubt war und was nicht. Darauf waren die Römer stolz. Und die Briten sind keine Barbaren. Sie sind eine Hochkultur mit starken moralischen Werten. Es gab durchaus teilweise sehr heftige Kritik innerhalb der britischen Gesellschaft an den Brandbombenabwürfen der britischen Bomber in deutschen Städten gegen Ende des zweiten Weltkriegs. Dass Deutschland wesentlich schlimmere Schandtaten begangen hat als die Briten, ist unbestritten. Jedoch geschahen die Brandbombenabwürfe (meines Wissens), als Deutschland gar nicht mehr in der Lage war, Raketen auf britischen Boden abzufeuern. Da ist es kein Wunder, dass Churchill bei der britischen Siegesparade vor allem die Piloten der britischen Abfangjäger geehrt hat, die den deutschen Bombern den Garaus gemacht haben und die Angriffe auf britischen Boden beendet haben. Die Piloten der Brandbombenbomber jedoch marschierten nur sehr versteckt mit und keiner jubelte ihnen zu. Weil die Briten das nicht gut fanden, was sie gemacht haben. Ich will dabei gar nicht abstreiten, dass sich im Krieg die moralischen Grenzen verschieben. Aber es ist Unsinn, dass es im Krieg keine Moral mehr geben würde.

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vor 1 Stunde schrieb duesi:

Ich habe mal den Wikipedia-Artikel dazu gelesen. Ich halte dieses Prinzip durchaus für legitim. Bloß würde ich nicht von "falschen Handlungen" sprechen. Da ist von moralisch guten und von moralisch schlechten Folgen die Rede. Aber meiner Meinung nach kann es keine moralisch guten "Folgen" oder moralisch schlechte "Folgen" geben. Die Folgen sind weder moralisch noch unmoralisch. Nur Handlungen und Motive können moralisch bewertet werden. Aber "Folgen" haben keine moralische Kategorie. Die Idee, dass "Folgen" moralisch bewertet werden könnten, entstammt einer utilitaristischen Nützlichkeitsethik. Ich halte es beispielsweise weder für moralisch gut noch für moralisch schlecht, wenn bei einem Erdbeben 5000 Menschen sterben. Was nicht heißt, dass ich mit diesen Menschen kein Mitgefühl hätte. Wenn aber jemand gezielt ein Erdbeben mit einer unterirdischen atomaren Sprengung auslösen würde, um 5000 unschuldige Menschen zu töten, wäre das moralisch schlecht. Nicht aufgrund der Folgen, sondern aufgrund der Absicht. Wenn im Gegensatz dazu eine legitime staatliche Autorität gezielt 5000 Menschen töten würde, weil es zwingende Beweise dafür geben würde, dass diese 5000 Menschen gemeinsam einen Staatsstreich planen würden und eine Verhaftung nicht möglich wäre, würde ich das wiederum für moralisch gut halten. Wenn aber nach einer unterirdischen atomaren Sprengung versehentlich 5000 Menschen bei einem Erdbeben sterben, ist das weder moralisch gut noch moralisch schlecht, auch wenn es von Menschen verursacht wurde, solange es keine zwingenden Beweise dafür gibt, dass die Folgen absehbar waren und in Kauf genommen wurden.

 

Es sind jedoch in allen genannten Fällen Handlungen, die entweder moralisch richtig sind oder die moralisch falsch sind. Mir fällt kein Beispiel ein, wo eine Handlung falsch und dennoch richtig wäre.

 

Ich kann mich an eine schwierigere Diskussion über die Bombenangriffe auf deutsche Städte am Ende des zweiten Weltkriegs erinnern. Da wurden ja gezielt Brandbomben auf Zivilisten geworfen, um die Bevölkerung zu demoralisieren und den Rückhalt für die Nazi-Regierung zu durchbrechen. Da gab es tatsächlich Diskutanten, die dieses Terror-Bombardement für moralisch gerechtfertigt hielten, um den Krieg schneller zu beenden, was ich definitiv nicht so sehe. Aber auch hier nichts, was man zugleich falsch und richtig nennen könnte.

Die Bomben waren falsch. Auch wenn die Alliierten Gründe hatten. Das ist nicht das Gleiche.

Ich denke übrigens, dass es schwieriger ist,damit zu leben, dass es manchmal mein " richtig" gibt. Und sich die Schuld ach einzugestehen,wie viele Gründe man auch hatte.

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vor einer Stunde schrieb duesi:

Natürlich sagt es etwas über die moralische Verfasstheit der britischen Entscheidungsträger aus, als sie die britischen Bomber mit Brandbomben ausgerüstet haben, anstatt gezielt militärische deutsche Ziele anzugreifen. Wenn es wenigstens einen strategischen Vorteil gebracht hätte und das Leben britischer Soldaten sowie britische Ressourcen geschont hätte und das Potential hätte, kriegsentscheidend zu sein, könnte man zumindest darüber diskutieren.

Selbst dann: Falsch.

Einen Grund zu haben oder einen Vorteil macht eine Handlung nicht richtig.

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vor einer Stunde schrieb Merkur:

Das halte ich für zweifelhaft. Schuld setzt m.E. voraus, dass man besser handeln könnte.

Denke ich eher nicht. Schuld setzt vielleicht vorraus, dass ich mir über die Situation und die Handlungsmöglichkeiten bewusst bin und ich Abwägen kann. Aber nicht, dass ich in der Situation richtig handeln kann.  Ich kann mir eine theoretische Situation vorstellen,in der ich dann auch theoretisch anders, " besser"  handele. Aber das ändert ja wenig an der aktuellen Situation,die das nicht ermöglicht.

 

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vor 17 Minuten schrieb mn1217:

 ... Aber nicht, dass ich in der Situation richtig handeln kann. ...

 

Das verstehe nicht nicht. Wozu bewertet man das Handen in diesen Situationen überhaupt, wenn es ohnehin nicht richtig sein kann?

 

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vor 18 Minuten schrieb mn1217:

Die Bomben waren falsch. Auch wenn die Alliierten Gründe hatten. Das ist nicht das Gleiche.

Ich denke übrigens, dass es schwieriger ist,damit zu leben, dass es manchmal mein " richtig" gibt. Und sich die Schuld ach einzugestehen,wie viele Gründe man auch hatte.

Du meinst wohl, dass es manchmal kein "richtig" gibt? Ist wohl ein Tippfehler.

 

Und ja, manchmal kann das Eingeständnis von Schuld auch eine Herausforderung sein. Und es ist sicher besser, Schuld einzugestehen, als sich zu rechtfertigen, wenn wirkliche Schuld vorliegt. Dennoch denke ich, dass es immer mindestens eine Entscheidungs -und Handlungsmöglichkeit gibt, die moralisch gerechtfertigt wäre. Eine Ethik, die zu Handlungssituationen führt, in denen es kein "richtig" gibt, ist eine unbarmherzige Ethik und sie ist nicht in der Lage, einem Menschen Orientierung zu bieten. Sie bringt Menschen hervor, die sich permanent entschuldigen und trotzdem nicht ändern, weil sie gar nicht wissen, was sie ändern sollen. Ist doch sowieso alles falsch, was sie machen.

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@duesi

Nur als Hinweis: Gerechtigkeit und Moral sind zwei paar Schuhe. Es hat sicherlich zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Vorstellungen darüber gegeben, wie man (Mann) sich im Krieg zu verhalten habe. Sie überleben in der Regel nicht die erste Feindberührung. Die Moral im Krieg war und ist, den Feind zu besiegen. Alles andere ist Nebensache. Für den Sieg gibt es keinen Ersatz.

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vor 22 Minuten schrieb Marcellinus:

@duesi

Nur als Hinweis: Gerechtigkeit und Moral sind zwei paar Schuhe. Es hat sicherlich zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Vorstellungen darüber gegeben, wie man (Mann) sich im Krieg zu verhalten habe. Sie überleben in der Regel nicht die erste Feindberührung. Die Moral im Krieg war und ist, den Feind zu besiegen. Alles andere ist Nebensache. Für den Sieg gibt es keinen Ersatz.

Ich stimme dir sogar teilweise zu. Eine Ethik aus bloßem Gerechtigkeitsempfinden kann sich im Krieg nicht bewähren. Jedoch haben sich manche Vorstellungen über mehrere Jahrhunderte gehalten und in vielen Feindberührungen bewährt. Moralische Werte wie der Respekt vor der Befehlshierarchie tragen dazu bei, dass der Sieg errungen werden kann. Es schwächt die Kampfmoral einer Armee dramatisch, wenn sie nicht in ein gesamtgesellschaftliches Wertesystem eingebunden ist, durch das sie gesellschaftliche Anerkennung genießt.

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@duesi

Kann es sein, daß bei dir ein paar Dinge durcheinander gehen? Moral hat mit Gehorsam nichts zu tun. Der Wertekanon von Kriegergesellschaften unterscheidet in der Regel sehr streng zwischen einer Binnenmoral und dem erwünschten Verhalten im Krieg.

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vor einer Stunde schrieb mn1217:

Selbst dann: Falsch.

Einen Grund zu haben oder einen Vorteil macht eine Handlung nicht richtig.

Grundsätzlich stimme ich dir zu. Ein Vorteil an sich rechtfertigt noch nichts. Jedoch gilt die erste moralische Verpflichtung einer Regierung der eigenen Bevölkerung. Die Feindesliebe kann hier im Kriegsfall nur so weit gehen, die Verhältnismäßigkeit der Mittel anzumahnen. Wenn eine Regierung den Tod vieler eigener Menschen in Kauf nimmt, um gegenüber der Zivilbevölkerung des Feindeslandes nichts Unbotmäßiges zu tun, dann wäre das zutiefst unmoralisch. Sie hätte sogar eine moralische Verpflichtung, die Zivilbevölkerung des Feindes anzugreifen, wenn sie dadurch die eigene Bevölkerung schützen könnte. 

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