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Schwarz-Weiß-Malerei


duesi

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vor 17 Minuten schrieb nannyogg57:

Na, dann hätte man Eichmann sagen sollen, dass es beim k.I. nicht um das Einzelinteresse eines Vaterlandes, sondern ums allgemein Menschliche geht: Einfach fertig denken: Ein Volk tötet alle seine Feinde, weil dass der ganzen Menschheit dient. Ähm, ok. Klar, wenn er die Kategorie Untermenschen einbringt, dann ist der k.I. natürlich ins Leere gelaufen.

 

Er kam damit nicht durch, nicht wahr? Lag es jetzt an Kant oder an Eichmanns kruder Weltsicht?

 

Und im Übrigen wünsche ich dir eine Horde schreiender Schüler*innen in einem Treppenhaus einer normalen deutschen Schule und, als Bonus, Hörgeräte, wie ich sie in der Arbeit tragen muss.

Und wenn man es als allgemein-menschlich betrachtet, das Völker sich bekämpfen?

 

Er kam nicht Damit durch, weil der kategorische Imperativ eben kein tauglicher Maßstab ist, um die Vertretbarkeit, erst recht die Rechtmäßigkeit einer Handlung zu bewerten.

(Was der letzte Absatz mit meinen Ausführungen zu tun hat, erschließt sich mir nicht).

 

 

bearbeitet von Xamanoth
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vor einer Stunde schrieb nannyogg57:

Und da kann man wohl zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, siehe oben. Aber nach Thomas von Aquin ist es am Wichtigsten, dem Gewissen zu folgen, welches eben kein Gefühl ist, sondern auch eine klare Beschäftigung mit der Sache und mit dem Verstand.

Genauso ist es.

 

vor 42 Minuten schrieb Marcellinus:

@duesi

Das Ermorden von Menschen wird nicht verfolgt, weil es unmoralisch wäre. Vieles, was als unmoralisch empfunden wird, ist nicht verboten. Es wird verfolgt, weil es ein Verbrechen ist. Hinter Moral steht ein Gefühl, und Gefühle unterscheiden sich. Ein Verbrechen dagegen ist eine Tatsache, die Verletzung eines Rechts anderer.

 

Moral ist eine Vorstellung davon, was man tun sollte, und darüber gibt es durchaus unterschiedliche Vorstellungen. Gesetze bestimmen, was man auf jeden Fall zu lassen hat, und sie sind verbindlich. Sie sind die Grundlage unsere Gesellschaften, und sie müssen den Menschen bewußt sein. Gut, wenn ihr moralisches Empfinden ihnen sagt, daß sie dieses oder jenes unterlassen sollten, verboten ist es aber auch, wenn das nicht so ist.

 

Genitalverstümmelung ist ein gutes Beispiel. In den Gesellschaften, in denen sie verbreitet ist, ist sie eine Forderung der Moral. Diese Vorstellung bringen diese Leute auch mit zu uns. Verboten ist es bei uns trotzdem. Eben weil unsere Gesetze nicht auf moralischen Gefühlen beruhen, sondern auf grundgesetzlichen Rechten und Pflichten.

 

Ach komm! Diese Unterscheidung ist doch an den Haren herbeigezogen. Das, was in Gesetze gegossen ist, sind gemeinsame Moralvorstellungen unserer Gesellschaft. Nicht jede Moralvorstellung hat Eingang in die Gesetzgebung gefunden. Das ist richtig. Und nicht alles, was verboten ist, verletzt das Recht eines anderen. Es ist grob fahrlässig, Menschen in unser Land zu lassen, ohne sie zu einem Bekenntnis dazu zu verpflichten, dass sie das, was bei uns verboten ist, für moralisch falsch halten. Den meisten Menschen sind ihre Moralvorstellungen wichtiger als die Gesetze. Gegenüber Menschen, die die Gesetze nicht für moralisch richtig halten, lässt sich das Gesetz nur mit harter Hand und drakonischen Strafandrohungen durchsetzen. Eine gemeinsame Identität lässt sich damit nicht durchsetzen. Und dass du darauf beharrst, das Wort "Moral" ständig zusammen mit dem Wort "Gefühl" zu nennen, wird durch ständige Wiederholung nicht richtiger. Das Gesetz gegen Genitalverstümmelung beruht genauso auf einer Moralvorstellung (nämlich dass Frauen vor so etwas beschützt werden sollten) wie die kulturelle Praxis der Zugereisten. Beides beruht auf einem gesellschaftlichen Bewusstsein für richtig und falsch. Und beides hat nichts mit Gefühlen zu tun.

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vor 19 Minuten schrieb Xamanoth:

Und wenn man es als allgemein-menschlich betrachtet, das Völker sich bekämpfen? (Was der letzte Absatz mit meinen Ausführungen zu tun hat, erschließt sich mir nicht).Absatz mit meinen Ausführungen zu tun hat, erschließt sich mir nicht).

Wir reden noch immer darüber, ob Eichmann den k.I. ad absurdum geführt hat, nicht wahr?

 

(Das andere bezog sich auf den Vorwurf der Vermischung, so wie ich den Vorwurf verstand).

 

Wenn Eichmanns Prinzip war: Bringe die Völker um, die dein Volk als Feinde wahrgenommen hat, dann bewegt er sich irgendwo argumentativ in der Steinzeit. Dazu braucht er nicht den k.I., ja, ich vermische, dazu muss er nur mal bei mir aufn Pausenhof gehen und sich mit der Steinzeitargumentation meiner Schüler*innen identifizieren: Ich hau den um, weil er mich umgehauen hat.

 

Das ist aber das Prinzip der Blutrache. Das hat mit Kant wenig zu tun. Erinnern wir uns, Kant war so ein Aufklärer. Dem ging es zunächst darum, dass Menschen selber denken. Die Steinzeit war damals schon lange abgelöst von einer Rechtsstaatlichkeit, die das Gesetz der Rache durch eine Rechtssprechung ersetzte und die Selbstjustiz abgeschafft hatte. Kant wollte aber nicht zur Selbstjustiz zurück, sondern einen Schritt weiter, nämlich dahin, dass Menschen über die Folgen ihres Handelns nachdachten, wenn alle Menschen sich so verhielten, wie man selber es gerade tat. Der Schritt von der blinden Gesetzesbefolgung hin zu Menschen, die konkret bedachten: Was passiert, wenn ich jedem, der mir blöd kommt, eine aufs Maul haue? Upps, dann gilt ja das Gesetz des Stärkeren und wir sind irgendwo zwischen Mafia und Bürgerkrieg, garnicht gut.

 

Und das waren sie ja, die Nationalsozialisten, nicht wahr? Der Stärkere haut dem anderen eine aufs Maul, weil er es halt kann (überlegen ist, wer es kann = Rassenideologie).

 

"Ich haue dem anderen eine aufs Maul" ist keine Maxime, die als Grundlage einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte. Es ist die Maxime einer Gesellschaft ohne Gesetze. Mit der hat die Menschheit vielfältige Erfahrungen, welche insgesamt als nicht gut bewertet werden dürften.

 

 

bearbeitet von nannyogg57
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vor 14 Minuten schrieb duesi:

Genauso ist es.

 

Ach komm! Diese Unterscheidung ist doch an den Haren herbeigezogen. Das, was in Gesetze gegossen ist, sind gemeinsame Moralvorstellungen unserer Gesellschaft. Nicht jede Moralvorstellung hat Eingang in die Gesetzgebung gefunden. Das ist richtig. Und nicht alles, was verboten ist, verletzt das Recht eines anderen. Es ist grob fahrlässig, Menschen in unser Land zu lassen, ohne sie zu einem Bekenntnis dazu zu verpflichten, dass sie das, was bei uns verboten ist, für moralisch falsch halten. Den meisten Menschen sind ihre Moralvorstellungen wichtiger als die Gesetze. Gegenüber Menschen, die die Gesetze nicht für moralisch richtig halten, lässt sich das Gesetz nur mit harter Hand und drakonischen Strafandrohungen durchsetzen. Eine gemeinsame Identität lässt sich damit nicht durchsetzen. Und dass du darauf beharrst, das Wort "Moral" ständig zusammen mit dem Wort "Gefühl" zu nennen, wird durch ständige Wiederholung nicht richtiger. Das Gesetz gegen Genitalverstümmelung beruht genauso auf einer Moralvorstellung (nämlich dass Frauen vor so etwas beschützt werden sollten) wie die kulturelle Praxis der Zugereisten. Beides beruht auf einem gesellschaftlichen Bewusstsein für richtig und falsch. Und beides hat nichts mit Gefühlen zu tun.

 

Filtere die Forderung nach Genitalverstümmelung durch die Axiome der Ethik und du erhältst eine ziemlich klare Antwort.

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vor 48 Minuten schrieb Xamanoth:

Moment. Du bringst hier gesellschaftlich aufgestellte, allgemein anerkannte , informell durchgesetzte Maßstäbe und individuelle Handlungsmaximen durcheinander.

 

Eichmann bezeichnete es als Maxime seinem Vaterland vollumfänglich zu dienen und Volksfeinde mit allen Mitteln zu bekämpfen. Versuch mal darzulegen, warum dass gegen den Kategorischen Imperativ (den ich ablehne) verstößt.

Ich würde hier der Zufügung "mit allen Mitteln" widersprechen. Es ist ja keine nationalistische Maxime, wenn man dafür ist, dass jeder in erster Linie seinem Vaterland dient, der Russe Russland, der Amerikaner den USA, der Deutsche Deutschland usw. Insofern kann man auch für seine Feinde Verständnis haben, wenn sie in erster Linie ihrem Vaterland dienen. So war es im Mittelalter beispielsweise üblich, auch die Kriegsfeinde dafür zu ehren, wenn sie tapfer gekämpft haben. Und es galt die Maxime, auch im Angesichte des Todes, wenn man von einem Schwert oder Pfeil tödlich getroffen wurde, gegen den Angreifer nichts böses im Herzen zu haben, denn er hat ja schließlich genau das gleiche für sein Land getan wie man selbst für das eigene. Aber der Zusatz "mit allen Mitteln" könnte niemals ein allgemeines Gesetz für alle werden. Niemand würde sich wünschen, dass die Kriegsfeinde "mit allen Mitteln" die Auslöschung des eigenen Landes und Völkermord betreiben. Obwohl "niemand" wohl zu viel gesagt ist. Hitler hat ja in einer seiner letzten Reden gesagt, dass er nun wisse, dass die slawische Rasse die eigentliche Herrenrasse sei. Und dass die Deutschen nicht gegen sie kämpfen sollten, sondern sich ihrem Schicksal ergeben sollten. Damit hat Hitler indirekt einen Völkermord an den Deutschen moralisch gerechtfertigt. Und das zeigt, dass sich sogar Hitler mit seiner Völkermordidee dem kategorischen Imperativ verpflichtet gesehen hat. 

 

Obwohl der kategorische Imperativ also solche extremen Interpretationen erlaubt, liebe ich ihn. Er ist sicher nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber er sollte der Ausgangspunkt jeder moralischen Überlegung sein.

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vor 12 Minuten schrieb nannyogg57:

Wir reden noch immer darüber, ob Eichmann den k.I. ad absurdum geführt hat, nicht wahr?

 

(Das andere bezog sich auf den Vorwurf der Vermischung, so wie ich den Vorwurf verstand).

 

Wenn Eichmanns Prinzip war: Bringe die Völker um, die dein Volk als Feinde wahrgenommen hat, dann bewegt er sich irgendwo argumentativ in der Steinzeit. Dazu braucht er nicht den k.I., ja, ich vermische, dazu muss er nur mal bei mir aufn Pausenhof gehen und sich mit der Steinzeitargumentation meiner Schüler*innen identifizieren: Ich hau den um, weil er mich umgehauen hat.

 

Das ist aber das Prinzip der Blutrache. Das hat mit Kant wenig zu tun. Erinnern wir uns, Kant war so ein Aufklärer. Dem ging es zunächst darum, dass Menschen selber denken. Die Steinzeit war damals schon lange abgelöst von einer Rechtsstaatlichkeit, die das Gesetz der Rache durch eine Rechtssprechung ersetze und die Selbstjustiz abgeschafft hatte. Kant wollte aber nicht zur Selbstjustiz zurück, sondern einen Schritt weiter, nämlich dahin, dass Menschen über die Folgen ihres Handelns nachdachten, wenn alle Menschen sich so verhielten, wie man selber es gerade tat. Der Schritt von der blinden Gesetzesbefolgung hin zu Menschen, die konkret bedachten: Was passiert, wenn ich jedem, der mir blöd kommt, eine aufs Maul haue? Upps, dann gilt ja das Gesetz des Stärkeren und wir sind irgendwo zwischen Mafia und Bürgerkrieg, garnicht gut.

 

Und das waren sie ja, die Nationalsozialisten, nicht wahr? Der Stärkere haut dem anderen eine aufs Maul, weil er es halt kann (überlegen ist, wer es kann = Rassenideologie).

 

"Ich haue dem anderen eine aufs Maul" ist keine Maxime, die als Grundlage einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte. Es ist die Maxime einer Gesellschaft ohne Gesetze. Mit der hat die Menschheit vielfältige Erfahrungen, welche insgesamt als nicht gut bewertet werden dürften.

 

 

„Ich hau allen aufs Maul die Schwächer sind als ich und keine starken Verbündeten haben“ scheint mir die meistverbreitete Maxime der Weltgeschichte zu sein.

 

Hast du die „Wohlgesinnten“ gelesen? Darin heißt es in einem inneren Monolog eines hochgebildeten SS-Offiziers , der von sich sagt, er habe gelernt „Kant zu lieben“.(Sinngemäß, ich habe das Buch gerade nicht hier): „wir sind in Polen eingefallen, drangsalieren Sie, rauben Sie bis aufs letzte aus. Nun, wir haben nun mal die stärkere Armee. Daher ist das Gerechtigkeit!“

 

Nochmals, ich vertrete dieses grundsätzliche Recht des stärkeren gerade nicht. Ich denke aber nicht, dass es im Widerspruch zum kategorischen Imperativ steht. „Der stärke hat recht“ ist eine ganz wunderbar allgemein tauglich Maxime.

bearbeitet von Xamanoth
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vor 43 Minuten schrieb Marcellinus:

 

Alle? Das wage ich doch zu bezweifeln! Es war ein Gefühl, auch sicherlich das einer Mehrheit, aber mehr eben auch nicht. 

Du lässt nicht ab von dem Wort "Gefühl". Das Urteil der Mehrheit. Nicht das "GEfühl" der Mehrheit.

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vor 23 Minuten schrieb Marcellinus:

 

Was zu beweisen wäre! Denn eine solche Ethik existiert nicht, und sie wird es auch auf lange Zeit nicht geben. Dafür ist dieses Leben zu widersprüchlich, als daß es sich in ein wie immer geartetes Prinzip packen ließe. Wir kommen also nicht darum hin, die Regeln unseres Zusammenlebens immer wieder auszuhandeln. Its an unperfect universe! :D

Damit kann ich leben. Aushandeln heißt innehalten und Argumente austauschen. Es gibt in der katholischen Kirche, trotz allem, dank Thomas, einen Respekt vor einer ethischen Entscheidung, die sich der vernünftigen Diskussion stellt, aber keinen Respekt gegenüber einer ethischen Entscheidung, die aus unsachlichen Gesichtspunkten heraus gefällt wird.

 

Alles, was nicht aus dem Gewissen heraus getan wird, ist Sünde. Die Diskussion des Paulus, paradigmatisch seinerzeit im Bezug auf den Genuss von Götzenopferfleisch, ist nicht unser aktuelles Problem, aber zeigt, wie man sich in Konfliktsituationen situativ verhalten kann. Zu finden im ersten Korintherbrief.

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vor 5 Minuten schrieb Xamanoth:

„Ich hau allen aufs Maul die Schwächer sind als ich und keine starken Verbündeten haben“ scheint mir die meistverbreitete Maxime der Weltgeschichte zu sein.

 

Hast du die „Wohlgesinnten“ gelesen? Darin heißt es in einem inneren Monolog eines hochgebildeten SS-Offiziers , der von sagt, er habe gelernt „Kant zu lieben“. (Sinngemäß, ich habe das Buch gerade nicht hier): „wir sind in Polen eingefallen, drangsalieren Sie, könnten Sie bis aufs letzte aus. Nun, wir haben nun mal die stärkere Armee. Daher ist das Gerechtigkeit!“

 

Nochmals, ich vertrete dieses grundsätzliche Recht des stärkeren gerade nicht. Ich denke aber nicht, dass es im Widerspruch zum kategorischen Imperativ steht. „Der stärke hat recht“ ist eine ganz wunderbar allgemein tauglich Maxime.

Ethik beginnt, wo das "ich haue einem aufs Maul, weil ich es kann" hinterfragt wird. Zum Recht des Stärkeren bedarf es keiner Ethik.

 

Frage die Leute in den Favelas oder in den Gegenden, wo Warlords das Recht bestimmen.

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vor 18 Minuten schrieb duesi:

Genauso ist es.

 

Ach komm! Diese Unterscheidung ist doch an den Haren herbeigezogen. Das, was in Gesetze gegossen ist, sind gemeinsame Moralvorstellungen unserer Gesellschaft. Nicht jede Moralvorstellung hat Eingang in die Gesetzgebung gefunden. Das ist richtig. Und nicht alles, was verboten ist, verletzt das Recht eines anderen. Es ist grob fahrlässig, Menschen in unser Land zu lassen, ohne sie zu einem Bekenntnis dazu zu verpflichten, dass sie das, was bei uns verboten ist, für moralisch falsch halten. Den meisten Menschen sind ihre Moralvorstellungen wichtiger als die Gesetze. Gegenüber Menschen, die die Gesetze nicht für moralisch richtig halten, lässt sich das Gesetz nur mit harter Hand und drakonischen Strafandrohungen durchsetzen. Eine gemeinsame Identität lässt sich damit nicht durchsetzen. Und dass du darauf beharrst, das Wort "Moral" ständig zusammen mit dem Wort "Gefühl" zu nennen, wird durch ständige Wiederholung nicht richtiger. Das Gesetz gegen Genitalverstümmelung beruht genauso auf einer Moralvorstellung (nämlich dass Frauen vor so etwas beschützt werden sollten) wie die kulturelle Praxis der Zugereisten. Beides beruht auf einem gesellschaftlichen Bewusstsein für richtig und falsch. Und beides hat nichts mit Gefühlen zu tun.

 

Das ist einfach nicht richtig. Ich habe versucht, dir das am Beispiel der vorehelichen Geschlechtsverkehrs zu zeigen. Es mag die moralische Vorstellung der Mehrheit sein, daß das nicht mehr unter Strafe zu stellen ist, die moralische Vorstellung aller ist das nicht. Wenn es keine gemeinsame moralische Identität aller Menschen einer Gesellschaft gibt, ist deine Behauptung, gemeinsame Gesetze beruhten auf gemeinsamen Moralvorstellungen, schlicht falsch. Gesetze mögen auf den moralischen Vorstellungen derer beruhen, die die Gesetze erlassen. Mit den moralischen Vorstellungen der Mehrheit einer Gesellschaft muß das nicht übereinstimmen. Nimm das Beispiel der Sterbehilfe, sicherlich auch eine moralische Frage. Die Mehrheit der Gesellschaft ist dafür, die Gesetze verbieten sie. Wo bleibt da die Moral? 

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vor 40 Minuten schrieb Marcellinus:

Noch einmal, unsere Gesellschaften sind längst über Gruppen des Homo Sapiens hinausgewachsen. Die alten Mechanismen, obwohl noch existent, reichen nicht mehr. Moral ist ein anerzogenes Set von Handlungsnormen, die verinnerlicht werden  und sich als Gefühle äußern. In modernen Massengesellschaften brauchen wir andere Mechanismen. Würden wir uns nur auf unsere moralischen Gefühle verlassen, wären unsere Gesellschaften längst zerfallen.

Sie äußern sich nicht als "Gefühle". Sondern als Moralvorstellungen und Wertvorstellungen. Mir geht es nicht darum, Moralvorstellungen von einzelnen absolut zu setzen. Sondern darum, das Gespräch über richtig und falsch wieder zu fördern. Gefühle kann man sich nicht aussuchen und auch nur bedingt ändern. Aber seine Einschätzung von richtig und falsch kann man überdenken und vernunftbegründet in einem Dialog erörtern. Doch genau dieses Gespräch über "richtig" und "falsch", das so elementar ist, dass es nahezu jeden Menschen in seinem tiefsten Innersten bewegt, wird abgewürgt und für schädlich erklärt. Das ist entmenschlichend. Unsere Gesellschaftsordnung ist im historischen Vergleich mit ihren 73 Jahren seit dem 2. Weltkrieg eine sehr junge Gesellschaftsordnung. Gerade du als Historiker solltest wissen, dass Gesellschaftsordnungen, die auf moralischen Werten beruht haben, wesentlich älter geworden sind. Da zu behaupten, unsere modernen Massengesellschaften seien tragfähiger, scheint mir völlig aus der Luft gegriffen.

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Ok. Es gibt ein Geheimnis. Es gibt eine Ethik des "Do ut des", die funktioniert in kleinen überschaubaren Gruppen. Eine Ethik des "Rechts des Stärkeren", die gilt in der Auseinandersetzung zwischen Gruppen.

 

Tatsächlich aber ist Ethik eine Sache, die ziemlich schnell existentiell wird: Denn Ethik funktioniert nur in Vorleistung und gegenseitigem Vertrauen. Ethik ist Betrug, wenn sie nicht klar sagt, was sie kosten kann, nämlich alles. Fakt ist, dass der Gute der Dumme ist oder ganz oft sein kann.

 

Das wird ganz oft über dem ganzen Mimimimi vergessen. Wir Christen haben diesem Thema die Kar- und Ostertage gewidmet. Womit wir letztendlich bei der Tatsache gelandet sind, dass Ethik ohne Metaphysik nur begrenzt funktioniert.

bearbeitet von nannyogg57
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vor 9 Minuten schrieb nannyogg57:

Damit kann ich leben. 

 

Das freut mich!

 

vor 12 Minuten schrieb nannyogg57:

Aushandeln heißt innehalten und Argumente austauschen.

 

Argumente austauschen und am Ende entscheiden. Möge das bessere Argument gewinnen! (Leider nicht immer, wie man tagtäglich sehen kann.)

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Ich gehe ins Bett. Gute Nacht. Sorry!

bearbeitet von nannyogg57
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vor 12 Minuten schrieb nannyogg57:

Ethik beginnt, wo das "ich haue einem aufs Maul, weil ich es kann" hinterfragt wird. Zum Recht des Stärkeren bedarf es keiner Ethik.

 

Frage die Leute in den Favelas oder in den Gegenden, wo Warlords das Recht bestimmen.

Ich Bin mir sicher, die Warlords werden auch gute Argumente haben…

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Gerade eben schrieb Xamanoth:

Ich Bin mir sicher, die Warlords werden auch gute Argumente haben…

Egoismus. Kein ethisches Prinzip. Egoisten gehen zum Beispiel ins Bett ohne die Bedürfnisse anderer Leute zu beachten.

 

So wie ich jetzt.

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vor 49 Minuten schrieb Marcellinus:

Anders herum wird übrigens ein Schuh draus. Wenn jedes Mitglied unsere Gesellschaft die Verhaltensanforderungen an ihn oder sie emotional verinnerlicht hätte, wäre unsere Gesellschaft vermutlich ein gemütlicherer Ort, aber das ist eine romantische Fantasie, die vermutlich auch mit einer Menge Freiheitsverlust einher ginge, denn Freiheit ist nicht selten das zu tun, was anderen als unmoralisch erscheint. ;)

Nochmal, es geht nicht um eine emotionale Verinnerlichung, sondern um eine äußerliche Zustimmung. Und natürlich schränkt es die Freiheit ein, wenn Menschen nicht mehr frei die Ideologie von der Verstümmelung der Frau für moralisch richtig vertreten und verbreiten können. Aber wenigstens fährt du mit einem moralischen Argument auf, wenn du die Freiheit des Individuums für wichtiger erklärst als die moralische Zustimmung zu den gesellschaftlichen Normen. Wie Voltaire gesagt hat: Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür geben, dass du es sagen darfst. Und laut Johannesevangelium ein wichtiges Ziel der Verkündigung Jesu "damit die Gedanken vieler Menschen offenbar werden". Doch wenn es immer mehr Menschen im Land gibt, die die Freiheit zu unmoralischen Dingen für falsch halten, ist diese Freiheit ebenfalls bedroht. Ohne einen Grundkonsens an gemeinsamen Moralvorstellungen geht eine Gesellschaft zugrunde.

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vor 31 Minuten schrieb nannyogg57:

 

Filtere die Forderung nach Genitalverstümmelung durch die Axiome der Ethik und du erhältst eine ziemlich klare Antwort.

Und das rechtfertigt meines Erachtens bereits, die Genitalverstümmelung als etwas böses, ungerechtes, gottloses und bekämpfenswertes zu brandmarken und die Axiome der Ethik als moralischen Grundkonsens vorauszusetzen, dem jeder Bürger unseres Landes offiziell zustimmen muss. Solange wir immer nur im Ton des Mitleids von der Genitalverstümmelung reden (die armen Frauen), nie aber mit einem klaren moralischen Werturteil, ist jeder Versuch einer Einflussnahme kraftlos und wirkungslos.

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vor 1 Stunde schrieb Xamanoth:

 Hast du dich mal mit Dramentheorie befasst? Samuel Beckett und Friedrich Dürrenmatt waren beide, wenn auch mit nicht ganz identischer  Argumentation der Ansicht, dass die moderne Gesellschaft (gemeint war damit die Gesellschaft der Fünfzigerjahre) strukturell keinen Raum mehr für Helden lässt. Dementsprechend ließen sich auch keine Tragödien mehr schreiben sondern nur noch Grotesken. Ich denke das hat viel für  sich .

Kannst du die Argumentation kurz zusammenfassen (nur wenn es nicht zu aufwendig ist)? Ich habe bisher nur eine grundsätzlich ablehnende Haltung gegenüber dem Heldentum angetroffen. Aber eine strukturelle Unmöglichkeit? Das ist ein anderer Ansatz. Ich bin nicht der Meinung, dass das Verschwinden des Heldentums etwas für sich hätte. Im Gegenteil.

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vor 1 Stunde schrieb Marcellinus:

 

Moral ist ein Bauchgefühl! Es ist ein Fremdzwang, der sich im Laufe des Heranwachsens verinnerlicht und zu einem Selbstzwang wird. Menschlichkeit, Heldentum (mit allem Vorbehalt) und verantwortliches Handeln sind gerade Ausdruck nicht einer anerzogenen Moral, sondern einer in bewußten Entscheidungen gereiften Persönlichkeit. Deine Anwürfe gehen ins Leere.

Naja, du wirst die Wiederholung des Gefühlsbegriffes nicht sein lassen. Und ich werde es nicht sein lassen, dem zu widersprechen. Wie soll die Persönlichkeit reifen, wenn die Menschen dazu konditioniert werden, Moralfragen aus ihrem Alltag zu verdrängen? Sicherlich gibt es viele berufliche Bereiche, in denen man viel Prestige erlangen kann. Aber Menschen, die mutig genug sind, in einer schwierigen Situation das richtige, das menschliche, das heldenhafte und das verantwortliche zu tun, die kommen nur durch die Auseinandersetzung mit richtig und falsch ins Dasein.

 

 

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Naja, ich bin genauso ein Egoist wie die Zubettgeher, dem es so in den Fingern juckt, dass er nicht davon ablässt, die Beiträge weiter zu kommentieren. ;)

 

Aber langsam meldet sich auch bei mir die Müdigkeit. War eine interessante Unterhaltung. Danke an alle Beteiligten.

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vor 4 Stunden schrieb nannyogg57:

Gegen Mitleid, sprich Empathie als leitendes Motiv habe ich insofern etwas einzuwenden, dass ihm der vernünftige Aspekt fehlt. Im konkreten Alltag halte ich Empathie allein für nicht produktiv.

Wenn "Empathie" mit Mitleid übersetzt wird stellen sich dem Pfleger die Nackenhaare auf und die Zehennägel legen sich in Dauerwelle.

Wenn wir von Empathie sprechen ist "Einfühlungsvermögen" gemeint. Sich in die Situation des zu Pflegenden hineinversetzen. Rein denken in die Lage des zu pflegenden. Das ist - um nur ein Beispiel zu nennen - bei validierenden Gesprächen mit Demenzkranken der erste Schritt, die Gefühle des Bewohners zu erspüren.

Insbesondere die Schule (uns Praktiker lässt man ja nicht, aber das ist ein anderes Thema) betreibt viel Aufwand den Azubis Empathie bei zu bringen. Empathie kann man lernen.

Mitleid birgt auch immer die Gefahr die Augenhöhe zu verlieren und den zu Pflegenden klein zu machen - Empathie hingegen wahrt die Augenhöhe.

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Long John Silver
vor 6 Stunden schrieb duesi:

Sie äußern sich nicht als "Gefühle". Sondern als Moralvorstellungen und Wertvorstellungen. Mir geht es nicht darum, Moralvorstellungen von einzelnen absolut zu setzen. Sondern darum, das Gespräch über richtig und falsch wieder zu fördern. Gefühle kann man sich nicht aussuchen und auch nur bedingt ändern. Aber seine Einschätzung von richtig und falsch kann man überdenken und vernunftbegründet in einem Dialog erörtern. Doch genau dieses Gespräch über "richtig" und "falsch", das so elementar ist, dass es nahezu jeden Menschen in seinem tiefsten Innersten bewegt, wird abgewürgt und für schädlich erklärt. Das ist entmenschlichend. Unsere Gesellschaftsordnung ist im historischen Vergleich mit ihren 73 Jahren seit dem 2. Weltkrieg eine sehr junge Gesellschaftsordnung. Gerade du als Historiker solltest wissen, dass Gesellschaftsordnungen, die auf moralischen Werten beruht haben, wesentlich älter geworden sind. Da zu behaupten, unsere modernen Massengesellschaften seien tragfähiger, scheint mir völlig aus der Luft gegriffen.

 

Hi, Duesi, Moral hat mit richtig und falsch nichts zu tun. Und Moral gehoert nicht zum Wesen von Gott. Moral ist stets ein rein menschliches Konzept.

 

Nur Gott kann  Richtig und Falsch unterscheiden. Die Menschen bilden sich zwar ein, es haetten etwas gebracht, vom Baum der Erkennrtnis zu essen, aber sie wurden damit trotzdem nicht Gott, was blieb ist die Einbildung, sie wuessten etwas ueber Richtig und Falsch. 

 

Moral ist ein gesellschaftlicher Begriff und er ist so dehnbar wie Gesellschaften veraenderbar. Er hat weder mit Gott noch mit Jesus was zu tun. 

 

Ich denke, du hast dich verheddert in den Begriffen. Die 10 Gebote z.B. haben nichts mit Moral zu tun, sondern mit Ethik und Erkenntnissen ueber das, was dem menschlichen Zusammenleben gut tut, also bestimmte Regeln, die sich als vorteilhaft erwiesen fuer das Zusammenleben in einer Gemeinschaft. 

 

Im uebrigen gibt es Dinge, die ich fuer grundsaetzlich falsch halte (auch wenn die Gesellschaft was anderes sagt).  Ich denke nicht, dass es sinnvoll ist, sich jedem Versuch, ein klares Urteil zu faellen, zu entziehen,  im Gegenteil, eine solche Haltung halte ich sogar fuer schlecht. Nur ist die Frage, auf welche Basis dieses Urteil entsteht und  vor allem, um welche Themen es geht. Und mit falsch meine ich nicht gut oder boese, sondern falsch und richtig. Gottes  Gerechtigkeit kommt nicht aus einem Denken der Justiz, sondern von der Vorstellung, dass Gott die Dinge "richtig" stellt, ins rechte Lot bringt, das, was wir Menschen nicht koennen.  Das Urteil ueber richtig und falsch haengt fuer mich damit zusammen, dass ich Dinge als unrund empfinde, als eben "nicht richtig", nicht stimmig. Ich muss aber sagen, dass es natuerlich auf dieser Ebene bleibt, denn ich kann nicht sagen, was wirklich stimmig waere, diese Struktur zu erkennen, bleibt mir verschlossen.

 

Und natuerlich gibt es Dinge, die ich als Suende empfinde zu tun. Aber das hat auch mit Moral nichts zu tun, sondern mit der Empfindung,  sich von Gott getrennt zu haben, etwas getan zu haben, was im Grund nicht vereinbar mit mir selbst ist. 

 

Wie gesagt, ich glaube, da geht einiges einfach durcheinander bei deinem Thema.

 

 

 

 

 

 

 

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vor 8 Stunden schrieb nannyogg57:

Ok. Es gibt ein Geheimnis. Es gibt eine Ethik des "Do ut des", die funktioniert in kleinen überschaubaren Gruppen. Eine Ethik des "Rechts des Stärkeren", die gilt in der Auseinandersetzung zwischen Gruppen.

 

Tatsächlich aber ist Ethik eine Sache, die ziemlich schnell existentiell wird: Denn Ethik funktioniert nur in Vorleistung und gegenseitigem Vertrauen. Ethik ist Betrug, wenn sie nicht klar sagt, was sie kosten kann, nämlich alles. Fakt ist, dass der Gute der Dumme ist oder ganz oft sein kann.

 

Das wird ganz oft über dem ganzen Mimimimi vergessen. Wir Christen haben diesem Thema die Kar- und Ostertage gewidmet. Womit wir letztendlich bei der Tatsache gelandet sind, dass Ethik ohne Metaphysik nur begrenzt funktioniert.

Dass der "Gute" der Dumme ist, muss definiert werden. Selbst atheistische Marxisten waren bereit, ihr Leben für den Kommunismus zu opfern, weil es innerhalb ihrer Wertegemeinschaft als richtig angesehen wurde. Sie haben es nicht als Dummheit angesehen, solange es der Gemeinschaft gedient hat. Das zeigt, dass das Pflegen von klaren Moralvorstellungen innerhalb einer Gruppe (was auch gewissermaßen dem do ut des-Prinzip entspricht) dazu führt, dass der Verlust des eigenen Lebens und der eigenen Gesundheit für das höhere Ziel (dem Überleben der Gruppe mit ihren Moralvorstellungen) in der Regel nicht als Dummheit empfunden wird.

 

Aber es stimmt: Die Kartage und Ostern erinnern uns daran, dass das Eintreten für Wahrheit und Gerechtigkeit uns alles kosten kann. 

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