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Schwarz-Weiß-Malerei


duesi

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vor 1 Stunde schrieb Julius:

 

Ich halte das auch für eine Überhöhung (gibt es eigentlich auch "richtige" Überhöhungen?) und stelle mir vor, dass es extrem schwierig werden könnte, mit einem - ähm, mit Verlaub, selbsternannten - "Vorbild" leben zu müssen: ob nun hinter einer gemeinsamen Wohnungstür oder - auf etwas erträglichere Distanz - auch nur als Nachbar und durch einen gemeinsamen Gartenzaun auf einigermaßen sichere Distanz gehalten. Letzterer, der Gartenzaun, hindert den "vorbildlich" für mich und andere sein wollenden Nachbarn ja nicht daran, mich bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit in entsprechender Lautstärke darauf hinzuweisen, dass ich - nähme er mal an - mit "gewissen Bibelstellen ein Problem" hätte. ICH, nicht etwa er! Damit will er noch nichtmal "sagen, dass man als Christ diesen Bibelstellen folgen" müsse. Aber was denn dann? Dass ICH ein Problem damit hätte, SEINER unfehlbaren Auslegung dieser Bibelstellen zu folgen? Um Missverständnissen vorzubeugen: ICH habe überhaupt KEIN Problem damit, die Auslegungen eines selbst ernannten "Vorbildes" als für mich nicht maßgeblich zu betrachten.
Ich fürchte, der Nachbar hätte sehr bald ein Problem mit mir! Ich mag es nämlich schon nicht, wenn jemand versucht, mir meinen Weg mit Bibelsprüchen zuzupflastern. Und ich habe da jetzt ganz konkret einen Nachbarn meiner vor 30 Jahren verstorbenen Mutter vor Augen und im Ohr, der es mit seiner (und seiner Frau) so gelebten dezidiert als christlich ausgelobten und mit Bibelsprüchen vollgetackerten "Vorbildichkeit" schaffte, ein ganzes Stadtviertel gegen sich aufzubringen. Vor drei Jahren dann die für einige schon beinahe "erlösende" Nachricht (ich wohne ja schon lange nicht mehr da, aber gelegentlich kriege ich noch mit, was sich im Städtchen so tut): Herr und Frau M. haben altershalber mit ihrer Mission aufgehört - und trotz langer und intensiver Suche niemanden gefunden, der sie an ihrer Stelle fortsetzen möchte ... (konkret ging's da um eine von Familie M. angestoßene und tatsächlich mit sicher viel Herzblut betriebene Weihnachtsveranstaltung, und jeder Nachbar, der sich um die alle Jahre wieder ziemlich aufdringlich überbrachte Einladung drückte, hatte selbstredend "ein Problem" damit, dass Jesus Mensch geworden war (oder so). Herrn und Frau M. zu erklären, dass sie selber das "Problem" waren, das sie munter auf die gesamte Nachbarschaft projizierten - daran sind, glaube ich, auch drei oder vier Pfarrer in Folge gescheitert.
 

(Herrn und Frau M., nunmehr samt ihrem missionarischen Auftrag im Ruhestand, sei selbstverständlich die Überzeugung unbenommen und gegönnt, dass sie unbeirrt von den Nachbarn, die da ein Problem mit hatten, runde vierzig oder fünfzig Jahre lang den Auftrag des Herrn erfüllt haben, den sie irgendwann mal als an sich ergangen fühlten).

Mit Verlaub, aber du schätzt mich als Person völlig falsch ein. Dies ist ein Diskussionsforum. Und natürlich nutze ich das dazu, schwierige Thesen, die auch provokant und unbeliebt sein können, zu diskutieren. Dazu ist ein Diskussionsforum da. Wenn ich Sympathiepunkte sammeln wollte, würde ich mich mit einem Freund auf ein Bier treffen, aber mich nicht in einem Diskussionsforum anmelden. Ein Mensch, der meint, dass er das größte Vorbild der Weltgeschichte sei und dass er das Maß aller Dinge sei, ist alles andere als ein Vorbild. Dass du die Beobachtung, dass ich in dieser schwierigen Diskussion Ennasus darauf hingewiesen habe, dass zumindest einige biblische Autoren das, was sie als schlecht bewertet hat, für gut befinden haben, damit vergleichst, wenn jemand über den Gartenzaun jemand anderen ungefragt mit theologischen Glaubenssätzen und Moralvorstellungen belästigt, ist fast schon bösartig.

 

Du nennst lauter Beispiele von Menschen, die sich eben nicht vorbildlich verhalten, sondern sich selbst für Vorbilder halten. Das ist jedoch etwas völlig anderes. Menschen, die ich als Vorbilder betrachte, sind Menschen, die andere höher achten als sich selbst. Die in anderen immer etwas suchen, was ihnen als Vorbild dienen kann. Und nicht Menschen, die ständig den moralischen Zeigefinger erheben und andere belehren wollen.

 

Es gibt ein paar Menschen, die andere als eher unsympathisch empfunden haben, die mir aber zu Vorbildern geworden sind. Aber das heißt nicht, dass sie in jeder Hinsicht meine Vorbilder sind. Eine solche Person war meine Großmutter väterlicherseits. Sie war eine äußerst strenge und (würde man heute sagen) moralinsaure Frau mit starken moralischen Prinzipien, die sich nie darum geschert hat, ob ihr Verhalten ihr Sympathiepunkte einbringt. Meine Mutter war im Gegensatz zu ihr eine wesentlich angenehmere Frau mit wesentlich mehr Feingefühl, Verständnis und Nachsicht. Aber bei meiner Mutter gab es leider ein oder zwei Situationen, in denen ich schon als Kind gemerkt habe, dass sie nicht ganz die Wahrheit gesagt hat. Vermutlich um uns Kinder zu schützen. Ich liebe meine Mutter. Aber meine Oma hat es gerade durch ihre Strenge, ihre Prinzipientreue und ihre Kohärenz, die viele Menschen abgeschreckt haben, geschafft, als Kind mein Vertrauen und meinen Respekt zu gewinnen. Wenn sie etwas gesagt hat, würde ich die Hand dafür ins Feuer legen, dass es vertrauenswürdig ist. Bei ihr wusste man immer, woran man ist. Und wenn ich etwas zu sagen hätte und sie noch leben würde, würde ich sie auch als Chefin oder Bundeskanzlerin vorschlagen.

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vor 5 Stunden schrieb Long John Silver:

 

Mir ist (siehe auch das Posting von Ennasus) nicht klar, wie man zu solchen Aussagen kommt.


Erstens: ich weiss nicht, von wem du redest. Das scheint mir eher ein Phantom zu sein, dass deine Postings hier durch geistert, dieser ominoese egoistische abtrakte Mensch, den du da als Folie fuer deine, Verzeihung, Predigen heran ziehst. Denn Predigten sind es.

 

Zweitens: wie soll eine Trennung zwischen dem Ideal, das der Liebe und dem Leben dient und den konkreten Lebensumstaenden, die mit Liebe und Leben zu tun haben, aussehen? Wie sollte etwas dem Leben dienen, wenn es ein abstraktes Ideal ist, was mit dem konkreten Leben weder etwas zu tun noch sich aus ihm speist noch in ihm wurzel? Das ist  ein Widerspruch an sich. Ideale dienen nicht dem Leben und der Liebe, Ideale formulieren lediglich eine bestimmte Vorstellung, wie Leben und Liebe sein sollten. Dem Leben und der Liebe dienen Handlungen, nicht Vorstellungen ueber sie. 

Erstens: Nein. Es sind keine Predigten. Es sind Thesen, die ich diskutieren möchte und denen du auch widersprechen kannst. Gerade indem du mir widersprichst, entdecke ich ja, was vielleicht das problematische an meinen Ansichten sein könnte und kann sie daran überdenken. Dort wo du mich klar darauf hinweist, wo meine Ansichten deiner Meinung nach falsch sind, habe ich die Möglichkeit, sie zu korrigieren. Aber danke, dass du zumindest auf meine Standpunkte eingehst und sie nicht einfach beleidigend in den Dreck ziehst. Da schätze ich sehr.

 

Zweitens: Nehmen wir mal ein konkretes Beispiel. Die Arbeit einer Krankenschwester. Ich habe drei Schwestern, die im Pflegebereich arbeiten und daher einige Einblicke in diese Arbeit. Nehmen wir mal an, einer Krankenschwester sind die konkreten Lebensumstände wichtiger als die Ideale und Maßstäbe, nach denen sie arbeitet. Eine Krankenschwester erlebt regelmäßig Kritik und Beleidigungen vonseiten der Patienten, auch wenn sie sich noch so viel Mühe gibt. Jede Krankenhausstation hat unzählige Klagen am Hals, in denen dem Personal unprofessionelles oder unmenschliches Arbeiten vorgeworfen wird. Hinzu erlebt eine Krankenschwester möglicherweise viel menschliches Leid, dem sie nicht immer abhelfen kann und muss manches Mal zusehen, wie Menschen unter ihrer Hand sterben. Wenn sie sich von den konkreten Lebensumständen leiten lassen würde, würde sie den Anspruch an sich stellen, es jedem Patienten recht zu machen, jeden Patienten glücklich zu machen, jedem Leid abhelfen zu können und jeden Tod  verhindern zu können. Eine Krankenschwester, die so arbeitet, ständig voller Betroffenheit ist, wenn sie unter diesem hehren Ziel bleibt wird, wird bald an dem großen Leid, den Respektlosigkeiten und der Undankbarkeit zusammenbrechen und psychologische Betreuung brauchen. Oder sie wird abstumpfen und überhaupt keine Emotionen mehr zulassen. Eine Krankenschwester jedoch, die starke Ideale und ein starkes Bewusstsein für richtig und falsch hat, die sich nicht von konkreten Lebensumständen aus der Bahn werfen und beirren lässt, die kann die Stärke haben mit dem allen zurechtzukommen. Wenn ein Patient ihr Fehlverhalten vorwirft, sie beleidigt oder anzeigt, hat sie ein klares Bewusstsein dafür, ob sie tatsächlich einen objektiven Fehler begangen hat oder ob sie richtig gehandelt hat. Im ersten Fall kann sie zu ihrem Fehler stehen und sich entschuldigen. Im zweiten Fall hat sie die Stärke, den falschen Anschuldigungen standzuhalten und in sich zu ruhen, da sie die innere Gewissheit hat, dass die Anschuldigungen unbegründet sind. Wenn Sie Leid erlebt, kann sie mitfühlend reagieren, ohne sich selbst die Schuld daran zu geben. Und wenn sie nach der Arbeit nach Hause kommt, kann sie ruhig schlafen, solange sie die Gewissheit hat, dass sie nach bestem Wissen und Gewissen das Richtige und Bestmögliche getan hat.

 

Zumindest ist das meine Einschätzung. Vielleicht wird unser Pfleger Frank oder unser Arzt rorro mir hier widersprechen?!

 

Von daher meine ich, dass Menschen, die ihren Idealen treu zu bleiben versuchen, auch wenn es nicht immer gelingt, dem Leben und der Liebe besser dienen können als Menschen, die sich von verschiedensten Lebensumständen aus der Bahn werfen lassen und gutmeinend und wohlmeinend im Namen der Liebe und des Lebens ihren Kompass über Bord werfen.

 

 

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vor 4 Stunden schrieb duesi:

Du nennst lauter Beispiele von Menschen, die sich eben nicht vorbildlich verhalten, sondern sich selbst für Vorbilder halten. Das ist jedoch etwas völlig anderes. Menschen, die ich als Vorbilder betrachte, ...

 

Von Menschen, die DU als Vorbilder betrachtest, war überhaupt nicht die Rede. Die interessieren mich, wenn überhaupt, höchstens am Rande. Ich habe mich, was Du jetzt geflissentlich beiseite schiebst, ausschließlich auf Deine Rede von DEINER angestrebten Vorbildlichkeit bezogen, von DEINEM Wunsch, von dem Du schreibst, dass er Dein "allergrößtes Bestreben" sei -  und dabei sind mir halt Erinnerungen an derlei Menschen aufgedämmert, die sich möglicherweise dasselbe oder ein ähnlich hehres Ziel wie Du gesetzt haben (jedenfalls habe ich Ihnen das wohlmeinend zu deren Gunsten unterstellt) - und das, was am Ende dabei herausgekommen ist.
Hier hat es schon einmal geklingelt, da konnte ich gerade noch an mich halten:

 

vor 23 Stunden schrieb duesi:

Allerdings gibt es genügend Gelegenheiten, in denen die Überzeugungen zu richtig und falsch offen zutage treten. Und da halte ich es durchaus für meine Aufgabe, Stellung zu beziehen.

 

Derselbe Nachbar - von dem meine Mutter nicht durch nen Gartenzaun, sondern durch eine Straße getrennt wohnte - fühlte sich bemüßigt und empfand es durchaus als seine Aufgabe, am Tag ihrem Begräbnis lauthals und von Wohnungsfenster zu Wohnungsfenster, lauthals und einer Posaune ähnlich über die Straße tönend, Stellung zu beziehen und uns mitzuteilen, dass er das gegen Ende des Begräbnisses am offenen Grab gesprochene "Ave Maria" für falsch, unbiblisch, und ich weiss nicht was sonst noch gehalten habe. Ich hatte beinahe das Gefühl, ich müsse ihm noch dafür dankbar sein, dass er mit seiner Stellungnahme "falsch" nicht schon am offenen Grab losgelegt hatte. Allerdings wurde dieser Anflug von Dankbarkeit dann doch von der Erleichterung überlagert, dass mein Bruder die "Stellungnahme" des Herrn Nachbarn nicht mitbekommen hatte. Wahrscheinlich hätte der nicht nur das Fenster einfach zugeklappt! Der fromme Nachbar hat doch auch nichts anderes gemacht als das, was Du anstrebst: als überzeugter Protestant, der "Marienverehrung" als fürchterlich falsch empfindet, hat er die Gelegenheit wahrgenommen, seiner sich selbst gestellten "Aufgabe" nachzukommen, eine ihm als offen falsch erscheinende katholische Praxis lauthals und von Straßenseite zu Straßenseite tönend, als falsch zu bezeichnen, nachdem sie für ihn am Vortag am offenen Grab der gutmütigen Nachbarin offen zu Tage getreten ist.

 

bearbeitet von Julius
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Ich möchte nur kurz nochmal den Unterschied betonen: Das Streben danach, ein Leben zu führen, das andere als vorbildhaft empfinden KÖNNTEN. Und das Streben danach, die eigene Vorbildlichkeit anderen aufs Auge zu drücken "seht her, so wie ich sollte jeder leben". Das sind zwei Paar Schuhe. Die Beispiele, die du nennst, fallen sämtlich in die zweite Kategorie, mit der ich mich nicht identifiziere.

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vor 8 Stunden schrieb Jocke:

Das halte ich für einen Irrtum. Es ist nicht gut, dass der Mensch alleine ist. So hat es Gott in Genesis erkannt und das entspricht der Theorie und Praxis.

Der Nächste, das ist das Lebensmittel schlechthin, durch nichts zu ersetzen.

Ich führe ja kein Eremitendasein.

 

Aber, ich unterstelle dir nicht, dass du das meinst: Jedoch den Partner als "Lebensmittel" zu betrachten, kann auch missbräuchlich verstanden werden. Der andere soll mein Bedürfnis erfüllen. Er soll mein Leben vollständig machen. Er soll mich glücklich machen. Der andere ist Mittel zum Zweck.

 

Dietrich Bonhoeffer hat etwas darüber geschrieben, was der Unterschied zwischen einer seelischen Liebe ist, die den anderen besitzen und erobern und für die eigenen Zwecke instrumentalisieren möchte und der geistlichen Liebe, die dem anderen dienen möchte und ihm seine Freiheit lässt. Die Veröffentlichung ist von 1938 und fällt damit nicht mehr unter das Urheberrecht. Ich zitiere:

Zitat

Seelische Liebe liebt den Andern um seiner selbst willen, geistliche Liebe liebt den Andern um Christi willen. Darum sucht seelische Liebe die unmittelbare Berührung mit dem Andern, sie liebt ihn nicht in seiner Freiheit, sondern als den an sie Gebundenen, sie will mit allen Mitteln gewinnen, erobern, sie bedrängt den Andern, sie will unwiderstehlich sein, sie will herrschen. Seelische Liebe hält nicht viel von der Wahrheit, sie relativiert sie, weil nichts, auch nicht die Wahrheit, störend zwischen sie und den geliebten Menschen treten darf. Seelische Liebe begehrt den Andern, seine Gemeinschaft, seine Gegenliebe, aber sie dient ihm nicht. Vielmehr begehrt sie auch dort noch, wo sie zu dienen scheint.

 

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vor 32 Minuten schrieb duesi:

Ich möchte nur kurz nochmal den Unterschied betonen: Das Streben danach, ein Leben zu führen, das andere als vorbildhaft empfinden KÖNNTEN. Und das Streben danach, die eigene Vorbildlichkeit anderen aufs Auge zu drücken "seht her, so wie ich sollte jeder leben". Das sind zwei Paar Schuhe. Die Beispiele, die du nennst, fallen sämtlich in die zweite Kategorie, mit der ich mich nicht identifiziere.

 

Nein, das ist nicht richtig, die von mir genannten Beispiele fallen keineswegs "sämtlich in die zweite Kategorie" - sie erzählen von einem Menschen, der keineswegs - wie Du ihm zu unterstellen beliebst - unterwegs war um anderen "die eigene Vorbildlichkeit aufs Auge zu drücken", sondern der, wie Du (nach Deinem Bekunden), danach "gestrebt" hat, ein (protestantisches) Leben zu führen, das andere als seiner Meinung nach vorbildhaft hätten empfinden können. Der hat nicht über die Straße getönt "ich bete kein Ave Maria, seht her wie vorbildlich ich bin", sondern der hat sich bemüßigt oder gar in der Pflicht gefühlt, bei sich bietender Gelegenheit "Stellung zu beziehen" und als "falsch" zu bezeichnen, was er für falsch gehalten hat (und wohl immer noch für falsch hält), und zwar durchaus auf die Gefahr hin, die auch DU auf Dich zu nehmen gewillt bist - nämlich dass ihm mal jemand für seine frommen Reden aus Versehen mit der Faust über's Maul fährt. Und er findet dafür in seiner Bibel Anhaltspunkte noch und nöcher, auf die er sich zu stützen können meint.

bearbeitet von Julius
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Es ist doch ein Unterschied, ob er wenige Tage nach der Beerdigung sich bemüßigt sieht, dir zu sagen, dass das Ave Maria etwas schlechtes ist. Oder ob er dafür respektlos über die Straße brüllt. Ich meine, ich bete selbst das Ave Maria. Das habe ich nicht immer so gesehen. Aber wenn ich als ehemaliger Protestant mit dir über die Berechtigung der Heiligenverehrung reden wollte, würde ich dich höflich vorher fragen, ob du an einem Gespräch über die Berechtigung deiner Weltanschauung interessiert wärest. Würdest du mir ein Interesse signalisieren, einen Dialog über Für und Wieder der Heiligenverehrung zu führen, würde ich Position beziehen. Würdest du sagen, dass du für ein solches Gespräch weder Zeit noch Interesse hättest, würde ich das respektieren.

 

In dem von mir geschilderten Fall war ja mein muslimischer Nachbar ausdrücklich interessiert daran, seine Überzeugung zu vertreten und zu verbreiten. Da ist es dann auch nicht respektlos, Position zu beziehen.

bearbeitet von duesi
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vor 31 Minuten schrieb duesi:

Es ist doch ein Unterschied, ob er wenige Tage nach der Beerdigung sich bemüßigt sieht, dir zu sagen, dass das Ave Maria etwas schlechtes ist. Oder ob er dafür respektlos über die Straße brüllt.

 

Ach was, konstruiere jetzt bitte keine "Unterschiede", mit deren Hilfe Du meinst, die distanzieren zu können. Es ist völlig einerlei, ob er mich diskret zur Seite nimmt oder über die Straße brüllt, dass ihm das Ave Maria bei der Beerdigung meiner Mutter sauer aufgestoßen hat, eine Dreistigkeit ist es allemal - dass er sich überhaupt dazu bemüßigt fühlt, rechtfertigt(e) er jedenfalls mit denselben Vorstellungen, die Du hier als die Deinigen vorträgst - und DARUM geht es hier, nicht um die Form des "Stellung beziehens".

bearbeitet von Julius
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Du kannst die Unterschiede noch so in Abrede stellen. Sie existieren. Du hast nicht die Berechtigung, mich mit einem Verhalten in einen Topf zu werfen, mit dem ich nicht einverstanden bin. Wenn es dir schon zu viel wäre, dass dich überhaupt jemand respektvoll fragt, ob er mit dir einen weltanschaulichen Dialog führen darf, dann divergieren unsere Wertvorstellungen hier aber sehr wohl. Ich halte mich dafür berechtigt, einen Menschen danach zu fragen. Und kann daran nichts verwerfliches erkennen. Wer kein Interesse daran hat, der soll das sagen.

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Long John Silver
vor 47 Minuten schrieb duesi:

Ich führe ja kein Eremitendasein.

 

Aber, ich unterstelle dir nicht, dass du das meinst: Jedoch den Partner als "Lebensmittel" zu betrachten, kann auch missbräuchlich verstanden werden. Der andere soll mein Bedürfnis erfüllen. Er soll mein Leben vollständig machen. Er soll mich glücklich machen. Der andere ist Mittel zum Zweck.

 

Dietrich Bonhoeffer hat etwas darüber geschrieben, was der Unterschied zwischen einer seelischen Liebe ist, die den anderen besitzen und erobern und für die eigenen Zwecke instrumentalisieren möchte und der geistlichen Liebe, die dem anderen dienen möchte und ihm seine Freiheit lässt. Die Veröffentlichung ist von 1938 und fällt damit nicht mehr unter das Urheberrecht. Ich zitiere:

 

 

Sorry, Bonhoeffer hin, Bonhoeffer her, aber das ist Bloedsinn, was du da zitierst. 

 

1. Ich liebe eine Person, eine Frau, um ihrer selbst willen und nicht um Christi Willen.

2.  Es ist ein Verrat an dieser Frau, wenn ich statt mir ihr eine Beziehung zu Dritt fuehre, indem sie aus unersichtlichen die 2 Geige spielt, weil ich irgendeiner religioesen Ideal nachhaenge. 

3. Man kann auch aus skupelloesenm

christlichen ueberspannten Gruenden auf beiden Seiten vom Pferd fallen. 

 

4. Klar moechte ich diese Frau fuer mich haben und besitzen. Und wenn dieses Gefuehl auf Gegenseitigkeit beruht, ist das weder unchristlich noch gegen Gott gerichtet noch verletzt es die Freiheit oder Wuerde  des anderen.  

 

Wobei man wieder sieht - auch Leute ,die oft gutes gedacht und formuliert haben, koennen Mist erzaehlen und ein Theologe ist fuer mich eigentlich nicht der passende Paarberater. 

bearbeitet von Long John Silver
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@duesi

Du kannst dich ja mit einem Plakat in die Innenstadt stellen, auf dem steht: „Ich möchte Sie gern über die einzig richtige Moral belehren! Haben Sie einen Augenblick Zeit?“ Alles andere wäre übergriffig. ;)

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Long John Silver
vor 3 Minuten schrieb duesi:

Du kannst die Unterschiede noch so in Abrede stellen. Sie existieren. Du hast nicht die Berechtigung, mich mit einem Verhalten in einen Topf zu werfen, mit dem ich nicht einverstanden bin. Wenn es dir schon zu viel wäre, dass dich überhaupt jemand respektvoll fragt, ob er mit dir einen weltanschaulichen Dialog führen darf, dann divergieren unsere Wertvorstellungen hier aber sehr wohl. Ich halte mich dafür berechtigt, einen Menschen danach zu fragen. Und kann daran nichts verwerfliches erkennen. Wer kein Interesse daran hat, der soll das sagen.

 

Ich widerspreche deiner Auffassung. Es hat gute Gruende, dass im allgemeinen Zusammenleben die Regel gilt (jedenfalls in meinen Kreisen): im allgemeinen Gespraech keine Religion keine Sexualitaet, keine Politik. Bevor ich mit jemanden ueber eines dieser drei Themen rede, muss ich ihn sehr gut privat kennen. Dann wiederum kennt er meistens meine Ansichten sowieso :-)) Vielleicht ist das einfach eine Frage der gesellschaftlichen Taktgefuehls, sich so zurueckhaltend zu benehmen? 

 

 

 

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vor 36 Minuten schrieb duesi:

Du hast nicht die Berechtigung, mich mit einem Verhalten in einen Topf zu werfen, mit dem ich nicht einverstanden bin.

 

Ach, entschuldige vielmals, wenn es so herübergekommen sein sollte, dass ich Dich mit einem "Verhalten" in einen Topf geworfen hätte. Das war nicht meine Absicht, und das ist, wie ich meine, aus dem was ich geschrieben habe, auch nicht herzuleiten. Ich habe nirgendwo geschrieben, dass ich Dir dasselbe Verhalten (über die Straße zu brüllen) im Einzelfall unterstellen würde, sondern darauf hingewiesen, dass die Rechtfertigung des ehemaligen Nachbarn für sein Herummeckern am "Ave Maria" DEINEN hier nachzulesenden Rechtfertigungen Deiner Sehnsucht nach "Vorbildlichkeit" beinahe bis auf's i-Tüpfelchen gleicht.

bearbeitet von Julius
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vor 15 Minuten schrieb Long John Silver:

 

Ich widerspreche deiner Auffassung. Es hat gute Gruende, dass im allgemeinen Zusammenleben die Regel gilt (jedenfalls in meinen Kreisen): im allgemeinen Gespraech keine Religion keine Sexualitaet, keine Politik. Bevor ich mit jemanden ueber eines dieser drei Themen rede, muss ich ihn sehr gut privat kennen. Dann wiederum kennt er meistens meine Ansichten sowieso :-)) Vielleicht ist das einfach eine Frage der gesellschaftlichen Taktgefuehls, sich so zurueckhaltend zu benehmen? 

 

 

 

Sorry, aber dieses gesellschaftliche Taktgefühl halte ich für absolut falsch. Das ist genau der falsche Zeitgeist, der die Themen Religion, Moral und Weltanschauung ins Private abdrängen will, damit sie keine gesellschaftliche Rolle mehr spielen. Ich koche mein Süppchen, du kochst dein Süppchen und was du machst und was ich mache, geht den anderen nichts an. Ich lehre meine Kinder, dass Ehebrecher hingerichtet gehören und du lehrst deine Kinder, dass Religion völliger Humbug ist. Sorry, aber diese Haltung halte ich für brandgefährlich. Dadurch dass wir Christen heute solche Weicheier sind und uns mit unseren Überzeugungen so schamhaft zurückhalten, werden zukünftige und heutige kriegerische Konflikte, die Menschenleben kosten, befördert und angeheizt. Nur was die Medien uns als Moral predigen, ist gesellschaftliches Gesprächsthema. Alles andere ist Tabu.

 

Es herrscht ein geistiger Krieg in der Welt. Und dieser Krieg wird um die Definitionshoheit von richtig und falsch, gut und böse ausgefochten. Dieser geistige Krieg wird mit realen Waffen ausgefochten. Und fordert reale Menschenleben. Christen haben nicht die Aufgabe, ihre Überzeugungen mit Waffengewalt zu vertreten. Sehr wohl aber die Aufgabe, engagiert für die Wahrheit und das Gute und Richtige einzutreten. Mit der Waffe des Wortes. Sich diesem Krieg zu verweigern heißt letztendlich ihn zu verschlimmern. Wer sich für das Wahre und Gute einsetzt, der muss sich rechtfertigen? Der ist übergriffig? Nein, ich behaupte das Gegenteil: Wer sich dem Eintreten für das Gute und Wahre verweigert, der muss sich rechtfertigen. An dessen Händen klebt das Blut unschuldiger Menschen. Seine Feigheit und sein falsches Taktgefühl werden noch zu einem bösen Erwachen führen.

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vor einer Stunde schrieb duesi:

Ich führe ja kein Eremitendasein.

 

Aber, ich unterstelle dir nicht, dass du das meinst: Jedoch den Partner als "Lebensmittel" zu betrachten, kann auch missbräuchlich verstanden werden. Der andere soll mein Bedürfnis erfüllen. Er soll mein Leben vollständig machen. Er soll mich glücklich machen. Der andere ist Mittel zum Zweck.

 

Dietrich Bonhoeffer hat etwas darüber geschrieben, was der Unterschied zwischen einer seelischen Liebe ist, die den anderen besitzen und erobern und für die eigenen Zwecke instrumentalisieren möchte und der geistlichen Liebe, die dem anderen dienen möchte und ihm seine Freiheit lässt. Die Veröffentlichung ist von 1938 und fällt damit nicht mehr unter das Urheberrecht. Ich zitiere:

 

Das von dir, das meine ich, darauf beziehe ich mich: "Das, was einen Menschen glücklich machen kann, findet er nur in sich selbst, wenn er mit sich selbst im Reinen ist und die Zuversicht hat, auf dem richtigen Weg zu sein."

 

Ich glaube, was einen Menschen glücklich macht, das findet er im Nächsten, das findet der Mensch nicht in sich selbst, sondern im Nächsten.

Das Glück des Menschen hängt von der Qualität der Beziehungen zu seinen Mitmenschen ab.

Ich glaube, wer das nicht hat, der wird zuerst seelisch krank werden.

Meiner Meinung nach ist das allerwichtigeste im Leben eines Menschen, gute Beziehungen zu Mitmschen zu haben, weil davon das reiche Leben des Einzelnen abhängt.

 

Menschen, ohne tiefe und damit belastbare Beziehungen zu Mitmenschen, die funktionieren schlecht.

 

Liebe ist in den guten und schlechten Tagen.  Liebe ist, wenn sie belastbar ist. Ist es nicht belastbar, dann ist es nie Liebe gewesen, sondern etwas anderes.

So gibt es durchaus Menschen, die nie geliebt wurden und die auch nicht lieben werden. Und das sind die ärmsten Wesen auf diesem Erdenrund.

Nichts und niemand ersetzt die Liebe, die dir ein anderer Mensch schenkt.

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vor 4 Minuten schrieb Jocke:

Das von dir, das meine ich, darauf beziehe ich mich: "Das, was einen Menschen glücklich machen kann, findet er nur in sich selbst, wenn er mit sich selbst im Reinen ist und die Zuversicht hat, auf dem richtigen Weg zu sein."

 

Ich glaube, was einen Menschen glücklich macht, das findet er im Nächsten, das findet der Mensch nicht in sich selbst, sondern im Nächsten.

Das Glück des Menschen hängt von der Qualität der Beziehungen zu seinen Mitmenschen ab.

Ich glaube, wer das nicht hat, der wird zuerst seelisch krank werden.

Meiner Meinung nach ist das allerwichtigeste im Leben eines Menschen, gute Beziehungen zu Mitmschen zu haben, weil davon das reiche Leben des Einzelnen abhängt.

 

Menschen, ohne tiefe und damit belastbare Beziehungen zu Mitmenschen, die funktionieren schlecht.

 

Liebe ist in den guten und schlechten Tagen.  Liebe ist, wenn sie belastbar ist. Ist es nicht belastbar, dann ist es nie Liebe gewesen, sondern etwas anderes.

So gibt es durchaus Menschen, die nie geliebt wurden und die auch nicht lieben werden. Und das sind die ärmsten Wesen auf diesem Erdenrund.

Nichts und niemand ersetzt die Liebe, die dir ein anderer Mensch schenkt.

Ja, okay, diese Korrektur nehme ich an. Zu meinen, dass man alleine für sich auf dem rechten Weg sei, kann auch zu Einbildung und Eigenbrödlertum führen, wenn jemand nicht das Feedback vom Nächsten bekommt und keine Korrektur mehr annimmt. Ich bin sehr dankbar für gute Freunde, die mir bereits das eine oder andere mal ein offenes Wort gesagt haben, mich von Wegen bewahrt haben, die nicht gut für mich waren. Es sind zwar nur wenige wirklich tragfähige stabile Beziehungen, die ich habe. Aber diese sind dafür um so fester und stabiler. Da gibt es ein starkes gemeinsames Wertefundament, auch wenn wir nicht immer in allem einer Meinung sind. Das Wissen, dass der andere immer, wenn es darauf ankommt, für einen da ist. Und auch bereit ist, Opfer für einen zu bringen. Und ich bin auch im Umkehrschluss bereit, mich da zu investieren.

 

Und doch gibt es die Redewendung: "Wer sich auf Menschen verlässt, der ist verlassen." Auch der alttestamentliche Prophet Jeremia hat dazu etwas gesagt

 

Zitat

Jeremia 17

5 So spricht der HERR: Verflucht der Mensch, der auf Menschen vertraut, auf schwaches Fleisch sich stützt und dessen Herz sich abwendet vom HERRN.

6 Er ist wie ein Strauch in der Steppe, der nie Regen kommen sieht; er wohnt auf heißem Wüstenboden, im Salzland, das unbewohnbar ist.

7 Gesegnet der Mensch, der auf den HERRN vertraut und dessen Hoffnung der HERR ist.

8 Er ist wie ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist und zum Bach seine Wurzeln ausstreckt: Er hat nichts zu fürchten, wenn Hitze kommt; seine Blätter bleiben grün; auch in einem trockenen Jahr ist er ohne Sorge, er hört nicht auf, Frucht zu tragen.

Bitte sieh es mir nach, dass ich so oft Bibelstellen zitiere. Es ist nicht meine Absicht, andere mit Bibelstellen zuzupflastern. Oder diese Bibelstellen als unfehlbare Autorität zu proklamieren. Jedoch komme ich aus einem Umfeld, in dem die Betrachtung der heiligen Schrift zum Alltag gehört hat. Und auch wenn ich mittlerweile katholisch bin und die Bibel nicht mehr als unfehlbar betrachte, lass ich mein Denken und mein Streben weiter von der heiligen Schrift inspirieren. Und mein Denken lässt sich nun mal nicht erklären, ohne manchmal Bibelstellen zu zitieren.

 

Ich denke, dass ich Gott nicht im Herzen begegnen kann, wenn ich ihm nicht auch im Nächsten begegne. Ihn im Nächsten liebe, wertschätze, respektiere und mir von ihm im Nächsten etwas sagen lasse. Ihm im Nächsten diene und mir von ihm im Nächsten dienen lasse. Und dennoch: Menschen können enttäuschen. Gott enttäuscht nicht. Menschen können aus dem Leben scheiden. Gott bleibt. Menschen können an ihre Grenzen kommen. Gott ist unbegrenzt. Menschen können mich im letzten nicht halten. Aber Gott hat versprochen, dass er es tun wird.

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Im Moment ringe ich gerade mit mir, ob ich @duesis Ausbrüche von Verbalradikalismus ernst nehmen soll oder nicht. Ich denke, im Interesse der Forumskultur und meines Blutdrucks lasse ich es lieber. ;)

bearbeitet von Marcellinus
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vor einer Stunde schrieb duesi:

... wir Christen...

Ich habe den Eindruck, dass bei Christen kaum von einem "wir" gesprochen werden kann. Unter Christentum wird je nachdem etwas völlig unterschiedliches verstanden. Auch die Bibel ist da keine gemeinsame Basis.

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Ich muss mich für meinen vorletzten Beitrag entschuldigen. Ich habe mich da in etwas hineingesteigert und ein paar Dinge geschrieben, die ich nicht schreiben sollte und nicht schreiben wollte. Vergebt mir! Wenn ihr möchtet, lösche ich diesen Beitrag.

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vor 4 Minuten schrieb duesi:

Bitte sieh es mir nach, dass ich so oft Bibelstellen zitiere. Es ist nicht meine Absicht, andere mit Bibelstellen zuzupflastern. Oder diese Bibelstellen als unfehlbare Autorität zu proklamieren. Jedoch komme ich aus einem Umfeld, in dem die Betrachtung der heiligen Schrift zum Alltag gehört hat. Und auch wenn ich mittlerweile katholisch bin und die Bibel nicht mehr als unfehlbar betrachte, lass ich mein Denken und mein Streben weiter von der heiligen Schrift inspirieren. Und mein Denken lässt sich nun mal nicht erklären, ohne manchmal Bibelstellen zu zitieren.


Ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn jemand sich und seine Fragen in einen Dialog mit der Bibel stellt. Ganz im Gegenteil, auch für mich ist die Auseinandersetzung mit biblischen Erzählungen und Aussagen ebenfalls etwas, das mir ganz existenziell hilft, mich im Leben zu verorten und manches besser zu verstehen. Für mich ist die Schrift sehr wohl ein Wegweiser in der Landschaft des Lebens.

Womit ich aber schon etwas Mühe habe, ist die Art und Weise, wie du diese Texte einsetzt (nicht immer, aber es fühlt sich oft so an): Ich tu mir schwer, es zu beschreiben; Ich könnte es mir vorstellen, dass es mit deiner religiösen Herkunft zu tun hat. Jedenfalls ist es für mich mit meinem liberal-katholisch-gelernten Umgang mit Bibel wirklich irriterend, es fühlt sich an, als wären die Texte für dich eine Art technische Gebrauchsanweisung, die man Punkt für Punkt umsetzen kann und soll. Als wäre es völlig klar, was jeder Satz zu bedeuten hätte, als könnte man sich die Mühe des Übersetzens ins eigene Leben ersparen und das Verknüpfen mit den ganz heimlichen, feinen, verletzlichen Bewegungen der Seele.
 

Zitat

Ich nehme mal an, dass du mit gewissen Bibelstellen ein Problem hast, wenn du den Wunsch, ein Vorbild für andere zu sein und das Streben nach dem Ehrbaren und Richtigen und die Nachahmung Gottes für eine falsche Überhöhung hältst.


Was du in diesem Posting zitierst, die Zitate aus dem Epheserbrief, aus Philipper und Titus - das stimmt, das ist ein Denken und Fühlen , das mir fremd ist und das ich bestenfalls aus dem historischen Kontext heraus verstehen kann. Für mich sind es die Evangelien und ist es die hebräische Bibel, die mit Leben gefüllt sind und mich ansprechen.

Verstehst du Jesus denn ernsthaft so, dass er die Menschen um ihn auffordert, vorbildhaft, ehrhaft, ... was weiß ich wie ... zu leben?

 

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vor 11 Minuten schrieb duesi:

Ich muss mich für meinen vorletzten Beitrag entschuldigen. Ich habe mich da in etwas hineingesteigert und ein paar Dinge geschrieben, die ich nicht schreiben sollte und nicht schreiben wollte. Vergebt mir! Wenn ihr möchtet, lösche ich diesen Beitrag.


Vielleicht war das wichtig, dass du das geschrieben hast. Weil es so auch für dich selbst deutlicher geworden ist, was für etliche andere so irritierend ist an dem, was du schreibst? Und worin die Gefahr deiner Überlegungen besteht?

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vor einer Stunde schrieb Ennasus:

Womit ich aber schon etwas Mühe habe, ist die Art und Weise, wie du diese Texte einsetzt (nicht immer, aber es fühlt sich oft so an): Ich tu mir schwer, es zu beschreiben; Ich könnte es mir vorstellen, dass es mit deiner religiösen Herkunft zu tun hat. Jedenfalls ist es für mich mit meinem liberal-katholisch-gelernten Umgang mit Bibel wirklich irriterend, es fühlt sich an, als wären die Texte für dich eine Art technische Gebrauchsanweisung, die man Punkt für Punkt umsetzen kann und soll. Als wäre es völlig klar, was jeder Satz zu bedeuten hätte, als könnte man sich die Mühe des Übersetzens ins eigene Leben ersparen und das Verknüpfen mit den ganz heimlichen, feinen, verletzlichen Bewegungen der Seele.

Nein, ich meine nicht, dass ich bereits verstünde, was jeder einzelne Satz bedeutet und ich verstehe die heilige Schrift auch nicht als eine Art technischer Gebrauchsanweisung. Es ist eine Art lebendiger Brief, der das Ringen der Menschen unter Leitung des heiligen Geistes mit der Frage nach Gott und Wahrheit beschreibt. Ich stimme LJS schon zu, dass ein Bibeltext dem einen das eine und dem anderen das andere sagen kann. Und dann sollte es auch die Bereitschaft geben, mal den Hut vor einer Stelle zu ziehen und weiterzugehen, wenn sie einem nichts sagt oder irritierend ist. Die ganze Kirchengeschichte ist eigentlich ein Ringen der Menschen, das, was uns überliefert ist, in das heutige Leben zu übersetzen und fruchtbar zu machen. Wenn ich also Bibelstellen zitiert habe, habe ich mich ständig bemüht, den Stand der Forschung, so wie ich ihn kenne, ernst zu nehmen und meine Überlegungen deutlich zu machen, aus welchem Grund ich in diesen Schriftstellen etwas wahres und gutes zu erkennen meine. Aber es stimmt, wenn man sich einmal manche Bibelstellen mit der Holzhammermethode zu Gemüte geführt hat, wird man etwas unempfindlicher und damit weniger empfindsam gegenüber den verletzlichen Bewegungen der Seele. Dass muss ich mir selbst immer wieder sagen, wenn ich mit Menschen mit anderem Hintergrund spreche.

 

Manchmal kann die Holzhammermethode und ein klares Werturteil jedoch auch Leben retten. Es gab in meinem Studium eine Phase, in der ich total verzweifelt war, alles hinschmeißen wollte und in allem keinen Sinn mehr gesehen habe. Und meiner Familie die Ohren voll gejammert habe. Sie haben mir alle versucht, ihr Mitgefühl und Verständnis auszusprechen, was nur dazu geführt hat, dass ich mich umso mehr in meinem Selbstmitleid gesuhlt habe. Meine Oma jedoch sagte mir: "Wenn du so bist, wird aus dir nix! Ich hab viele Menschen gesehen. Wenn du dabei bleibst, wirst du zugrunde gehen." Knallhart. Das war genau das, was ich gebraucht hatte. Und führte dazu, dass ich mich wieder auf meinen Hosenboden gesetzt habe, mich wieder um meine Pflichten gekümmert habe und mein Studium fertig gemacht habe.

 

vor einer Stunde schrieb Ennasus:

Verstehst du Jesus denn ernsthaft so, dass er die Menschen um ihn auffordert, vorbildhaft, ehrhaft, ... was weiß ich wie ... zu leben?

Ich verstehe ihn so, dass er sie auffordert, nach dem vorbildhaften, ehrbaren, guten zu streben (auch wenn sich dieser Wortlaut in den Evangelien so nicht findet).

 

Allerdings nach dieser Diskussion nicht mehr in dem Sinne, dass damit eine besonders vorbildliche Moral gemeint sei. Bei Jesus ist wohl Raum für ein weites Spektrum an Moralvorstellungen. Allerdings nicht ein beliebiges. Es muss der Liebe und dem Leben untergeordnet sein. Es geht ihm auch nicht um formale Regelerfüllung. Sondern um einen Menschen, der sein Herz zuerst auf Gott ausgerichtet hat und frei davon ist, von der Meinung der Mitmenschen abhängig zu sein. Wenn Jesus das Gebot der Gottesliebe zitiert, dann fügt er zu dem Gebot der Thora den Zusatz hinzu "und mit ganzem Gemüt", der sich in der Thora nicht findet. Das zeigt, wie zentral und wichtig für Jesus das Gebot der Gottesliebe gewesen ist, dass sogar die ganze Gemütswelt, also die ganzen Gefühle und Verletzlichkeiten des Menschen, auf Gott ausgerichtet sein sollen, der "in das Verborgene sieht". Wenn du das anders siehst, lasse ich mich gerne eines besseren belehren.

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Long John Silver
vor 11 Stunden schrieb duesi:

Ich muss mich für meinen vorletzten Beitrag entschuldigen. Ich habe mich da in etwas hineingesteigert und ein paar Dinge geschrieben, die ich nicht schreiben sollte und nicht schreiben wollte. Vergebt mir! Wenn ihr möchtet, lösche ich diesen Beitrag.

 

Nein, lass gut sein.

 

Was anderes geht mir durch den Sinn. Vielleicht moechtest du dazu Stellung nehmen.

 

Was ist "Gott begehren im Herzen"?

 

Ich begehre Gott nicht. Ich verehre ihn auch nicht im klassischen Sinn oder bete ihn an. Gott ist fuer mich etwas schlichtweg Gegebenes, eine Struktur in meinen Leben, ein Gegenueber. Gott ist Gott, und damit hat es fuer mich auch. Ich konnte auch nie verstehen, dass so viele Diskussionen darueber entbrannten,  wer Gott sei und was er sei und was er koenne und was nícht und ob er nun so oder so oder so oder anders waere.  Die Frage, wer jetzt vorrangig in meinem Herzen wohnen soll, ist mir fremd. Zuallererst wohnen darin meine Kinder, dann der/die anderen Menschen, die ich liebe, meine Tiere, eine Reihe Leute, die mir am Herzen liegen, Dinge, die mir wertvoll sind und wichtig.Und nicht zuletzt die Liebe zum Leben, so schlimm und schwierig und beschissen es auch im einzelnen sein mag. Ein abstraktes Ideal, und damit komme ich auf diesen Begriff von dir, wohnt darin nicht, weder ethisch noch religioes noch politisch. Ich denke schon, dass es Menschen gibt, die solchen abstrakten Idealen oder einer religioesen Lehre den Vorrang einraeumen, ich kann es mir nicht vorstellen. Die Betonung liegt auf abstrakt. Ich selbst bin ein ausgesprochen nach der Bibel orientierter Christ und ich wuerde mich im positiven Sinn als fromm bezeichnen. Als ich getauft wurde, dachte ich nicht an irgendeine Nachfolge im Sinn von Moral oder Anstand oder ehrenhaft leben oder Idealen oder einem Auftrag, ich dachte eher daran, mich jemandem anzuvertrauen, ihm mein Leben anzuvertrauen, zu bekennen, dass er Gottes Sohn ist. Einfach Ja zu sagen zu einer Beziehung, ein oeffentliches Glaubensbekenntnis.  Fuer mich war und ist Jesus der Gute Hirte,  der Weltenherrscher, kam erst spaeter richtig in meinen Leben mir zum Bewusstsein, was das bedeutet. Ich habe Jesus nie mit einer besonderen Moral verknuepft oder einem Ideal oder einer Handlungsanweisung (was wuerde Jesus sagen/meinen/wollen)? Das hiesse fuer mich: Jesus verzwecken als Projektionsflaeche fuer abstrakte Ideale oder eine angeblich feststehende christliche oder goettliche Moral, die man einfordern koennte (und die meistens ziemlich skrupelloes ist. Das empfinde ich auch bei dir, wenn du so vehement gegen das Phantom des angeblich so haltlosen und moralisch verwahrlosten und  egoistischen postmodernen Menschen skizzierst. Du bist nicht fair den Menschen gegenueber in dieser Schwarz-Weiss-Malerei, sondern sehr, sehr unfair). 

bearbeitet von Long John Silver
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vor 14 Stunden schrieb duesi:

Ich denke, dass ich Gott nicht im Herzen begegnen kann, wenn ich ihm nicht auch im Nächsten begegne. Ihn im Nächsten liebe, wertschätze, respektiere und mir von ihm im Nächsten etwas sagen lasse. Ihm im Nächsten diene und mir von ihm im Nächsten dienen lasse. Und dennoch: Menschen können enttäuschen. Gott enttäuscht nicht. Menschen können aus dem Leben scheiden. Gott bleibt. Menschen können an ihre Grenzen kommen. Gott ist unbegrenzt. Menschen können mich im letzten nicht halten. Aber Gott hat versprochen, dass er es tun wird.

Ich denke, dass Wesentliche ist die Beziehung des Menschen zum Menschen. Wenn die gestört ist, dann sind die betroffenen Menschen gestört. Nichts ersetzt und nichts repariert das. Ein Mensch ist ein Gegenüber in jeder Hinsicht. Gott ist das nicht. Gott musst du dir vorstellen, du gehst da mit deiner Vorstellung um, also mit dir selbst.

Alles was du hier grundsätzlich ändern würdest, hat seine Ursache in mangelhafter Zwischenmenschlichkeit.

Gott ist weit weg, weil von dir unabhängig. Gott braucht von dir nichts, ganz anders dein Nächster, der braucht alles von dir.

Alle Religionen basieren auf gestörter Zwischenmenschlichkeit, haben diese zur Ursache. Das glaube ich.

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